Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.04.2002
Aktenzeichen: 8 Sa 1164/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
Verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein "Weihnachtsgeld" ohne weitere Voraussetzungen, so ist die versprochene Zuwendung als Arbeitsentgelt i.e.S. anzusehen - mit der Folge, dass im Austrittsjahr eine anteilige Leistung geschuldet ist.

Soweit das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 30.03.1994 - AP Nr. 161 zu § 611 BGB Gratifikation darauf abgestellt hat, nach dem "allgemeinen Sprachgebrauch und einem verbreiteten Verständnis im Arbeitsleben" werde ein Weihnachtsgeld nur zu Weihnachten im bestehenden Arbeitsverhältnis gezahlt, bedarf die Feststellung eines solchen einheitlichen Begriffsverständnisses im Bestreitensfall der Beweisaufnahme. Verbleibende Unklarheiten gehen zu Lasten des Arbeitgebers.


Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes Urteil

Geschäfts-Nr.: 8 Sa 1164/01

Verkündet am: 18.04.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Dudenbostel sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Drüke und Stach

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 26.06.2001 - 1 Ca 265/01 - abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.006,61 EUR zu zahlen nebst 4% Zinsen seit dem 24.10.2000.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision gegen das Urteil wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin, welche aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 3 ff. d.A.) vom 01.05.1999 bis zum 30.09.2000 bei der beklagten Steuerberatungsgesellschaft als Steuerfachangestellte gegen einen monatlichen Bruttoverdienst von zuletzt 3.500,-- DM tätig war, die Beklagte auf anteilige Zahlung des vereinbarten "Weihnachtsgeldes" in Anspruch, welches sich auf 75% eines Brutto-monatsgehalts beläuft.

Sie ist der Auffassung, mangels besonderer Vertragsbedingungen handele es sich bei der zugesagten Leistung um Arbeitsentgelt i.e.S., welches - entsprechend der anteiligen Zahlung im Eintrittsjahr - auch im Austrittsjahr anteilig geschuldet werde. Damit stehe ihr für das Jahr 2000 ein Anspruch in Höhe von 9/12 der vollen Leistung, somit 3.500,-- DM x 75% x 9/12 = 1.968,75 DM zu. Dies ist die Klageforderung.

Der Arbeitsvertrag enthält insoweit folgende Bestimmungen:

§ 3

Frau L1xxxxxxx bezieht ein nachträglich zahlbares Bruttogehalt von DM 2.800,00 Urlaubsgeld in Höhe von 25% der jeweiligen Bruttovereinbarung und Weihnachtsgeld in Höhe von 75 v.H. werden vom Arbeitgeber gewährt.

Die Fahrten des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und die durchgeführten betrieblichen Fahrten werden mit dem jeweiligen geltenden lohnsteuerrechtlichen Pauschalsatz erstattet.

Der Arbeitgeber übernimmt die vermögenswirksamen Leistungen.

Die Zeit bis zum 01.08.1999 wird als Probezeit vereinbart."

Nach Auffassung der Beklagten handelt es sich demgegenüber bei dem zugesagten Weihnachtsgeld um eine Gratifikation mit Mischcharakter. Hierzu hat die Beklagte vorgetragen, mit der genannten Leistung solle nicht allein die geleistete Arbeit, sondern auch die Betriebstreue honoriert werden, weswegen eine anteilige Zahlung im Austrittsjahr ausscheide (Beweis: Post-Körper, Harth). Im Übrigen entspreche es - wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 30.03.1994 (10 AZR 134/93 - AP Nr. 161 zu § 611 BGB Gratifikation) überzeugend ausgeführt habe, schon dem allgemeinen Sprachgebrauch und einem verbreiteten Verständnis im Arbeitsleben, dass ein "Weihnachtsgeld" nur zu Weihnachten gezahlt werde. Dabei liege in der Bezeichnung "Weihnachtsgeld" nicht nur die Bestimmung eines Fälligkeitszeitpunkts, vielmehr komme in ihr auch eine besondere Zweckbestimmung zum Ausdruck, nämlich eine Weihnachtsfreude zu bereiten und einen Beitrag zu den vermehrten Ausgaben im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest zu leisten.

