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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 1891/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
KSchG § 9
KSchG § 10 14 Abs. 2
Ist der für eine Wohnungsbaugenossenschaft tätige und mit Gesamtprokura versehene Leiter des Personal-, Finanz- und Rechnungswesens nach dem Arbeitsvertrag allein zur Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern unterhalb der Sachbearbeiterebene (vornehmlich Aushilfs- und Reinigungskräfte der Wohnungsverwaltung) berechtigt, so wird die Stellung des Angestellten weder durch die so beschränkte Personalkompetenz geprägt, noch kann aus einer vom Vorstand wiederholt hingenommenen Kompetenzüberschreitung eine stillschweigende Beförderung zum leitenden Angestellten iSd § 14 Abs. 2 KSchG hergeleitet werden.
Tenor:

Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird auf die Anschlussberufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29.06.2005 - 4 Ca 309/05 - dahingehend abgeändert und neu gefasst, dass die Klageabweisung zu Ziffer 2) des Urteilstenors entfällt und die Kosten beider Rechtszüge von der Beklagten zu tragen sind, auch soweit die Hauptsache für erledigt erklärt worden ist.

Tatbestand:

Mit seiner Klage wendet sich der Kläger, welcher seit dem Jahre 1979 bei der beklagten Wohnungsbau-Genossenschaft zuletzt als Leiter des Finanz-, Personal- und Rechnungswesens gegen eine Vergütung von ca. 6.400,-- € Brutto/Monat tätig ist, gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durch ordentliche, arbeitgeberseitige Kündigung vom 14.01.2005 sowie gegen einen arbeitgeberseitigen, auf §§ 9 und 14 Abs. 2 KSchG gestützten Auflösungsantrag.

Die ausgesprochene Kündigung stützt die Beklagte auf den Vorwurf, die vom Kläger zu verantwortende Führung der Personalakten weise - wie aus dem Prüfungsbericht des Verbandes der Wohnungswirtschaft vom 07.05.2004 ersichtlich - nicht hinnehmbare Mängel auf. Eine Abmahnung sei unter den vorliegenden Umständen entbehrlich, nachdem der Kläger die im Ergebnisprotokoll der Innenrevision vom 16.11.2004 im Einzelnen dargestellten Beanstandungen trotz entsprechender Aufforderung nicht abgestellt und hierdurch das erforderliche Vertrauen zerstört habe. Zumindest rechtfertige der hierdurch bewirkte Vertrauensverlust die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 KSchG. Im Übrigen handele es sich beim Kläger um einen leitenden Angestellten im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG, so dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auch ohne Angaben von Gründen verlangt werden könne. Dazu, dass der Kläger zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern befugt sei, verweist die Beklagte auf die im Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1991 (Bl. 4 ff d.A.) getroffene Regelung, nach welcher der Kläger in unmittelbarer Unterstellung der Geschäftsführung für die Leitung der Abteilungen Finanzwesen, Betriebswirtschaft, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Personalwesen und Sparverkehr zuständig und mit Gesamtprokura ausgestattet ist. Soweit nach § 2 a des Arbeitsvertrages Abschluss, Änderung, Kündigung und Aufhebung von Anstellungsverträgen mit Jahresbezügen von mehr als 20.000,-- DM der vorherigen Zustimmung der Geschäftsleitung bedürfen, stehe dies dem Merkmal der selbständigen Einstellungs- und Entlassungsbefugnis nicht entgegen, da immerhin etwa die Hälfte der insgesamt 70 Beschäftigten - insbesondere die im Bereich der Hausverwaltung eingesetzten und zumeist geringfügig beschäftigten Reinigungs- und Servicekräfte - der Personalkompetenz des Klägers unterfielen und tatsächlich auch ganz überwiegend vom Kläger allein eingestellt worden seien. Abgesehen davon sei die bei Abschluss des Arbeitsvertrages genannte Grenze von 20.000,-- DM nicht mehr aktuell, sondern im Gegenteil stillschweigend aufgehoben worden, wie sich aus dem Umstand ergebe, dass der Kläger zuletzt auch Mitarbeiter mit deutlich höherer Vergütung - etwa aus dem Buchhaltungsbereich - eigenständig eingestellt habe.

