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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.11.2006
Aktenzeichen: 7 Sa 1232/06
Rechtsgebiete: HGB, BGB


Vorschriften:

HGB §§ 84 ff.
HGB § 86 Abs. 1
BGB § 310 Abs. 1
BGB § 307 Abs. 1 S. 1
BGB § 306 Abs. 2
Auch im Interesse selbständiger Handelsvertreter erfolgt eine Inhaltskontrolle vorformulierter Vertragsklauseln, §§ 310 Abs. 1, 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

Aus der Höhe der Vertragsstrafe kann eine unangemessene Benachteiligung des Handelsvertreters folgen (so schon: BGH v. 3.4.1998, NJW 1998, 2600). Die Rechtsfolge ist die Nichtigkeit der gesamten Vertragsklausel, § 306 Abs. 2 BGB. Eine Geltungserhaltende Reduktion ist ausgeschlossen (so schon: BGH v. 25.06.2003, NJW 2003, 2899). Die Herabsetzung der Vertragsstrafe gem. §§ 343 BGB setzt ein wirksames Vertragsstrafenversprechen voraus.


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 22.06.2006 - 3 Ca 3843/05 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Klägerin hat außerdem die Kosten für die Anrufung des unzuständigen Gerichts zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten nach erklärter Berufungsrücknahme durch den Beklagten noch darüber, ob der Beklagte die vertraglich festgelegte Vertragsstrafe verwirkt hat.

Die Klägerin ist eine rechtlich verselbständigte Vertriebsorganisation. Sie gehört der A3xxxxxx und M1xxxxxxx V5xxxxxxxxxxxxxxxxx an. Mit den übrigen konzernzugehörigen Gesellschaften sowie weiteren Unternehmen der deutschen Finanzwirtschaft (B3xxxxx B8xxxxxxxxxx, C1xxxxxxxxx, D6xxxxxx-B4xx, B5xxxxxxxx H3xxxxxxxxx, B6x B4xx-I1xxxx, A3xxxxxx- M1xxxxxxx-L3xxxxxxxxxxxxxxxx, Z1xxxxx-L3xxxxxxxxxxxxxxxx, A4xxxxxx-Rechtsschutzversicherung u. a.) hat sie Agenturverträge i. S. d. §§ 92, 84 ff. HGB abgeschlossen. Die Klägerin vermittelt alle Formen von Finanzdienstleistungen und zwar: Baufinanzierungen, gewerbliche Finanzierungen, Kredite, Festgeldanlagen, Investmentzertifikate, Versicherungsverträge (Leben-, Kranken-, Unfall-, Haftpflicht-, Sach- und Rechtsschutzversicherungen), Bausparverträge und Kreditkarten. Die Klägerin unterhält eine bundesweit tätige Vertriebsorganisation mit mehreren 1000 haupt- und nebenberuflichtätigen Vertretern gem. den §§ 84 ff., 92 HGB als Vermögensberater, Betreuer oder Abschlussvermittler. Der Beklagte war für die Klägerin seit dem 31.10.1996 als Außendienstmitarbeiter als Vermögensbetreuer, zuletzt auf der Stufe des Regionalgeschäftsstellenleiters tätig. Hierüber verhält sich der Vermögensberatervertrag vom 17.04./30.04.2000. Dieser Vertrag regelt unter Punkt V:

Der Vermögensberater ist verpflichtet die Interessen der Gesellschaft zu wahren, wie es ihm durch § 86 Abs. 1 HGB aufgegeben ist. Deswegen hat er es neben jeder Konkurrenztätigkeit zu unterlassen, Vermögensberater o. a. Mitarbeiter der Gesellschaft abzuwerben oder Kunden der Gesellschaft auszuspannen oder dies alles auch nur zu versuchen (vertragliches Wettbewerbsverbot).

Der Vermögensberater verpflichtet sich, es für die Dauer von 2 Jahren nach der Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu unterlassen, Vermögensberater oder andere Mitarbeiter der Gesellschaft abzuwerben oder Kunden der Gesellschaft auszuspannen oder dies alles auch nur zu versuchen (nachvertragliches Wettbewerbsverbot).

Verstößt der Vermögensberater gegen die vorstehenden vertraglichen oder nachvertraglichen Wettbewerbsverbote, so hat er für einen jeden Fall der Zuwiderhandlung an die Gesellschaft eine Vertragsstrafe i. H. v. 25.000,00 € je abgeworbener/ausgespannter Person und/oder je Versuch zu zahlen.

Weitergehende Schadenersatzansprüche bleiben unberührt.

Mit Schreiben vom 26.05.2003 kündigte die Klägerin das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist zum 30.06.2004. Am selben Tage kündigte sie den Mietvertrag über den von dem Beklagten bei ihr angemieteten Laptop zum 30.06.2003.

