Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 19.12.2006
Aktenzeichen: 5 Sa 642/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 2 Satz 2
1. Die kündigungsberechtigte Dienststelle des öffentlichen Arbeitgebers muss sich die Kenntnis eines nicht kündigungsberechtigten Leiters eines Gymnasiums von einem Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB im Rahmen des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB zurechnen lassen.

2. Die vorbehaltlose Zustimmung des nach § 72 a Abs. 2 Satz 1 LPVG NW zu einer außerordentlichen Kündigung beteiligten Personalrats ersetzt nicht dessen nach § 72 a Abs. 1 Satz 1 LPVG notwendige Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung, auf die im Prozess im Wege der Umdeutung nach § 140 BGB zurückgegriffen wird.


Tenor:

Die Berufung des beklagten Landes vom 10.04.2006 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 23.02.2006 - 1 Ca 364/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Für das beklagte Land wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von dem beklagten Land ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.

Der am 21.01.14xx geborene, geschiedene Kläger ist Vater eines unterhaltsberechtigten Kindes. Nach Ende der Sommerferien 2000 wurde er erstmals als Lehrer für das beklagte Land in einer Schule in G2xxxxxxxxxxx tätig. In den Sommerferien 2001 war er arbeitslos. Danach nahm er eine Tätigkeit bei der Gesamtschule W2xxx-E2xxxx auf. Zugleich bewarb er sich um eine Dauerbeschäftigung. Bei dem Städtischen Gymnasium S6xxxxx bestand im Herbst 2001 wegen des Ausfalls zweier Lehrkräfte ein besonderer Bedarf in den vom Kläger unterrichteten Fächern Biologie und Erdkunde. Deshalb trat das beklagte Land mit Verfügung vom 11.09.2001 an den Kläger heran, ab Oktober 2001 zum Städtischen Gymnasium S6xxxxx zu wechseln. Aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15.10.2001 nahm der Kläger seine Tätigkeit in S6xxxxx am 22.10.2001 im Rahmen eines nunmehr unbefristeten Arbeitsverhältnisses auf. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen sowie den Sonderregelungen für angestellte Lehrkräfte (SR 2 L BAT). Unter Eingruppierung in die Vergütungsgruppe II a BAT erzielte der Kläger zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen i.H.v. 3.816,86 €.

Mit Schreiben vom 20.10.2003 mahnte das beklagte Land den Kläger wegen Verstoßes gegen § 8 Abs. 2 BAT ab. Es warf ihm vor, er habe bereits bei der Terminierung von Klausuren, insbesondere aber bei deren Rückgabe die eindeutigen Regelungen in § 22 ASchO missachtet, wonach die Schülerinnen und Schüler einen Anspruch auf gleichmäßige Verteilung der Arbeiten auf das Schuljahr, rechtzeitige Rückgabe und Mitnahme der Arbeiten nach Hause hätten, bevor die Zeugnisnoten im Rahmen der Versetzungskonferenz festgelegt würden. Diese Vorwürfe wies der Kläger mit einer anwaltlichen Gegendarstellung vom 30.12.2003 zurück.

Am Freitag, den 11.02.2005, dem Tag der Zeugnisausgabe, hatte der Kläger unterrichtsfrei. Am Montag, den 14.02.2005, dem ersten Schultag nach den Halbjahreszeugnissen, sollten Stundenplanänderungen umgesetzt werden. Die vorgesehene Unterrichtsverteilung für das zweite Halbjahr lag mehrere Tage vor dem Halbjahresende im Lehrerzimmer zur Einsichtnahme aus. Ab 14.02.2005 sollte der Kläger Erdkunde nunmehr auch in der Klasse 9 b erteilen, da eine Lehrkraft, die im ersten Halbjahr die Klasse 9 b in Erdkunde unterrichtet hatte, zum 01.02.2005 die Freistellungsphase der Altersteilzeit angetreten hatte. Für den 14.02.2005 war der Erdkundeunterricht des Klägers in der Klasse 9 b für die vierte Stunde vorgesehen. Am Freitag, den 11.02.2005, stellte sich jedoch heraus, dass der Englischlehrer der Klasse 9 b in der Jahrgangsstufe 11 zusätzlich ein Kursprogramm der Sekundarstufe II übernehmen musste. Hierdurch wurde es erforderlich, die Erdkundestunde des Klägers von der vierten in die sechste Stunde zu verschieben. Wegen der Abwesenheit des Klägers konnte diesem die Änderung am Freitag, den 11.02.2005, nicht mehr persönlich mitgeteilt werden. Insgesamt betrug die Unterrichtsverpflichtung des Klägers 26 Stunden pro Woche, verteilt auf die erste bis sechste Stunde. Darüber hinaus leitete der Kläger außerplanmäßig eine Biologie-AG.

