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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 31.01.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 1129/07
Rechtsgebiete: TVG, BGB


Vorschriften:

TVG § 3
BGB § 71
Kein rückwirkender Statuswechsel zur "OT-Mitgliedschaft" vor Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister.

Beschließt der Arbeitgeberverband die Zulassung einer OT-Mitgliedschaft, so werden von einem Tarifvertrag, welcher zeitlich nach der Satzungsänderung, jedoch vor deren Eintragung in das Vereinsregister abgeschlossen wird, auch diejenigen Verbandsmitglieder erfasst, mit welchen der Verband bereits einen Statuswechsel zur OT-Mitgliedschaft vereinbart hatte.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 28.09.2006 - 3 Ca 323/06 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 297,40 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.03.2006.

2. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Lohnabkommen Groß- und Außenhandel NRW vom 21.07.2005 Anwendung findet und die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den sich aus der Lohntabelle zu § 2 des Lohnabkommens ergebenden Monatslohn zu zahlen.

3. Es wird weiter festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den arbeitsvertraglich vereinbarten Fahrtzuschuss mit der Tariflohnerhöhung zu verrechnen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die vormals beiderseits tarifgebundenen Parteien streiten im Zusammenhang mit einem Wechsel des Arbeitgebers von der Vollmitgliedschaft zur "OT-Mitgliedschaft" in erster Linie um die Anwendung des einschlägigen Lohntarifvertrages, welchen die Tarifparteien zu einem Zeitpunkt abgeschlossen haben, nachdem der Arbeitgeberverband die Zulassung von OT-Mitgliedschaften satzungsgemäß beschlossen hat, die Satzungsänderung jedoch noch nicht in das Vereinsregister eingetragen war. Hilfsweise vertritt die Beklagte den Standpunkt, auch für den Fall der Tarifgeltung habe der Kläger keine Erhöhung seiner Arbeitsvergütung zu beanspruchen, da er unter Einbeziehung zusätzlicher Vergütungsbestandteile nicht weniger als den Tariflohn erhalte.

Der Kläger ist aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19.02.1977 (Bl. 7 f d.A.) seit dem Jahre 1997 im Großhandelsunternehmen der Beklagten als Auslieferungsfahrer beschäftigt. Er ist Mitglied der Gewerkschaft ver.di. In der Vergangenheit war die Beklagte reguläres Mitglied im Unternehmens- und Arbeitgeberverband Großhandel-Außenhandel-Dienstleistungen Westfalen-Münsterland e.V. In der Mitgliederversammlung vom 23.11.2004 beschloss der Arbeitgeberverband die Zulässigkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung. Der Beschluss über die Satzungsänderung wurde sodann am 26.07.2005 notariell beurkundet, die Eintragung in das Vereinsregister erfolgte am 22.08.2005. Bereits zuvor, nämlich mit Schreiben vom 24.01.2005 (Bl. 38 d.A.) hatte die Beklagte beim Verband ihre Aufnahme als sog. OT-Mitglied rückwirkend zum 01.01.2005 beantragt, worauf der Verband mit Schreiben vom 17.02.2005 (Bl. 39 d.A.) wunschgemäß den Beginn der OT-Mitgliedschaft zum genannten Termin bestätigte.

Zwischenzeitlich - noch vor Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister - hatten Arbeitgeberverband und Gewerkschaft am 21.07.2005 neue Vergütungstarifverträge, nämlich das Lohnabkommen vom 21.07.2005 sowie das Gehaltsabkommen vom selben Tage vereinbart, welche unter § 1 Ziffer 3 d zum persönlichen Geltungsbereich die Formulierung enthalten: "Die Mitglieder der tarifschließenden Parteien sind tarifgebunden".

Der Kläger vertritt den Standpunkt, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finde das Lohnabkommen vom 21.07.2005 Anwendung. Da die Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister konstitutive Wirkung besitze und aus rechtlichen Gründen eine Rückwirkung der Eintragung auf den Zeitpunkt des satzungsändernden Beschlusses oder seiner notariellen Beurkundung ausscheide, beanspruche der am 21.07.2005 abgeschlossene Tarifvertrag auch für das Unternehmen der Beklagten Geltung. Der erst nachträglich wirksam gewordene Wechsel der Beklagten zur OT-Mitgliedschaft vermöge an der Geltung dieses Tarifvertrages nichts zu ändern. Da die Beklagte ihre Bindung an den Tarifvertrag leugne, könne das Interesse des Klägers, im Wege des Feststellungsantrages die Geltung des Lohnabkommens klären zu lassen, nicht zweifelhaft sein.