Die Abschlüsse des Beklagten waren seit dem Jahresende 2003 stark rückläufig. Im September 2003 erreichte der Beklagte 18 bzw. 15 Einheiten. Seit November 2003 war das erreichte Geschäft 0. Der Beklagte erzielte zuvor üblicherweise zwischen 50 und 300 Einheiten. Eine Einheit entspricht beispielsweise einem Versicherungsvertrag mit einer Versicherungssumme von 500,00 € und hat für den Beklagten einen Provisionswert von ca. 10,00 € (ohne Erfolgsprovision und sonstige Sonderleistungen). Am 18.01.2004 erhielt die Klägerin eine Mitteilung der Auskunftsstelle für den Versicherungs-/Bausparkassenaußendienst und Versicherungsmakler in D7xxxxxxxxx e. V. (A5xx) aus der sich ergab, dass der Beklagte seit dem 01.12.2003 als Versicherungsmakler für die H4xxxxxx Versicherungen, Filialdirektion K2xx, tätig sei. Einige Tage später erhielt sie eine Korrektur vom 20.01.2004. Die Tätigkeitsmeldung sei als gegenstandslos zu betrachten; diese sei irrtümlich erfolgt. Gem. Schreiben der H4xxxxxx, s5xxxxxxxxxxxx L2xxxxxxxxxxxxxxxxx-AG vom 11.05.2004 wünschte die Mutter des Beklagten, die damals einen Vertrag über eine private Rente in Form einer Riester-Rente bei der Klägerin hatte, die Fortführung des Vertrages bei der H4xxxxxx. Am 26.04.2004 hatte sie einen Antrag auf Abschluss einer H4xxxxxx-Privatvorsorge nach dem Riester-Modell unterzeichnet. Als Vermittler ist der Beklagte aufgetreten. Ein weiterer Antrag auf Übernahme des bei der Klägerin bestehenden Vertrages über eine Riester-Rente durch die H4xxxxxx s5xxxxxxxxxxxx L2xxxxxxxxxxxxxxxxx-AG unterzeichnete der Beklagte als Vermittler am 07.04.2004 für den Versicherungsnehmer der Klägerin, C2xxxxxxx H5xxxxxx. Zuvor hatte dieser einen Versicherungsmaklervertrag mit der Ehefrau des Beklagten geschlossen. Am 27.04.2004 unterzeichnet der Beklagte als Vermittler einen Antrag des Versicherungsnehmers der Klägerin, J1xxx K3xxxx auf eine H4xxxxxx Privatvorsorge. Auch in seinem Interesse sollte eine Übernahme des bestehenden Riester-Vertrages erfolgen, nach dem er zuvor einen Versicherungsmaklervertrag mit der Ehefrau des Beklagten unterschrieben hatte. Wegen der Unterschriften wird auf Blatt 67, 72 und 76 d. A. bezug genommen. Letztlich unterzeichnete der Beklagte einen Antrag seiner Ehefrau auf Übernahme des Riester-Vertrages der Klägerin auf die H4xxxxxx am 03.01.2004. Versicherte Personen sind die beiden Kinder der Eheleute. Als Antragstellerin war seine Ehefrau aufgeführt, die als derzeitige Tätigkeit die Beschäftigung als Arzthelferin angegeben hat. Die Unterzeichnung des Beklagten erfolgte als gesetzlicher Vertreter und als Vermittler.

In den Monaten Januar bis Juli 2004 erteilte die Klägerin dem Beklagten zwar Provisionsabrechnungen (Blatt 125 ff. d. A.), zahlte aber keine Gelder mehr aus. Der Grund ist zwischen den Parteien streitig. Ebenso kündigte die Klägerin nach Ausspruch der Vertragsbeendigung die Kranken- und Unfallversicherung des Beklagten auf. Die Lebensversicherung zahlte sie an den Beklagten nicht aus. Mit der zunächst beim Landgericht Essen am 15.06.2004 erhobenen und durch Beschluss vom 28.12.2004 an das Arbeitsgericht Gelsenkirchen verwiesenen und von dort am 01.12.2005 an das Arbeitsgericht Herne abgegebenen Klage, begehrte die Klägerin u. a. die Unterlassung von Konkurrenztätigkeit. Nach dem 30.06.2004 verfolgt sie im wesentlichen die Feststellung einer Schadenersatzpflicht des Beklagten, seiner Auskunftspflicht über bis zum 30.06.2004 für andere Unternehmen vermittelter Verträge und seiner Auskunftspflicht über abgeworbene Verträge. Wegen seines Verstoßes gegen Punkt V des Vermögensberatervertrages verlangt sie vom Beklagten eine Vertragsstrafe i. H. v. 50.000,00 € für zumindest 2 abgeworbene Kunden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist, oder noch entstehen wird, dass der Beklagte vor der rechtlichen Beendigung des Agenturverhältnisses am 30.06.2004 seine Vermittlungstätigkeit für die Klägerin eingestellt und/oder eine Konkurrenztätigkeit entwickelt hat;

2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum bis zum 30.06.2004 Auskunft darüber zu erteilen, welche Geschäfte er in welchem Umfang für andere Unternehmen als die Klägerin vermittelt hat, insbesondere dabei Vertragstyp, Abschlusssumme, provisionspflichtige Summe, Laufzeit, Unternehmen, das Vertragspartner geworden ist und ein individuelles Kennzeichen des vermittelten Geschäfts, beispielsweise Name des Kunden zu benennen;