In der ersten großen Pause am 14.02.2005 erhielt der Kläger Kenntnis von der vorgenommenen Planänderung durch Aushang am Schwarzen Brett im Lehrerzimmer. Gemeinsam mit einem Kollegen sprach er den stellvertretenden Schulleiter H5xxx, der für die Stundenplangestaltung zuständig war, hierauf an. Er bemängelte diesem gegenüber, dass er nunmehr am jedem Tag sechs Unterrichtsstunden zu geben habe und im Übrigen auch durch weitere schulische Aktivitäten stark eingespannt sei. In der zweiten großen Pause begegnete der stellvertretende Schulleiter H5xxx dem Kläger im öffentlichen Flur. Er hielt dem Kläger vor, dieser habe sich zuvor im Ton vergriffen. Inhalt und Verlauf der beiden Gespräche im Übrigen sind zwischen den Parteien streitig, insbesondere, ob der Kläger angekündigt hat, angesichts der Änderung des Stundenplanes krank zu werden.

Durch Aushang gab der Kläger den betroffenen Schülern noch am 14.02.2005 bekannt, dass die von ihm geleitete Biologie-AG in Zukunft entfalle.

Am 15.02.2005 um 0.51 Uhr meldete sich der Kläger für den 15.02.2005 arbeitsunfähig krank und kündigte an, eine ärztliche Bescheinigung nachzureichen. Um 12.02 Uhr folgte ein weiteres Telefax-Schreiben mit einer ärztlichen Dienstunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 15.02.2005 bis zum 04.03.2005. Diese wurde am 04.03.2005 bis zum 25.03.2005 verlängert.

Der stellvertretende Schulleiter H5xxx fertigte am 16.02.2005 eine Gesprächsnotiz über die Vorfälle vom 14.02.2005, von deren Inhalt der Schulleiter am 18.02.2005 Kenntnis erhielt. Am 10.03.2005 berichtete der Schulleiter R4xxxx zunächst fernmündlich und dann mit Telefax-Schreiben der Bezirksregierung A1xxxxxx über das Verhalten des Klägers am 14.02.2005 und an den Folgetagen.

Das beklagte Land nahm diese Mitteilung zum Anlass, mit Anhörungsbogen vom 16.03.2005 den Personalrat für Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien bei der Bezirksregierung A1xxxxxx zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist zum 31.03.2005 gemäß § 54 Abs. 1 BAT anzuhören. Zur Begründung der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung führte das beklagte Land gegenüber dem Personalrat u.a. aus, ein wichtiger Grund liege aufgrund der Äußerungen des Klägers vor, ihm bleibe nichts anders übrig, als zu kündigen, sich rausschmeißen zu lassen oder aber eben krank zu werden. Dadurch habe der Kläger seinen nachhaltigen Willen erkennen lassen, den arbeitsvertraglichen Pflichten nicht nachkommen zu wollen. Darüber hinaus sehe man in nicht rechtzeitig abgegebenen Noten zur Zeugnisvergabe trotz mehrfacher Aufforderung eine erneute Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Im Rahmen der Interessenabwägung müssten im Zusammenhang mit den aktuellen Sachverhalten auch Sachverhalte aus den Jahren 2002 und 2003 in die Gesamtbewertung mit einfließen. Wegen der Einzelheiten wird auf die bei den Gerichtsakten befindliche Ablichtung des Anhörungsschreibens vom 16.03.2005 ergänzend Bezug genommen (Bl. 47-51 d.A.).

In seiner Sitzung vom 17.03.2005 stimmte der Personalrat der beabsichtigten Personalmaßnahme zu und teilte dies der Bezirksregierung mit Schreiben vom 17.03.2005 mit.

Das beklagte Land sprach daraufhin mit Schreiben vom 18.03.2005 - dem Kläger zugegangen am 22.03.2005 - die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum 31.03.2005 aus. Aufgrund der Vorfälle sei der Kläger als Lehrkraft im Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen nicht mehr tragbar.

Am 29.03.2005 hat der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Arnsberg erhoben.