Demgegenüber macht der Kläger geltend, für die ausgesprochene Kündigung fehle es an ausreichenden Gründen. Darüber hinaus fehle es am Erfordernis einer entsprechenden Abmahnung. Aus demselben Grunde müsse auch der auf § 9 KSchG gestützte Auflösungsantrag scheitern. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten seien schließlich auch die Voraussetzungen für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 14 Abs. 2 KSchG nicht gegeben. Wie sich aus der Stellenbeschreibung (Bl. 47 ff. d.A.) ergebe, sei ihm auf dem Gebiet der Personalverwaltung im Wesentlichen die Aufgabe übertragen, "alle Formalitäten von der Personaleinstellung bis zur Personalfreisetzung, Verarbeitung der laufenden Mitarbeiteranträge, Führung von Personalakten, Führung der Personalstatistik, Abwicklung der Lohn- und Gehaltszahlungen" durchzuführen. Demgegenüber sei die Entscheidung über die Einstellung von Bewerbern jeweils nicht von ihm - erst recht nicht allein -, sondern letztlich vom Vorstand getroffen worden, dessen Vorsitzender durchweg die abgeschlossenen Arbeitsverträge mitunterzeichnet habe. Dieser Umstand wie auch die Tatsache, dass dem Kläger lediglich Gesamtprokura erteilt gewesen sei, spreche gegen eine eigenständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis. Im Übrigen ergebe sich aus der im Arbeitsvertrag enthaltenen und auch zu keinem Zeitpunkt abgeänderten Beschränkung der Personalkompetenz auf Arbeitsverträge mit einem Jahresgehalt bis zu 20.000,-- DM, dass die dem Kläger eingeräumte Einstellungsbefugnis für das Unternehmen der Beklagten nur untergeordnete Bedeutung besitze. Davon, dass die Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis für die Aufgabenstellung des Klägers "prägend" sei, könne unter diesen Umständen keinesfalls ausgegangen werden.

Durch Urteil vom 29.06.2005 (Bl. 138 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht - unter Abweisung des vom Kläger zusätzlich verfolgten allgemeinen Feststellungsantrags - antragsgemäß festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die angegriffene Kündigung vom 14.01.2005 nicht aufgelöst worden ist. Zugleich ist der Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen worden. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, für den vom Kläger verfolgten allgemeinen Feststellungsantrag fehle es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, im Übrigen sei die Klage hingegen begründet. Die ausgesprochene Kündigung scheitere schon daran, dass es an der auch hier erforderlichen Abmahnung fehle. Zugleich sei auch der auf § 9 KSchG gestützte Auflösungsantrag des Arbeitgebers unbegründet, da die Beklagte über die unzureichenden Kündigungsgründe hinaus keine Tatsachen vorgetragen habe, welche eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten ließen. Schließlich seien auch die Voraussetzungen für eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 KSchG nicht gegeben, da es dem Kläger jedenfalls an der erforderlichen Befugnis zur eigenständigen Einstellung oder Entlassung fehle. Auch wenn die Personalbefugnis nicht gegenüber sämtlichen Arbeitnehmern des Betriebes bestehen müsse, könne eine "die Stellung des Arbeitnehmers prägende" Personalbefugnis nur angenommen werden, wenn sich die Entscheidungskompetenzen zumindest auf solche Arbeitnehmer bezögen, welche für das Unternehmen und dessen unternehmerischen Erfolg wesentlich seien. Unter Berücksichtigung der im Arbeitsvertrag aufgeführten Beschränkung ergebe sich jedoch, dass der Kläger bereits im Jahre 1991, erst recht aber nach den aktuellen Verhältnissen nur über Abschluss oder Beendigung "einfacher Arbeitsverhältnisse" habe entscheiden können. Dass die Personalverantwortung des Klägers nur untergeordneter Natur sei, werde im Übrigen - neben der Ausgestaltung der Stellenbeschreibung - auch daran deutlich, dass die Parteien keinen Anlass gesehen hätten, die Grenzen der Einstellungs- und Entlassungsbefugnis im Laufe der Beschäftigung den geänderten Umständen anzupassen.