Auf der Grundlage des einschlägigen Lohnabkommens verlangt der Kläger des Weiteren die Zahlung des in § 4 des Tarifvertrages vorgesehenen Einmalbetrages. Danach erhalten die Arbeitnehmer für die Monate September 2005 bis April 2006 einen Festbetrag in Höhe von je 32,50 €, insgesamt 260,-- €, fällig mit dem Monatsentgelt August 2005. Diesen Betrag sowie den Unterschiedsbetrag zwischen dem aktuellen Tariflohn der Lohngruppe 5 in Höhe von 1.878,80 € und dem zuvor maßgeblichen Tariflohn von 1.869,45 € - also 9,35 €/Monat - verlangt der Kläger für die Monate September bis Dezember 2005, so dass sich die Zahlungsforderung des Klägers insgesamt auf 297,40 € brutto nebst Zinsen beläuft.

Soweit die Beklagte dem Zahlungsanspruch des Kläger den Einwand entgegenhält, selbst im Falle der Tarifgeltung stehe dem Kläger kein höherer als der tatsächlich gezahlte Lohn zu, da § 5 des Lohnabkommens eine Tariflohnerhöhung nur unter der Voraussetzung vorsehe, dass der arbeitsvertragliche Lohn das neue Tarifniveau unterschreite und im Übrigen eine Anrechnung übertariflicher Leistungen stattfinde, hält der Kläger dies für unzutreffend. Richtig sei zwar, dass er - wie etwa aus der Lohnabrechnung November 2005 (Bl. 44 d.A) ersichtlich - eine als "Fahrtzuschuss (Pausch)" bezeichnete Leistung in Höhe von 153,39 €/ Monat erhalte. Hierbei handele es sich indessen nicht um eine auf Tariflohnerhöhungen anrechenbare Zulage, sondern um einen zweckgebundenen Zuschuss zu den Fahrtkosten, welchen die Beklagte - unstreitig - im Zusammenhang mit einem Standortwechsel von D1 nach A1 zugesagt und seither bezahlt habe. Darüber hinaus komme es auf die Zulässigkeit der Anrechnung schon deswegen nicht an, da die Beklagte tatsächlich eine derartige Anrechnung gar nicht vorgenommen, sondern die vertraglich vorgesehenen Zusatzleistungen weiter gewährt und allein von der Zahlung der Tariflohnerhöhung abgesehen habe. Eine solche Verrechnung von Tariflohnerhöhung und zusätzlichen arbeitsvertraglichen Vergütungsbestandteilen scheitere im Übrigen auch an der fehlenden Mitbestimmung des Betriebsrats. Tatsächlich habe die Beklagte nämlich - wie aus dem Betreibsaushang aus Januar 2006 (Bl 25 d.A. 8 Sa 1130/07) ersichtlich - im Zusammenhang mit ihrem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft ohne Beteiligung des Betriebsrats ein neues Zulagensystem eingeführt, nach welchem ein Teil der Arbeitnehmer eine am Unternehmenserfolg ausgerichtete Prämie von 260,-- € - also der Höhe nach entsprechend der tariflichen Einmalzahlung -, einem anderen Teil der Arbeitnehmer eine ähnliche Prämie in Höhe von 130,-- € - also entsprechend dem halben Betrag der tariflichen Einmalzahlung - zugesagt habe. Schließlich liege eine unzulässige Diskriminierung und Maßregelung darin, dass die Beklagte den Kläger und weitere Kollegen, welche auf der gerichtlichen Klärung ihrer tariflichen Ansprüche bestünden, überhaupt von der Zulagengewährung ausgeschlossen habe. Hieran könne auch der Umstand nichts ändern, dass die Beklagte unstreitig sämtlichen Arbeitnehmern ein entsprechendes Angebot unterbreitet habe.

Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, das Lohnabkommen vom 21.07.2005 finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung, da die Beklagte bereits zuvor wirksam ihre volle Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband aufgegeben und in Abstimmung mit dem Verband rückwirkend zum 01.01.2005 den Status eines OT-Mitglieds erworben habe. Richtig sei zwar, dass die Satzungsänderung erst nach Abschluss des Tarifvertrages in das Vereinsregister eingetragen worden sei. Tatsächlich entspreche es indessen allgemeiner Auffassung, dass eine noch nicht eingetragene Satzungsänderung gleichwohl praktiziert werden könne. Die auf der geänderten Satzung beruhenden Rechtshandlungen stünden damit allein unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister. Dementsprechend sei die Lossagung der Beklagten von der Tarifbindung spätestens am 22.08.2005 rechtswirksam geworden, und zwar rückwirkend zum Termin des Austritts aus der Vollmitgliedschaft am 24.01.2005. Selbst wenn die Wirksamkeit der Satzungsänderung auf den Tag der Eintragung bezogen werde, sei damit der Wechsel zur OT-Mitgliedschaft jedenfalls vor der erst für den 01.09.2005 wirksam werdenden Tariflohnerhöhung erfolgt. Im Fälligkeitszeitpunkt der Tariferhöhung habe damit keine Tarifbindung der Beklagten mehr vorgelegen. Zugleich habe dem Verband mit Rücksicht auf die bereits beschlossene Satzungsänderung schon die Rechtsmacht gefehlt, den Tarifvertrag auch mit Wirkung gegenüber den OT-Mitgliedern abzuschließen. Durch den Übertritt in die OT-Bindung sei nämlich dem Verband die Rechtsvollmacht entzogen worden, für diesen Personenkreis zu handeln.

Selbst bei Annahme der Tarifgeltung fehle es im Übrigen schon an den Voraussetzungen für das Wirksamwerden einer Tariflohnerhöhung. Die in § 5 des Lohnabkommens enthaltene Regelung sehe nämlich eine Lohnerhöhung allein unter bestimmten Voraussetzungen vor, welche in der Person des Klägers nicht erfüllt seien. Die genannte Vorschrift lautet, soweit hier von Belang, wie folgt:

"Aus Anlass des Inkrafttretens dieses Lohnabkommens tritt eine Lohnerhöhung nur für diejenigen Arbeitnehmer ein, welche bisher einschließlich etwaiger Zulagen einen niedrigeren Lohn erhielten als den in diesem Lohnabkommen vereinbarten Mindestlohn. Leistungszulagen bleiben davon unberührt."

Wie aus der genannten Tarifregelung ersichtlich, trete danach - unabhängig von einer Anrechnungsentscheidung des Arbeitgebers - eine Tariflohnerhöhung nur unter der Voraussetzung ein, dass der Arbeitnehmer bislang insgesamt einen niedrigeren Lohn als den erhöhten Tariflohn erhalten habe; allein Leistungszulagen seien von dieser Betrachtung ausgenommen. Da es sich bei der vom Kläger bezogenen Zusatzleistung einer Fahrtpauschale unzweifelhaft nicht um eine Leistungszulage handele, sei aber ohne weiteres ersichtlich, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine Tariflohnerhöhung nach § 5 des Lohnabkommens nicht erfülle.

Soweit es danach überhaupt auf die Frage der Verrechnung von übertariflichen Vergütungsbestandteilen und Tariflohnerhöhungen ankomme, sei für die Ausübung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats kein Raum. Mitzubestimmen habe der Betriebsrat allein bei einer Änderung der Verteilungsgrundsätze, nicht hingegen im Falle der vollständigen Verrechnung. Allein die Tatsache, dass die Beklagte anstelle der tariflich vorgesehenen Einmalzahlung nunmehr auf vertraglicher Grundlage einem Teil der Beschäftigten einen Betrag in von 260,-- € bzw. anderen Arbeitnehmern einen Betrag von 130,-- € jeweils in Ausrichtung am Unternehmenserfolg gewährt habe, könne nicht als mitbestimmungspflichtige Veränderung, sondern allenfalls als Erweiterung des bestehenden Zulagensystems angesehen werden. Eine mitbestimmungswidrige Zulagenanrechnung liege nach alledem nicht vor. Schließlich scheide auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus, da die Beklagte sämtlichen Beschäftigten ein Angebot zur Teilnahme an der Zulagenregelung unterbreitet habe. Wenn der Kläger und einzelne seiner Kollegen es stattdessen vorzögen, die Frage der Tarifgeltung auf dem Rechtswege zu klären, könne hierin keine sachwidrige Ungleichbehandlung oder gar Maßregelung gesehen werden.