Der Kläger hat behauptet, in der ersten großen Pause am 14.02.2005 habe er mit dem stellvertretenden Schulleiter H5xxx nur darüber gesprochen, dass er nunmehr an jedem Tag an sechs Unterrichtsstunden Unterricht zu erteilen habe und durch weitere schulische Aktivitäten besonders stark eingespannt sei. In der zweiten großen Pause habe der stellvertretende Schulleiter H5xxx ihm gegenüber im Flur den Vorwurf gemacht, er habe sich im Ton vergriffen. Bei dieser Gelegenheit habe er erwidert, nichts dagegen zu haben, an jedem Tag sechs Stunden zu unterrichten, wenn er allerdings immer weitere schulische Aufgaben aufgebürdet bekomme, wisse er nicht mehr, wie er dies gesundheitlich verkraften könne. Dabei habe er die Besorgnis geäußert, angesichts der starken Inanspruchnahme tatsächlich arbeitsunfähig werden zu können. Dies sei jedoch nicht das Ankündigen einer unberechtigten Krankschreibung gewesen. Hintergrund sei vielmehr eine bereits diagnostizierte psychische Belastungssituation, derentwegen er bereits seit 2001 in psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei. Nach Ausspruch der Kündigung unterzog sich der Kläger in der Zeit vom 30.05.2005 bis zum 29.06.2005 einer stationären psychotherapeutischen Behandlung.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Personalratsanhörung sei fehlerhaft gewesen. Dem Personalrat seien nämlich Vorgänge zur Kenntnis gegeben worden, die in keinem Zusammenhang mit der Kündigung gestanden hätten. Die Vorwürfe aus früheren Jahren seien sämtlich aus der Welt geschafft worden. Darüber hinaus habe das beklagte Land die Zwei-Wochen-Frist des § 54 Abs. 2 BAT nicht gewahrt.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 18.03.2005 beendet wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat behauptet, bereits bei dem ersten Gespräch am 14.02.2005 habe der Kläger gegenüber dem stellvertretenden Schulleiter H5xxx geäußert, es bleibe ihm nichts anderes übrig, als zu kündigen, sich rausschmeißen zu lassen oder eben krank zu werden. In der zweiten großen Pause habe der stellvertretende Schulleiter den Kläger darauf hingewiesen, dass er sich unflätige Formulierungen verbitte. Daraufhin habe der Kläger seine Ankündigung aus der ersten großen Pause wiederholt und hinzugefügt, er würde nur noch Dienst nach Vorschrift machen und die Biologie-AG sofort einstellen.

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen H5xxx. Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 23.02.2006 (Bl. 131-133 d.A.).

Mit Urteil vom 23.02.2006 hat es der Klage stattgegeben und zur Begründung u.a. ausgeführt, die außerordentliche Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil das beklagte Land die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 54 Abs. 2 BAT bzw. des § 626 Abs. 2 BGB außer acht gelassen habe. Die Bezirksregierung als kündigungsberechtigte Stelle habe von dem Kündigungssachverhalt zwar erstmals mit Zugang des Schreibens vom 10.03.2006 bzw. durch das vorausgegangene Telefonat mit dem Schulleiter Kenntnis erlangt. Das beklagte Land müsse sich jedoch die Kenntnisnahme des stellvertretenden Schulleiters am 14.02.2006 und des Schulleiters selbst am 18.02.2006 zurechnen lassen. Der Kündigungsberechtigte müsse sich nämlich nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 26.11.1987 - 2 AZR 312/87 - die Kenntnis einer in seiner Funktion dem Arbeitgeber angenäherten Vorgesetzten oder Mitarbeiters nach Treu und Glauben dann zurechnen lassen, wenn dessen Stellung im Betrieb nach den jeweiligen Umständen erwarten lasse, er werde dem Kündigungsberechtigten den Kündigungssachverhalt mitteilen. Der Kündigungsberechtigte dürfe sich auf eine spätere Kenntniserlangung nicht berufen, wenn diese darauf beruhe, dass die eingerichtete Organisation des Betriebes den Fristbeginn verzögere. Ob die außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umzudeuten sei, könne dahingestellt bleiben, weil der Personalrat nur zu einer außerordentlichen Kündigung angehört worden sei. Ebenfalls könne offen bleiben, ob sich der Sachverhalt nach der Vernehmung des Zeugen H5xxx als ausreichender Grund für eine ordentliche Kündigung darstelle.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe und des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 23.02.2006, das dem beklagten Land am 20.03.2006 zugestellt worden ist, ergänzend Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die von dem beklagten Land am 11.04.2006 eingelegte und am 16.05.2006 begründete Berufung.