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist oder noch entstehen wird, dass der Beklagte vor Ablauf des 30.06.2004 Kunden, die auf Vermittlung der Klägerin Verträge über Kapitalanlagen, beispielsweise Lebensversicherung, abgeschlossen haben, zur Aufgabe oder Einschränkung dieses Vertragsverhältnisses bewegt hat;

4. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 50.000,00 € nebst Zinsen i. H. v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung am 02.08.2004 zu zahlen;

5. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Kunden, die auf Vermittlung der Klägerin Verträge über Kapitalanlagen, beispielsweise Lebensversicherungen, abgeschlossen haben, zur Aufgabe oder Einschränkung dieser Vertragsverhältnisse bewegt hat, dabei Name und Anschrift des Kunden, betroffener Vertrag, Vertragstyp, Tarif, Abschlusssumme, provisionspflichtige Summe, Laufzeit, Unternehmen das Vertragspartner war, anzugeben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat jegliche unzulässige Vermittlungs- oder Verkaufstätigkeit für andere Finanzdienstleister bestritten. Zusätzlich hat er behauptet, bei der Meldung des A5xx habe es sich tatsächlich um einen Irrtum gehandelt. Seine Ehefrau übe seit dem 01.12.2003 ein Gewerbe als Versicherungsmaklerin aus. Im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses habe er als deren Bevollmächtigter ein paar Verträge unterschrieben. Insofern räume er ein, dass die Unterschrift auf Blatt 67 d. A. von ihm stamme (Zugeständnis Bl. 227 d. A.). Die Klägerin habe gegen ihn keinen durchsetzbaren Rechtsanspruch erworben. Zumindest sei in ihrem Auskunfts- und Schadenersatzbegehren eine unzulässige Rechtsausübung zu erkennen. Nach Zugang der Kündigung habe sie begonnen, ihn auszuhungern. Durch die Wegnahme des Laptops habe er seine Aufgaben nicht mehr erfüllen können. Stornogefahrenmitteilungen oder Kundenmitteilungen habe sie ihm nicht mehr zukommen lassen. Die Stornoreserve habe sie grundlos über Gebühr d. h. 50 % über dem Durchschnitt, belastet. Folgeprovisionen und das Abfindungsguthaben gem. § 98 b HGB habe sie nicht ausgezahlt. Die Vertragsstrafenklausel sei sowohl unzulässig als auch sittenwidrig, weil sie hierüber seine Existenz vernichte.

Durch Urteil vom 22.06.2006 hat das Arbeitsgericht dem Feststellungsbegehren stattgegeben und den Beklagten zur umfassenden Auskunft verpflichtet. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt die Auskunftspflicht (Ziffern 2 u. 4 des Klageantrags) sei aus § 242 BGB begründet. Die Klägerin habe die Wahrscheinlichkeit eines Schadensersatzanspruchs dargelegt. Der Beklagte habe 4 Verträge der H4xxxxxx als Vermittler unterschrieben. Dabei habe es sich um Kunden der Klägerin gehandelt. Hierüber habe der Beklagte seine Vertragspflicht verletzt und hafte gem. § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 86 Abs. 1 HGB. Im Rahmen des § 86 Abs. 1 HGB reiche eine mittelbare Förderung eines anderen Versicherungsunternehmens aus. Eine so zu kennzeichnende pflichtwidrige beratende, vermittelnde Hilfstätigkeit für die Konkurrenz sei selbst dann zu unterstellen, sofern die Ehefrau des Beklagten als Maklerin tätig gewesen sei. Unterschreibe der Beklagte in ihrem Interesse als Vermittler Versicherungsanträge, so erfülle er den Tatbestand einer unzulässigen Hilfstätigkeit für konkurrierende Versicherungsunternehmen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte diesen Kunden als Vermögensberater der Klägerin bekannt gewesen sei. Zu dem sei herauszustellen, dass die Ehefrau des Beklagten als Zahnarzthelferin wohl nicht als Maklerin einzustufen sei. Diese Unterstützungshandlungen seien vertragswidrig und damit unzulässig gewesen. Ein aus diesen Handlungen abzuleitender Schaden sei wahrscheinlich. Die zu erteilende Auskunft sei für die Klägerin von Nutzen. Hieraus gewinne sie die Möglichkeit, ihren entgangenen Gewinn gem. den §§ 249, 252 BGB zu bestimmen. Immerhin habe der Beklagte der Konkurrenz vergleichbare Produkte angeboten. Hierdurch habe er der Klägerin Umsatz entzogen. Die Auskunftspflicht des Beklagten erstrecke sich auch auf der Konkurrenz vermittelter Geschäfte. Ob der Beklagte für die H4xxxxxx Versicherungsgesellschaft bis zum 30.06.2004 neue Kunden geworben habe sei unklar. Diese Unsicherheit beeinträchtige jedoch nicht seine Auskunftspflicht. Das Klagebegehren sei keine unzulässige Rechtsausübung. Sollte die Klägerin ihrerseits gesetzliche Verpflichtungen nicht erfüllt haben, so eröffne dies dem Beklagten nicht das Recht, gegen seine Vertragspflicht zu verstoßen. Rechtsverletzungen der Klägerin begründeten Schadenersatzansprüche oder das Recht zur Zurückbehaltung gem. den §§ 273, 320 BGB. Rechtsverletzungen der Klägerin bewirkten jedoch nicht den Wegfall eigener Pflichten des Beklagten. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, mit rechtlichen Mitteln gegen den Entzug des Laptops vorzugehen und die Klägerin auf gleicher Grundlage dazu anzuhalten, ihm alle für die Vertragserfüllung notwendigen Informationen zukommen zu lassen. Er sei durch das Rechtsinstitut der einstweiligen Verfügung bzw. durch das Gestaltungsrecht der außerordentlichen Kündigung gem. § 89 a HGB geschützt gewesen. Als Handelsvertreter sei ihm jedoch kein Recht zur Selbsthilfe eingeräumt worden.