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält die Beklagte an ihrer Auffassung fest, das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis sei durch die ausgesprochene Kündigung wirksam beendet worden. In jedem Falle sei das Arbeitsverhältnis aber auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 KSchG aufzulösen. Schon die dem Kläger erteilte Prokura belege, dass der Kläger zu rechtsgeschäftlich verbindlichem Handeln befugt sei. Dass es sich hierbei um eine Gesamtprokura handele, spiele keine Rolle, vielmehr sei die jeweils erforderliche Mitwirkung eines weiteren Kompetenzträgers allein Ausdruck des satzungsgemäßen Vier-Augen-Prinzips. Auch im Innenverhältnis habe jeweils alleinn der Kläger die maßgeblichen Einstellungsentscheidungen getroffen, wobei sich der Vorstandsvorsitzende der Beklagten allenfalls in der Weise an Einstellungsgesprächen beteiligt habe, dass er hieran als Zuhörer und rein passiv teilgenommen habe, ohne jedoch inhaltlich auf die Entscheidungen des Klägers irgendwelchen Einfluss zu nehmen. Allein die Tatsache, dass es bei der Beklagten eine nennenswerte Personalfluktuation im Bereich der Angestellten nicht gegeben habe und dementsprechend nur wenige Einstellungsentscheidungen zu treffen gewesen seien, ändere nichts daran, dass die fragliche Aufgabenstellung einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Klägers ausmache und diese präge. Auch die im Arbeitsvertrag enthaltene Beschränkung auf den Abschluss von Arbeitsverträgen mit Jahresbezügen bis zu 20.000,-- DM ändere hieran nichts. Das gelte umso mehr, als - entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts - die im Arbeitsvertrag vorgesehene Personalkompetenz keineswegs unverändert geblieben, sondern zumindest stillschweigend der weiteren Entwicklung angepasst bzw. letztlich gegenstandslos geworden sei. Dies werde anschaulich durch die Tatsache belegt, dass der Kläger eigenständig u.a. Herrn M1xxx als Sachbearbeiter in der Buchhaltung eingestellt habe, desgleichen die Buchhalterin F3xxxxxxxx, Herrn P2xxxxxx sowie Frau F2xxxx und Frau R3xxxx, welche sämtlich deutlich mehr als 20.000,--DM/Jahr verdienten. Entgegen der Darstellung des Klägers sei insoweit eine Mitwirkung bei der Einstellung durch den Vorstandsvorsitzenden nicht erfolgt, vielmehr habe dieser erst nach Aufnahme der Tätigkeit die betreffenden Mitarbeiter kennen gelernt. Der "prägende Charakter" der Personalverantwortung des Klägers sei im Übrigen auch rein zahlenmäßig zu belegen. Auch unter Beachtung der Verdienstgrenze von 20.000,-- DM/Jahr unterfalle nämlich etwa ein Personenkreis von 35 von insgesamt 70 Beschäftigten der vertraglich geregelten Personalverantwortung des Klägers. Auch wenn es sich insoweit etwa um Reinigungs- und Servicekräfte handele, folge die Gesamtbedeutung dieser Personen für das Unternehmen schon daraus, dass die Beklagte wegen der ihr obliegenden Betreuung des verwalteten Wohnungsbestandes zur Erfüllung ihres Betriebszwecks auf die Beschäftigung derartiger Arbeitnehmer und Aushilfskräfte angewiesen sei. Davon, dass der Kläger nur in unbedeutetem Maße Personalverantwortung trage, könne unter diesen Umständen keine Rede sein.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29.06.2005 - 4 Ca 309/05 - abzuändern und die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29.06.2005 - 4 Ca 309/05 - abzuändern und das Arbeitsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und legt seinerseits Anschlussberufung ein mit dem Antrag, das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29.06.2005 - 4 Ca 309/05 - insoweit abzuändern, als es die Klage abgewiesen hat und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31.12.2005 hinaus ungekündigt fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags auf Zurückweisung der Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung insoweit als zutreffend. Soweit es den auf § 14 Abs. 2 KSchG gestützten Auflösungsantrag der Beklagten betreffe, sei weder ersichtlich, inwiefern der Kläger überhaupt "unternehmerische Führungsaufgaben" erledige, zumal ihm allein Gesamtprokura erteilt sei, noch sei er auch nur im Innenverhältnis zu eigenständigen Personalentscheidungen berechtigt gewesen. Weder in Bezug auf die größere Anzahl von Reinigungskräften und Aushilfskräften noch in Bezug auf die Angestellten M1xxx u.a. sei die Einstellung selbständig durch den Kläger erfolgt, im Gegenteil habe der Vorstandsvorsitzende K1xxxxxx jeweils den Arbeitsvertrag unterschrieben, wie unschwer nachzuprüfen sei. Die betreffenden Personalunterlagen habe der Kläger keineswegs "entsorgt", vielmehr brauche die Beklagte nur im Archiv nachzusehen. Nur bei Einstellungen in dem von ihm verantworteten Zuständigkeitsbereich habe der Kläger selbst an Einstellungsgesprächen teilgenommen und entsprechende Empfehlungen abgegeben. Soweit Einstellungen nicht den eigenen Verantwortungsbereich betrafen, seien die Einstellungsgespräche ohnehin ohne seine Beteiligung durchgeführt worden. Entgegen der Darstellung der Beklagten sei die im Arbeitsvertrag vorgesehene Beschränkung auf den Abschluss von Arbeitsverträgen mit einem Jahresverdienst bis zu 20.000,-- DM auch nicht nachträglich angepasst worden. Weder im Zeitpunkt der Einstellung noch unter den aktuellen Verhältnissen habe dementsprechend die Befugnis zu Einstellungen oder Entlassungen im Vergleich zu den übrigen arbeitsvertraglichen Aufgaben prägende Bedeutung erlangt.