Durch Urteil vom 28.09.2006 (Bl. 76 d.A.), auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner rechtzeitig eingelegten Begründung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt zuletzt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 297,60 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins ab dem 01.03.2006 zu zahlen,

2. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das Lohnabkommen für den Groß- und Außenhandel NRW Anwendung findet und die Beklagte verpflichtet ist, den aus der Tabelle zu § 2 Lohnabkommen genannten Monatslohn zu zahlen

3. weiter festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den arbeitsvertraglich vereinbarten Fahrtzuschuss mit der Tariflohnerhöhung zu verrechnen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist begründet. Sie führt unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils zur antragsgemäßen Entscheidung über die gestellten Sachanträge.

A

Dies gilt zunächst für das mit dem Berufungsantrag zu Ziff. 2 verfolgte positive Feststellungsbegehren.

I

Entgegen den von der Beklagten vorgetragenen Bedenken ist der vom Kläger zur Klärung der Tarifgeltung und der sich hieraus ergebenden Zahlungsverpflichtung verfolgte Feststellungsantrag zulässig, insbesondere steht dem Kläger ein ausreichendes Interesse an alsbaldiger Feststellung im Sinne des § 256 ZPO zu.

Bereits der ursprünglich formulierte Feststellungsantrag war - wie sich aus der Klagebegründung entnehmen lässt - nicht darauf gerichtet zu klären, welchen Lohn die Tarifparteien für die einschlägige Gruppe 5 vorgesehen haben - dies ist in der Tat unschwer aus dem Tarifvertrag selbst abzulesen -, vielmehr betrifft das Begehren des Klägers zum einen die Klärung der Frage, ob auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das fragliche Lohnabkommen Anwendung findet, was die Beklagte im Hinblick auf den erklärten Statuswechsel zum OT-Mitglied in Abrede stellt. Zum anderen leugnet die Beklagte auch für den Fall der Geltung des Lohnabkommens aus den dargestellten Gründen ihre Verpflichtung, dem Kläger die begehrte Tariflohnerhöhung zu zahlen. Unabhängig davon, ob die Beklagte die Tariflohnerhöhung gar nicht - so in Bezug auf die Person des Klägers im vorliegenden Verfahren - oder - so in Bezug auf andere Kläger in den anhängigen Parallelverfahren - nur als "freiwillige Leistung" zu Auszahlung bringt, kann danach ein rechtlich schutzwürdiges Interesse an der Klärung der Rechtslage nicht verneint werden. Etwaige Unklarheiten der Antragsfassung sind jedenfalls im Berufungsrechtszuge beseitigt worden.

II

Der danach zulässige Antrag zu Ziff. 2 ist auch in der Sache begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Lohnabkommen für den Groß- und Außenhandel NRW vom 21.07.2005 Anwendung. Dementsprechend ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger den tariflichen Monatslohn zu zahlen. Der Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft ist erst nach Inkrafttreten des Tarifvertrages wirksam geworden und damit nicht geeignet, die zuvor eingetretene Tarifgebundenheit zu beseitigen (1). Ebenso wenig war durch die beschlossene, jedoch noch nicht wirksam gewordene Satzungsänderung die "Rechtsmacht" des Verbandes, einen Tarifvertrag mit Wirkung für die Beklagte abzuschließen, entfallen (2). Soweit § 5 des Tarifvertrages die Gewährung einer Lohnerhöhung daran bindet, dass die arbeitsvertragliche Gesamtvergütung - mit Ausnahme von Leistungszulagen - den künftigen Tariflohn nicht überschreitet, ist diese Regelung von der Regelungsmacht der Tarifparteien zur Schaffung von Mindestarbeitsbedingungen nicht gedeckt, weshalb auch der Kläger unbeschadet der genannten tariflichen Einschränkung die maßgebliche Tariflohnerhöhung zu beanspruchen hat (3).

1. Entgegen dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils kommt der am 22.08.2007 vorgenommenen Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister und dem hierauf gestützten einvernehmlichen Wechsel zur OT-Mitgliedschaft keine rückwirkende Bedeutung zu.

a) Soweit das Arbeitsgericht seinen Standpunkt mit einem Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 18.02.1998 - 3 U 4897/97 - NJW-RR 1998, 966) zu begründen sucht, überzeugt dies nicht. Vielmehr heißt es ausdrücklich in der genannten Entscheidung, die Rückwirkung der Eintragung (lasse) sich nicht vereinbaren mit ihrer konstitutiven Wirkung. In der genannten Entscheidung wird allein erörtert, inwiefern Beschlüsse der Mitgliederversammlung unter der aufschiebenden Bedingung ihrer Eintragung in das Vereinsregister stehen. Abgesehen davon, dass auch die diesbezüglichen Ausführungen die zitierte Entscheidung nicht tragen und deshalb einer Verallgemeinerung nicht zugänglich sind, könnte auch auf diesem Wege allein die Rechtsfolge abgeleitet werden, dass die zunächst ohne (eingetragene) satzungsgemäße Grundlage gefasste Entscheidung des zuständigen Verbandsorgans, die Beklagte aus der Vollmitgliedschaft zu entlassen und ihr den Status eines OT-Mitgliedes einzuräumen, nicht als unwirksam und folgenlos anzusehen war, sondern - aufschiebend bedingt - mit Eintragung der Satzungsänderung Wirksamkeit erlangte. Damit entfiel zwar die Notwendigkeit einer erneuten Beschlussfassung, ohne dass jedoch die Satzungsänderung zurückwirkte und die darauf beruhende Entscheidung des Verbandes zum Statuswechsel ihrerseits Rückwirkung erlangte. Auch die Zulassung aufschiebend bedingter Beschlüsse kann danach Rechtswirkungen erst mit Wirkung ab Eintragung der Satzungsänderung begründen

b) Auch die von der Beklagten zitierte vereinsrechtliche Literatur bietet keine Grundlage für die Auffassung, die konstitutiv wirkende Eintragung in das Vereinsregister wirke auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Satzungsänderung zurück. Soweit es in der Kommentierung von Reichert (Handbuch für Vereins- und Verbandsrecht, 10. Aufl., Rz 574) heißt, eine Rückwirkung der eingetragenen Satzungsänderung sei nicht schlechthin ausgeschlossen, wird dies sogleich mit der Einschränkung versehen, dass Beschlüsse, welche Außenwirkung haben, keiner Rückwirkung zugänglich sind. Auch soweit Beschlüsse nur Innenwirkung haben, stehe das Verbot der rückwirkenden Pflichtenmehrung einer allgemeinen Rückwirkung entgegen, so dass allein im Innenbereich wirkende Beschlüsse einer Rückwirkung fähig seien, wenn sie den Mitgliedern nur Vorteile brächten und diese hierüber einen einstimmigen Beschluss fassten.