Auch das Feststellungsbegehren gem. den Ziffern 1 u. 3 der Klageanträge sei zulässig und begründet.

Das Vertragsstrafenbegehren der Klägerin sei hingegen nicht begründet. Die Vertragsstrafenklausel sei unwirksam, da sie den Beklagten unangemessen benachteilige, § 307 BGB. Dabei seien die rechtlich anzuerkennenden Interessen der Vertragsparteien untereinander zu bewerten. In die Bewertung seien grundrechtlich geschützte Positionen einzubeziehen. Die Benachteiligung des Beklagten erfolge letztlich durch die Höhe der Vertragsstrafe. Diese sei unangemessen hoch, zu mal ihre Sanktionen außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes stehe. Anzuerkennen sei die Vertragsstrafe als Druckmittel zur Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen. Zudem erleichtere die Vertragstrafe die Schadloshaltung der Klägerin als Gläubigerin ohne Einzelnachweis. Der Vertrag lasse jedoch vermissen die notwendige Differenzierung nach der Schwere der Pflichtverletzung, dem Grad des Verschuldens und der Höhe des zu befürchtenden Schadens. Da eine Obergrenze fehle sei zu befürchten, dass die in mehreren Jahren verdiente Provision aufgezehrt werde. Dies sei unangemessen. Hieraus folge gem. § 306 BGB die Rechtsunwirksamkeit der Vertragsklausel, zu mal eine geltungserhaltende Reduktion ausgeschlossen sei, § 306 Abs. 2 BGB. § 343 BGB sei unanwendbar. Diese Bestimmung setze eine verwirkte Vertragsstrafe voraus.

Gegen dieses, ihr am 19.07.2006 zugestellte, vorgetragene und wegen der sonstigen Einzelheiten in Bezug genommene Urteil, wehrt sich die Klägerin mit der beim Landesarbeitsgericht am 25.07.2006 eingegangenen Berufung, die am 15.09.2006 begründet worden ist. Die Klägerin greift das angefochtene Urteil an, soweit ihr die Vertragsstrafe nicht zugesprochen wurde. Zur Begründung trägt sie vor, der Beklagte habe gegen das gesetzliche Wettbewerbsverbot des § 86 Abs. 1 HGB verstoßen, in dem er in zumindest 2 Fällen den Versicherungsvertrag über die Riester-Rente von der Klägerin auf die konkurrierende H4xxxxxx Versicherungsgesellschaft habe umschreiben lassen. Dabei habe er verantwortlich gehandelt. Sollte seine Ehefrau tatsächlich als Versicherungsmaklerin tätig gewesen sein - dagegen spreche ihre Beschäftigung als Arzthelferin und der Umstand, Mutter zweier Kinder zu sein - so habe er zumindest als Untervertreter gehandelt. Denn ein Handeln im Interesse der H4xxxxxx Versicherungsgesellschaft sei ohne rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung nicht möglich gewesen. Im übrigen bezweifele sie die Versicherungsagentur der Ehefrau. Das beibehalten ihrer Riester-Rente setze eine versicherungspflichtige Tätigkeit als Arbeitnehmerin voraus. Zudem zeige der mit der H4xxxxxx Versicherungsgesellschaft geführte Schriftwechsel deutlich auf, dass der Beklagte und nicht etwa seine Ehefrau Vermittler der "neuen Verträge" gewesen sei. Folglich sei er ursächlich für die Aufgabe des bisherigen Versicherungsverhältnisses geworden. Deshalb sei dem Beklagten anzulasten, ihre Kunden vertragswidrig dazu veranlasst zu haben, das Versicherungsunternehmen zu wechseln. Dies sei ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 HGB, für den (jeweils) eine Vertragsstrafe i. H. v. 25.000,00 € verlangt werden könne. Die getroffene Regelung sei nicht unangemessen. Der Vertragszweck sei hierdurch nicht gefährdet worden. Vielmehr habe sie ein gewichtiges Interesses daran, die Einhaltung der Pflichten eines Handelsvertreters zu sichern. Kern dieser Pflicht sei es, Geschäfte zu vermitteln und ihre Interessen als Unternehmen zu wahren. Diese Pflichten würden durch das Ausspannen von Kunden in ihr Gegenteil verkehrt. Bei der Höhe der zu verwirkenden Vertragsstrafe sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte Kaufmann sei und dass die Vertragsstrafe als Abschreckung geeignet sein müsse. Die Vertragsstrafe habe zu berücksichtigen, dass durch die Verleitung zum Vertragsbruch ein bestehendes Versicherungsverhältnis vorzeitig gelöst werde. Sollte die Vertragsstrafe im Einzelfall zu hoch bemessen sein, so sei sie der Höhe nach anzupassen. § 306 BGB sei unanwendbar. Vorrangig greife der Grundsatz der geltungserhaltenden Reduktion.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten auch dazu zu verurteilen, an sie 50.000,00 € nebst Zinsen i. H. v. 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.08.2004 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Der Beklagte bezweifelt weiterhin einen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 HGB. Die Vertragsunterzeichnung sei ihm nicht zuzurechnen, zu mal er aufgrund einer "bloßen rechtsgeschäftlichen Vollmacht" den jeweiligen Antrag "nur einfach unterschrieben habe". Im übrigen verteidigt er insoweit das angefochtene Urteil.

