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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.11.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 1332/05
Rechtsgebiete: BGB, KSchG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 626
KSchG § 1
ZPO § 357
Weist der vom Gericht beauftragte psychologische Sachverständige, welcher im Zuge eines Kündigungsschutzprozesses die Frage der Schuldfähigkeit des Arbeitnehmers zu beurteilen hat, eine zum Explorationsgespräch mitgebrachte Vertrauensperson zurück, so kann hierin jedenfalls dann kein relevanter Verfahrensmangel gesehen werden, wenn keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder ersichtlich sind, dass sich die fehlende Zulassung der Vertrauensperson auf das Gutachtenergebnis ausgewirkt haben könnte.
Tenor:

Unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 01.06.2005 - 3 Ca 3943/04 - teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 07.12.2004 nicht vor Ablauf des 30.07.2005 beendet worden ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Klage wendet sich der im Jahre 1951 geborene, verheiratete Kläger, welcher seit dem Jahre 1980 in der Fleischwarenfabrik der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt ist, gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch fristlose und vorsorglich fristgerechte Kündigung vom 07.12.2004.

Die angegriffene Kündigung hat die Beklagte, welche etwa 700 Arbeitnehmer beschäftigt, nach vorangehender Anhörung des Betriebsrats mit der Begründung ausgesprochen, der Kläger habe am 02.12.2004 bei einem - durch Ausgabeschein genehmigten - Abtransport ausgesonderter Kunststofffässer und Bretter eine in der Nähe im Freien stehende Trittleiter zu entwenden versucht. Unstreitig wurde der Kläger, welcher bereits beim Einladen vom Pförtner mittels der installierten Überwachungskamera beobachtet worden war, beim Verlassen des Betriebsgeländes zur Rede gestellt, worauf er - der Kläger - das vom Pförtner verfasste Schuldeingeständnis (Bl. 40 d.A.) unterzeichnete. Der Kläger hat im ersten Rechtszug im Wesentlichen vorgetragen, er sei davon ausgegangen, auch die - nach seiner Darstellung lediglich zwei Meter von den bereitgestellten Gegenständen herumstehende - Trittleiter sei von der Beklagten ausgesondert gewesen, weswegen ihm der Vorsatz eines Diebstahls von Betriebseigentum gefehlt habe. Im Übrigen leide er an einer Störung der Hirnleistungsfunktionen und befinde sich bereits seit Dezember 2003 wegen eines neurovegetativen Syndroms in Behandlung der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Frau P1. Aufgrund dieser Erkrankung sei er unter Berücksichtigung der bestehenden missverständlichen Situation nicht in der Lage gewesen zu erkennen, dass die Leiter nicht ausgesondert und für ihn zur Mitnahme bereitgestellt gewesen sei. Aus demselben Grunde habe er nicht erkennen können, dass für die Mitnahme weiterer, auf dem Ausgabeschein nicht aufgeführter Gegenstände ebenfalls eine besondere Erlaubnis erforderlich sei. Im Übrigen sei die Kündigung in Anbetracht der langjährigen und beanstandungsfreien Tätigkeit als unverhältnismäßig anzusehen.

Durch Urteil vom 01.06.2005 (Bl. 62 ff.), auf welches wegen des weiteren Sachverhalts Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht nach uneidlicher Vernehmung des Pförtners M4 dem gegen die fristlose und fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichteten Kündigungsfeststellungsantrag in vollem Umfang entsprochen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, es könne offen bleiben, ob die Entwendung der Trittleiter unter den vorliegenden Umständen an sich geeignet sei, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, offen bleiben könne ferner, ob der Kläger aus Krankheitsgründen die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens nicht habe erkennen können. Sowohl im Hinblick auf die fristlose als auch die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses führe jedenfalls die stets erforderliche Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass unter den vorliegenden Umständen die Erteilung einer Abmahnung als ausreichende Reaktion des Arbeitgebers anzusehen gewesen wäre. Wie die durchgeführte Beweisaufnahme ergeben habe, müsse zwar zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt werden, dass die Wegnahme der Leiter nicht als unbedachte Spontanhandlung angesehen werden könne, vielmehr habe sich der Kläger vor dem Einladen der Leiter nach allen Seiten umgesehen. Andererseits mache die Tatsache, dass die Trittleiter nach dem Eindruck des Klägers "herrenlos" am Pförtnerhäuschen angelehnt gestanden habe, deutlich, dass der Kläger nicht mit gesteigerter krimineller Energie vorgegangen sei, vielmehr sei nach Überzeugung der Kammer davon auszugehen, dass eine nachts um 22.00 Uhr in der Gegend herumstehende Trittleiter auch manch anderen in Versuchung gebracht hätte. Auch der Umstand, dass der Kläger nach Aufdeckung der Tat den Versuch unternommen habe, den Wachmann durch das Versprechen materieller Vorteile von einer Meldung des Vorgangs abzubringen, könne - abweichend vom Standpunkt der Beklagten - nicht als Ausdruck besonderer krimineller Energie angesehen werden, vielmehr erkläre sich das Verhalten des Klägers aus seiner Verzweifelung und der Sorge um den Erhalt seines Arbeitsplatzes. Demgegenüber seien für die Annahme der Beklagten, der Kläger habe den Wachmann bestechen wollen, um mit dem Diebesgut vom Firmengelände fahren zu können, keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. In Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger aufgrund seines Lebensalters und seiner nur eingeschränkten deutschen Sprachkenntnisse am Arbeitsmarkt kaum Chancen habe, eine erneute Beschäftigung zu finden und dem Kläger deshalb ein Abstieg auf das Sozialhilfeniveau drohe, müsse dem Interesse des Klägers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses Vorrang vor dem Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingeräumt werden. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes habe eine Abmahnung genügt, um eine Wiederholung eines entsprechenden Fehlverhaltens zu vermeiden. Nach Überzeugung der Kammer werde sich der Kläger das vorliegende Verfahren als Warnung dienen lassen, weswegen der Vortrag der Beklagten, das Vertrauen zum Kläger sei endgültig erschüttert, nicht durchgreife. Auch der Gesichtspunkt der Betriebsdisziplin fordere keineswegs in jedem Falle die Entlassung des Klägers, vielmehr müsse es möglich sein, den übrigen im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern zu vermitteln, dass aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls von dem Grundsatz abgesehen werde, dass betriebliche Diebstähle in jedem Falle zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führten.