Das beklagte Land trägt vor, der Lauf der Frist des § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB beginne mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlange. Zur Kündigung berechtigt sei der Schulleiter als Fachvorgesetzter - unstreitig - nicht. Der zuständige Dezernent der Bezirksregierung A1xxxxxx als Dienstvorgesetzter habe - unstreitig - erst am 10.03.2005 von dem maßgeblichen Vorfall Kenntnis erlangt. Zurückzugreifen sei insoweit auf die Grundsätze, die das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 20.02.2002 - 7 AZR 662/00 - zu § 625 BGB aufgestellt habe. Im Hinblick auf die Kenntnis der Weiterarbeit eines Mitarbeiters sei danach auf die zum Abschluss von Arbeitsverträgen befugte Stelle der Schulverwaltung und nicht etwa auf einen zur Einstellung nicht befugten Schulleiter abzustellen. Etwas anderes könne auch nicht für den Bereich des § 626 Abs. 2 BGB gelten. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts müsse die Bezirksregierung sich auch nicht in Anwendung der Grundsätze des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 26.11.1987 - 2 AZR 312/87 - die Kenntnis des Schulleiters oder seines Stellvertreters zurechnen lassen. Diese träfen - unstreitig - keine Personalentscheidungen. Das Arbeitsgericht könne nicht wesentlich darauf abstellen, dass die eingerichtete Organisation des Betriebes den Fristbeginn verzögert habe, sondern es hätte zunächst klären müssen, ob der Schulleiter oder sein Stellvertreter eine ähnlich selbstständige Stellung wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Stellvertreter des Arbeitgebers hätten. Dies sei jedoch nicht der Fall. In der Sache sei die Kündigung berechtigt, da der Kläger eine ab dem 15.02.2005 beginnende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit angekündigt habe. Dies stehe nach der Vernehmung des Zeugen H5xxx fest. Der Verdacht des "Krankfeierns" liege nahe, wenn der Kläger als Reaktion auf die Änderung des Stundenplanes den alsbaldigen Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit angekündigt und einen Tag später eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt habe. Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 05.11.1992 - 2 AZR 147/92 - sei davon auszugehen, dass das Verhalten des Klägers ohne Rücksicht darauf, ob er ab dem 15.02.2005 tatsächlich krank gewesen sei, geeignet sei, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben, ohne dass eine Abmahnung erforderlich gewesen sei. Das Arbeitsgericht hätte darüber hinaus eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung in Erwägung ziehen müssen. Hierbei sei es unschädlich, dass der Personalrat nur zu einer außerordentlichen Kündigung beteiligt worden sei. Er habe nämlich der beabsichtigten Maßnahme mit Schreiben vom 17.03.2005 vorbehaltlos zugestimmt. Die Beteiligungsrechte des Personalrats stünden einer Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche dann nicht entgegen, wenn der Personalrat einer außerordentlichen Kündigung - wie hier - ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt habe. Diese für den Bereich des § 102 BetrVG geltenden Grundsätze seien auch auf die Mitwirkung der Personalvertretung der Länder zu übertragen. Durch seine Zustimmung habe der Personalrat zum Ausdruck gebracht, auch der ordentlichen Kündigung nicht entgegentreten zu wollen. Der bewiesene Sachverhalt rechtfertige zumindest den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung.

Das beklagte Land beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil als zutreffend und führt ergänzend aus, es komme nicht darauf an, ob der Schulleiter berechtigt sei, eine Kündigung auszusprechen, sondern lediglich darauf, ob er eine ähnlich selbstständige Stellung wie ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter des Arbeitgebers innehabe und nicht nur zur Meldung, sondern auch zur Feststellung der für eine außerordentliche Kündigung maßgebenden Tatsachen verpflichtet sei. Dies sei jedoch unstreitig der Fall. Insofern liege ein Organisationsverschulden auf Seiten des beklagten Landes vor. Selbst wenn der Personalrat der außerordentlichen Kündigung zugestimmt habe, sei hieraus nicht zu schließen, dass die Anhörung auch für eine etwaige ordentliche Kündigung ordnungsgemäß gewesen sei. In der Sache sei die Kündigung nicht berechtigt. Aufgrund seiner psychischen Belastung könne man sein Verhalten am 14.02.2005 nur als krankheitsbedingte Augenblicksreaktion auf die Stundenplanänderung werten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zweitinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, sowie die Sitzungsniederschrift vom 19.12.2006 ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des beklagten Landes ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Sie ist begründet, denn das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist durch die Kündigung des beklagten Landes vom 18.03.2005 nicht aufgelöst worden.

I. Die außerordentliche Kündigung vom 18.03.2005 ist bereits deshalb unwirksam, weil das beklagte Land die Zwei-Wochen-Frist für den Ausspruch der Kündigung (§ 626 Abs. 2 BGB; § 54 Abs. 2 BAT) nicht eingehalten hat.

Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt gemäß § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

a) Kündigungsberechtigt auf Seiten des beklagten Landes war unstreitig nicht der Leiter des Städtischen Gymnasiums S6xxxxx, sondern der zuständige Dezernent der Bezirksregierung A1xxxxxx. Dieser erhielt erstmals positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Umständen am 10.03.2005. An diesem Tag teilte der Schulleiter des Städtischen Gymnasiums S6xxxxx der Bezirksregierung den Vorfall vom 14.02.2005 fernmündlich mit und fasste die Geschehnisse ab 14.02.2005 in einem am 10.03.2005 der Bezirksregierung übermittelten Telefax-Schreiben unter Beifügung der erforderlichen Anlagen zusammen. Bei einem Beginn der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB am 10.03.2005 wäre die Frist eingehalten, da die Kündigung des beklagten Landes vom 18.03.2005 dem Kläger unstreitig am 22.03.2005 zugegangen ist.