Wegen der sonstigen Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Im Termin zur Berufungsverhandlung hat der Beklagte seine eigene, an sich zulässige Berufung zurückgenommen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt (Main) hat die Klägerin mit Teilurteil vom 22.03.2006 dazu verurteilt, dem Beklagten einen Buchauszug - einschl. der Vermögensberater J. B9xxxxx, G. B9xxxxx, J. T3xxxxx und J. G1xxxxx - für die Zeit 01.01.2001 bis 30.06.2004 zu erteilen.

Entscheidungsgründe:

Die nach der Beschwer an sich statthafte (§ 64 Abs. 2 b ArbGG), form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin (§§ 66 Abs. 1 S. 1 und 2, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO) hat keinen Erfolg. Der Beklagte hat die mit Punkt V des Vermögensberatervertrages festgelegte Vertragsstrafe nicht verwirkt. Das Vertragsstrafenversprechen ist nämlich gem. §§ 310 Abs. 1, 307 Abs. 1 S. 1, 306 Abs. 2 BGB rechtsunwirksam.

I.

Die Klägerin hat durchaus das Recht, auch für die Einhaltung der gesetzlich normierten Pflicht, sich während der Vertragszeit wettbewerbsneutral zu verhalten (§ 86 Abs. 1 HGB) ein Vertragsstrafenversprechen zu verabreden (zur Sicherung gesetzlicher Pflichten durch Strafversprechen: BGH v. 28.01.1993, I ZR 240/90, NJW 1993, 1786; Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbemerkung zu den §§ 339 - 343 Rdnr. 2). Da sich der Beklagte mit Punkt V des Vermögensberatervertrages diesem Strafversprechen unterworfen hat, ist die maßgebliche vertragliche Abrede hierüber begründet worden (Strafversprechen als vertragliche Abrede: Palandt/Heinrichs, a. a. O. Rdnr. 3). Der Beklagte hat auch gegen die durch das Strafversprechen zu sichernde Hauptpflicht verstoßen. Er hat entgegen seiner gesetzlichen (§ 86 Abs. 1 HGB) und vertraglich ergänzend normierten Pflicht, während der Vertragsdauer ausschließlich das Interesse der Klägerin wahrzunehmen und Kunden nicht für konkurrierende Gesellschaften auszuspannen, noch während der Vertragszeit zur Klägerin und andauernden Versicherungszeit Kunden dazu bewegt, die Versicherungsgesellschaft zu wechseln. Der Beklagte hat in mindestens zwei Fällen Kunden der Klägerin vor dem 30.06.2004 dazu veranlasst bzw. sie dabei unterstützt, die Privatvorsorge "Riester-Rente" von der Klägerin auf die H4xxxxxx Versicherungsgesellschaft zu übertragen. Dies ist aufgrund der zur Akte gereichten Anträge zur Überzeugung der zu erkennenden Berufungskammer unbestreitbar. Die Anträge des C2xxxxxxx H5xxxxxx vom 04.04.2004 (Bl. 72 d. A.) und der Eheleute J1xxx und B7xxx K3xxxx vom 27.04.2004 (Bl. 76 u. 78 d. A.) hat der Beklagte als Vermittler der H4xxxxxx Versicherungsgesellschaft unterschrieben.