Hilfsweise hat die Beklagte im ersten Rechtszuge die Aufrechnung mit Gegen-ansprüchen in noch zu ermittelnder Höhe wegen angeblich vorsätzlicher Löschung von Daten erklärt.

Nach Klageabweisung durch das Arbeitsgericht beantragt die Klägerin im Berufungsrechtszuge,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.968,75 DM nebst 4% Zinsen seit dem 24.10.2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die widerstreitenden Behauptungen der Parteien zum Vorliegen eines einheitlichen Sprachgebrauchs und eines entsprechenden verbreiteten Verständnisses im Arbeitsleben durch Einholung von Auskünften bei der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände NRW und beim DGB Landesbezirk NRW. Wegen der Fassung des Beweisbeschlusses im Einzelnen nebst Erläuterung wird auf Bl. 117, 118 d.A. Bezug genommen, wegen der erteilten Auskünfte wird auf Bl. 123, 124 sowie 126 d.A. verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin führt in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.

I

Der Klägerin steht für das Jahr 2000 ein Anspruch auf anteilige Zahlung des zugesagten Weihnachtsgeldes zu.

1. Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag, welcher in § 3 die von der Klägerin zu beanspruchenden Leistungen aufzählt und neben der Zahlung des monatlichen Bruttogehalts, der Erstattung von Fahrtkosten und Übernahme vermögenswirksamer Leistungen die Gewährung von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld vorsieht.

a) Unter welchen Voraussetzungen das Weihnachtsgeld in Höhe von 75% der jeweiligen Bruttovergütung gewährt wird, ist im Arbeitsvertrag nicht geregelt. Insbesondere ist die Frage nicht angesprochen, ob und in welcher Höhe Leistungen im Eintritts- und Austrittsjahr erbracht werden sollen.

b) Bei der Auslegung, inwiefern die versprochene Leistung zusätzlich gezahlte, laufend verdiente und allein hinsichtlich des Fälligkeitszeitpunkts modifizierte Vergütung darstellt oder aber nur unter der Voraussetzung beansprucht werden kann, dass das Arbeitsverhältnis noch im Auszahlungszeitpunkt besteht, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorrangig auf die im Vertrag geregelten Anspruchsvoraussetzungen und nur nachrangig auf die verwendete Bezeichnung als "Jahressonderzahlung", "Gratifikation", "Sonderzuwendung" oder "Weihnachtsgeld" an (BAG, Urteil vom 24.03.1993 und 16.03.1994 - AP Nr. 152, 162 zu § 611B Gratifikation; Schierbaum in: Berscheid/Kunz/Brand, PraxisArbR Teil 2 Rn. 1554).

c) Das Fehlen besonderer Anspruchsvoraussetzungen oder Bindungsklauseln spricht damit eher für den Rechtscharakter der versprochenen Leistung als reines Arbeitsentgelt. Davon, dass mit der versprochenen Zahlung eine besondere Betriebstreue abgegolten oder ein entsprechender Anreiz geschaffen werden soll, ist im Arbeitsvertrag nicht die Rede. Soweit die Beklagte gleichwohl in dem versprochenen Weihnachtsgeld eine Leistung mit Mischcharakter sehen will, mit welchem nicht nur die geleisteten Dienste, sondern auch die Betriebstreue der Arbeitnehmerin honoriert werden solle, und sich zum Beleg hierfür auf die Vernehmung von Zeugen beruft, greift dieser Gesichtspunkt nicht durch. Unwidersprochen hat die Klägerin zum einen vorgetragen, dass die genannten Personen am Vertragsschluss nicht beteiligt waren, zum anderen fehlt auch jeder Sachvortrag, welche Tatsachen in das Wissen der genannten Zeugen gestellt werden. Allein die subjektive Vorstellung der genannten Personen über den Zweck der versprochenen Leistung ist für die Vertragsauslegung nicht maßgeblich.