b) Die Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ist jedoch nicht erst mit dem 24.03.2005, sondern bereits mit dem 04.03.2005 abgelaufen (§ 188 Abs. 2 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB). Fristbeginn war nämlich nicht der 10.03.2005, sondern der 18.02.2005. An diesem Tag erhielt der Leiter des Städtischen Gymnasiums S6xxxxx Kenntnis von den maßgeblichen Vorfällen vom 14./15.02.2005 aufgrund der ihm übergebenen Gesprächsnotiz des stellvertretenden Schulleiters H5xxx vom 16.02.2005. Der Schulleiter war zwar nicht zum Ausspruch einer Kündigung befugt. Obwohl § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB ausdrücklich auf die Kenntnis des Kündigungsberechtigten abstellt, kann die Kenntnis eines Dritten vom Kündigungssachverhalt ausnahmsweise Berücksichtigung finden. Dabei führt nicht allein die Tatsache, dass ein nicht kündigungsberechtigter Arbeitnehmer eine gewisse arbeitgeberähnliche Funktion im Betrieb hat, dazu, dass dem Arbeitgeber dessen Kenntnis im Rahmen des § 626 Abs. 2 BGB nach Treu und Glauben zugerechnet wird. Die Kenntnis eines Dritten muss sich der Kündigungsberechtigte nach Treu und Glauben vielmehr nur dann zurechnen lassen, wenn dessen Stellung im Betrieb nach den Umständen erwarten lässt, er werde den Kündigungsberechtigten von dem Kündigungssachverhalt unterrichten. Hinzukommen muss, dass die verspätet erlangte Kenntnis des Kündigungsberechtigten darauf beruht, dass die Organisation des Betriebes zu einer Verzögerung des Fristbeginns führt, obwohl eine andere Organisation sachgemäß und zumutbar wäre. Beide Voraussetzungen, selbstständige Stellung im Betrieb und Verzögerung der Kenntniserlangung des Kündigungsberechtigten durch eine schuldhafte fehlerhafte Organisation des Betriebes müssen kumulativ vorliegen (BAG, Urteil vom 18.05.1994 - 2 AZR 930/93 -, NZA 1994, S. 1086 unter II. 3. a) der Gründe m.w.N.; BAG, Urteil vom 25.02.1998 - 2 AZR 279/97 -, NZA 1998, S. 747 unter II. 5. der Gründe; BAG, Urteil vom 26.11.1987 - 2 AZR 312/87 -, RzK 13 I 6 g unter II. 1. der Gründe).

1. Der Leiter des Städtischen Gymnasiums S6xxxxx ist ein nicht kündigungsberechtigter Dritter, der eine arbeitgeberähnliche Stellung innehat. Zwar ist er nicht Dienstvorgesetzter, sondern Fachvorgesetzter der an dem Gymnasium in S6xxxxx beschäftigten Lehrer. Jeder bei dem Gymnasium in S6xxxxx beschäftigte Arbeitnehmer des beklagten Landes kann jedoch erwarten, dass die Schulleitung bei Kenntniserlangung von einem Kündigungssachverhalt den für den Ausspruch der Kündigung selbst zuständigen Dezernenten der Bezirksregierung von einem solchen Sachverhalt unterrichtet. Die Bezirksregierung selbst hält an den Gymnasien, die ihrer Dienstaufsicht unterstehen, keine eigenen Bediensteten vor. Wie sonst sollte die dienstaufsichtführende Bezirksregierung, die für die personellen Einzelmaßnahmen zuständig ist, von kündigungs- oder abmahnungsrelevanten Sachverhalten, die sich an den Schulen vor Ort ereignen, Kenntnis erlangen? Dementsprechend hat der Schulleiter R4xxxx den Vorgang vom 14./15.02.2005 der Bezirksregierung mitgeteilt, wenn auch erst am 10.03.2005. Auch die Abmahnung vom 20.10.2003 beruhte auf einem "Bericht der Schulleitung des Städtischen Gymnasiums in S6xxxxx".