Zur Begründung seiner Anschlussberufung trägt der Kläger vor, der verfolgte allgemeine Feststellungsantrag sei keineswegs unzulässig, sondern im Gegenteil erforderlich, um sich gegen etwaige weitere Kündigungen der Beklagten zu schützen. Erst nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ausdrücklich erklärt habe, weitere Beendigungstatbestände seien nicht im Streit, sei für den Kläger entsprechende Rechtssicherheit gegeben. Dementsprechend haben die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht diesbezüglich die Erledigung der Hauptsache erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Die Berufung des Klägers führt nach übereinstimmender Erledigungserklärung hinsichtlich des allgemeinen Feststellungsantrages zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils im Kostenpunkt.

A

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

I

Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung der Beklagten vom 14.01.2005 nicht beendet worden. In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil scheitert die Wirksamkeit der Kündigung am Fehlen einer vorangehenden Abmahnung. Die Kammer folgt insoweit den zutreffenden Gründen des arbeitsgerichtlichen Urteils, welche durch die Ausführungen in der Berufung nicht in Frage gestellt werden.

II

Auch der arbeitgeberseitig gestellte Auflösungsantrag greift nicht durch.

1. Soweit die Beklagte sich auf Auflösungsgründe im Sinne des § 9 KSchG stützt, ist den Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils nichts hinzuzufügen. Auch die Berufungsbegründung enthält insoweit keine durchgreifenden neuen Gesichtspunkte.

2. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch die Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 KSchG verneint. Mit der Position des Klägers war keine die Tätigkeit prägende Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG verbunden.