d) Als weiterer Gesichtspunkt, welcher für die Vertragsauslegung von Belang sein kann, ist der systematische Aufbau der Vertragsbedingungen zu nennen. So war nach dem Sachverhalt der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 30.03.1994 (10 AZR 134/93 - AP Nr. 161 zu § 611 BGB Gratifikation) die Zahlung des versprochenen Weihnachtsgeldes in einem eigenständigen Paragraphen mit der Bezeichnung "Sonderbestimmung" getroffen, also von der Vereinbarung des regulären Arbeitsentgelts deutlich abgesetzt. Demgegenüber enthält der vorliegende Arbeitsvertrag in § 3 eine zusammengefasste Regelung der wesentlichen Vergütungsfragen, nämlich des gezahlten Bruttogehalts, der Fahrtkostenerstattung und der Übernahme der vermögenswirksamen Leistung sowie die hier interessierende Regelung über die Gewährung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Abgesehen von der in § 5 des Arbeitsvertrages getroffenen Regelung über die sechswöchige Entgeltfortzahlung sind damit sämtliche entgeltlichen Leistungen in einer zusammengefassten Vorschrift geregelt. Hierin liegt immerhin ein gewisses Indiz dafür, dass die aufgeführten Leistungen sämtlich als Gegenleistung für die versprochene Arbeit angesehen werden sollen. Richtig ist allerdings, dass es an einer ausdrücklichen Kennzeichnung der aufgeführten Leistungen als Gegenleistung für die erbrachte Tätigkeit fehlt, wie dies etwa nach dem Sachverhalt der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 21.12.1994 - 10 AZR 832/93 - EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 119) mit der Formulierung "Der Mitarbeiter erhält für seine Tätigkeit folgende Bezüge: ... a), b), c)" der Fall war. Die Tatsache, dass nach dem hier maßgeblichen Arbeitsvertrag die Klägerin ein Bruttogehalt "bezieht", ihr ein Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld "gewährt" wird, Fahrtkosten "erstattet" werden und der Arbeitgeber die vermögenswirksamen Leistungen "übernimmt", lässt demgegenüber keinen Schluss auf einen unterschiedlichen Rechtscharakter der versprochenen Leistungen zu, sondern erscheint eher als Ausdruck des Bemühens, sprachliche Wiederholungen zu vermeiden.

e) Auch hinsichtlich der tatsächlichen Handhabung der Vergütungszahlung ergibt sich kein eindeutiges Auslegungsergebnis.

Unstreitig hat die Klägerin im Eintrittsjahr ein anteiliges Weihnachtsgeld erhalten. In einer solchen Handhabung hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 21.12.1994 ein Indiz für den Entgeltcharakter der versprochenen Leistung gesehen und zur Begründung ausgeführt, dass andernfalls - bei Annahme einer echten Gratifikationsleistung - im Eintrittsjahr anstelle der anteiligen die volle Leistung hätte gezahlt werden müssen. Auch nach dem Sachverhalt der Entscheidung des Bundes-arbeitsgerichts vom 30.03.1994 war indessen im Eintrittsjahr nur eine anteilige Leistung gewährt worden, ohne dass hierin ein entscheidendes Indiz für den Entgelt-charakter des versprochenen Weihnachtsgeldes gesehen worden ist. In der genannten Entscheidung heißt es hierzu, aus der lediglich anteiligen Zahlung des Weihnachtsgeldes im Eintrittsjahr folge nicht, dass auch für das Austrittsjahr ein Anspruch auf ein anteiliges Weihnachtsgeld gegeben sein müsse; insoweit möge die Beklagte ihre eigene Regelung falsch verstanden haben.

Aus welchem Grunde im vorliegenden Fall der Klägerin das Weihnachtsgeld im Eintrittsjahr nur anteilig gezahlt worden ist, haben die Parteien nicht vorgetragen, so dass auch hier eine entsprechende irrtümliche Handhabung nicht ausgeschlossen werden kann, ohne dass sich andererseits verbindliche Auslegungsgesichtspunkte dafür gewinnen lassen, die Beklagte habe die Gewährung der versprochenen Leistung an bestimmte Voraussetzungen gebunden.

f) Lassen nach alledem Vertragsgestaltung und -handhabung keine brauchbaren Anhaltspunkte für die Auslegung erkennen, inwiefern es sich bei der versprochenen Leistung um - gegebenenfalls anteilig zu beanspruchende - Arbeitsvergütung oder aber um eine Sonderzuwendung mit besonderer Zweckbestimmung handelt, welche den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Zeitpunkt voraussetzt, so verbleibt als einziges Auslegungskriterium der Begriff des Weihnachtsgeldes selbst zu würdigen.