2. Die weitere Voraussetzung, nämlich ein Organisationsmangel auf Seiten des beklagten Landes, der es nach den Umständen rechtfertigt, die Frist des § 626 Abs. 2 BGB vor tatsächlicher Kenntniserlangung durch den Dezernenten der Bezirksregierung am 10.03.2005 beginnen zu lassen, ist ebenfalls erfüllt. Wenn zwischen dem Zeitpunkt, in dem der Schulleiter von dem Kündigungssachverhalt Kenntnis erlangt hat, bis zum Ausspruch der Kündigung deutlich mehr als zwei Wochen vergingen, so beruhte dieses darauf, dass die Abwicklung der personellen Einzelmaßnahmen bei dem beklagten Land fehlerhaft organisiert waren, während eine andere Organisation sachgemäß und zumutbar gewesen wäre. Dabei kann es dem beklagten Land nicht als schuldhafter Organisationsmangel angelastet werden, wenn es die Zuständigkeit in Personalangelegenheiten betreffend die angestellten Lehrer an Gymnasien bei den Bezirksregierungen belassen und nicht auf die örtlichen Schulleitungen übertragen hat. Kündigungsrelevante Sachverhalte werden sich zwar in der Regel vor Ort abspielen, so dass die örtlichen Schulleitungen den Sachverhalt aufklären und feststellen können. Wenn die juristische Bewertung den dafür besser ausgestatteten Bezirksregierungen überlassen bleibt, so ist dies jedoch nicht zu beanstanden. Das Organisationsverschulden besteht jedoch darin, dass es keine Anweisungen der Bezirksregierung A1xxxxxx gegenüber der örtlichen Schulleitung darüber gibt, wie bei Feststellung kündigungsrelevanter Sachverhalte zwischen der Schulleitung einerseits und der Bezirksregierung als Dienstaufsichtsbehörde andererseits zu kommunizieren ist. Dies hat der Vertreter des beklagten Landes in der Berufungsverhandlung auf Nachfragen des Gerichts eingeräumt. Eine andere Organisation wäre demgegenüber sachgemäß und zumutbar. Der Schutzzweck der Kündigungserklärungsfristen bei außerordentlichen Kündigungen liegt auch darin, für den Vertragsteil, der die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung verwirktlicht hat, Rechtssicherheit zu schaffen. Für diesen soll nicht unangemessen lange Zeit ungewiss bleiben, ob der andere Teil daraus kündigungsrechtliche Folgen zieht (BAG, Urteil vom 21.04.2005 - 2 AZR 255/04 -, BAG-Report 2005, S. 327 unter B. I. 2. f) der Gründe; BAG, Urteil vom 02.03.2006 - 2 AZR 46/05 -, NZA 2006, S. 1211 unter B. I. 3. b) der Gründe m.w.N.). Durch die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB wird der allgemeine materiell-rechtliche Verwirkungseinwand konkretisiert (BAG, Urteil vom 21.03.1996 - 2 AZR 455/95 -). Hat ein Vertragspartner die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung erfüllt, darf nicht auf unbestimmte Zeit ungewiss bleiben, ob der andere Vertragspartner daraus die Folgen zieht und kündigt (BAG, Beschluss vom 10.12.1992 - 2 ABR 31/92 -, NZA 1993, S. 501 unter B. II. 5. c) cc) der Gründe m.w.N.). Mit diesem Schutzzweck ist es nicht zu vereinbaren, wenn es keine organisatorischen Regelungen auf Seiten des beklagten Landes darüber gibt, wie die örtlichen Schulleitungen gegenüber der dienstaufsichtführenden Bezirksregierung zu verfahren haben, wenn sie bei angestellten Lehrkräften des beklagten Landes vor Ort kündigungsrelevante Sachverhalte feststellen, insbesondere solche, die einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB darstellen können. Ohne konkrete Anweisungen der dienstaufsichtführenden Behörde gegenüber den örtlichen Schulleitungen können diese nach eigenem Ermessen verfahren. Dies kann sowohl bedeuten, dass sich die örtliche Schulleitung dafür entschließt, einen für schwerwiegend gehaltenen Vorfall sogleich der Bezirksregierung zu melden, es kann aber auch bedeuten, dass die örtliche Schulleitung beschließt, zunächst einmal auf eine Meldung gegenüber der Bezirksregierung zu verzichten und die weitere Entwicklung eines Vorgangs vor Ort abzuwarten. So hat sich auch hier der örtliche Schulleiter R4xxxx entschlossen, bis zum 10.03.2005 zuzuwarten und erst an diesem Tag die für Personalmaßnahmen zuständige Bezirksregierung einzuschalten. Hätte es eine Anweisung der Bezirksregierung gegenüber der Schulleitung gegeben, dass bei Feststellung von Sachverhalten, die zu einer außerordentlichen Kündigung führen können, die Bezirksregierung jeweils unverzüglich zu beteiligen ist, so wäre der Ausspruch der Kündigung nicht um mehrere Wochen verzögert worden. Insoweit wird eine durch das Fehlen konkreter dienstlicher Anweisungen überflüssiges Organisationsrisiko auf den Kläger abgewälzt (BAG, Urteil vom 26.11.1987 - 2 AZR 312/87 -, a.a.O. unter 3. e) der Entscheidungsgründe m.w.N.).

3. Bei diesem Ergebnis kann es dahingestellt bleiben, ob über das vorliegende Organisationsverschulden hinaus dem beklagten Land im Rahmen der §§ 626 Abs. 2 BGB bzw. 54 Abs. 2 BAT auch ein Verschulden des nicht kündigungsberechtigten Schulleiters mit arbeitgeberähnlicher Stellung entsprechend § 278 BGB zugerechnet werden muss. Insoweit bestehen Bedenken, ob der örtliche Schulleiter die Angelegenheit schuldhaft verzögert und die notwendigen Schritte unverzüglich eingeleitet hat.