Die Versuche des Beklagten, seine Unterschrift als reine Gefälligkeit im Interesse seiner Ehefrau abzutun, sind untauglich. Denn die von ihm beschriebene rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung zur Unterzeichnung der Anträge als Vermittler der H4xxxxxx Versicherungsgesellschaft vermittelt ein verbindliches Handeln für die Versicherungsgesellschaft. Als Vermittler kann der Beklagte nur unterschreiben, sobald zwischen ihm und der H4xxxxxx Versicherungsgesellschaft Rechtsbeziehungen bestehen. Diese Rechtsbeziehung bewertet die Klägerin berechtigt zumindest in einer Vertragsbindung als Untervertreter der Ehefrau des Beklagten, sofern sie tatsächlich seit dem 01.12.2003 parallel zur Beschäftigung als Arzthelferin für die H4xxxxxx Versicherungsgesellschaft eine Tätigkeit als Versicherungsmaklerin aufgenommen haben sollte. Damit hat der Beklagte nicht nur gegen seine vertraglichen, sondern auch gegen gesetzliche Pflichten - hier konkret: das vertragliche Wettbewerbsverbot des § 86 Abs. 1 HGB - verstoßen.

Mit dem angefochtenen Urteil, mit dem OLG Hamm (NJW RR 1992, 364) und H6xx (Handelsvertreterrecht § 86 Rdnr. 26 u. 27) vertritt die erkennende Berufungskammer die Auffassung, dass der Konkurrenzschutz sowohl für alle bisherigen Kunden als auch für sämtliche gleichartigen Produkte besteht und dass dieses vertragliche Wettbewerbsverbot auch dann verletzt wird, wenn der Beklagte eine nur beratende oder vermittelnde Hilfstätigkeit für eine konkurrierende Versicherungsgesellschaft vornimmt (zur mittelbaren Förderung der Konkurrenz: MK-HGB/von Hoyningen-Huene, § 86 Rdnr. 44). Diese Hilfstätigkeit ist auch in einer unterstützenden Handlung seiner als Maklerin agierenden Ehefrau zu sehen. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die maßgeblichen Kunden des Beklagten der Klägerin zuzuordnen sind. Ihnen war er als Vermögensberater bekannt. Die Unterzeichnung dieser Anträge als Vermittler der H4xxxxxx Versicherungsgesellschaft war demzufolge unzulässig.

Der Beklagte hat auch schuldhaft i. S. d. § 276 BGB gehandelt. Er kann sich nicht auf ein Selbsthilferecht berufen. Die Klägerin mag dem Beklagten gegenüber Pflichtverletzungen begangen haben. Die erkennende Berufungskammer war jedoch nicht verpflichtet zu überprüfen, ob der Klägerin das Recht zustand, den Mietvertrag über den vermieteten Laptop mit versicherungsinterner Software zu kündigen und die Stornogefahrenmitteilungen sowie Kundeninformationen ausschließlich der Geschäftsstelle und nicht ihm persönlich unter seiner Privatadresse zur Verfügung zu stellen. Die Klägerin mag außerdem pflichtwidrig verdiente Provisionen zurückbehalten und das Stornoguthaben unzulässig erhöht haben. Dies alles vermittelt dem Beklagten allenfalls ein Zurückbehaltungsrecht i. S. d. § 273 BGB, das sachgerecht und für die Klägerin erkennbar ausgeübt werden müsste. Dieses Verhalten der Klägerin vermittelte dem Beklagten möglicherweise auch das Recht zur außerordentlichen Kündigung gem. § 89 a HGB. Gegen Rechtsverstöße der Klägerin hätte der Beklagte mit den gesetzlichen Mitteln wie z. B. dem vorläufigen Rechtsschutz gem. dem § 935 ZPO vorgehen können, ja sogar vorgehen müssen. Derartige Rechtsverstöße der Klägerin als Vertragspartnerin entbinden den Beklagten als weiteren Vertragspartner jedoch nicht von der eigenen Verpflichtung, gesetzliche und vertragliche Standards einzuhalten. Sie eröffnen nicht das Recht selbst vertragswidrig zu werden. Im übrigen waren die Voraussetzungen der §§ 227 Abs. 2, 229 BGB kaum erfüllt.

II.

Obwohl der Beklagte gegen das vertragliche und gesetzliche Wettbewerbsverbot verstoßen hat, hat er die in Anspruch genommene Vertragsstrafe in zwei Fällen nicht verwirkt, § 339 S. 2 BGB. Denn das Vertragsstrafenversprechen ist aus den Gründen des Übermaßverbotes i. S. d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB rechtsunwirksam und deshalb unanwendbar, § 306 Abs. 2 BGB. Auch insoweit stimmt die erkennende Berufungskammer mit der Bewertung im angefochtenen Urteil überein. Zwar ist der Einwand der Klägerin berechtigt, dass der Vermögensberatervertrag nicht aus Gründen des Verbraucherschutzes einer Inhaltskontrolle unterzogen werden darf. Denn der Beklagte ist als Kaufmann selbständig und nicht Verbraucher i. S. d. § 13 BGB. Der Vermögensberatervertrag ist seiner selbständigen beruflichen Tätigkeit als Handelsvertreter der §§ 84 ff., 92 HGB zuzuordnen (zum Ausschluss des Verbraucherschutzes: Palandt/Heinrichs, BGB, § 13 Rdnr. 3). Dennoch ist der Beklagte gegenüber der Klägerin nicht schutzlos. Auch der unter Selbständigen geschlossene Vertrag unterliegt einer AGB Kontrolle, § 310 Abs. 1 BGB. Für die Inhaltskontrolle ist zumindest § 307 BGB maßgebend, selbst wenn die §§ 305 Abs. 2 u. 3, 308 und 309 BGB keine Anwendung finden sollten (zur beschränkten Inhaltskontrolle für Unternehmer: Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 307 Rdnr. 30; MK BGB/Basedow, § 310 Rdnrn. 3, 4, 7 u. 9; zum Handelsvertreterrecht: Palandt/Heinrichs, a. a. O. § 307 Rdnr. 111; MK BGB/Basedow, § 307 Rdnr. 107). Diese Inhaltskontrolle ist begrenzt durch die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten.

