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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: 8 Sa 1896/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 253
BGB § 280
BGB § 823
ZPO § 533
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 12.09.2007 - 3 Ca 664/07 - wird teils als unzulässig verworfen, teils als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 4.000,-- € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit seiner Klage nimmt der Kläger den Beklagten zu 1) als vorgesetzten Arbeitskollegen und den Beklagten zu 2) als Arbeitgeber auf Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen behaupteter Persönlichkeitsrechtsverletzung in Anspruch.

Erstinstanzlich hat der Kläger sein Begehren auf den Vortrag gestützt, der Beklagte zu 2) habe ein vom Kläger verfasstes und an den Beklagten zu 2) als Arbeitgeber gerichtetes Schreiben - betreffend die Höhe der Leistungszulage - an den Beklagten zu 1) weitergeleitet, welcher seinerseits ohne Rückfrage beim Kläger ein Schriftsachverständigengutachten darüber eingeholt habe, inwiefern auch zwei weitere, angeblich von Bürgern eingereichte Beschwerdeschreiben vom Kläger verfasst seien. Auf das somit rechtswidrig eingeholte Gutachten gestützt habe der Beklagte zu 2) sodann dem Kläger eine Abmahnung wegen Störung des Betriebsfriedens erteilt. Allein die zwischenzeitlich vor dem Arbeitsgericht erstrittene Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte sei zur Wiederherstellung der Ehre des Klägers nicht ausreichend, vielmehr müsse der Persönlichkeitsrechtsverletzung durch ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 2.000,-- € Rechnung getragen werden.

Nach Abweisung des Klagebegehrens durch Urteil vom 21.02.2007 (Bl. 50 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, trägt der Kläger im zweiten Rechtszuge ergänzend vor, ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Klägers liege nicht allein in der unzulässigen Weitergabe des an den Beklagten zu 2) gerichteten Schreibens an den Beklagten zu 1) sowie der Einholung eines Gutachtens ohne Einwilligung des Klägers, vielmehr habe die Vorgehensweise der Beklagten zur Ausgrenzung des Klägers durch die Arbeitskollegen geführt. Hierzu verweist der Kläger auf das von zehn Arbeitskollegen unterzeichnete Schreiben vom 03.05.2006 (Bl. 70 d.A.), in welchem diese ausführen, in Anbetracht des bekannt gewordenen Sachverhalts und des hiermit verbundenen Vertrauensbruchs werde dem Kläger kein Vertrauen mehr entgegen gebracht. Die so entstandene Ausgrenzung des Klägers gehe ersichtlich darauf zurück, dass von Seiten der Beklagten entsprechende Informationen an die Mitarbeiter weitergegeben worden seien. Anstatt den ungeklärten Vorwurf vertraulich zu behandeln und sich bis zur Klärung der Angelegenheit schützend vor den Kläger zu stellen, hätten die Beklagten auf diese Weise zu einem schwerwiegenden Eingriff in die Sozialsphäre des Klägers beigetragen. Auch einzelne Vorgesetzte des Klägers seien seither dem Kläger gegenüber ablehnend eingestellt, wie sich etwa aus der Äußerung ergebe: "Wir wollen mal zusehen, dass wir den loswerden, am besten noch bevor ich in Rente gehe". Jedenfalls unter Einbeziehung der zusätzlich vorgetragenen Umstände könne das Vorliegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht zweifelhaft sein.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld - nicht unter 2.000,-- € - zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die arbeitsgerichtliche Entscheidung als zutreffend und führen aus, auch die im zweiten Rechtszuge vorgetragenen, in tatsächlicher Hinsicht bestrittenen Umstände seien zur Rechtfertigung des Schmerzensgeldbegehrens nicht geeignet. In Anbetracht der auch vom Kläger eingeräumten Ähnlichkeiten des Druck-Bildes der drei vorliegenden Schreiben könne kein Vorwurf daraus hergeleitet werden, dass die Beklagten die Überzeugung von der Urheberschaft des Klägers gewonnen und auch zum Ausdruck gebracht hätten. Da der Vorgang ohnehin dienststellenbekannt gewesen sei, falle die vom Kläger vorgetragene Ausgrenzung und Rufschädigung im Kollegenkreis nicht in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Erst recht sei nicht zu erkennen, inwiefern die Beklagten für die angeblichen Äußerungen einzelner Personen einstehen müssten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Soweit der Kläger den verfolgten Schmerzensgeldanspruch auf die bereits im ersten Rechtszuge vorgetragenen Persönlichkeitsrechtsverletzungen stützt, ist die Berufung unbegründet. Soweit der Kläger seinen Sachvortrag im zweiten Rechtszuge ergänzt, liegt hierin keine bloße zusätzliche Begründung, sondern eine nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZP0 zulässige Klageänderung. Diese kann unter den hier vorliegenden Umständen nicht als sachdienlich angesehen mit der Folge, dass die Berufung insoweit als unzulässig anzusehen ist.

I

Zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass die vom Kläger im ersten Rechtszuge vorgetragenen Verhaltensweisen der beiden Beklagten einen Schmerzensgeldanspruch nicht rechtfertigen. Die Kammer nimmt insoweit auf die zutreffenden Gründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug. Die mit der Berufung hierzu erhobenen Einwendungen rechtfertigen keine andere Beurteilung.