4. Der getroffenen Beurteilung steht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 625 BGB nicht entgegen. Nach § 625 BGB gilt ein Dienstverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn es nach Ablauf der Dienstzeit von dem Verpflichteten mit Wissen des anderen Teils fortgesetzt wird und dieser nicht unverzüglich widerspricht. Für befristete Arbeitsverhältnisse findet sich eine ähnliche Regelung jetzt in § 15 Abs. 5 TzBfG. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist im Hochschulbereich "anderer Teil" i.S.d. § 625 BGB nicht der Institutsleiter oder ein sonstiger Vorgesetzter des Arbeitnehmers, sondern allein die für die Universität zum Abschluss von Arbeitsverträgen berechtigte Stelle (BAG, Urteil vom 21.02.2001 - 7 AZR 98/00 -, NZA 2001, S. 1141 unter B. I. der Gründe). Für den Schulbereich soll nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.02.2002 (- 7 AZR 662/00 -, unter B. II. 1. der Gründe, Leitsatz abgedruckt in NZA 2002, S. 1000) nichts anderes gelten. Auch hier ist "anderer Teil" i.S.d. § 625 BGB nur die zum Abschluss von Arbeitsverträgen befugte Stelle der Schulverwaltung und nicht etwa ein zur Einstellung nicht befugter Schulleiter. Beide Entscheidungen sagen jedoch nichts darüber aus, ob und inwieweit dem Kündigungsberechtigten i.S.d. § 626 Abs. 2 Satz 2 BGB die Kenntnis dritter Personen, die nicht kündigungsberechtigt sind, aufgrund besonderer Umstände zuzurechnen ist (BAG, Urteil vom 26.11.1987 - 2 AZR 312/87 -, a.a.O.).

II. Das beklagte Land kann sich auch nicht darauf berufen, der von ihm vorgetragene und durch die Beweisaufnahme festgestellte Sachverhalt rechtfertige zumindest den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die unwirksame außerordentliche Kündigung vom 18.03.2005 gemäß § 140 BGB in eine ordentliche, fristgerechte Kündigung umzudeuten ist. Selbst im Falle der Umdeutung wäre eine solche ordentliche Kündigung nicht geeignet, das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufzulösen. Sie wäre nämlich nach § 72 a Abs. 3 LPVG NW unwirksam. Diese Vorschrift bestimmt, dass eine ohne Beteiligung des Personalrats ausgesprochene Kündigung oder ein ohne Beteiligung des Personalrats geschlossener Aufhebungs- oder Beendigungsvertrag unwirksam ist. Gemäß § 72 a Abs. 1 Satz 1 LPVG NW hat der Personalrat bei ordentlichen Kündigungen mitzubestimmen. Gemäß § 72 a Abs. 2 Satz 1 LPVG NW ist er demgegenüber bei Kündigungen in der Probezeit und bei außerordentlichen Kündigungen sowie bei Aufhebungs- oder Beendigungsverträgen nur anzuhören. Stimmt der Personalrat einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung nicht zu, gilt gemäß § 72 a Abs. 5 Satz 1 LPVG NW § 66 Abs. 2 und 3 LPVG NW sinngemäß. Das weitere Verfahren regelt sich dann gemäß § 72 a Abs. 5 Satz 2 LPVG NW nach § 66 Abs. 5 und Abs. 7 Sätze 1 und 2 LPVG NW, d.h., der Arbeitgeber muss das dort vorgesehene Mitbestimmungsverfahren durchführen.

Unstreitig hat das beklagte Land den Personalrat für Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien bei der Bezirksregierung A1xxxxxx mit schriftlichem Anhörungsbogen vom 16.03.2005 lediglich zu einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist zum 31.03.2005 gemäß § 54 Abs. 1 BAT angehört. Die notwendige Zustimmung des Personalrats zu einer ordentlichen Kündigung hat die Bezirksregierung demgegenüber entgegen § 72 a Abs. 1 Satz 1 LPVG NW i.V.m. § 66 Abs. 2 Satz 1 LPVG NW nicht beantragt. Dies hat die Unwirksamkeit einer etwaigen ordentlichen Kündigung gemäß § 72 a Abs. 3 LPVG NW zur Folge.

Das beklagte Land hält dem Arbeitsgericht vor, dieses hätte berücksichtigen müssen, dass der Personalrat der beabsichtigten Maßnahme mit Schreiben vom 17.03.2005 - unstreitig - vorbehaltlos zugestimmt habe. Die Beteiligungsrechte des Personalrats stünden einer Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche dann nicht entgegen, wenn der Personalrat einer außerordentlichen Kündigung - wie hier - ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt habe. Diese Rechtsauffassung teilt die Berufungskammer nicht.