Mit Punkt V des Vermögensberatervertrages hat die Klägerin allgemeine Geschäftsbedingungen verwandt. Sie hat das vertragliche Wettbewerbsverbot einschließlich des Strafversprechens formularmäßig vereinbart. Aus diesem Grunde muss sich diese Klausel an den Grundsätzen des § 307 BGB messen lassen. Diesen Anforderungen wird zumindest die Höhe der versprochenen Vertragsstrafe nicht gerecht.

Gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Vertragspartners, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des AGB-Verwenders gerechtfertigt sind oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen werden. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch grundrechtlich geschützte Positionen zu beachten. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiden Vertragspositionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Hierbei ist anerkannt, dass Vertragsstrafenabreden nicht grundsätzlich zu einer unangemessen Benachteiligung des Vertragspartners führen. Obwohl auch im Handelsvertreterrecht das Wettbewerbsverbot für die Vertragszeit gesetzlich normiert ist und ein Verstoß hiergegen Schadenersatzansprüche auslöst (Schadenersatzpflicht i. H. des Gewinnverlustes: MK HGB/von Hoyningen-Huene, § 86 Rdnr. 33), ist ein besonderes Interesse der Klägerin anzuerkennen, sich zusätzlich vor derartigen Eingriffen durch Vertragsstrafenversprechen zu schützen. Denn gerade im Versicherungsgeschäft löst eine Abwerbung von Kunden eine Kette weiterer Verluste aus. Zudem wird durch Abwerbung von Kunden das Vertrauen der Versicherungsgesellschaft nachhaltig beeinträchtigt. Weitere Versicherungsnehmer werden verunsichert. Auch wenn das Argument der Klägerin nicht von der Hand zu weisen ist, ein wettbewerbswidriges Handeln dürfe sich nicht lohnen, die Vertragsstrafe müsse deshalb so spürbar sein, so dass sie noch eine abschreckende Wirkung behalte, ist die für jeden abgeworbenen Kunden, ja schon für die versuchte Abwerbung festgelegte Vertragsstrafe unangemessen hoch.

Für die Frage nach einer angemessenen Höhe der Vertragsstrafe kommt es auf eine typisierende Betrachtungsweise bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Von einer unangemessen hoch angesetzten Vertragsstrafe ist auszugehen, wenn die Sanktionen außer Verhältnis zum Gewicht des Vertragsverstoßes und dessen Folgen für den Vertragspartner stehen. Auch hier sind die beiderseitigen Interessen abzuwägen. Die Vertragsstrafe wird vom Gesetzeszweck her als Druckmittel dafür angesehen, den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anzuhalten. Der Gläubiger soll zudem die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung erhalten, in dem mittels Vertragsstrafe ohne Einzelnachweis ein pauschalierter Schaden geltend gemacht werden kann. Schaden und Vertragsstrafe müssen demzufolge wegen des Gesichtspunktes der Abschreckung nicht übereinstimmen. Andererseits darf durch das grundlegende Vertragsstrafenversprechen weder der Vertragszweck gefährdet noch der Vertragspartner in seiner Existenz vernichtet werden. Punkt V des Vermögensberatervertrages berücksichtigt diese Interessenabwägung nicht. Die Vertragsstrafe differenziert nicht nach dem vermittelten Produkt: Lebensversicherung, Sachversicherung, Kfz-Versicherung, Rechtsschutzversicherung, Kreditvermittlung oder die Vermittlung von Kreditkarten. Alle Produkte werden in der Wertigkeit gleichgestellt. Da nur bei einer Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 100.000,00 € in der gesamten Laufzeit ein Erlös zwischen 6.000,00 und 6.500,00 € (einschließlich aller Provisionsansprüche der Vermittler) erwirtschaftet werden kann und dieser Erlös bei den übrigen Versicherungsarten erheblich niedriger ausfällt, fehlt jegliche interessengerechte Relation zwischen dem zu befürchtenden Gewinnverlust und der pauschalierten Schadensbestimmung (vgl. hierzu: BGH v. 20.01.2000, VII ZR 46/98, NJW 2000, 2106; BGH v. 03.04.1998, V ZR 6/97, NJW 1998, 2600; MK BGB/Gottwald, § 339 BGB Rdnr. 12). Das Vertragstrafenversprechen differenziert auch nicht nach der objektiven Schwere der Vertragspflichtverletzung und nach dem Grad des Verschuldens, so dass selbst leichteste Fahrlässigkeit und jegliche Konkurrenztätigkeit - also auch einfachste Unterstützungshandlungen, selbst der im frühen Anfangsstadium abgebrochene Versuch - die Vertragsstrafe in voller Höhe auslösen soll. Damit ist die Vertragsstrafe unabhängig vom Vorliegen eines Schadens dazu geeignet, auf die Schöpfung neuer, vom eigentlichen Sachinteresse losgelöster Geldforderungen hinaus zu laufen, zu mal ausdrücklich zusätzlicher Schadenersatz unberührt bleiben soll (OLG München v. 13.12.1996, 7 U 5432/95, NJW RR 1996, 1181). Hinzu kommt, dass der Formularvertrag keine Obergrenze der für jeden Fall der Zuwiderhandlung verwirkten Vertragsstrafe vorsieht. Auch dies ist unbillig. Denn auf diese Weise kann der gesamte Provisionsverdienst des Handelsvertreters für mehrere Jahre in einem die Existenz vernichtenden Umfang aufgezehrt werden. Die gegenteilige Meinung (MK BGB/Gottwald, Rdnr. 12 vor § 339) überzeugt nicht. Zwar ist der Hinweis berechtigt, dass die Gesamthöhe einer verwirkten Vertragsstrafe vom willkürlichen Verhalten des Schuldners abhänge. Dennoch ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass auch geringfügigste Verstöße mit geringstem Schaden in der Addition zu ungerechtfertigten Vorteilen der Klägerin führen. Dies war gewollt. Hierbei hat die Klägerin ihre wirtschaftliche Mächtigkeit gegenüber dem Beklagten zu einseitig zu ihren Gunsten ausgenutzt.