(1) Soweit die Beklagte hierzu ausführt, sowohl die Begriffselemente "Weihnachten" und "Geld" seien eindeutig, weswegen auch über die Bedeutung des Begriffes Weihnachtsgeld kein Zweifel bestehen könne, überzeugt diese Auslegungsmethodik nicht. Der Begriff "Geld" steht ersichtlich im Gegensatz zu anderen Zuwendungsformen, etwa in Form der Naturalvergütung. Der Wortbestandteil "Weihnachten" macht allein deutlich, dass die versprochene Geldleistung nicht mit anderen hohen Feiertagen oder - wie beim Urlaubsgeld - mit dem Erholungsurlaub in Zusammenhang steht. Für die hier maßgebliche Frage nach dem Entgeltcharakter der Leistung besitzt die Zerlegung des Begriffs Weihnachtsgeld in seine einzelnen sprachlichen Elemente keinerlei Erkenntniswert.

(2) In seiner Entscheidung vom 30.03.1994 (a.a.O.) hat das Bundesarbeitsgericht zur Auslegung entscheidend auf den allgemeinen Sprachgebrauch und das verbreitete Verständnis im Arbeitsleben abgestellt. Ein Weihnachtsgeld werde nur zu Weihnachten gezahlt, wobei in der Bezeichnung nicht nur die Bestimmung eines Fälligkeitszeitpunktes, sondern auch eine besondere Zweckbestimmung zum Ausdruck komme, nämlich eine Weihnachtsfreude zu bereiten und einen Beitrag zu den vermehrten Ausgaben im Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest zu leisten. Für den Arbeitgeber bestehe in der Regel kein Anlass, diese besondere Zuwendung auch solchen Arbeitnehmern zu gewähren, die zu Weihnachten nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu ihm stehen, sondern vielleicht schon alsbald im laufenden Kalenderjahr aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind.

Andererseits hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 21.12.1994 (a.a.O.) ausgeführt, zwar könne die Zusage der Zahlung eines "Weihnachtsgeldes" durchaus dahin verstanden werden, dass ein Anspruch auf dieses Weihnachtsgeld nur gegeben sein solle, wenn das Arbeitsverhältnis zu Weihnachten noch besteht; es verstoße jedoch nicht gegen allgemeine Auslegungsgrundsätze, gegen Denk-gesetze und Erfahrungssätze, wenn das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis gekommen sei, die Weihnachtsgratifikation diene der zusätzlichen Vergütung für die geleistete Arbeit, weil weitere Voraussetzungen im Arbeitsvertrag nicht aufgestellt seien.

Der scheinbare Gegensatz zwischen den zitierten Entscheidungen beruht ersichtlich auf der unterschiedlichen Würdigung des im Urteil vom 30.03.1994 in Bezug genommenen "allgemeinen Sprachgebrauchs und verbreiteten Verständnisses im Arbeitsleben". Einen solchen Sprachgebrauch hatte die Vorinstanz (LAG Frankfurt, Urteil vom 27.10.1992 - 7 Sa 935/92) offenbar als unstreitig oder allgemeinkundig angenommen, so dass bei der revisionsrechtlichen Überprüfung der Vertragsauslegung dieses Sprachverständnis zugrunde zu legen war. In der Entscheidung vom 21.12.1994 fehlt demgegenüber jeder tatsächliche Hinweis auf ein auslegungsrelevantes "allgemeines Sprachverständnis", so dass mangels anderer Anhaltspunkte die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Vertragsauslegung nicht zu beanstanden war.