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens gegen die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung und hält insbesondere an ihrem Standpunkt fest, auf der Grundlage der vom Arbeitsgericht durchgeführten Beweisaufnahme stehe der dem Kläger vorgeworfene Diebstahlsversuch zweifelsfrei fest. Unter diesen Umständen könne die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung nicht überzeugen. Soweit der Kläger weiterhin an seiner Darstellung festhalte, er sei aus Krankheitsgründen zu einer realitätsgerechten Erfassung der maßgeblichen Kündigungsumstände außerstande gewesen, werde dies auch durch die vom Landesarbeitsgericht eingeholte ergänzende Auskunft der behandelnden Ärztin Frau P1 nicht belegt. Im Gegenteil folge aus dem vom Landesarbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachten ohne jeden Zweifel, dass der Kläger in vollem Umfang die tatsächlichen Umstände und den Unrechtsgehalt seiner Tat erfasst habe. Schon aus Gründen der Betriebsdisziplin könne der Beklagten, welche als Betrieb der Lebensmittelindustrie in besonderer Weise dem Risiko von Mitarbeiterdiebstählen ausgesetzt sei, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 01.06.2005 - 3 Ca 3943/04 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens als zutreffend und führt aus, das gesamte Geschehen erkläre sich letztlich daraus, dass er davon ausgegangen sei, auch die herumstehende Trittleiter, welche sich tatsächlich lediglich zwei Meter und nicht - wie vom Arbeitsgericht angenommen - zehn Meter von den am Pförtnerhaus für ihn bereitgestellten Gegenständen befunden habe, als unbrauchbar ausgesondert gewesen sei. Er - der Kläger - habe angenommen, dass die Leiter von den Mitarbeitern des Abfallhofes zusammen mit den übrigen, für den Kläger bestimmten Gegenständen an das Pförtnerhaus gestellt worden sei. Dementsprechend habe er sich beim Einladen der Leiter keine weiteren Gedanken darüber gemacht, dass dies unzulässig sein könne, vielmehr sei er davon ausgegangen, dass die betreffende Leiter von der Beklagten nicht mehr verwendet werde. Von einer heimlichen Vorgehensweise und auch davon, dass er sich angeblich umgeschaut habe, ob die "Luft rein" sei, könne keine Rede sein, im Gegenteil sei er, als er vom Pförtner zur Rede gestellt worden sei, völlig überrascht gewesen. Die Auswirkungen und Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis seien ihm erst im Gespräch mit dem Betriebsratsvorsitzenden bewusst geworden. Für die Frage, inwiefern hier der Vorwurf eines Diebstahlsversuchs gemacht werden könne, müsse schließlich entscheidend die Erkrankung des Klägers berücksichtigt werden, aufgrund derer ihm gar nicht bewusst geworden sei, dass er auch zur Mitnahme der Leiter einen Ausgabeschein benötige. Dieser Zusammenhang zwischen Erkrankung und Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten auf Seiten des Klägers werde auch durch die im zweiten Rechtszuge eingeholte zusätzliche Auskunft der behandelnden Ärztin P1 nachhaltig unterstützt. Soweit demgegenüber der vom Gericht bestellte Sachverständige Dr. D4 zu einer abweichenden Auffassung gelangt sei, sei dieses Gutachten schon aus verfahrensrechtlichen Gründen unverwertbar. Zu Unrecht habe nämlich der Sachverständige die vom Kläger zum Explorationsgespräch mitgebrachte Vertrauensperson abgewiesen. Hierin liege ein Verstoß gegen den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme. Ferner sei hierdurch die Möglichkeit verhindert worden, dass die mit den Verhältnissen des Klägers vertraute Person von sich aus oder auf Befragung gegenüber dem Sachverständigen ergänzende Angaben hätte machen können. Schließlich werde durch die Hinzuziehung einer Vertrauensperson auch die emotionale Sicherheit des Probanden bestärkt. Zumindest unter diesem Gesichtspunkt müsse in der Nichtzulassung der Vertrauensperson ein Verfahrensfehler gesehen werden, von welchem zumindest nicht ausgeschlossen sei, dass das Untersuchungsergebnis hiervon beeinflusst worden sei. Auch in der Sache seien die Feststellungen des Gutachters Dr. D4 nicht überzeugend, im Gegenteil werde durch die weitere Stellungnahme der behandelnden Ärztin vom 10.10.2006 belegt, dass der Gutachter allein von einer eingeengten schulmedizinischen Sichtweise ausgehe und den - freilich noch nicht allgemein anerkannten, gleichwohl an zahlreichen Einzelfällen belegbaren - Zusammenhängen zwischen Calcium-Stoffwechselstörungen und der Symptomatik kognitiver Leistungsdefizite keine hinreichende Beachtung geschenkt habe. Unabhängig von den aufgeworfenen medizinischen Fragestellungen habe das Arbeitsgericht im Übrigen zu Recht bei der Interessenabwägung in den Vordergrund gestellt, dass der Kläger in der gesamten, über zwanzigjährigen Betriebszugehörigkeit zu keinem Zeitpunkt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen habe. Unter diesen Umständen seien sowohl die fristlose als auch die fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses als überzogene Reaktion anzusehen, zumal die Folgen des Arbeitsplatzverlustes in keinem rechten Verhältnis zum Gesichtspunkt der Betriebsdisziplin stünden.

Das Landesarbeitsgericht hat weiteren Beweis erhoben über die widerstreitenden Behauptungen der Parteien zur Frage der Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten des Klägers gemäß dem Beweisbeschluss vom 07.12.2005 (Bl. 139 d.A.) durch Einholung einer ergänzenden Auskunft der behandelnden Ärztin sowie eines medizinischen Sachverständigengutachtens.

Wegen der maßgeblichen Fragestellung im Einzelnen wird auf das gerichtliche Schreiben an die Fachärztin Frau E2 P1 vom 07.12.2005 (Bl. 140 ff. d.A.), der diesbezüglichen ärztlichen Stellungnahme vom 02.01.2006 (Bl. 144 d.A.) sowie auf das Gutachten des Sachverständigen D2. D4 vom 22.07.2006 (Bl. 175 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet, soweit das Arbeitsgericht den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus festgestellt hat. Im Übrigen ist die Berufung der Beklagten hingegen unbegründet.

I

In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil ist das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die angegriffene fristlose Kündigung nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden. Die Kammer folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils, nach welchen es auch bei schweren Vertragsverletzungen einer Interessenabwägung bedarf und welche hier zu dem Ergebnis führt, dass der Beklagten die Fortführung des Arbeitsverhältnisses jedenfalls bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht unzumutbar ist. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte sind im Ergebnis nicht geeignet, den Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils in Frage zu stellen.

Auch wenn man - wie nachfolgend zur Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung auszuführen ist - von einem versuchten Diebstahl zu Lasten der Beklagten ausgeht, welcher an sich zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung gem. § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist, bedarf es doch nach der gesetzlichen Regelung der konkreten Beurteilung der Verhältnisse im Einzelfall und einer hierauf bezogenen Interessenabwägung. Der von der Beklagten vorgetragene Gesichtspunkt, durch den Diebstahlsversuch sei das Vertrauen in die Person des Klägers vollständig zerstört, berücksichtigt nicht ausreichend die besonderen Umstände des Einzelfalls.

1. Soweit die Beklagte hervorhebt, die Beklagte habe dem Kläger ein "besonderes Vertrauen" entgegengebracht, welches der Kläger durch das Einladen der Trittleiter in ebenso besonderem Maße missbraucht habe, vermag dieser Einwand nicht zu überzeugen. Allein die Tatsache, dass dem Kläger das Betreten des Betriebsgeländes zum Abholen der bereitgestellten Gegenstände vom Pförtner gestattet worden war, begründet keine besondere Steigerung der arbeitsvertraglichen Vertrauensbeziehung über dasjenige Maß hinaus, welches einem jeden Arbeitnehmer oder Besucher des Betriebes entgegengebracht wird. Wenn der Kläger unter Vorlage des Ausgabescheins mit seinem Fahrzeug das Betriebsgelände befahren durfte, das Aufladen jedoch in dem - durch eine Überwachungskamera erweiterten - Sichtbereich des Pförtners zu erfolgen hatte, belegt dies gerade, dass die Beklagte - durchaus zu Recht - von vornherein besondere Sicherungsmaßnahmen vorgesehen hat. Zu diesem "Sicherungskonzept" gehört auch der Umstand, dass der Kläger die im Ausgabeschein bezeichneten Gegenstände nicht an ihrem bisherigen Lagerort auf dem weitläufigen Betriebsgelände abzuholen hatte, vielmehr waren die für den Kläger bestimmten Gegenstände von den hierfür zuständigen Mitarbeitern der Beklagten eben in die Nähe des Pförtnerhauses verbracht worden, so dass der Abtransport gleichsam unter den Augen des Pförtners erfolgte.

Soweit der Kläger im Zusammenhang mit seiner konkreten arbeitsvertraglichen Beschäftigung erleichterte Zugriffsmöglichkeiten auf das Eigentum der Beklagten und insbesondere die hier hergestellten Fleischwaren haben sollte, steht der hier maßgebliche Kündigungsvorwurf hiermit in keinem Zusammenhang. Aus diesem Grunde überzeugt es nicht, wenn die Beklagte auf die spezifischen Besonderheiten verweist, welche sich für Betriebe der Lebensmittelproduktion oder des Lebensmitteleinzelhandels ergeben. Richtig ist zwar, dass in der Lebensmittelbranche in besonderer Weise die Gefahr besteht, dass es zu Diebstählen durch Mitarbeiter kommt, weil ein entsprechender Bedarf an den Produkten in einem jeden Haushalt vorhanden ist. Dementsprechend kann durchaus der Standpunkt der Beklagten nachvollzogen werden, dass sich die betriebliche Ordnung allein durch strikte Anwendung klarer Maßstäbe und konsequentes Durchgreifen aufrechterhalten lässt. Demgegenüber ist im vorliegenden Zusammenhang zu beachten, dass der hier maßgebliche Kündigungsvorwurf nicht im Zusammenhang mit der arbeitsvertraglichen Tätigkeit des Klägers in der Lebensmittelproduktion, sondern - hiervon völlig getrennt - beim Abholen ausgesonderter Verpackungsmaterialien abgespielt hat. Allein die Tatsache, dass selbstverständlich dem Arbeitnehmer nicht nur Diebstähle produzierter Lebensmittel, sondern auch Diebstähle sonstigen Betriebseigentums verboten sind, ändert nichts daran, dass die von der Beklagten reklamierte Störung der "besonderen Vertrauensbeziehung" nicht geeignet ist, dem Kündigungsvorwurf gesteigertes Gewicht zu verleihen und die Unzumutbarkeit der Einhaltung der Kündigungsfrist zu belegen.

2. Ebenso wenig vermag das Argument der Beklagten zu überzeugen, durch sein nachfolgendes Verhalten gegenüber dem Pförtner habe der Kläger das Unrecht seiner Tat und die hierdurch verursachte Störung der Vertrauensbeziehung in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise vertieft. Die Überlegung, der Kläger habe den Pförtner mit dem Ziel "bestechen" wollen, die Mitnahme der Leiter zu gestatten, erscheint der Kammer als ausgesprochen fernliegend. Bei realitätsgerechter Würdigung kann das Verhalten des Klägers vielmehr allein in dem Sinne verstanden werden, dass der Kläger, nachdem er den Ernst der Lage erkannt hatte und um den Bestand seines Arbeitsverhältnisses fürchtete, auf den Pförtner mit dem Ziel einwirken wollte, von einer entsprechenden Meldung abzusehen. Eine Bestechung mit dem Ziel, der Pförtner solle die Mitnahme von Diebesgut gestatten, hätte demgegenüber allein beim Diebstahl von Gegenständen Sinn, deren Wert die Höhe des Bestechungsgeldes übersteigt - so etwa, wenn beim Diebstahl erheblicher Mengen produzierter Fleischwaren der Pförtner veranlasst wird, die vorgeschriebene Kontrolle bei der Ausfahrt zu unterlassen, und für diese Form der Mitwirkung an der Straftat honoriert werden soll. Gegen die Sichtweise der Beklagten, der Kläger habe den Pförtner mit dem Ziel bestechen wollen, die Mitnahme der Leiter zu gestatten, spricht im Übrigen der Umstand, dass den Kläger die Kontrollmaßnahme durch den Pförtner völlig unerwartet traf. Mit einer Beobachtung mittels der Überwachungskamera hatte der Kläger ersichtlich nicht gerechnet. Das weitere Handeln des Klägers stellt sich dann aber allein als hilfloser Versuch dar, das geschehene Unrecht rückgängig zu machen, ohne dass hieraus eine Vertiefung des Unrechtsgehalts hergeleitet werden kann.

3. Zutreffend hat das Arbeitsgericht bei der durchgeführten Interessenabwägung neben der langjährigen und beanstandungsfreien Betriebszugehörigkeit und der sozialen Verhältnisse des Klägers den Gesichtspunkt herausgestellt, dass sich aus dem "Herumstehen" der Leiter - gleich ob der Abstand zwölf, zehn oder zwei Meter zum Lagerort der für den Kläger bestimmten Gegenstände betrug - sich für den Kläger eine deutlich erleichterte Zugriffsmöglichkeit ergab. Auch wenn man - wie nachfolgend im Zusammenhang mit der Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung auszuführen ist - hieraus keinesfalls eine "missverständliche Situation" in dem Sinne herleiten kann, dass der Eindruck entstand, die Leiter dürfe einfach mitgenommen werden, waren doch objektive und subjektive Schwellen für einen Diebstahl deutlich herabgesetzt. Für das Gewicht der Pflichtverletzung und die Frage der Interessenabwägung ist aber die Frage der aufgewandten "Unrechtsenergie" durchaus von Belang. Dementsprechend kann nicht beanstandet werden, wenn das Arbeitsgericht in dem ungesicherten Herumstehen der Leiter einen Umstand gesehen hat, welcher das Gewicht der begangenen Pflichtverletzung mindert.

4. Schließlich kann auch nicht dem Standpunkt der Beklagten gefolgt werden, das Arbeitsgericht habe sich, indem es die sozialrechtlichen Folgen der fristlosen Kündigung in die Betrachtung einbezogen habe, von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Vielmehr umfasst die gebotene Interessenabwägung gerade auch die Folgen, welche sich für den Arbeitnehmer aus der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist ergeben. Richtig ist allein, dass zugleich in die Interessenabwägung auch die Folgen einzubeziehen sind, welche sich für den Arbeitgeber aus der Notwendigkeit ergeben, ggfls. den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Wenn die Beklagte demgegenüber den Standpunkt vertritt, aus ihrer Sicht sei jedweder Diebstahl von Betriebseigentum ausnahmslos als Grund für eine fristlose Kündigung anzusehen, steht dies mit dem Erfordernis der Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht in Einklang.

5. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der dem Kläger vorgeworfene Diebstahl nicht im Zusammenhang mit der Arbeitsaufgabe des Klägers im Produktionsbereich abgespielt hat, im Gegenteil Arbeitsleistung und Verhalten des Klägers während der mehr als 24jährigen Betriebszugehörigkeit keinen Anlass zu Beanstandungen gegeben haben und es sich hier um einen einmaligen und den Umständen nach atypischen Vorfall handelt, ist im Ergebnis dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils beizutreten, dass der Beklagten die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nicht unzumutbar gewesen ist. Auch wenn die Kündigungsfrist des Klägers unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit sieben Monate beträgt, erscheint die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses und die entsprechende Beschäftigung des Klägers an seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht allein aus diesem Grunde ausgeschlossen. Das Risiko, dass sich der Kläger in einer vergleichbaren Situation ein nochmaliges Fehlverhalten zu Schulden kommen lassen würde, ist ohne weiteres dadurch auszuschließen, dass der Kläger vom Zugang zum Betrieb außerhalb der Arbeitszeit ausgeschlossen bleibt. Dafür, dass der Kläger - anders als in den vorausgehenden 24 Jahren - während der Kündigungsfrist seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht korrekt erfüllen würde oder in diesem Zusammenhang sich am Betriebseigentum vergreifen könnte, sind keinerlei Anhaltspunkte zu ersehen. Auch die Beklagte selbst hat - abgesehen von den vorstehend berücksichtigten Umständen - keinerlei reale Anhaltspunkte für die Gefahr erneuter Pflichtverletzungen während der Dauer der Kündigungsfrist vorgetragen.

Damit erweist sich jedenfalls die ausgesprochene fristlose Kündigung als unwirksam.

II

Soweit es den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist hinaus betrifft, erweist sich die Berufung der Beklagten als begründet. Abweichend vom Standpunkt des erstinstanzlichen Urteils hält die Kammer die ausgesprochene ordentliche Kündigung für sozial gerechtfertigt. Insbesondere vermag die Kammer die vom Arbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung nicht zu teilen. Auf der Grundlage des im Berufungsrechtszug eingeholten Sachverständigengutachtens ist die Kammer auch davon überzeugt, dass der Kläger - unbeschadet der von der behandelten Ärztin attestierten Krankheitssymptomatik - in der Lage war zu erkennen, dass die fragliche Trittleiter weder zur Mitnahme durch den Kläger bestimmt noch als ausgesondert und herrenlos anzusehen war und dass des weiteren der Kläger das Verbotene seines Handelns ohne weiteres erkennen konnte. Auch unter Berücksichtigung der vorstehend unter Ziff. I der Gründe dargestellten besonderen Umstände des Tatgeschehens kann die Entscheidung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis des Klägers jedenfalls unter Einhaltung der Kündigungsfrist zu beenden, rechtlich nicht beanstandet werden.

1. Hinsichtlich der Darstellung des Tathergangs und der Würdigung der relevanten Tatumstände kann auf die zutreffende Darstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen werden. Soweit der Kläger hierzu auf den Umstand verweist, die Trittleiter habe nicht - wie im Tatbestand wiedergegeben - zehn Meter, sondern nur zwei Meter entfernt herumgestanden, kommt dem keine entscheidende Bedeutung zu. Abgesehen davon, dass der Kläger allein die Mitnahme der am Pförtnerhaus gelagerten Gegenstände beantragt und bewilligt erhalten hatte, weswegen schon aus diesem Grunde kein Raum für die Überlegung blieb, auch die unerwartet ins Blickfeld geratene Leiter sei von der erteilten Erlaubnis zur Mitnahme umfasst, befand sich die Leiter auch nach der Sachdarstellung des Klägers eben nicht bei den zum Abtransport bereit gestellten Materialien, sondern deutlich hiervon - nämlich zumindest zwei Meter - entfernt.

Ebenso wenig kommt dem vom Kläger herausgestellten Umstand Bedeutung zu, dass er nicht selbst die fraglichen Materialien zum Ablageort in der Nähe des Pförtnerhauses verbracht hatte, dies vielmehr durch andere Mitarbeiter der Beklagten erledigt worden war. Für welche Gegenstände der Kläger eine Genehmigung zur Mitnahme beantragt und bewilligt erhalten hatte, ergab sich erkennbar abschließend aus dem entsprechenden Ausgabeschein. Für die Überlegung, die mit dem Transport befassten Mitarbeiter der Beklagten könnten dem Kläger zusätzlich auch noch eine Leiter zugedacht haben, war unter diesen Umständen kein Raum, zumal die Trittleiter nicht etwa zwischen den zur Mitnahme bestimmten Brettern herumlag. Unter Beachtung objektiver Umstände war danach für jedermann ohne Weiteres erkennbar, dass die Leiter zwar nicht besonders gesichert, keinesfalls jedoch zur beliebigen Mitnahme durch Dritte oder den Kläger persönlich bestimmt war.

2. Nach Behauptung des Klägers war allerdings seine Fähigkeit, die Situation zutreffend zu beurteilen und insbesondere zu erkennen, dass er die betreffende Leiter nicht einfach mitnehmen durfte, aus Krankheitsgründen eingeschränkt mit der Folge, dass eine vorsätzliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten bzw. eine Diebstahlsabsicht ausgeschlossen war. Zur Untermauerung seiner Behauptung hat der Kläger bereits im ersten Rechtszuge eine ärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Elisabeth P1 vorgelegt. Die im zweiten Rechtszug eingeholte ergänzende Stellungnahme der Ärztin vom 02.01.2006 wie auch die weiteren, auf Veranlassung des Klägers vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen bieten nach dem Standpunkt der erkennenden Kammer keine ausreichende Grundlage für die Einschätzung, die attestierten Gesundheitsstörungen hätten in der konkreten Tatsituation den Kläger an einer realitätsgerechten Erfassung der Situation und an der Möglichkeit gehindert, das Verbotene seines Handelns zu erkennen. Im Gegenteil ist die Kammer in Übereinstimmung mit dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. D4 der zweifelsfreien Überzeugung, dass der Kläger in vollem Umfang erkennen konnte und auch erkannt hat, dass die fragliche Leiter nicht ohne Erlaubnis vom Betriebsgelände entfernt werden durfte. Auch wenn nicht verkannt wird, dass die Beweislast im Kündigungsschutzprozess in vollem Umfang den Arbeitgeber trifft, steht für die Kammer unter Berücksichtigung der Tatumstände, wie sie in der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt worden sind, ohne jeden Zweifel die Berechtigung des erhobenen Vorwurfs fest.

a) Soweit der Kläger in rechtlicher Hinsicht die Verwertbarkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens mit der Erwägung bekämpft, der Gutachter habe unter Verstoß gegen den Grundsatz der Parteiöffentlichkeit die vom Kläger mitgebrachte Vertrauensperson nicht zum Explorationsgespräch zugelassen, greift dieser Einwand nicht durch.

Dabei erscheint bereits als zweifelhaft, ob der Gutachter Dr. D4 berechtigt oder verpflichtet gewesen wäre, der vom Kläger mitgebrachten Vertrauensperson die Teilnahme am Explorationsgespräch zu gestatten. Anders als etwa bei einem Termin zur Ortsbesichtigung mit einem Sachverständigen, zu welchem die Parteien neben ihren Prozessbevollmächtigten gegebenenfalls auch eine sachkundige Person mitbringen dürfen, mit deren Hilfe entsprechende Fragen und Anregungen an den Sachverständigen gerichtet werden können, verbietet sich bei einer ärztlichen Untersuchung oder einem Explorationsgespräch der vorliegenden Art eine aktive Beteiligung dritter Personen, da deren Eingreifen den Untersuchungsvorgang selbst beeinflussen könnte. Soweit also der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, die vom Kläger zugezogene Vertrauensperson habe gegebenenfalls besser als der Kläger oder zusätzlich zu dessen Erklärungen die Auswirkungen der bestehenden Erkrankung schildern können, geht dieser Einwand schon deshalb fehl, weil die Einschätzung des Sachverständigen ganz wesentlich auf dem Gespräch mit dem Kläger selbst beruht. Geht man dementsprechend davon aus, dass allenfalls eine Anwesenheit der Vertrauensperson hätte gestattet werden können, so mag es zwar zutreffen, dass dies dem Kläger subjektiv eine größere Sicherheit bei der Beantwortung der Fragen des Sachverständigen vermittelt hätte. Andererseits lässt sich jedoch weder der Prozessordnung noch sonstigen Rechtsvorschriften der Grundsatz entnehmen, in jeder wichtigen Angelegenheit bestehe ein Anspruch darauf, eine Vertrauensperson hinzuziehen.

Letztlich bedarf die Frage, ob der Kläger, wenn er auf der Hinzuziehung einer Vertrauensperson bestanden hätte, dies mit Hilfe einer gerichtlichen Weisung an den Gutachter hätte erreichen können, keiner Entscheidung. Aus dem Vortrag des Klägers oder aus sonstigen Umständen ist nämlich in keiner Weise ersichtlich, inwiefern sich der angebliche Verfahrensmangel auf den Verlauf des Explorationsgesprächs bzw. dessen Ergebnisses ausgewirkt hätte bzw. dass ein solcher Einfluss zumindest nicht auszuschließen sei. Der Kläger trägt selbst nicht vor, der Gutachter habe etwa durch unsachliche Fragestellungen oder ein einschüchterndes Verhalten dazu beigetragen, dass ein unrichtiges Bild von der Persönlichkeit des Klägers und eine Fehleinschätzung der kognitiven Fähigkeiten entstanden sei, weshalb zumindest die Möglichkeit einer fehlerhaften Beurteilung durch den Gutachter nicht ausgeschlossen werden könne. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 31, 43 ff) muss die Partei, welche einen derartigen Verfahrensverstoß bei der Beweiserhebung geltend macht, jedenfalls darlegen, dass die von ihr angefochtene Entscheidung auf dem gerügten Mangel beruhen kann, d.h., dass die Beweisaufnahme möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, wenn das vom Kläger reklamierte Anwesenheitsrecht (hier: der Vertrauensperson) beachtet worden wäre. Auch wenn man an einen solchen Vortrag - ähnlich dem Fall einer Wahlanfechtung - keine besonders hohen Anforderungen stellt, wie dies im Schrifttum für zutreffend erachtet wird (Musielak, § 357 ZPO Rz. 12; vgl. auch jetzt BVerwG NJW 2006, 2058 ff.), ergibt sich hier nichts anderes. Die Auseinandersetzung des Klägers mit dem Gutachten des Sachverständigen Dr. D4 stützt sich - unter Verwertung der weiteren Stellungnahme der behandelnden Ärztin Frau P1 - letztlich auf die Erwägung, der Sachverständige habe dem in der Schulmedizin noch nicht ausreichend beachteten Zusammenhang zwischen Stoffwechselstörungen und Einschränkungen des Hirnleistungsvermögens keine hinreichende Aufmerksamkeit geschenkt. Dass der Gutachter bei Beteiligung der Vertrauensperson von den kognitiven Fähigkeiten des Klägers oder seiner Persönlichkeitsstruktur ein anderes Bild gewonnen und die Beweisfrage anders beurteilt hätte, kann dem Vortrag des Klägers auch nicht ansatzweise entnommen werden.

b) Wie der Sachverständige Dr. D4 in seinem Gutachten näher ausgeführt hat, hat die durchgeführte Exploration keine auffällige Beeinträchtigung kognitiver Funktionen des Klägers ergeben. Auch wenn nicht verkannt wird, dass der Gutachter den Kläger nur im Zuge einer einmaligen Untersuchung kennengelernt hat, welche zudem in deutlichem zeitlichen Abstand zum Tatvorwurf durchgeführt worden ist, wird die Einschätzung des Gutachters, beim Kläger seien Anzeichen für eine auffällige Beeinträchtigung kognitiver Funktionen nicht festzustellen, doch durch die Tatsache gestützt, dass die vom Kläger gegenüber dem Gutachter abgegebene Sachdarstellung ein vollkommen rationales, wenn auch irrtumsbehaftetes Verhalten wiedergibt. Die Fehlvorstellung des Klägers, zur Mitnahme der Leiter berechtigt zu sein, erscheint nach dieser Schilderung nicht - wie im Bericht der Ärztin Frau P1 dargestellt - als Ausdruck einer übersteigerten und letztlich krankhaften Sammelleidenschaft, welche die Unterscheidung von "mein und dein" und der Erlaubtheit bzw. des Verbotenseins beeinträchtigt, vielmehr stellt sich der Vorgang auf der Grundlage des Explorationsgesprächs als ein Versehen dar, aufgrund dessen der Kläger der Auffassung gewesen sei, auch die Leiter sei auf dem Abholschein aufgeführt. Die vom Kläger gegenüber dem Gutachter gegebene Sachdarstellung schließt zwar nicht aus, dass es sich hierbei allein um nachgeschobene Rationalisierungsversuche für ein Verhalten handelt, welches in Wahrheit als krankheitsbedingt anzusehen ist. Andererseits belegen Verlauf und Ergebnis der vom Sachverständigen durchgeführten Exploration deutlich, dass der Kläger jedenfalls im Untersuchungszeitpunkt keinerlei Anzeichen für eine krankhafte kognitive Störung aufweist.

Damit stellt sich die Frage, inwiefern sich die Verhältnisse im Zeitpunkt des Vorfalls und im Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen grundlegend in der Weise verändern haben könnten, so dass jedenfalls für den Zeitpunkt des Kündigungsvorfalls eine relevante krankhafte Störung des Hirnleistungsvermögens nicht auszuschließen wäre. Die von der behandelnden Ärztin Frau P1 dargestellten Befunde belegen indessen allein, dass beim Kläger im Zeitraum Dezember 2004 ein objektiv labortechnisch nachweisbarer Befund vorlag, welcher - wie zumindest nicht ausgeschlossen werden kann - Auswirkungen auf das kognitive Leistungsvermögen erlangt hatte. Andererseits steht jedoch fest, dass der Kläger im damaligen Zeitpunkt regulär seiner Arbeit nachgehen konnte und es sich bei der beschriebenen krankheitsbedingten Wesensänderung nicht etwa um massive Ausfälle, sondern um Störungen im emotionalen Bereich handelte, welche von Kopfschmerzen, Durchschlafstörungen, Vergesslichkeit und Tagesmüdigkeit gekennzeichnet waren. Sämtliche Vorkommnisse, von welchen die Ärztin Frau P1 berichtet, lassen sich zwar als Anzeichen einer krankhaften Wesensänderung deuten. Bezogen auf die konkrete Fragestellung, ob der Kläger, als er am fraglichen Tage in der Nähe der zur Abholung bereitgestellten Gegenstände die herumstehende Trittleiter sah, zu einem rationalen Handeln in der Lage war oder aber krankheitsbedingt zu einer unrichtigen Einschätzung der Situation gelangte, sind die Erkenntnisse der behandelnden Ärztin jedoch nicht aussagekräftig. Dies gilt insbesondere für die Einschätzung, die beim Kläger festgestellte Einschränkung kognitiver Fähigkeiten habe sich nachteilig in der aktuellen "missverständlichen Situation" ausgewirkt. Abgesehen davon, dass gegen die Annahme eines Missverständnisses die Tatsache spricht, dass sich der Kläger nach der Aussage des erstinstanzlich als Zeuge vernommenen Pförtners vor dem Einladen der Leiter nach allen Seiten umgeschaut hat, spricht schon die Tatsache, dass der Kläger hinsichtlich der übrigen, im Abholschein aufgeführten Gegenstände das vorgesehene Verfahren eingehalten hat, deutlich dagegen, der krankhaft gesteigerte Sammeltrieb oder eine herabgesetzte Rechtswahrnehmung hätten den Kläger an einer zutreffenden Erfassung der Situation gehindert. Träfe die Einschätzung zu, die Freude am Sammeln alter Gegenstände habe im Bewusstsein des Klägers derart Oberhand gewonnen, dass die Frage der Eigentumszuordnung krankheitsbedingt völlig aus dem Blickfeld geraten sei, so wäre nicht zu erklären, warum der Kläger nicht auch hinsichtlich der ihm brauchbar erscheinenden Kunststofffässer und Bretter sich zu einem eigenmächtigen Vorgehen veranlasst gesehen hat. Wenn der Kläger aber hinsichtlich der erkennbar ausgesonderten Gegenstände realitätsgerecht erkannt hat, dass er zur Mitnahme einen Abholschein benötigte, so schließt dies zwar die gedankliche Möglichkeit eines Missverständnisses beim Einladen der Leiter nicht von vornherein aus. Nicht hingegen kann unter den vorliegenden Umständen aber von einer krankhaften Störung der kognitiven Fähigkeiten des Klägers ausgegangen werden, welche überhaupt der zutreffenden Einordnung der Eigentumsverhältnisse und ihrer Bedeutung für die Berechtigung zur Mitnahme in der konkreten Tatsituation entgegenstand.

Soweit die behandelnde Ärztin im Übrigen von einer "missverständlichen Situation" ausgeht, kann eine solche nach Auffassung der Kammer nicht schon daraus hergeleitet werden, dass die fragliche Leiter sich in der Nähe der abgestellten Gegenstände befand. Zum einen ergab sich schon aus dem vom Kläger beantragten Abholschein, dass allein die Kunststofffässer und Holzbretter zur Mitnahme vorgesehen waren. Zum anderen befand sich die Leiter zwar in der Nähe der zur Abholung bereitgestellten Materialien, nicht hingegen lag sie zwischen den genannten Gegenständen herum. Für die Einschätzung, irgendwer habe die - zuvor gar nicht erkennbar begehrte - Leiter dem Kläger zugedacht, bestand danach keinerlei Grundlage. Auch der Umstand, dass der Kläger zuvor die Nachtschicht absolviert hatte und infolgedessen eine gewisse geistige Ermüdung vorgelegen haben mag - welche den Kläger freilich nicht an der Benutzung sein PKW hinderte - kann das Handeln des Klägers nicht als Ausdruck nachlassender geistiger Kräfte erklären. Vorliegend geht es nicht um Fehlleistung in Gestalt unkonzentrierten Handelns, wie dies etwa auf einen Fahrfehler des Kraftfahrers oder auch auf einen Kaufhauskunden zutrifft, welcher es in Gedanken versäumt, einen zum Kauf vorgesehenen Gegenstand an der Kasse zur Bezahlung vorzulegen. Die vom Kläger zu bewältigenden Aufgabe bestand vielmehr darin, die von ihm selbst ausgewählten und für ihn zur Mitnahme bereitgestellten Gegenstände aufzuladen und abzufahren. Das unberechtigte Einladen der Leiter kann danach weder als Ausdruck mangelnder Konzentration oder einer missverständlichen Situation angesehen werden. Auch die möglicherweise zwanghaft gesteigerte Vorstellung des Klägers, Brauchbares dürfe nicht einfach weggeworfen werden, konnte beim Kläger kein Missverständnis in dem Sinne hervorrufen, er könne auf dem Betriebsgelände ungesichert herumstehende, ihm brauchbar erscheinende - und sogar tatsächlich noch funktionstüchtige - Gegenstände unbedenklich mitnehmen, obgleich der Arbeitgeber ausnahmslos auch für Abfallgegenstände einen Ausgabeschein verlangt und der Kläger im selben Zusammenhang einen solchen Ausgabeschein für andere Gegenstände auch beantragt und erhalten hat.

c) Im Ergebnis kann daher zu Gunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, dass die von der Ärztin festgestellten Krankheitssymptome im Sinne der dargestellten Persönlichkeitsänderung zu würdigen sind. Ein genereller Ausschluss realitätsgerechter Wahrnehmung ist hiermit jedoch nicht verbunden. Nach Überzeugung der Kammer lagen im Zeitpunkt des Kündigungsvorfalls auch keine besonderen Umstände vor, welche es als nachvollziehbar erscheinen lassen, dass sich die beim Kläger vorhandene Einschränkung des kognitiven Leistungsvermögens in der Weise ausgewirkt hat, dass er gar nicht erkennen konnte, zur Mitnahme der Leiter nicht berechtigt zu sein.