c) Im vorliegenden Zusammenhang bedarf es keiner umfassenden Klärung der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Eintragung einer Satzungsänderung in das Vereinsregister oder hierauf beruhenden Entscheidungen des Verbandes Rückwirkung beigemessen werden kann, soweit dies die Rechtsstellung der Verbandsmitglieder verbessert. Jedenfalls für die Normwirkung des Tarifvertrages, welche nicht die verbandsrechtliche Beziehung zwischen Arbeitgeberverband und seinen Mitgliedern, sondern die rechtlichen Verhältnisse der tarifunterworfenen Parteien betrifft, muss eine Rückwirkung aus Gründen der Rechtssicherheit in jedem Falle verneint werden. Die Verbandsautonomie betrifft allein das Verhältnis zwischen Verband und Mitgliedern. Geht es demgegenüber um Vereinbarungen des Verbandes mit Dritten, kann die Außenwirkung des Verbandshandelns nicht von inneren Verbandsvorgängen wie satzungsändernden Beschlüssen o.ä. abhängig gemacht werden. Erst recht gilt dies aber - weitergehend noch als für Rechtsgeschäfte sonstiger Art - für den Abschluss von Tarifverträgen, welche mit normativer Wirkung gesetzesgleich Rechte und Pflichten zwischen den vom Tarifvertrag erfassten Verbandsmitgliedern regeln. Allein die Tatsache, dass Begründung und Beendigung der Vereinsmitgliedschaft auf die Normwirkung der abgeschlossenen Tarifverträge durchschlagen, soweit nicht das Tarifvertragsgesetz in § 3 Abs. 3 TVG die Fortdauer der Tarifgebundenheit über den Zeitpunkt des Verbandsaustritts anordnet, bedeutet nicht, dass mit einer verbandsinternen - etwa mit Rückwirkung - beschlossenen Entlassung eines Verbandsmitglieds aus der Vollmitgliedschaft die bereits eingetretene Tarifgeltung im Verhältnis zwischen tarifunterworfenem Arbeitgeber und Arbeitnehmer beseitigt werden könnte. Die erst am 22.08.2005 wirksam gewordene Satzungsänderung bewirkt damit - auch auf der Grundlage einer aufschiebend bedingten Vereinbarung über den Statuswechsel - erst mit diesem Zeitpunkt den Verlust der zuvor bestehenden Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband.

d) Zu diesem Zeitpunkt war indessen der Tarifvertrag vom 21.07.2005 bereits in Kraft getreten mit der Folge, dass der Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung fand. Soweit die Beklagte den Gesichtspunkt anführt, die Tarifwirkungen der Lohnerhöhung beträfen allein den Zeitraum ab dem Monat September 2005, zu diesem Zeitpunkt sei die Satzungsänderung aber bereits wirksam geworden, führt auch dieser Einwand nicht zum Erfolg. Die Tarifparteien haben den Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Tarifvertrages ausdrücklich mit dem 01.04.2005 bestimmt. Allein der Umstand, dass die Erhöhung des Tariflohnes erst ab dem Monat September erfolgt, ändert nichts daran, dass der Tarifvertrag als solcher bereits zuvor Geltung beansprucht. Die Tarifparteien haben auch keineswegs für den Zeitraum bis zum Wirksamwerden der Lohnerhöhung von einer Regelung abgesehen und etwa nur versehentlich einen verfrühten Termin für das Inkrafttreten in den Tarifvertrag aufgenommen. Vielmehr ergibt sich aus § 4 des Tarifvertrages eine Regelung auch für die Monate April bis August 2005. Danach gelten für die Monate April, Mai, Juni, Juli und August 2005 die Tarifsätze nach dem Tarifabschluss vom 17.07.2003. Anders als bei einem auf den Monat September hinausgeschobenen Inkrafttreten des Tarifvertrages nimmt damit - trotz Fortschreibung der alten Lohnhöhe - die sonst nur nachwirkende alte Tarifregelung an der zwingenden Tarifwirkung teil. Dementsprechend kommt es für die Frage, ob im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Satzungsänderung bereits ein Tarifvertrag mit Wirkung für die Verbandsmitglieder zustande gekommen war, allein auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrages und nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt die von den Tarifparteien getroffenen Regelungen im Einzelnen Anwendung finden sollen.

2. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten folgt aus dem verbandsinternen - zunächst noch ohne satzungsgemäße Grundlage - vereinbarten Statuswechsel zur OT-Mitgliedschaft keine Beschränkung der Rechtsmacht, einen Tarifvertrag für sämtliche Verbandsmitglieder abzuschließen. Soweit die Beklagte von einer Beschränkung der diesbezüglichen Vollmacht spricht, ist zu beachten, dass die Bindung der Verbandsmitglieder an die vom Verband geschlossenen Verträge nicht den Regeln der rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung folgt, so dass schon aus diesem Grunde von einer Vollmachtsbeschränkung keine Rede sein kann. Selbst wenn man auf der Grundlage des vereinbarten, aber noch nicht wirksam gewordenen Statuswechsels von einer internen rechtlichen Bindung des Verbandes ausgeht und die Möglichkeit ins Auge fasst, beim Abschluss eines Tarifvertrages den persönlichen Geltungsbereichs auf diejenigen Mitglieder zu beschränken, welche sich nicht - bereits im Vorgriff auf die erstrebte Satzungsänderung - für eine OT-Mitgliedschaft entschieden haben, so ist festzuhalten, dass im Tarifvertrag vom 21.07.2005 eine derartige Beschränkung des Geltungsbereichs nicht vorgesehen ist. Rechtlich war aber der Arbeitgeberverband nach wie vor in der Lage, einen Tarifvertrag mit Wirkung für sämtliche Verbandsmitglieder abzuschließen.

3. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten ergibt sich aus der Geltung des Tarifvertrages auch die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger den in der Tabelle zu § 2 Lohnabkommen genannten Monatslohn zu zahlen. Insbesondere greift der Einwand der Beklagten nicht durch, auch im Falle der Tarifgeltung sehe § 5 des Lohnabkommens eine Tariflohnerhöhung nur für diejenigen Arbeitnehmer vor, deren Gesamtlohn - mit Ausnahme von Leistungszulagen - den Tarifmindestlohn unterschritten.

a) Wie die Auslegung der genannten Passage des Tarifvertrages ergibt, soll - abweichend von sonst üblichen Tarifregeln - die vereinbarte Tariflohnerhöhung nicht sämtlichen Arbeitnehmern zustehen, worauf es alsdann dem Arbeitgeber überlassen bleibt, ob er aus Anlass der Tariflohnerhöhung arbeitsvertraglich vereinbarte und etwa anrechnungsfähige Lohnbestandteile unverändert lässt oder entsprechend "verrechnet", vielmehr soll nur demjenigen Arbeitnehmer ein Anspruch auf den erhöhten Tariflohn zustehen, dessen arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung ansonsten hinter der Tarifvergütung zurückbliebe.

b) Gegen die Wirksamkeit einer solchen Gestaltung bestehen indessen Bedenken. Wie sich u.a. anhand des Günstigkeitsprinzips des § 4 Abs. 3 TVG zeigt, werden durch den Tarifvertrag allein Mindestarbeitsvertragsbedingungen geregelt. Demgegenüber steht es den Tarifparteien nicht zu, den Bereich der außer- und übertariflichen Vertragsbedingungen zu regeln. Dies betrifft zum einen die sog. Effektivklausel, mit welcher mit tariflich zwingender Wirkung die "effektive" Weitergabe der Tariflohnerhöhung nebst Fortgewährung zusätzlicher Vergütungsbestandteile geregelt werden soll. Entsprechendes gilt zum andern, soweit durch Tarifvertrag zwingend die "Verrechnung" bislang gewährter übertariflicher Vergütungsbestandteile mit dem erhöhten Tariflohn vorgeschrieben werden soll (vgl. BAG AP § 4 TVG Besitzstandklausel Nr. 1; BAG AP § 611 BGB Gratifikation Nr. 151).

c) Darüber hinaus führt die vorgesehene Beschränkung der Tariflohnerhöhung auf solche Arbeitnehmer, welche die Voraussetzungen des § 5 des Lohnabkommens erfüllen, zu einer sachlich nicht gerechtfertigten und damit willkürlichen Ungleichbehandlung der betroffenen Arbeitnehmer. Bei der Normsetzung sind die Tarifparteien an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebunden. Ein sachlicher Grund zur Differenzierung bei Tariflohnerhöhungen im Sinne von Mindestarbeitsbedingungen kann aber vor dem Hintergrund des § 4 Abs. 3 TVG nicht darin gesehen werden, dass ein Arbeitnehmer arbeitsvertraglich eine höhere Vergütung als nach dem Tarifvertrag zu beanspruchen hat. Schließlich führt die verwendete Klausel dazu, dass die Höhe des Tariflohns nicht aus dem Tarifvertrag selbst, sondern erst aus der Zusammenschau von Tarifvertrag und Arbeitsvertrag zu erkennen ist. Der Arbeitnehmer, der zusätzlich zum früheren Tariflohn eine unbenannte übertarifliche Zulage erhält, hätte danach mit zwingender Wirkung allein weiterhin den bisherigen, nicht hingegen den erhöhten Tariflohn zwingend und unabdingbar zu beanspruchen, die übertarifliche Vergütung wäre der vereinbarten Abänderung zugänglich. Demgegenüber hätte der bislang allein tariflich vergütete Arbeitnehmer Anspruch auf den erhöhten und damit unabdingbaren Tariflohn. Erst auf der Grundlage des Arbeitsvertrages ließe sich der individuell maßgebliche Tariflohn bestimmen.

d) Damit erweist sich aber die tariflich vorgesehene Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen für die Tariflohnerhöhung als unwirksam. Dementsprechend steht dem Kläger dem Grunde nach ein Anspruch auf Gewährung der Tariflohnerhöhung zu. Die Frage, ob der Kläger neben der Tariflohnerhöhung weiterhin den Fahrtzuschuss zu beanspruchen hat, ist im Zusammenhang mit der Problematik der "Verrechnung" von Tariflohnerhöhung und übertariflichen Vergütungsbestandteilen zu beantworten. Insoweit hat der Kläger einen eigenständigen Feststellungsantrag formuliert. (nachfolgend unter B).

B

Ebenfalls zulässig und begründet ist der weitere negative Feststellungsantrag des Klägers, mit welchem dieser die von der Beklagten - für den Fall der Tarifgeltung - erklärte Verrechnung der Tariflohnerhöhung mit dem bislang gezahlten pauschalen Fahrtzuschuss bekämpft.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten scheidet eine "Verrechnung" der vom Kläger zu beanspruchenden Tariflohnerhöhung mit dem arbeitsvertraglich vereinbarten Fahrtzuschuss aus. Hierfür ist - abweichend vom Standpunkt des Arbeitsgerichts - ohne Belang, inwiefern es sich beim Fahrtzuschuss um sog. Aufwendungsersatz oder um Arbeitsentgelt im steuerrechtlichen Sinne handelt. Maßgeblich dafür, ob der Arbeitgeber aus Anlass einer Tariflohnerhöhung arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütungsbestandteile (Zulagen o.ä.) "verrechnen" kann, ist vielmehr der Gesichtspunkt, ob mit der übertariflichen Leistung - nicht anders als mit dem Tariflohn - Arbeitsentgelt im Sinne der synallagmatischen Gegenleistung für die geleistete Arbeit versprochen ist oder ob mit dem betreffenden Vergütungsbestandteil andere Zwecke verfolgt werden, wie dies etwa für Leistungsprämien oder Sozialzulagen zutrifft.

2. Im Gegensatz zu der vormals im Jahre 1998 gewährten außertariflichen Zulage handelt es sich bei dem unter dem 02.04.2001 vereinbarten Fahrtzuschuss um eine zweckgebundene Leistung, welche - unabhängig davon, dass sie nicht an den Nachweis eines konkreten Aufwandes gebunden ist - in pauschaler Weise die Mehraufwendungen ausgleichen soll, welche mit der Verlegung des Arbeitsorts von D1 nach A1 verbunden sind. Unter Berücksichtigung dieses eigenständigen Zwecks der Zulage scheidet eine "Verrechnung" mit der Tariflohnerhöhung aus.

Hieraus ergibt sich aber, dass die Beklagte - entsprechend dem Berufungsantrag zu Ziffer 3) - nicht berechtigt ist, den Fahrtzuschuss mit der Tariflohnerhöhung zu verrechnen.

C

Auf der Grundlage der vorstehend getroffenen Feststellungen erweist sich auch der verfolgte bezifferte Zahlungsantrag als begründet. Als Einmalbetrag steht dem Kläger der tariflich vorgesehene Betrag von 260,-- € zu, ferner kann der Kläger - wie beantragt - für die Monate September bis einschließlich Dezember 2005 4 x 9,35 € = 37,40 € brutto verlangen.

Zinsen stehen dem Kläger seit Rechtshängigkeit in gesetzlicher Höhe zu.

D

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist.

E

Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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