III.

Dieser Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB führt zur Unwirksamkeit der Strafklausel im Ganzen. Eine Geltungserhaltende Reduktion ist ausgeschlossen. Dies ist begründet im AGB-Recht, dem das formularmäßig vereinbarte Strafbewährte Wettbewerbsverbot unterfällt. Eine Aufrechterhaltung der AGB in Teilen liefe dem Schutzzweck des Gesetzes zuwider (vgl. hierzu die Grundaussage in § 306 Abs. 2 BGB; siehe hierzu auch: Palandt/Heinrichs, a. a. O. § 307 Rdnr. 9 und § 343 Rdnr. 3; MK BGB/Basedow § 307 Rdnr. 108 und § 310 Rdnrn. 7 u. 9; MK BGB/Gottwald § 343 Rdnr. 314). Dieses sieht die Verwendung verbotswidriger Klauseln vor allem deshalb als eine objektiv zur Täuschung geeignete Störung im Rechtsverkehr an, weil es der Rechtsunkundige Verwendungsgegner in der Regel nicht auf einen Prozess ankommen lässt und eine Vertragsabwicklung auf Basis der unwirksamen Klausel hinnimmt. Ein solches Verhalten darf nicht dadurch Risikolos gemacht werden, dass verbotswidrige Klauseln durch Reduktion auf das gerade noch gesetzlich zulässige Maß aufrecht erhalten werden. Dieses Ergebnis ist auch mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit des Beklagten von der Klägerin zu begründen (zur Rechtsunwirksamkeit ebenso: BGH v. 25.06.2003, VIII ZR 344/02, NJW 2003, 2899).

Der Rechtsgedanke des § 343 BGB führt nicht zur Herabsetzung der Vertragsstrafe auf das angemessene Maß. § 343 BGB kommt ausschließlich bei verwirkten d. h. bei wirksam vereinbarten Vertragsstrafen in Betracht (MK BGB/Gottwald, § 343 Rdnr. 314; Palandt/Heinrichs, § 343 BGB Rdnr. 1).

IV.

Da die Klägerin die aus ihrer Sicht in zwei Fällen verwirkte Vertragsstrafe in der Gesamthöhe von 50.000,00 € nicht durchsetzen kann, war ihre Klage von Anfang an unbegründet. Die gegen das klageabweisende Urteil gerichtete Berufung war mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Zugleich waren ihr abweichend zur Kostenentscheidung im ersten Rechtszug diejenigen Kosten aufzuerlegen, die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts (Landgericht Essen) entstanden sind. Diese Korrektur war durch das Berufungsgericht trotz erfolgter Berufungsrücknahme durch den Kläger statthaft. Denn die Kostenentscheidung ist insoweit keine notwendige Beschwer i. S. d. § 64 Abs. 2 b ArbGG, die durch Rechtsmittelrücknahme entfallen sein könnte. Die vorzunehmende Korrektur hat ihre Rechtsgrundlage im § 319 ZPO und beruht nicht etwas auf § 321 ZPO.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache hat die erkennende Berufungskammer die Revision ausdrücklich zugelassen.

Ende der Entscheidung

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