(3) Bei der Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist zu beachten, dass die Klägerin das Vorliegen eines entsprechenden einheitlichen Sprachgebrauchs pp. in Abrede gestellt hat. Da aus den vorstehenden Gründen andere Gesichtspunkte für die Vertragsauslegung nicht vorhanden sind, kommt der tatsächlichen Feststellung des Sprachverständnisses entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

Nicht anders als die Feststellung eines Handelsbrauchs oder Erfahrungssatzes kann auch die Feststellung eines allgemeinen Begriffsverständnisses im Bestreitensfall Gegenstand einer Beweisaufnahme sein (Zöller/Greger, 23. Aufl., § 286 ZPO Rz. 11). Als Beweismittel in Betracht kommen insoweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Form einer Meinungsumfrage oder die Einholung einer Auskunft bei entsprechend sachkundigen Stellen. Lässt sich der von einer Partei behauptete allgemeine Sprachgebrauch nicht feststellen, scheidet er als Auslegungsgesichtspunkt aus.

(4) Zur Klärung des behaupteten spezifischen Begriffsverständnisses haben sich die Parteien - auch zur Vermeidung eines unverhältnismäßigen Aufwandes, z.B. durch Meinungsumfrage - auf die Einholung von Auskünften der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände NRW und des DGB Landesbezirks NRW berufen. Deren Auskünfte lassen die Feststellung eines einheitlichen Sprachverständnisses jedoch nicht zu.

Der DGB Landesbezirk hat auf die gerichtliche Fragestellung ausgeführt, nicht allein bei Zahlung eines "13. Monatsgehaltes" werde von jedem Arbeitnehmer die Auszahlung eines anteiligen Betrages bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Laufe des Kalenderjahres erwartet, entsprechendes gelte vielmehr auch, wenn die versprochene Leistung als Weihnachtsgeld deklariert werde. Demgegenüber heißt es in der Stellungnahme der Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände, das vom Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 30.03.1994 zugrunde liegende Sprachverständnis entspreche auch nach Auffassung der Arbeitgeberverbände dem allgemeinen Sprachgebrauch und verbreiteten Verständnis im Arbeitsleben, weswegen bei Fehlen sonstiger Anspruchsvoraussetzungen eine als Weihnachtsgeld bezeichnete Sonderleistung grundsätzlich nur geschuldet werde, wenn das Arbeitsverhältnis noch im Auszahlungszeitpunkt bestehe.

(5) Die Auswertung der vorgelegten Stellungnahmen lässt - auch unter Berücksichtigung der weiteren Rechtsausführungen der Parteien - die Feststellung eines einheitlichen Sprachgebrauchs nicht zu. Hierbei wird nicht verkannt, dass die um Auskunft ersuchten Verbände konkrete Grundlagen für die von ihnen als repräsentativ dargestellten Auffassungen des Arbeitsleben nicht benannt haben. Dementsprechend bestünden Bedenken, mit Hilfe der eingeholten Auskünfte positiv ein bestimmtes einheitliches Sprachverständnis festzustellen. Aus den dargestellten prozessualen Gründen bedarf es jedoch keiner weiteren Aufklärung von Amts wegen, soweit es um die abschließende Einschätzung geht, dass ein einheitliches Begriffsverständnis nicht festgestellt werden kann. Vielmehr werden durch die gegensätzlichen Stellungnahmen der Verbände die - auch bei der zuständigen Fachkammer des Landesarbeitsgerichts vorhandenen - Zweifel am Vorliegen eines einheitlichen klaren Verständnisses des Begriffs "Weihnachtsgeld" im Arbeitsleben bestätigt. Weder in juristischen Fachkreisen noch aus der Sicht rechtlich nicht vorgebildeter Vertragsparteien kann dem häufig umgangssprachlich verwendeten Begriff "Weihnachtsgeld" ein fest umrissener Bedeutungsgehalt im Sinne eines Fachbegriffs beigemessen werden.

Zutreffend verweist das Bundesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung vom 30.03.1994 darauf, dass zweifellos die heute unter vielfach unterschiedlicher Bezeichnung gewährten Sonderleistungen ursprünglich auf eine freiwillige Gabe anlässlich des Weihnachtsfestes zurückgehen. Gerade in Anbetracht der Verrecht-lichung der Arbeitsvertragsbeziehungen und der differenzierten Ausgestaltung durch spezielle tarifliche oder vertragliche Regelungen über Sonderzahlungen, Gratifika-tionen o.ä. verbietet sich jedoch die Annahme, allein das Festhalten am historischen Begriff "Weihnachtsgeld" bringe - für den Erklärungsempfänger erkennbar - den Willen zum Ausdruck, die versprochene Leistung mit einer besonderen Zweckbestimmung zu versehen, welche nicht nur Anlass, sondern auch Regelungsgegen-stand des Leistungsversprechens sein solle.