Voraussetzung für eine entsprechende Personalkompetenz ist eine entsprechende Berechtigung sowohl im Außen- als auch im Innenverhältnis. Der Angestellte muss also rechtsgeschäftlich wirksam handeln können und auch im Innenverhältnis hierzu eine entsprechende Befugnis besitzen. Daran fehlt es hier.

(1) Im Hinblick auf die Tatsache, dass dem Kläger allein Gesamtprokura erteilt ist, erscheint bereits zweifelhaft, ob von einer eigenständigen Personalkompetenz im Außenverhältnis ausgegangen werden kann. Sowohl zum Abschluss von Arbeitsverträgen als auch zur Kündigung bedarf der Kläger der Mitwirkung eines zweiten Prokuristen oder Vorstandsmitglieds.

(a) Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 27.09.2001 (2 AZR 176/00 - AP Nr. 6 zu § 14 KSchG 1969) im Anschluss an die Ausführungen von Hromadka (BB 1990, 57, 59) ausgeführt, eine Beschränkung der - im Innen- wie auch Außenverhältnis erforderlichen - Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis liege nicht vor, wenn der Angestellte interne Richtlinien bzw. interne Beratungspflichten beachten oder "Zweitunterschriften, die lediglich Kontrollzwecken dienen", einholen müsse. Diese Voraussetzungen habe das Vordergericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht, weswegen der klagende Gesamtprokurist zu Recht als leitender Angestellter im Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG angesehen worden sei.

(b) Ob diese Würdigung tatsächlich mit den in Bezug genommenen Ausführungen Hromadkas in Einklang steht, erscheint nicht unzweifelhaft. Zur Frage der Berechtigung zur Einstellung oder Entlassung heißt es dort, es bedürfe hierzu einer entsprechenden Vollmacht, wozu Generalvollmacht und Prokura gehörten. Der angefügte Satz "Die Beschränkung durch eine Zweitunterschrift, die lediglich Kontrollzwecken dient ..." dürfte unter diesen Umständen allein auf das Innenverhältnis zu beziehen sein. Das folgt für die Prokura schon unmittelbar aus dem Gesetz (§ 50 HGB), für die erwähnte Generalvollmacht ergibt sich dies daraus, dass mit dieser Bezeichnung dem Rechtsverkehr eine umfassende Vertretungsmacht kundgetan wird. Ein aus dem "Vier-Augen-Prinzip" hergeleitetes Erfordernis einer Zweitunterschrift kann danach nur auf das Innenverhältnis bezogen werden. Demgegenüber bestehen ernstliche Bedenken dagegen, die bei einer Gesamtprokura stets erforderliche Mitwirkung eines zweiten Vertreters den Umständen nach als bloße "Kontrollunterschrift" anzusehen, weswegen der Gesamtprokurist ggfls. auch allein zu selbständigem rechtsgeschäftlichem Vertreterhandeln in der Lage sei. Dementsprechend sind auch im vorliegenden Fall für die Frage, inwiefern der Kläger bei Einstellungen oder Entlassungen - gleich welcher Gehaltskategorie - zu alleinigem Vertreterhandeln in der Lage war, die Formvorschriften der "Vertretungs- und Unterschriftsregelung" (Anlage 2 zur Geschäftsordnung der Beklagten - Bl. 102 d.A. -) allein für die Befugnisse des Klägers im Innenverhältnis von Belang.

(2) Unter Berücksichtigung dieser Bedenken kann von einer Vertretung der Beklagten im Außenverhältnis durch ein alleiniges Handeln des Klägers - abgesehen von Fällen der nachträglichen Genehmigung oder den Regeln der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht - nur ausgegangen werden, wenn man in der Bestellung des Klägers zum Leiter des Personalwesens, wie sie sich aus § 1 des Arbeitsvertrages ergibt, eine eigenständige, auf diesen Geschäftskreis bezogene rechtsgeschäftliche Bevollmächtigung im Sinne des § 164 BGB sieht, welche neben die gesondert erteilte und in sachlicher Hinsicht nicht beschränkte Gesamtprokura tritt. So wird in Rechtsprechung und Schrifttum im Zusammenhang mit der Anwendung der Vorschrift des § 174 BGB davon ausgegangen, dass mit der Position des Personalleiters durchweg eine entsprechende Personalvollmacht verbunden ist, weshalb es bei dessen Vertreterhandeln der Vorlage eines besonderen Vollmachtsnachweises nicht bedürfe (BAG AP Nr. 1 zu § 174 BGB; Palandt/Heinrichs, § 174 BGB Rz 4).

(3) Letztlich bedarf die Frage, ob unter den vorliegenden Umständen von einer solchen zusätzlichen Einzelvollmacht für Personalangelegenheiten ausgegangen werden kann oder ob - in Anlehnung an die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27.09.2001 - auch in Fällen der Gesamtprokura von einer ausreichenden Personalkompetenz im Außenverhältnis ausgegangen werden kann, keiner Entscheidung. In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil muss nämlich davon ausgegangen werden, dass die Personalbefugnis des Klägers im Innenverhältnis so weitgehend eingeschränkt war, dass sie für die Position des Klägers insgesamt nicht als prägend angesehen werden kann.

(a) Die im Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1991 enthaltene Beschränkung der Personalbefugnisse auf Arbeitsverhältnisse mit einem Jahresgehalt bis zu 20.000,-- DM (was unter Berücksichtigung eines Teilungsfaktors von 13,6 einer Monatsvergütung von damals 1.470,59 DM entsprach) hatte zur Folge, dass der Kläger Arbeitsverträge nur für "einfachere Arbeitsverhältnisse" abschließen konnte. Nimmt man etwa das Gehaltsabkommen für den Groß- und Außenhandel NRW vom 03.07.1991 zum Maßstab, so belief sich die Vergütung für Angestellte der untersten Vergütungsgruppe (Gehaltsgruppe I) in der Eingangsstufe (bis zum Alter von 21 Jahren) seinerzeit auf 1.778,-- DM/Monat. Für den Bereich der Angestellten war damit die Personalkompetenz des Klägers praktisch ohne Bedeutung.

(b) Ebenso wenig kann die verbleibende Personalkompetenz im Bereich der gewerblichen Arbeitnehmer als für die übertragene Tätigkeit prägend angesehen werden.

Auch wenn richtig ist, dass die Beklagte bei der Verwaltung ihrer Wohnungsbestände in nicht unwesentlichem Umfang auf Reinigungs- und Aushilfskräfte angewiesen ist und eben aus diesem Grunde etwa die Hälfte sämtlicher Beschäftigten der Einstellungskompetenz des Klägers unterstand, ist doch zu beachten, dass es sich insoweit um Arbeitnehmer handelt, welche Hilfsfunktionen zu erledigen haben. Für den unternehmerischen Erfolg der beklagten Wohnungsbaugenossenschaft ist zwar letztlich auch eine funktionierende Gebäudeunterhaltung und -Reinigung von Belang, ohne dass jedoch dem Aufgabenbereich "Reinigungswesen" oder "Gebäudeunterhaltung" im hier gemeinten Sinn unternehmerisch relevante Bedeutung zukommt. Ob die Beklagte mit eigenen Reinigungs- oder Aushilfskräften arbeitet oder eine entsprechende externe Dienstleistung in Anspruch nimmt, ist für das Funktionieren des Betriebs wie auch für den unternehmerischen Erfolg von nachrangiger Bedeutung. Die hohe Anzahl von Arbeitnehmern, welche der Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis des Klägers unterstehen, erklärt sich im Übrigen ersichtlich daraus, dass es sich überwiegend um Teilzeit- und geringfügige Beschäftigungen handelt. Die Aussage der Beklagten, nahezu die Hälfte der Beschäftigten unterstehe der Personalkompetenz des Klägers, muss unter diesen Umständen deutlich relativiert werden. Aus der Sicht der Kammer entscheidend ist aber ohnehin nicht die exakte Erfassung der Anzahl der aufgeführten "einfachen Arbeitsverhältnisse", festzuhalten bleibt vielmehr, dass der Kläger auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Regelung im Innenverhältnis nicht einmal zur Einstellung von Sachbearbeitern seines Aufgabengebiets berechtigt war.

(c) Nach Behauptung der Beklagten soll allerdings die im Arbeitsvertrag vorgesehene Beschränkung der Personalkompetenz nachträglich angepasst bzw. gegenstandslos geworden sein. Für eine solche Vereinbarung - auch nur in mündlicher Form - sind jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte erkennbar. Als Indiz dafür, dass die im Arbeitsvertrag niedergelegte Beschränkung der Personalkompetenz nachträglich gegenstandslos geworden sei, hat die Beklagte vielmehr allein auf den Umstand verwiesen, dass der Kläger auch deutlich höher bezahlte Mitarbeiter eigenständig eingestellt und der Vorstand hiervon erst durch deren Erscheinen am Arbeitsplatz Kenntnis erlangt habe.

Mit diesem Sachvortrag kann aber allein belegt werden, dass jeweils ein wirksamer Arbeitsvertrag mit den betreffenden Mitarbeitern durch nachträgliche Genehmigung oder nach den Regeln der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zustande gekommen ist. Für eine Erweiterung der vertraglichen Befugnisse des Klägers kann hieraus jedoch nichts hergeleitet werden. Hätte die Beklagte etwa in einem derartigen Fall den Kläger zur Rede gestellt und abgemahnt, oder hätte sich der Kläger einer entsprechend ausgeweiteten Personalkompetenz berühmt, so hätte die gerichtliche Klärung unzweifelhaft zu dem Ergebnis geführt, dass allein aus einer nachträglichen Genehmigung vollmachtslosen Handelns keine Kompetenzerweiterung abgeleitet werden kann. Gerade weil die Beklagte vorträgt, vom eigenständigen Handeln des Klägers jeweils erst nachträglich erfahren zu haben, kann auch nicht davon ausgegangen werden, die Beklagte habe dem Kläger - für diesen erkennbar - bewusst freie Hand gelassen und auf diese Weise zum Ausdruck gebracht, die im Arbeitsvertrag vorgesehenen Kompetenzbeschränkungen sollten künftig als aufgehoben gelten. Deutlich näher liegt vielmehr die Annahme, dass die angeblich vom Kläger eigenmächtig vorgenommenen Einstellungen allein deshalb unbeanstandet geblieben sind, weil sie sich in der Sache als zweckmäßig darstellten und aus diesem Grunde Kompetenzfragen hinter Sachfragen zurückstehen sollten.

Erst recht verbietet sich aber die Annahme, durch die nachträgliche Billigung eigenmächtig getroffener Einstellungsentscheidungen sei nicht nur eine gewisse Kompetenzerweiterung - etwa im Sinne einer Anpassung des Betrages von 20.000,-- DM an das aktuelle Vergütungsgefüge -, sondern eine Statusänderung in Bezug auf die Person des Klägers dergestalt erfolgt, dass der Kläger nunmehr mit umfassender Personalkompetenz ausgestattet und damit in den Kreis der leitenden Angestellten mit Personalkompetenz m Sinne des § 14 Abs. 2 KSchG aufgenommen werden sollte.

Gegen ein solches Verständnis spricht bereits der Umstand, dass eine solche Statusänderung, erst recht wenn sie nicht mit einer Aufbesserung der Vergütung verbunden wird, für den betreffenden Arbeitnehmer sich keineswegs als nur vorteilhaft auswirkt. Mit der Einräumung einer Position, welche den Merkmalen des § 14 Abs. 2 KSchG entspricht, erfolgt zwar auf der einen Seite eine Heraushebung des Angestellten gegenüber Belegschaft und Öffentlichkeit, die sich im Hinblick auf Selbstverständnis und berufliches Fortkommen des Angestellten als vorteilhaft wahrgenommen wird. Auf der anderen Seite rückt damit der Angestellte in eine Position auf, welche so eng mit der Unternehmensleitung verbunden ist, dass der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach dem Gesetz an den Fortbestand einer unbeeinträchtigten Vertrauensbeziehung geknüpft wird. Dementsprechend ist der Kündigungsschutz des leitenden Angestellten weitgehend eingeschränkt mit der Folge, dass der Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung von maximal 18 Monatsverdiensten durchsetzen kann. Die Vorstellung, eine derartige "Statusänderung" könne stillschweigend allein dadurch erfolgen, dass der Angestellte wiederholt - mit nachträglicher Billigung des Arbeitgebers - personelle Maßnahmen durchführt, welche außerhalb der arbeitsvertraglich fixierten Kompetenzen liegen, begegnet unter diesen Umständen ernstlichen Bedenken. Eine "Beförderung" zum leitenden Angestellten durch Zuweisung einer "prägenden" und für das Unternehmen oder einen unternehmenswichtigen Teilbereich bedeutsamen Personalkompetenz ist zwar auch mündlich möglich. Vorliegend ist hingegen nicht einmal ein konkludenter Akt der Vertragsänderung im vorbezeichneten Sinne zu erkennen. Dementsprechend kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Verhältnisse im Kündigungszeitpunkt rechtlich anders als beim Abschluss des Arbeitsvertrages dargestellt haben.

Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch gerichtliche Entscheidung nach § 14 Abs. 2 KSchG kommt nach alledem nicht in Betracht.

B

Über die Anschlussberufung des Klägers war im Hinblick auf die beiderseitige Erledigungserklärung allein hinsichtlich des Kostenpunktes zu entscheiden. Die Kammer teilt nicht den Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils, ein Rechtsschutzbedürfnis für einen derartigen allgemeinen Feststellungsantrag setze voraus, dass bereits weitere Beendigungstatbestände vorlägen, welche zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen konnten. Vielmehr soll mit dem zusätzlich verfolgten Antrag - der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechend - der Gefahr vorgebeugt werden, dass es im Zuge des Rechtsstreits etwa zu weiteren Kündigungen kommt und die erforderliche fristgebundene Klage - gleich aus welchem Grunde - nicht rechtzeitig erhoben wird. Hat der Arbeitgeber durch Ausspruch einer Kündigung zum Ausdruck gebracht, er wolle sich vom Arbeitsverhältnis lösen und verfolgt er dieses Ziel erklärtermaßen im Kündigungsschutzprozess weiter, so bringt der Kläger mit seinem zusätzlichen, den Kündigungsfeststellungsantrag nach § 4 KSchG ergänzenden allgemeinen Feststellungsantrag zum Ausdruck, er wolle sich nicht allein gegen die bereits ausgesprochene Kündigung zur Wehr setzen, sondern auch mögliche Folgekündigungen bekämpfen, welche erfahrungsgemäß im Zuge eines Kündigungsschutzprozesses nicht gänzlich auszuschließen sind. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welcher einem derartigen Antrag unter weiteren Voraussetzungen die erstrebte Schutzwirkung zuspricht, kann dem Standpunkt, der Arbeitnehmer müsse bereits bei Antragstellung bzw. noch im ersten Rechtszuge konkrete weitere Beendigungstatbestände aufzeigen, nicht gefolgt werden. Erst mit Abschluss der Tatsacheninstanzen steht endgültig fest, ob es zu weiteren berücksichtigungsfähigen Beendigungstatbeständen gekommen ist. Folgerichtig hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht die Hauptsache insoweit für erledigt erklärt. Da der Klageantrag bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war, ergeben sich die Kostenfolgen insoweit aus der Vorschrift des § 91 a ZPO.

C

Die Kostenentscheidung hinsichtlich des ersten Rechtszuges war unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zu korrigieren, die Kosten des zweiten Rechtszuges hat die Beklagte als unterlegene Partei zu tragen.

D

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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