Das vom Kläger verfasste und an den Beklagten zu 2) als Arbeitgeber gerichtete Schreiben vom 20.02.2006 betraf in der Sache eine vom Beklagten zu 1) vorgenommene und vom Kläger für unrichtig gehaltene Leistungsbeurteilung. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der vom Kläger formulierten Frage: "Ist Herr H1 (Anm.: der Bekl. zu 1) geschult als Beurteiler??". Die Weiterleitung des Schreibens an den Beklagten zu 1) war damit sachlich gerechtfertigt, damit dieser gegebenenfalls zum Anliegen des Klägers eine Stellungnahme abgeben konnte. Zutreffend hat das Arbeitsgericht des Weiteren in Bezug auf die Beauftragung des Gutachters darauf hingewiesen, dass die vorzunehmende Untersuchung allein auf die Frage der Urheberschaft, nicht hingegen - wie bei einem graphologischen Gutachten - auf die Beurteilung der Persönlichkeit gerichtet war. Dementsprechend bestand auch kein Anlass, vorab das Einverständnis des Klägers einzuholen oder diesen hiervon zu unterrichten. Im Übrigen wäre unter den vorliegenden Umständen allein die fehlende Unterrichtung des Klägers nicht ausreichend, um einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Klägers und damit einen Schmerzensgeldanspruch zu begründen.

II

Soweit der Kläger im zweiten Rechtszuge erstmals unter Hinweis auf das Schreiben der Arbeitskollegen vom 03.05.2007 vorträgt, durch das Verhalten der Beklagten sei es zu einer sozialen Ausgrenzung des Klägers gekommen, nachdem den Kollegen der unzutreffende Eindruck vermittelt worden sei, der Kläger sei Urheber der angeblichen Bürgerbeschwerden, handelt es sich um einen eigenständigen, vom bisher vorgetragenen, anspruchsbegründenden Lebenssachverhalt abgrenzbaren eigenen Streitgegenstand.

Diejenige Verletzungshandlung, welche zur sozialen Ausgrenzung des Klägers geführt haben soll, schließt zwar zeitlich an die Weitergabe des klägerischen Schreibens von der Beklagten zu 2) an den Beklagten zu 1) und die Beauftragung des Schriftsachverständigen an. Der entscheidende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht soll aber gerade dadurch bewirkt worden sein, dass eine das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten zu 2) betreffende Personalangelegenheit unter Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht in die Belegschaft hereingetragen wurde. Sowohl die Frage, ob der Beklagte zu 1) oder der Beklagte zu 2) die Verantwortung dafür trägt, dass der Vorgang nicht - wie es den Umständen nach der Fürsorgepflicht entsprach - zunächst vertraulich behandelt, sondern "dienststellenbekannt" wurde, bedürfte weiterer Aufklärung, als auch die Frage der Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht. Möglicherweise wäre die vom Kläger beklagte "soziale Ausgrenzung" auch dann nicht vermieden worden, wenn die Personalangelegenheit bis zur internen Klärung vertraulich behandelt worden wäre, der Vorgang dann aber mit Ausspruch der Abmahnung und dem hiergegen gerichteten Rechtsstreit einem größeren Personenkreis bekannt geworden wäre; dies setzt allerdings voraus, dass nicht auch die Erteilung der Abmahnung selbst nicht als leichtfertiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht anzusehen wäre, was etwa auf der Grundlage der Einschätzung des Sachverständigen zur Erforderlichkeit weiterer Prüfungen anhand der Originalschreiben nicht ausgeschlossen erscheint. Andererseits ist im vorangehenden Abmahnungsprozess die Frage, ob die in der Abmahnung enthaltene Darstellung, der Kläger habe die angeblichen Bürgerbeschwerden verfasst, in der Sache objektiv berechtigt oder unberechtigt war, nicht geklärt worden. Dass den Beklagten ein entsprechender Nachweis gelingen könnte, kann jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Bei der Beurteilung, inwiefern die möglicherweise den Beklagten anzulastende "soziale Ausgrenzung" des Klägers die Gewährung eines Schmerzensgeldes rechtfertigt, können diese Umstände nicht unberücksichtigt bleiben. Entsprechendes gilt für die weiteren vom Kläger behaupteten "ausgrenzenden" Äußerungen der Vorgesetzten.

Mit dem erstmals erhobenen zweitinstanzlichen Vorbringen wird das Berufungsgericht nach alledem mit einem vollkommen neuen Lebenssachverhalt konfrontiert. Diesen aufzuklären ist indessen nicht Aufgabe des Berufungsverfahrens. Die Voraussetzungen einer zulässigen Klageänderung im zweiten Rechtszuge gem. § 533 ZPO liegen damit nicht vor, so dass insoweit die Berufung als unzulässig zu verwerfen war.

III

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der Kläger zu tragen.

IV

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.

V

Bei der Festsetzung des Streitwertes war der Umstand zu berücksichtigen, dass der Kläger trotz einheitlichen Klageantrages zwei Streitgegenstände zur Entscheidung stellt, welche jeweils mit dem genannten Mindestbetrag von 2.000,-- € in Ansatz zu bringen sind.

Ende der Entscheidung

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