Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.05.2009
Aktenzeichen: 8 Sa 1994/08
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 3
Das berechtigte betriebliche Interesse des Arbeitgebers an der Aufrechterhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur in einer pädagogischen Tageseinrichtung für Kinder rechtfertigt eine Abweichung von den Regeln der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG allein für die Gruppe der Erzieher und Ergänzungskräfte, nicht hingegen für den Kreis der Gruppenleiter.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 25.11.2008 - 2 Ca 1015/08 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Verpflichtung des Beklagten zur Weiterbeschäftigung wie folgt gefasst wird:

Der beklagte Verein wird verurteilt, die Klägerin für die Dauer des Rechtsstreits arbeitsvertragsgemäß als Gruppenleiterin in der Tageseinrichtung für Kinder in H1 zu beschäftigen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin, welche seit dem 01.09.1996 bei dem beklagten Verein zunächst als Ergänzungskraft und zuletzt seit dem Jahre 2004 als Gruppenleiterin in der Tageseinrichtung für Kinder in H1 tätig ist, gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung vom 28.04.2008.

Diese Kündigung stützt der beklagte Verein auf den Vortrag, wegen Schließung der "Maulwurfgruppe" entfalle der Bedarf für die Leitung der bislang von der Klägerin geführten Gruppe. Mangels anderer Beschäftigungsmöglichkeit sowie unter Abwägung von sozialen Gesichtspunkten und betrieblicher Bedürfnisse scheide danach eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin aus. Demgegenüber hat die Klägerin insbesondere die getroffene Sozialauswahl beanstandet.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszuge - soweit für das Berufungsverfahren von Belang - beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 28.04 2008 nicht aufgelöst worden ist,

2. die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 20.11.2008 (Bl. 85 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht dem Klagebegehren im Wesentlichen entsprochen und antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Vereins nicht beendet worden ist. Ferner ist der beklagte Verein zur arbeitsvertragsgemäßen Weiterbeschäftigung der Klägerin verurteilt worden. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, die ausgesprochene Kündigung scheitere jedenfalls am Gesichtspunkt der fehlerhaften Sozialauswahl. Unter Berücksichtigung der nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG maßgeblichen Auswahlgesichtspunkte könne die Klägerin - geboren 1963, verheiratet, 1 Kind, beschäftigt seit 1996 - zumindest Vorrang beanspruchen vor der Gruppenleiterin V1 - geboren 1977, ledig, beschäftigt seit 2001. Soweit der beklagte Verein auf vorrangige betriebliche Belange im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG verweise, seien die angeführten Gesichtspunkte nicht geeignet, eine Abweichung von den Grundsätzen der regulären Sozialauswahl zu begründen. Bei den vorgetragenen positiven Eigenschaften der Mitarbeiterin V1 handele es sich um unsubstantiiert vorgetragene Werturteile, ohne dass hieraus berechtigte betriebliche Interessen im Sinne der gesetzlichen Regelung herzuleiten seien. Ebenso wenig überzeuge der Vortrag des beklagten Vereins, die Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin V1 sei zur Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur erforderlich. Mit den Beschäftigten K3 (51 Jahre), der Klägerin (ca. 45 Jahre ), M1 (ca. 35 Jahre) sei auch nach Entlassung der Mitarbeiterin V1 (31 Jahre) noch eine ausgewogene Altersstruktur vorhanden, von einer drohenden "Vergreisung" der Belegschaft könne keine Rede sein. Unter diesen Umständen erweise sich die Kündigung offensichtlich als sozialwidrig, weswegen der beklagte Verein zugleich zur arbeitsvertragsgemäßen Weiterbeschäftigung der Klägerin zu verurteilen sei.

Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung hält der beklagte Verein an seinem Standpunkt zur Rechtswirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung fest. Abweichend von den Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils gehe es bei der Herausnahme der Mitarbeiterin V1 aus der Sozialauswahl nicht um eine Bestenauslese, sondern um die Berücksichtigung pädagogischer und zwischenmenschlicher Kompetenzen, auf welche es gerade im Bereich der pädagogischen Berufe in hohem Maße ankomme. Dementsprechend könne nicht beanstandet werden, dass der beklagte Verein bei seiner Auswahlentscheidung den Umstand berücksichtigt habe, dass sich auch die übrigen Personen, welche mit Frau V1 zusammen arbeiteten, eindeutig für deren Weiterbeschäftigung ausgesprochen hätten. Wie bereits im ersten Rechtszuge vorgetragen, zeichne sich die Mitarbeiterin V1 insbesondere durch ihr Engagement und ihren Ideenreichtum aus, auch die Tatsache, dass Eltern, Kinder wie auch die Leitung des Kindergartens und die Kolleginnen unisono der Auffassung seien, die Mitarbeiterin V1 sei gegenüber der Klägerin vorzugswürdig, mache deutlich, dass hier das Interesse des beklagten Vereins am Erhalt einer funktionsfähigen und homogenen Belegschaft mit einer vertrauensvollen Zusammenarbeit vorrangig berücksichtigt werden müsse. Entsprechendes gelte für den Gesichtspunkt der ausgewogenen Altersstruktur. Gerade im Bereich der Erziehung und Betreuung von Kindern müsse einer Zusammensetzung der Belegschaft aus Großmüttern entgegengewirkt werden, darüber hinaus seien gerade die jüngeren Mitarbeiterinnen in der Lage, sich den aktuellen Anforderungen und der pädagogischen Arbeit zu stellen. Schließlich müsse bei der Auswahlentscheidung auch die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Mitarbeiterin Frau V1 seit Anbeginn ihrer Tätigkeit (2001) in der Funktion einer Gruppenleiterin tätig gewesen sei, wohingegen die Klägerin eine entsprechende Aufgabenstellung erst seit dem Jahre 2004 übertragen erhalten habe. Damit verfüge Frau V1 ersichtlich über einen deutlich größeren Erfahrungsschatz auf dem Gebiet der Gruppenleitung, so dass insgesamt jedenfalls von einer ausreichenden Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte auszugehen sei.

Der beklagte Verein beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens als zutreffend und präzisiert ihren Weiterbeschäftigungsantrag wie aus dem Tenor des Berufungsurteils ersichtlich.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des beklagten Vereins bleibt ohne Erfolg.

I

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ist durch die angegriffene Kündigung vom 28.04.2008 nicht beendet worden.

1. Nachdem die Klägerin ursprünglich mit Arbeitsvertrag vom 30.07.1996 als Ergänzungskraft der Tageseinrichtung für Kinder in H1 eingestellt worden ist, enthalten die nachfolgend abgeschlossenen Arbeitsverträge eine entsprechende Beschränkung auf eine bestimmte Einrichtung des beklagten Vereins nicht. Vielmehr heißt es insoweit, dass die Klägerin als Angestellte im Dienste des D4-K5 beschäftigt ist. Im Arbeitsvertrag vom 10.11.2004 behält sich der beklagte Verein des Weiteren ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall vor, dass wesentliche Aufgaben des D4-K5 im Bereich Tageseinrichtungen für Kinder eingeschränkt werden oder gänzlich wegfallen. Schon die Verwendung des Begriffs Tageseinrichtungen in der Mehrzahl spricht damit gegen eine Beschränkung der vertraglichen Aufgabenstellung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf einen Einsatz in der Einrichtung H1. Der Hinweis auf die tarifliche Regelung des BAT und das dort vorgesehenen Direktionsrecht wie auch die in § 6 vorgesehene Schriftform für Nebenabreden sprechen ebenfalls dagegen, dass die Klägerin arbeitsvertraglich - abweichend vom schriftlichen Arbeitsvertrag - ausschließlich für die Tageseinrichtung H1 eingestellt ist.

Auch die Voraussetzungen einer nachträglichen Beschränkung des vertraglich vereinbarten Arbeitsorts liegen nicht vor. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit einer nachträglichen "Konkretisierung" im Sinne einer stillschweigend vereinbarten Beschränkung der vertraglichen Aufgabenstellung auf die Einrichtung H1 verweist, spricht hiergegen zum einen bereits die arbeitsvertraglich vereinbarte Schriftformklausel. Zum anderen genügt allein der Umstand, dass die Klägerin durchgängig und ausnahmslos seit dem Jahre 1996 stets in der Einrichtung H1 beschäftigt worden ist, keinesfalls zur Annahme einer entsprechenden Vertragsänderung. Gleich ob man für die sog. Konkretisierung auf die Grundsätze einer stillschweigend getroffenen Vereinbarung oder die Voraussetzungen der "Erwirkung" (§ 242 BGB) abstellt, sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, aus welchen sich ein entsprechender Erklärungs- oder Vertrauenstatbestand zu Gunsten einer der beiden Vertragsparteien ergeben könnte. Allein die Tatsache, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über einen langen Zeitraum an einen bestimmten Arbeitsort bzw. in einer bestimmten Abteilung beschäftigt oder ihm durchgängig bestimmte Arbeitsaufgaben zuweist, bietet für sich genommen keine Grundlage für die Annahme eines rechtlichen Bindungswillens im Sinne einer Änderung des Arbeitsvertrages, sondern erklärt sich ohne weiteres aus dem unveränderten Beschäftigungsbedarf. Allein für den Fall, dass das Verhalten der Vertragsparteien beim Vollzug des Arbeitsverhältnisses erkennen lässt, es solle trotz vorhandenen Anlasses - etwa auf entsprechend geäußerten und akzeptierten Wunsch hin - von einer Änderung des Arbeitseinsatzes abgesehen werden, kommt ein Verständnis dieses Verhaltens als stillschweigende Vertragsänderung in Betracht.

Folgt man diesem Ausgangspunkt, so sind die rechtlichen Anforderungen für die soziale Rechtfertigung der Kündigung auf den Betrieb insgesamt und nicht allein auf die Tageseinrichtung H1 zu beziehen. Dies gilt sowohl für die betriebsbedingten Gründe - also das Fehlen von Beschäftigungsmöglichkeiten einschließlich freier bzw. frei werdender Arbeitsplätze -, als auch für die betriebsweit durchzuführende Sozialauswahl. Dass in keiner der Tageseinrichtungen des beklagten Vereins mit der Klägerin vergleichbare Kräfte beschäftigt sind bzw. sämtliche im Betrieb tätigen Gruppenleiterinnen unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang vor der Person der Klägerin beanspruchen können, trägt der beklagte Verein selbst nicht vor.

2. Aber auch wenn man die rechtliche Überprüfung auf die Verhältnisse in der Tageseinrichtung H1 beschränkt, scheitert die ausgesprochene Kündigung in Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil jedenfalls an den Erfordernissen einer ausreichenden Sozialauswahl.

a) Sowohl im Vergleich zu der jüngeren Gruppenleiterin V1 als auch im Vergleich zu der Gruppenleiterin M1 kann die Klägerin auf der Grundlage der nach § 1 Abs. 3 Satz1KSchG maßgeblichen Gesichtspunkte einen höheren Schutz beanspruchen. Frau M1 ist zwar ca. 14 Monate länger als die Klägerin beschäftigt, jedoch 10 Jahre jünger und ledig, wohingegen die Klägerin für ihre 15jährige Tochter unterhaltspflichtig ist. Erst recht genießt die Klägerin einen deutlich höheren Schutz im Vergleich zur Gruppenleiterin V1, welche nach sämtlichen für die Sozialauswahl maßgeblichen Kriterien im Vergleich zur Klägerin als weniger schutzwürdig erscheint. Zutreffend hat das Arbeitsgericht auf dieser Grundlage ausgeführt, dass soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.

b) In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil liegen auch keine berechtigten betrieblichen Belange im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG vor.