3. In Anbetracht der Tatsache, dass nach den bestehenden, auch dem Kläger bekannten und von ihm in der Vergangenheit beachteten betrieblichen Regeln die Mitnahme von Gegenständen aus dem Betrieb nur auf der Grundlage eines entsprechenden Ausgabescheins zulässig war, muss in dem Verhalten des Klägers ein schwerer Pflichtenverstoß gesehen werden, welcher auch ohne vorangehende Abmahnung jedenfalls den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung rechtfertigt. Dass sich der Kläger der Unrechtmäßigkeit seines Vorgehens bewusst war, wird im Übrigen durch die Tatsache belegt, dass sich der Kläger - wie der im ersten Rechtszuge als Zeuge vernommene Pförtner ausgesagt hat - vor dem Einladen der Leiter noch einmal umgeschaut hat. Der Kläger hat die Aussage des Zeugen zwar insoweit als unrichtig bestritten. In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil besteht jedoch kein Anhaltspunkt dafür, dass der Zeuge gerade in diesem Punkt von der Wahrheit zu Lasten des Klägers abgewichen sein könnte.

4. Bei der gebotenen Interessenabwägung kann allein der Umstand, dass der Kläger durch den Verlust des Arbeitsplatzes außerordentlich hart getroffen wird, das Interesse der Beklagten, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen der erheblichen Pflichtverletzung zu beenden, nicht überwiegen. Auch wenn man den vergleichsweise geringen Wert der Trittleiter mit ca. 10,00 € berücksichtigt, handelt es sich weder objektiv noch auch nur nach der Darstellung des Klägers um einen wertlosen und funktionsuntüchtigen Gegenstand. Dementsprechend geht es hier nicht allein um einen Verstoß gegen die Regeln der betrieblichen Ordnung, sondern um den Schutz des Arbeitgebereigentums selbst.

Auch der Umstand, dass der Kläger im Falle einer strafrechtlichen Verfolgung in Anbetracht des geringen Schadens nicht mit ernsthaften Sanktionen zu rechnen hätte, hingegen der Verlust des Arbeitsplatzes die soziale Situation des Arbeitnehmers tiefgreifend verändert, führt zu keiner anderen Beurteilung. Das staatliche Interesse an der Strafverfolgung tritt bei geringfügigen Gesetzesverstößen auch deshalb zurück, weil der Geschädigte selbst in geeigneter Weise auf die begangene Eigentumsverletzung reagieren und - soweit es das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft - in einem solchen Fall der Gefahr künftiger Eigentumsverletzungen durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnen kann. Dementsprechend geht es nicht an, strafrechtliche und arbeitsrechtliche Beurteilungsgesichtpunkte miteinander zu verknüpfen.

Soweit das Arbeitsgericht schließlich zur Begründung der vorgenommenen Interessenabwägung ausführt, die Kammer sei davon überzeugt, dass sich ein derartiger Vorfall nicht noch einmal ereignen werde, da sich der Kläger das Verfahren zur Warnung dienen lasse, hält die erkennende Kammer diesen Gesichtspunkt nicht für tragfähig. Das durch den versuchten Diebstahl zerstörte Vertrauen wird nicht schon allein dadurch wiederhergestellt, dass der Kläger sich im Zuge des Verfahrens einsichtig gezeigt und auch gegenüber der erkennenden Kammer den Eindruck vermittelt hat, er werde bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses seine arbeitsvertraglichen Pflichten ohne Einschränkung erfüllen. Findet sich der Arbeitgeber auf der Grundlage derartiger Erwägungen bereit, von einer Kündigung abzusehen oder den zu Recht entlassenen Arbeitnehmer wieder einzustellen, weil er aus sozialen Gründen bereit ist, "Gnade vor Recht ergehen zu lassen" - so der Betriebsrat in seiner Stellungnahme zur Kündigung -, so trägt er damit in eigener Verantwortung das hiermit verbundene Prognoserisiko. Demgegenüber steht den Gerichten für Arbeitssachen ein derartiger Entscheidungsspielraum nicht zu. Steht also nach den Erkenntnissen im arbeitsgerichtlichen Verfahren die schwere Arbeitsvertragsverletzung fest und steht dem Arbeitgeber - trotz der mit der Kündigung verbundenen sozialen Härten - ein berechtigtes Interesse daran zu, das Arbeitsverhältnis mit Rücksicht auf den eingetretenen Vertrauensverlust durch Kündigung zu beenden, so kann nicht aus rein sozialen und letztlich außerrechtlichen Erwägungen dem Arbeitgeber das Recht zur Kündigung abgesprochen werden. In diesem Sinne hat sich die Kammer ausführlich darum bemüht, bei der Beklagten die Bereitschaft zu einer Wiedereinstellung des Klägers zu wecken. Nachdem sich die Beklagte diesem Anliegen verschlossen hat, muss es bei dem vorstehend begründeten Ergebnis verbleiben, dass die ausgesprochene ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtlich nicht zu beanstanden ist.

III

Die Kosten des Rechtsstreits waren unter Berücksichtigung des beiderseitigen Obsiegens und Unterliegens gegeneinander aufzuheben.

IV

Die Kammer hat die Revision gegen das Urteil gemäß § 72 ArbGG - insbesondere auch wegen der verfahrensrechtlichen Fragen der Verwertung des Sachverständigengutachtens - zugelassen.

Ende der Entscheidung

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