(6) Dagegen, dass schon die Erwähnung des Wortes "Weihnachten" eine besondere Zweckbestimmung der Leistung zum Ausdruck bringe, spricht im Übrigen die Parallele zum vorliegend vertraglich vereinbarten Urlaubsgeld.

Sowohl die historische Entwicklung als auch die typische Motivation des Arbeitgebers sprechen beim Urlaubsgeld nicht anders als beim Weihnachtsgeld dafür, dass dem Arbeitnehmer eine besondere Freude bereitet und ein Beitrag zu den vermehrten anlassbedingten Ausgaben (hier im Zusammenhang mit dem Urlaub) geleistet werden sollen. Warum der Arbeitgeber Anlass haben soll, auch solchen Arbeitnehmern, welche vor dem vorgesehenen Fälligkeitstermin ausscheiden und anstelle von Urlaub eine entsprechende Abgeltungszahlung erhalten, eine zusätzliche Urlaubsfreude zu verschaffen, ist an sich ebenso wenig wie bei der Gewährung eines Weihnachtsgeldes ersichtlich. Gleichwohl ist die Ausgestaltung des Urlaubsgeldes im Sinne einer Gratifikation als Belohnung für die geleistete Betriebstreue zwar zulässig (BAG. Urteil vom 15.03.1973 - 5 AZR 525/72 - AP Nr. 78 zu § 611 BGB Gratifikation), rein tatsächlich jedoch vergleichsweise selten anzutreffen. Dies macht deutlich, dass die historische Entwicklung von betrieblichen Sonderleistungen und die zugrundeliegende Motivation des Arbeitgebers nur mit Vorbehalt zur Auslegung von Vertragsbedingungen herangezogen werden können.

g) Lässt sich nach alledem ein bestimmter feststehender Sprachgebrauch hinsichtlich des Begriffs "Weihnachtsgeld" nicht feststellen, so führt dies im Ergebnis dazu, dass es sich bei dem versprochenen Weihnachtsgeld um ein an keinerlei besondere Voraussetzungen geknüpftes Arbeitsentgelt handelt, welches allein durch die Besonderheit gekennzeichnet ist, dass es typischerweise im zeitlichen Zusammenhang mit dem Weihnachtsfest fällig wird. Der Charakter als laufend verdientes Arbeitsentgelt wird hierdurch nicht in Frage gestellt, so dass bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Laufe des Kalenderjahres mangels abweichender Regelung eine anteilige Leistung zu erbringen ist.

2. Der Höhe nach ist die Berechnung der Klageforderung nicht zu beanstanden.

3. Zinsen stehen der Klägerin in gesetzlicher Höhe unter dem Gesichtspunkt des Verzuges zu.

II

Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht durch die im ersten Rechtszuge erklärte Aufrechnung erloschen. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte ihr - ohnehin vollkommen allgemein gehaltenes - Vorbringen, die Klägerin habe durch Datenlöschung einen Schaden angerichtet, im zweiten Rechtszuge aufrecht erhält. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, scheitert die Zulässigkeit der Aufrechnung schon an der mangelnden prozessualen Bestimmtheit. Weder ist ersichtlich, in welcher Höhe Gegenansprüche geltend gemacht werden sollen, noch ist vorgetragen, welcher Betrag der Klageforderung unter Beachtung der Pfändungsgrenzen der Aufrechnung unterliegt. Eben aus demselben Grunde kann in der unbestimmten Aufrechnungserklärung auch nicht die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts - etwa bis zur vollständigen Schadensfeststellung - gesehen werden. Aus der Unzulässigkeit der Aufrechnung ergibt sich zugleich, dass der Beklagten ihr angeblicher Gegenanspruch nicht aberkannt ist.

III

Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist.

IV

Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück