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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 18.12.2003
Aktenzeichen: 8 Sa 1401/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 25.07.2003 - 4 Ca 688/03 L - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Mit ihrer Klage wendet sich die als Reinigungskraft eingesetzte, schwerbehinderte und tariflich nur noch aus wichtigem Grund kündbare Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 10.03.2003. Diese Kündigung stützt die Beklagte, welche zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung eingeholt und das Anhörungsverfahren beim Betriebsrat durchgeführt hat, auf den Vorwurf, die Klägerin habe während der Dauer einer ärztlich attestierten, jedoch nur vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit eine im Übrigen ungenehmigte Nebentätigkeit als Fußpflegerin ausgeübt. Durch Urteil vom 25.07.2003 (Bl. 91 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht antragsgemäß festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung nicht beendet worden sei. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der Vorwurf der Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit sei unbegründet. Wie sich aus der Stellungnahme der behandelnden Orthopädin Dr. M3xxxxxx vom 23.04.2003 (Bl. 68 d.A.) ergebe, sei die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen eines Meniskusschadens ausgestellt worden, wobei die der Klägerin zur Last gelegten Hausbesuche zur Verrichtung von Tätigkeiten im Fußpflegebereich weder Zweifel am objektiv festgestellten Krankheitsbild begründeten, noch sich negativ auf den Heilungsverlauf ausgewirkt hätten. Demgegenüber seien die von der Beklagten vorgetragenen Erkenntnisse aus dem Detektivbericht und die weiteren Indiztatsachen nicht dazu geeignet, Zweifel am Bestehen einer Arbeitsunfähigkeit zu begründen. Selbst wenn die Klägerin Anfang des Jahres nach Beendigung einer Heilmaßnahme erklärt habe, sie sei "topgesund" und - im Gegensatz zu ihrer zügigen Gehweise während der beobachteten Nebentätigkeit - bei einem Besuch der Stadtwerke das Bein auffällig nachgezogen habe, um Krankheitsbeschwerden anzudeuten, seien diese Umstände nicht geeignet, den Wert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszuräumen. Aus welchem Grunde die fachärztliche Stellungnahme unzutreffend sein solle, nach welcher die Klägerin wegen des vorliegenden Meniskusschadens ihre arbeitsvertraglichen Reinigungstätigkeiten mit 25 Stunden/Woche nicht habe verrichten, gleichwohl aber gelegentliche Besuche oder Besorgungen habe vornehmen können, lasse sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen. Dementsprechend sei es der Beklagten nicht einmal gelungen, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern, so dass dahinstehen könne, ob nicht der Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses weitergehend verpflichtet sei, den Nachweis für das Nichtbestehen einer Arbeitsunfähigkeit zu führen. Soweit die Beklagte des weiteren eine Verzögerung des Heilungsverlaufes vortrage, fehle es hierfür an einem schlüssigen Sachvortrag. Bei einem Meniskusschaden, welcher durch operativen Eingriff beseitigt werden solle, sei eine Verzögerung des Heilungsverlaufs ohnehin kaum vorstellbar. Hiervon abgesehen könne sich die Beklagte schon deshalb im Prozess hierauf nicht berufen, weil dieser Vortrag nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung gewesen sei. Soweit es schließlich den Vorwurf einer ungenehmigten Nebentätigkeit betreffe, sei dieser Vorwurf unabhängig davon, ob er berechtigt sei, jedenfalls zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung ohne vorangehende Abmahnung nicht geeignet. Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens gegen den Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils, der Klägerin könne keine "Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit" vorgeworfen werden. Unter den vorliegenden Umständen erscheine es als völlig unverständlich, warum die Klägerin einerseits problemlos ihre Rücken und Knie beanspruchende Tätigkeit als reisende Fußpflegerin trotz festgestellter Innenmeniskusdegeneration habe ausüben können, andererseits angeblich aber nicht in der Lage gewesen sei, ihre vertragliche Tätigkeit als Reinigungskraft auszuüben. Richtig möge zwar sein, dass bei der Klägerin im Zeitpunkt der attestierten Arbeitsunfähigkeit durchaus eine Innenmeniskusdegeneration vorgelegen habe, welche einen entsprechenden operativen Eingriff erforderte. Hieraus ergebe sich aber keineswegs zwingend, dass tatsächlich auch Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Die Bescheinigung der Frau Dr. M3xxxxxx lasse nicht erkennen, inwiefern sich die Ärztin sachkundig mit den arbeitsmedizinischen Belastungen von Bandscheibe und Knie im Zusammenhang mit einer reisenden Fußpflegertätigkeit auseinandergesetzt habe, vielmehr werde allein bescheinigt, dass mäßige Bewegungen sinnvoll und insoweit keine Einwände gegen Hausbesuche bestünden. Dass die Klägerin hier nicht allein Spaziergänge durchgeführt, sondern arbeitstätig gewesen sei, sei offenbar unberücksichtigt geblieben. Entgegen dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils müsse unter diesen Umständen durchaus von einer "Erschütterung" des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgegangen werden. Wenn die Klägerin, ausgestattet mit zwei Alu-Koffern mit Behandlungsgerät, Hausbesuche durchführen, Treppen steigen und eine Knie und Rücken belastende Tätigkeit ausüben könne, sei sie nicht minder in der Lage gewesen, ihre Reinigungstätigkeit im Betrieb durchzuführen, welche ebenfalls keine gesteigerten körperlichen Anforderungen stelle. Mit Rücksicht auf die Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten. Schließlich hält die Beklagte eine gedeihliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den vorliegenden Umständen für ausgeschlossen und begehrt aus diesem Grunde hilfsweise die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm - 4 Ca 688/03 L - abzuändern und die Klage abzuweisen;

1. hilfsweise das Arbeitsverhältnis wegen Zerrüttung aufzulösen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend und führt ergänzend aus, die ausgesprochene Kündigung verstoße bereits gegen den "ultima ratio"-Grundsatz, da die Beklagte versäumt habe, vor Ausspruch der Kündigung etwaigen Zweifeln am Bestehen der Arbeitsunfähigkeit durch Einschaltung des medizinischen Dienstes der Krankenkasse nachzugehen. Schon aufgrund dieser vorgerichtlichen Versäumnisse sei es der Beklagten versagt, die Richtigkeit der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung anzuzweifeln. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten treffe es keineswegs zu, dass eine Fußpflegertätigkeit mit vergleichbaren Belastungen des Knies wie bei der vertraglich übernommenen Reinigungstätigkeit verbunden sei. Die Darstellung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht, die Klägerin müsse sich bei ihrer Reinigungstätigkeit nicht einmal bücken, sei vollkommen lebensfremd. Demgegenüber komme es zu keiner Belastung des erkrankten Knies, wenn die Klägerin - unstreitig - ihre Fußpflegetätigkeit im Sitzen ausübe und der Fuß des Patienten auf ihrem Bein ruhe. Auch die Tatsache, dass die Klägerin bei Patientenbesuchen ihre Arbeitsgerätschaften mit sich führe, begründe keine gesteigerte Kniebelastung beim Gehen und Treppensteigen, da in der Fußpflege bekanntlich keine schweren Geräte eingesetzt würden. Entscheidungsgründe: Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg. I Dies gilt zunächst für den mit der Berufung verfolgten Hauptantrag, mit welchem die Beklagte die Abweisung des Kündigungsfeststellungsantrages begehrt. 1. In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil greift der erhobene Vorwurf der "Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit" nicht durch. Die Beklagte hat zwar behauptet, die Klägerin sei aufgrund der attestierten Knie-Erkrankung ab dem 03.02.2003 möglicherweise zwar krank, jedenfalls aber nicht arbeitsunfähig gewesen. Die von ihr zur Stützung dieses Vorwurfs genannten Indiztatsachen sind jedoch nicht geeignet, die attestierte Arbeitsunfähigkeit in Frage zu stellen und den erhobenen und von der Klägerin bestrittenen Vorwurf der Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit zu stützen. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens oder einer ergänzenden Vernehmung der behandelnden Ärztin vor. a) Anders als in Entgeltfortzahlungsprozessen, bei welchen letztlich den Arbeitnehmer die Beweislast für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit trifft und bei welchem dementsprechend die "Erschütterung" des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeit dazu führt, dass nunmehr der Arbeitnehmer auf andere Weise die von ihm behauptete Arbeitsunfähigkeit als Anspruchsvoraussetzung nachzuweisen hat, liegt im Kündigungsschutzprozess die Beweislast für die Richtigkeit des erhobenen Kündigungsvorwurfs beim Arbeitgeber (KR-Etzel, 6. Aufl., § 1 KSchG Rz. 262 m.w.N.). Hat der Arbeitgeber - wie vorliegend - die Kündigung auf die Grundsätze einer Tatkündigung gestützt, hat er dementsprechend den vollen Nachweis dafür zu führen, dass entgegen der Darstellung des Arbeitnehmers eine Arbeitsunfähigkeit nicht vorgelegen und der Arbeitnehmer - vorsätzlich - den die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellenden Arzt und mittelbar auch den Arbeitgeber hierüber getäuscht habe. Allein mit einer Entkräftung oder Erschütterung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann der dem Arbeitgeber obliegende Nachweis nicht geführt werden, weshalb im Kündigungsschutzprozess der Rückgriff auf die im Entgeltfortzahlungsprozess übliche Terminologie wenig sinnvoll erscheint. b) Nicht anders als im Falle der Kündigung wegen "unentschuldigten Fehlens" sind jedoch die Grundsätze der abgestuften Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess zu beachten (BAG, Urteil vom 26.08.1993 - 2 AZR 154/93 - AP Nr. 112 zu § 626 BGB; vgl. auch KR-Etzel, a.a.O.). Da der Arbeitgeber aus eigener Kenntnis nicht wissen kann, aus welchem Grunde der Arbeitnehmer der Arbeit ferngeblieben ist, genügt der Arbeitgeber zunächst seiner Darlegungslast, indem er ein unentschuldigtes Fehlen des Arbeitnehmers - ohne näheren Tatsachenvortrag - behauptet, worauf der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert im einzelnen vorzutragen hat, warum sein Fehlen nicht als unentschuldigt anzusehen sei. Legt der Arbeitnehmer ein ärztliches Attest vor, genügt er hiermit zunächst seiner Darlegungslast. Will der Arbeitgeber gleichwohl am Vorwurf eines unentschuldigten Fehlens festhalten bzw. - wie vorliegend - die Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit behaupten, so muss er diejenigen (Hilfs-)Tatsachen, welche gegen die Arbeitsunfähigkeit bzw. für eine Simulation sprechen, näher darlegen und notfalls beweisen (BAG, a.a.O.). Gelingt ihm dies, so tritt hinsichtlich der Behauptungs- und Beweislast wieder derselbe Zustand ein, wie er vor Vorlage des Attestes bestand. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer seinerseits seinen Vortrag zu substantiieren, insbesondere Angaben zur Art der Erkrankung und dazu zu machen hat, inwiefern er trotz Arbeitsunfähigkeit beim Vertragsarbeitgeber zu der ausgeübten - angeblich gesundheitlich unbedenklichen - Nebentätigkeit in der Lage war und gegebenenfalls den Arzt von der Schweigepflicht zu befreien. Erst wenn der Arbeitnehmer insoweit seiner Erklärungspflicht nachgekommen ist, muss der Arbeitgeber aufgrund der gesetzlichen Beweislastverteilung den konkreten Sachvortrag des Arbeitnehmers widerlegen. Letztlich verbleibende Zweifel gehen damit zu Lasten des Arbeitgebers, wobei freilich schon die vom Arbeitgeber vorgetragenen und nachgewiesenen Tatsachen schon für sich genommen ein solches Gewicht haben können, dass sie ihrerseits als Indizien zur Überzeugungsbildung des Gerichts genügen, die vom Arbeitnehmer geltend gemachte Arbeitsunfähigkeit sei nur vorgetäuscht (BAG a.a.O.). c) Auf der Grundlage der vorstehenden Grundsätze zur Verteilung von Darlegungs- und Beweislast ist der Beklagten zwar zuzugestehen, dass die vorgetragene Fußpflegetätigkeit - unabhängig davon, ob sie genehmigt oder nicht genehmigt war - durchaus geeignet war, um eine gesteigerte Bestreitenslast der Klägerin im Sinne des § 138 Abs. 2 ZPO zu begründen. Allein aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann der Arbeitgeber die Art der Erkrankung des Arbeitnehmers nicht erkennen. Die Einschätzung, zwischen ausgeübter Nebentätigkeit und attestierter Arbeitsunfähigkeit bestehe ein unüberbrückbarer Gegensatz, erscheint danach durchaus nachvollziehbar, so dass die behauptete Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit keineswegs als Behauptung "ins Blaue hinein" abgetan werden kann. d) Nachdem die Klägerin jedoch die behandelnde Ärztin von der Schweigepflicht befreit und diese die für die Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung maßgebliche Krankheitsursache - nämlich einen Meniskusschaden (Innenmeniskusdegeneration) - offen gelegt hat, ist es nach den dargestellten Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislastverteilung wiederum Sache des Arbeitgebers, solche Tatsachen vorzutragen und nachzuweisen, welche etwa gegen die Richtigkeit der gestellten Diagnose sprechen oder die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit - bezogen auf die arbeitsvertragliche Aufgabenstellung - als unrichtig erscheinen lassen bzw. weitergehend eine Vortäuschung der Arbeitsunfähigkeit belegen. e) Ein solcher Vortrag ist der Beklagten auch im zweiten Rechtszuge nicht gelungen. (1) Den festgestellten Meniskusschaden als Erkrankungsursache will die Beklagte in Anbetracht der vorgelegten weiteren Arztunterlagen (Bl. 64 ff. d. A.) ersichtlich nicht bestreiten. Der Bericht des Marienhospitals E1xxxxx vom 09.03.2003 beschreibt rezidivierende bis mehrere Wochen alte Meniskusläsionen und eine operative Intervention am 04.03.2003. (2) Vielmehr stellt die Beklagte in Abrede, dass der maßgebliche Meniskusschaden zu einer Arbeitsunfähigkeit der Klägerin - bezogen auf die geschuldete Reinigungstätigkeit - geführt hat. Weiter ist der Vortrag der Beklagten dahingehend aufzufassen, dass nicht etwa vom Arzt der Begriff der Arbeitsunfähigkeit verkannt worden ist - was kündigungsrechtlich ohne Belang wäre -, vielmehr soll mit Hilfe der vorgetragenen Indiztatsachen die Vortäuschung von Gesundheitsbeschwerden durch die Klägerin belegt werden, welche den behandelnden Arzt zur Ausstellung eines inhaltlich unrichtigen Attestes veranlasst haben soll. (a) Insoweit ist allerdings richtig, dass ein Arbeitnehmer, welcher während der Dauer einer Arbeitsunfähigkeit andernorts einer gleichartigen Arbeitstätigkeit nachgeht, welche er angeblich aus Krankheitsgründen bei seinem Vertragsarbeitgeber nicht verrichten kann, im Rahmen der prozessualen Erklärungspflicht des § 138 Abs. 2 ZPO nachvollziehbare Angaben darüber zu machen hat, wie sich die Nebentätigkeit mit der attestierten Arbeitsunfähigkeit verträgt. Je ähnlicher arbeitsvertragliche Tätigkeit und ausgeübte Nebentätigkeit sind, desto eher erscheint nämlich die Schlussfolgerung des Arbeitgebers als berechtigt, dass die vom Arzt bescheinigte Erkrankung - insbesondere bei fehlender Objektivierbarkeit der geklagten Beschwerden - gar nicht vorgelegen hat oder der Arzt die Auswirkungen der Erkrankung auf die Arbeitsfähigkeit des Patienten unrichtig beurteilt hat. Fehlt es an einer solchen plausiblen Erklärung des Arbeitnehmers, so gilt mangels ausreichend konkreten Bestreitens der arbeitgeberseitige Vortrag als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO; BAG, a.a.O.). Gerade der notwendige Zusammenhang zwischen Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit macht andererseits aber deutlich, dass durchaus Arbeitsunfähigkeit für die vertraglich geschuldete Tätigkeit vorliegen kann, hingegen andersartige Tätigkeiten mit anderem Belastungsprofil gesundheitlich unbedenklich ausgeübt werden können, wie dies etwa für die Durchführung von Schreibarbeiten der Fall wäre. Dementsprechend knüpft die vorstehend dargestellte rechtliche Würdigung an die Ähnlichkeit der vertraglich geschuldeten Arbeit und ausgeübter Nebentätigkeit an. (b) An einer solchen Ähnlichkeit fehlt es hier jedoch, weswegen aus der Nebentätigkeit der Klägerin weder auf eine vom Arzt verkannte Arbeitsfähigkeit noch gar auf eine Simulation von Gesundheitsbeschwerden geschlossen werden kann. Die Tätigkeit der Klägerin als Reinigungskraft mit einer Arbeitszeit von 25 Stunden/Woche ist gekennzeichnet durch langes Stehen und Gehen, gelegentliches Tragen und - zumindest typischerweise - auch durch die Notwendigkeit des Bückens. Der kniebelastende Charakter der Tätigkeit liegt damit auf der Hand, weswegen die ärztliche Feststellung, die Klägerin sei aufgrund des erhobenen Befundes und der geklagten Beschwerden für ihre Tätigkeit als Reinigungskraft derzeit arbeitsunfähig krank, zwanglos nachzuvollziehen ist. Demgegenüber ist die ausgeübte Nebentätigkeit der Fußpflegerin dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin vor der Patientin auf einem Stuhl sitzt und die Patientin den zu behandelnden Fuß auf dem Oberschenkel der Klägerin lagert. Von einer vergleichbaren Kniebelastung, wie dies für eine durchgängige Reinigungstätigkeit von fünf Stunden täglich zutrifft, kann unter diesen Umständen keine Rede sein. Unter statischen Gesichtspunkten ist zwar - wie der Beklagten zuzugestehen ist - richtig, dass das Gewicht des auf dem Oberschenkel der Klägerin gelagerten Patientenbeins auf das angewinkelte Knie der Klägerin einwirkt. Weder wirkt diese mechanische Kraft jedoch auf den Meniskus ein, noch lässt sich eine derartige vorübergehende statische Belastung mit der Kniebelastung durch eine mehrstündige Reinigungstätigkeit vergleichen. Die Schlussfolgerung, wenn die Klägerin die genannte statische Belastung des Knies unbedenklich auf sich nehme, könne sie ebenso gut arbeiten gehen, erscheint unter diesen Umständen ausgesprochen fernliegend und deckt sich im Übrigen auch nicht mit der Stellungnahme der behandelnden Ärztin. Diese hat sich keineswegs - wie die Beklagte meint - allein mit der Frage "mäßiger Bewegung" wie Spaziergängen oder Einkaufsgängen befasst, sondern geht in ihrer Antwort auf die Anfrage der Beklagten konkret auf Tätigkeiten im Fußpflegebereich ein. Dass eine Ärztin für Orthopädie, welche zugleich auf dem Gebiet der physikalischen Therapie und als Badeärztin tätig ist, keinerlei reale Vorstellung von den Arbeitsabläufen einer reisenden Fußpflegerin haben sollte, erscheint fernliegend. Damit ist aber der Einschätzung der Beklagten, die Klägerin habe anstelle ihrer Nebentätigkeit genauso gut ihre reguläre Arbeit durchführen können, die Grundlage entzogen. Damit entfällt zugleich der Indizwert der ausgeübten Nebentätigkeit zum Nachweis der behaupteten Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit. (c) Aus demselben Grunde führt auch die Tatsache, dass die Klägerin zur Durchführung der Hausbesuche Fußwege zurückzulegen und Treppen zu steigen hat, zu keiner anderen Beurteilung. Die Durchführung von Hausbesuchen war der behandelnden Ärztin bei ihrer Stellungnahme erklärtermaßen bekannt. Fußwege und gelegentliches Treppensteigen sind ebenso wenig wie die Fußpflege selbst hinsichtlich der Kniebelastung mit der arbeitsvertraglichen Reinigungstätigkeit vergleichbar. Dies gilt auch, wenn man ergänzend berücksichtigt, dass die Klägerin ihre Arbeitsgerätschaften in zwei Alu-Koffern bei sich führte. An dem maßgeblichen Unterschied zwischen der ausgeübten Nebentätigkeit und der vertraglich geschuldeten Haupttätigkeit der Klägerin mit einer Arbeitszeit von fünf Stunden täglich vermag dies nichts zu ändern. Unter den genannten Umständen erscheint zwar als denkbar, dass das Verhalten der Klägerin den Genesungsprozess beeinträchtigt hat - dies betrifft selbstverständlich nicht die festgestellte Meniskusdegeneration, sondern die hieran anknüpfenden akuten Gesundheitsbeschwerden mit Arbeitsunfähigkeit; mit der Frage der Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit in dem Sinne, dass die Klägerin in Wahrheit nicht arbeitsunfähig krank gewesen ist und körperliche Beschwerden nur vorgetäuscht hat, hat dies jedoch nichts zu tun. (d) Schließlich sind auch die von der Beklagten vorgetragenen Äußerungen und Verhaltensweisen der Klägerin nicht geeignet, den Vorwurf der Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit zu stützen. Wenn sich die Klägerin nach Rückkehr aus der bis zum 18.12.2002 absolvierten Kurmaßnahme (welche ohnehin nicht wegen der Kniebeschwerden durchgeführt wurde) und nach dem anschließenden Urlaub bis zum 13.01.2003 zunächst gesund gefühlt und dies am 10.01.2003 auch geäußert hat, schließt dies nicht aus, dass es nachfolgend zu Kniebeschwerden und einer hierdurch begründeten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin gekommen ist. Hierfür ist ohne Belang, ob neben der (später von der Orthopädin Dr. M3xxxxxx diagnostizierten) Meniskusdegeneration jedenfalls nach Vorstellung der Klägerin auch ein früherer Sturz zu den Kniebeschwerden beigetragen haben kann. (e) Auch der Umstand, dass ein Arbeitnehmer beim Aufsuchen des Arbeitgebers während der Arbeitsunfähigkeit Beschwerden bewusst zur Schau trägt oder übertreibt, hingegen in anderem Zusammenhang keine äußeren Krankheitszeichen zeigt, mag zwar zunächst verständliche Zweifel beim Arbeitgeber an der Ernsthaftigkeit der Erkrankung begründen. Andererseits entspricht es allgemeiner Erfahrung, dass ein Arbeitnehmer, welcher ohne äußere Krankheitszeichen etwa in der Öffentlichkeit oder auch nur im Betriebsbüro - z.B. zwecks persönlicher Abgabe der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - angetroffen wird, sich nicht selten einem gewissen Erklärungszwang ausgesetzt sieht, um dem Eindruck des (unberechtigten) "Krankfeierns" entgegenzuwirken. Hierzu mag im Einzelfall auch eine übersteigerte Darstellung von Beschwerden nach Maßgabe des Beklagtenvortrages passen. Anders als etwa bei der Teilnahme an einem Fußballwettkampf trotz angeblicher Kniebeschwerden kann aber in den vorgetragenen Umständen kein Anzeichen für eine Simulation gesehen werden. f) Auf der Grundlage der zuvor dargestellten Erkenntnisse können danach die von der Beklagten genannten Anhaltspunkte im Ergebnis nicht zur Feststellung genügen, die Klägerin habe, wenn sie schon ihre fußpflegerische Nebentätigkeit ausübe, genauso gut auch ihre Arbeitstätigkeit als Reinigungskraft mit 25 Stunden/Woche ausüben können; weshalb die attestierte Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht sei. 2. Soweit es den Kündigungsvorwurf des genesungswidrigen Verhaltens betrifft, hat das Arbeitsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass dies nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung gewesen ist. Die Beklagte hat gegenüber dem Betriebsrat ausdrücklich ihre Feststellungen zur Nebentätigkeit der Klägerin mit der Schlussfolgerung einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit verbunden und sieht hierin - neben der fehlenden Nebentätigkeitsgenehmigung - die kündigungsrelevante grobe Pflichtverletzung. In der Berufung ist die Beklagte folgerichtig auf den Gesichtspunkt der Verzögerung des Heilungsverlaufs nicht mehr zurückgekommen. 3. Soweit es die Frage des Nebentätigkeitsverbots betrifft, kann auf die zutreffenden Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen werden, welche von der Beklagten im Berufungsrechtszuge auch nicht angegriffen worden sind. II Der Auflösungsantrag der Beklagten bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Nach § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG kommt ein Auflösungsantrag im Falle der außerordentlichen Kündigung nur von Arbeitnehmerseite in Betracht. Demgegenüber kann der Arbeitgeber allein auf der Grundlage des § 9 KSchG im Falle der Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses beantragen. III Die Kosten der erfolglosen Berufung hat die Beklagte zu tragen. IV Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Kammer folgt mit der vorliegenden Entscheidung der gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und beschränkt sich auf eine Würdigung tatsächlicher Umstände, ohne dass Fragen von grundsätzlicher Bedeutung angesprochen sind.

Ende der Entscheidung

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