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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.11.2003
Aktenzeichen: 4 Ta 795/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 4
1. Prozeßkostenhilfe kann grundsätzlich nur für einen noch durchzuführenden Rechtsstreit - sei es zur Rechtsverfolgung, sei es zur Rechtsverteidigung - bewilligt werden. Hat der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozeß wegen Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber die Hauptsache für erledigt erklärt, dann scheidet eine nachträgliche und rückwirkende PKH-Bewilligung - vom sog. "steckengebliebenen" PKH-Gesuch abgesehen - aus.

2. Für ein unterbrochenes oder ruhendes Verfahren darf keine Prozeßkostenhilfe mehr bewilligt werden.

3. Hat das Arbeitsgericht die PKH-Bewilligung wegen Nichtvorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgelehnt, so bleibt es der Partei im laufenden Verfahren unbenommen, unter Vorlage des ordnungsgemäß ausgefüllten und belegten amtlichen Vordruck einen neuen PKH-Antrag zu stellen. Zu beachten ist, daß die Prozeßkostenhilfe dann nicht rückwirkend ab Antragstellung, sondern frühestens ab Eingang des vollständig ausgefüllten Vordrucks und vor allem erst ab Wegfall des Ruhenstatbestandes bewilligt werden.


Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss

4 Ta 795/03

In Sachen

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgericht HAMM ohne mündliche Verhandlung am 11.11.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Berscheid

beschlossen:

Tenor:

Die (sofortige) Beschwerde des Klägers gegen den PKH-Ablehnungsbeschluß des Arbeitsgerichts Münster vom 14.10.2003 -1 Ca 2024/02 - wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Mit Klageschrift vom 30.07.2002, bei dem Arbeitsgericht am 02.08.2002 eingegangen, hat der Kläger Klage erhoben und folgende Anträge angekündigt:

1. festzustellen, dass das Umschulungsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung vom 19.07.2002 nicht beendet, sondern unverändert fortbesteht;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen zukünftigen Schaden materieller und immaterieller Art zu ersetzen, soweit dieser seine Ursache in dem Ausspruch der fristlosen Kündigung hat und ein Anspruchsübergang auf öffentliche oder private Versicherungsträger nicht erfolgt ist.

Gleichzeitig hat er mit dem Bemerken, die Erklärung über die persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnisse werde nachgereicht, um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt J1xxxx V1x aus M1xxxxx nachgesucht.

Im Gütetermin hat der Kläger erklärt, der Klageantrag zu 1) habe sich durch Rücknahme der Kündigung erledigt. Gegen den Entzug der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit habe er Widerspruch eingelegt, so daß das Verfahren zum Ruhen gebracht werden solle. Daraufhin hat das Arbeitsgericht den Beschluß verkündet:

"Das Verfahren ruht."

Mit Klageerweiterungsschrift vom 21.11.2002, bei dem Arbeitsgericht am gleichen Tage per Telefax eingegangen, hat der Kläger seine Klage erweitert und folgende Anträge angekündigt:

3. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 30.000,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen

4. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren zukünftigen Schaden materieller und immaterieller Art zu ersetzen, soweit dieser seine Ursache in der durch den Beklagten verursachten Beendigung der Weiterbildungsmaßnahme hat und ein Anspruchsübergang auf öffentliche oder private Versicherungsträger nicht erfolgt ist.

Gleichzeitig hat er auch insoweit um Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt J1xxxx V1x aus M1xxxxx mit dem Bemerken nachgesucht, im Hinblick auf das laufende sozialgerichtliche Verfahren könne das arbeitsgerichtliche Verfahren zunächst weiter ruhen.

Das Arbeitsgericht Münster hat das PKH-Gesuch durch Beschluß vom 14.10.2003 -1 Ca 2024/02 - mit der Begründung zurückgewiesen, "der Kläger hat bis zum jetzigen Zeitpunkt immer noch nicht die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt".

Gegen diesen nicht förmlich zugestellten, sondern ihm am 21.10.2003 zugegangenen Beschluß hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29.10.2003, bei dem Arbeitsgericht am 31.10.2003 eingegangen, unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 05.06.2003 und einiger Belege Beschwerde mit dem Bemerken eingelegt, sollte die Beibringung weiterer Unterlagen notwendig sein, bitte er um einen richterlichen Hinweis.

II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und als sofortige auszudeutende Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß §§ 114, 119 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Insoweit ist es erforderlich, aber auch ausreichend, daß bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen der bedürftigen Partei besteht und das PKH-Gesuch den gesetzlichen Mindestanforderungen genügt (§ 117 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO). Für die Frage, von welchem Zeitpunkt aus die Erfolgsaussicht einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu beurteilen ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung an, weil das Gericht bei seiner Entscheidung sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zu benutzen hat und es auch dem Sinn und Zweck der Prozeßkostenhilfe widerspräche, die Führung eines als aussichtslos erkannten Prozesses zu ermöglichen (OLG Düsseldorf v. 21.06.1988 - 6 W 44/88, NJW-RR 1989, 383; OLG Köln v. 19.08.1991 - 19 W 32/91, MDR 1992, 514 = VersR 1992, 1022, 1023; LAG Hamm v. 12.02.2001 - 4 Ta 277/00, AE 2001, 141 = ZInsO 2001, 432; a.A. OLG Karlsruhe v. 21.12.1993 - 2 WF 65/93, FamRZ 1994, 1123; OLG Karlsruhe v. 18.07.1996 - 2 WF 67/96, FamRZ 1997, 375). ).

2. Prozeßkostenhilfe kann grundsätzlich nur für einen noch durchzuführenden Rechtsstreit -sei es zur Rechtsverfolgung, sei es zur Rechtsverteidigung- bewilligt werden. Hat der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozeß wegen Rücknahme der Kündigung durch den Arbeitgeber die Hauptsache für erledigt erklärt, dann scheidet eine nachträgliche und rückwirkende PKH-Bewilligung in der Regel aus (LAG Hamm v. 06.02.2002 - 4 Ta 49/02, LAGReport 2002, 88). Gleiches gilt unabhängig von einer nicht erklärten Klagerücknahme, wenn sich nach Klageeinreichung heraus, daß die Hauptsache durch Rücknahme der Kündigung erledigt ist, denn dann kann für die (streitige) Fortsetzung des erledigten Rechtsstreits keine PKH mehr bewilligt werden. Mithin kann für den Klageantrag zu 1) nachträglich keine Prozeßkostenhilfe mehr bewilligt werden. Auch für ein unterbrochenes Verfahren darf keine Prozeßkostenhilfe mehr bewilligt werden (LAG Hamm v. 03.02.1999 - 4 Sa 1050/98, AE 2001, 91 = BuW 1999, 840). Für ein ruhendes Verfahren muß gleiches gelten, so daß auch für die Klageanträge zu 2 bis zu 4) zur Zeit keine Prozeßkostenhilfe bewilligt werden darf.

3.Allerdings gelten die vorgenannten Grundsätze nicht ausnahmslos. Hat das Arbeitsgericht die PKH-Bewilligung wegen Nichtvorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse oder wegen Unvollständigkeit der Unterlagen abgelehnt, so bleibt es der Partei im laufenden Verfahren unbenommen, unter Vorlage des ordnungsgemäß ausgefüllten und belegten amtlichen Vordruck oder mit vollständigen Unterlagen einen neuen PKH-Antrag zu stellen, denn eine Frist für das PKH-Gesuch nach § 114 ZPO sieht das Gesetz nicht vor. Die Grundsätze, daß nach Instanz- oder Verfahrensbeendigung - vom sog. "steckengebliebenen" PKH-Gesuch abgesehen - in der Regel keine Prozeßkostenhilfe mehr bewilligt werden darf, lassen sich auf Verfahren, bei denen das verfahren bzw. die Instanz noch nicht beendet ist, nicht übertragen. In Fällen, in denen die Durchführung des Streitverfahrens noch aussteht, bestehen gegen die Wiederholung oder Nachbesserung eines PKH-Gesuch keine Bedenken. Zu beachten ist in solchen Fällen allerdings, daß dann, wenn das PKH-Gesuch ohne amtlichen Vordruck eingereicht worden ist, die Prozeßkostenhilfe nicht rückwirkend ab Antragstellung, sondern erst ab Eingang der vollständig ausgefüllten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bewilligt werden kann und darf (LAG Hamm v. 20.11.2002 - 4 Ta 96/02, NZA 2003, 456). Wird das Verfahren im Falle der Wiederholung (als solche vorliegend die Einreichung des amtlichen Vordrucks gewertet werden könnte) oder Nachbesserung eines PKH-Gesuch nicht betrieben, kann die Prozeßkostenhilfe frühestens ab Wegfall des Ruhenstatbestandes bewilligt werden.

4.Nach alledem bleibt es vorliegend dabei, daß für den Klageantrag zu 1) nachträglich keine Prozeßkostenhilfe mehr bewilligt werden kann; die Versagung ist insoweit endgültig. Für die Klageanträge zu 2 bis zu 4) darf solange keine Prozeßkostenhilfe bewilligt werden, wie der Ruhenstatbestand noch fortdauert; danach werden die Erfolgsaussichten kritisch zu prüfen sein.

Ende der Entscheidung

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