Das Bundesarbeitsgericht hat zwar zu der Vorschrift des § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wonach der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören ist, entschieden, von dem Grundsatz, dass der Arbeitgeber, der außerordentlich und vorsorglich ordentlich kündigen wolle, den Betriebsrat zu beiden beabsichtigten Kündigungen anhören müsse, sei eine Ausnahme jedenfalls dann zuzulassen, wenn der lediglich zur außerordentlichen Kündigung angehörte Betriebsrat dieser ausdrücklich vorbehaltlos zugestimmt habe und auch aus sonstigen Umständen nicht zu ersehen sei, dass der Betriebsrat im Falle der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eine ordentliche Kündigung beanstandet hätte (BAG, Urteil vom 16.09.1993 - 2 AZR 267/93 -, NZA 1994, S. 311 unter B. II. 2. b) der Entscheidungsgründe m.w.N.). Hierauf kann sich das beklagte Land jedoch trotz der vorbehaltlos erteilten Zustimmung des Personalrats zu der von dem beklagten Land beabsichtigten außerordentlichen Kündigung nicht berufen. Denn entgegen der Auffassung des beklagten Landes gelten diese für § 102 BetrVG entwickelten Grundsätze nicht für die Mitwirkung der Personalvertretung der Länder, jedenfalls dann nicht, wenn - wie im Lande Nordrhein-Westfalen - die Beteiligungsrechte des Personalrats bei ordentlichen Kündigungen und außerordentlichen Kündigungen unterschiedlich gestaltet sind. Gerade weil gemäß § 72 a Abs. 1 Satz 1 LPVG NW bei ordentlichen Kündigungen ein (volles) Mitbestimmungsrecht des Personalrats besteht, anders als bei der außerordentlichen Kündigung, zu der der Personalrat nach § 72 a Abs. 2 LPVG NW (nur) vorab anzuhören ist, kann die im Anhörungsverfahren nach § 72 a Abs. 2 LPVG NW erteilte Zustimmung bei einer außerordentlichen Kündigung nicht zugleich als Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung gewertet werden, auf die sich der Arbeitgeber im Prozess im Wege des § 140 BGB (Umdeutung) beruft. Der kollektiv-rechtliche Schutz bei außerordentlichen Kündigungen ist im Lande Nordrhein-Westfalen deutlich geringer als bei ordentlichen Kündigungen ausgestaltet. Der öffentliche Arbeitgeber kann bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung über die Einwände des Personalrats letztlich hinweggehen und die Kündigung auch ohne Zustimmung des Personalrats aussprechen. Bei einer ordentlichen Kündigung ist er demgegenüber gehalten, sich mit den Überlegungen des Personalrats auseinander zu setzen, die Angelegenheit mit dem Personalrat, wenn dieser nicht zustimmen will, gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 LPVG NW zu erörtern und gegebenenfalls das Mitbestimmungsverfahren nach § 66 Abs. 5 LPVG NW durchzuführen, wenn eine Einigung über die beabsichtigte ordentliche Kündigung nicht zustande kommt. Wegen dieser unterschiedlichen Ausgestaltung der Beteiligungsrechte des Personalrats ist nicht auszuschließen, dass der Personalrat etwa bei Probezeitkündigungen oder außerordentlichen Kündigungen auf Einwände verzichtet und der Maßnahme zustimmt, weil er weiß, dass der öffentliche Arbeitgeber diese übergehen kann. Unterliegt eine Maßnahme seinem (vollen) Mitbestimmungsrecht, wie bei ordentlichen Kündigungen, ist es denkbar, dass der Personalrat grundsätzlich anders vorgeht und die Zustimmung zu einer solchen Maßnahme möglicherweise zunächst verweigert, um Einwände zu erheben und diese mit der Dienststellenleitung zu erörtern, um so auf den Willen des Arbeitgebers Einfluss zu nehmen. Im Betriebsverfassungsrecht gibt es diese Differenzierung betreffend die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei ordentlichen und außerordentlichen Kündigungen nicht.

Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von dem beklagten Land zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.2000 - 2 AZR 672/99 - (NZA 2001, S. 219). In diesem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass die Betriebsrats- bzw. Personalratsbeteiligung bei einer außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist gegenüber einem ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer wie bei einer ordentlichen Kündigung erfolgen muss. Das beklagte Land hat die Kündigung vom 18.03.2005 zwar als außerordentliche mit einer Auslauffrist ausgesprochen, eine solche Auslauffrist war jedoch nicht notwendig, insbesondere deshalb nicht, weil der Kläger noch nicht unkündbar war.

III. Da die Kündigung zum 18.03.2005 bereits aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, kann offen bleiben, ob ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB für ihren Ausspruch oder ein verhaltensbedingter Grund i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vorgelegen hat.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Danach hatte das beklagte Land die Kosten des ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Die Zulassung der Revision folgt aus § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache.

Ende der Entscheidung

Zurück