(1) Soweit es die vom beklagten Verein herausgestellten besonderen Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen der Frau V1 betrifft, kann hiermit allein belegt werden, dass die Weiterbeschäftigung der Frau V1 aus Sicht des beklagten Vereins als wünschenswert oder vorteilhaft erscheint, ohne dass die vorgetragenen Umstände jedoch den Anforderungen eines "berechtigten betrieblichen Interesses" im Sinne des Gesetztes genügen. Weder erlaubt der Sachvortrag des beklagten Vereins eine Nachprüfung anhand konkreter Tatsachen, noch ist zu erkennen, dass den behaupteten Vorzügen der Frau V1 gegenüber den an sich maßgeblichen sozialen Gesichtspunkten ein solches Gewicht zukommt, dass sich hieraus eine Durchbrechung der Sozialauswahl rechtfertigt. Die Feststellung eines berechtigten betrieblichen Interesses an der Weiterbeschäftigung bestimmter Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs.3 Satz 2 KSchG setzt eine Abwägung des Gewichts dieses Interesses mit den durch die Wertungen von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG belegten sozialen Interessen des Arbeitnehmers voraus (vgl. KR-Griebeling, 8. Aufl., § 1 KSchG Rz. 627; BAG, 12.04.2002, AP Nr. 56 zu § 1 KSchG 1969). Inwiefern eine sinnvolle erzieherische Arbeit in der Tageseinrichtung mit der Klägerin nur auf unterdurchschnittlichem Niveau geleistet werden kann, hingegen den dargestellten Vorzügen der Frau V1 auf pädagogischem Gebiet ein solches Gewicht beizumessen ist, dass die Entlassung der sozial schutzwürdigeren Klägerin hingenommen und die Weiterbeschäftigung der Frau V1 als gerechtfertigt erscheint, vermag die Kammer nicht nachzuvollziehen.

(2) Entsprechendes gilt für die gesteigerte Akzeptanz der Frau V1 bei Kindern, im Kollegenkreis und in der Elternschaft. Auch wenn nicht zu verkennen ist, dass die genannten Gesichtspunkte für die erfolgreiche pädagogische Arbeit durchaus von Belang sind, genügen die Ausführungen des beklagten Vereins nicht für die Annahme, eine Zusammenarbeit mit der Klägerin anstelle der Frau V1 scheitere an konkreten Unzuträglichkeiten. Dass es in der Vergangenheit konkrete Probleme mit der Klägerin gegeben habe, als diese der "Maulwurfgruppe" vorstand, ist nicht ersichtlich. Auch der Umstand, dass der Klägerin nach längerer Tätigkeit als Ergänzungskraft im Jahre 2004 die Position als Gruppenleiterin übertragen wurde, spricht deutlich gegen ernstliche Störungen der Arbeitsbeziehungen zu Kindern, Arbeitskollegen und Elternschaft. Dass es im Vorfeld der Kündigung im Hinblick auf die Auswahl eines zu entlassenden Arbeitnehmers zu einer gewissen Beeinträchtigung des kollegialen Zusammenhalts kommt, stellt keine Besonderheit des vorliegenden Falles dar. Entsprechendes gilt, soweit sich in der Elternschaft der Wunsch zeigt, die Weiterbeschäftigung eines besonders geschätzten Mitarbeiters unter Hintanstellung sozialer Gesichtspunkte zu erreichen. Dass im Falle der Entlassung der Frau V1 Abmeldungen von Kindern drohen oder sonstige greifbare Probleme zu erwarten seien, welche in Anlehnung an die Grundsätze der Druckkündigung die Abweichung von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG begründen könnten, trägt der beklagte Verein selbst nicht vor. Vielmehr handelt es sich bei den vorgetragenen Erwägungen um durchaus nachvollziehbare, aber in Anbetracht der gesetzlichen Regelung nicht ausreichend gewichtige Gesichtspunkte. Bei der gebotenen Abwägung der Interessen muss es danach beim Vorrang der sozialen Gesichtspunkte verbleiben.

(3) Entsprechende Überlegungen gelten auch für den Gesichtspunkt der längeren Gruppenleitererfahrung der Frau V1. Inwiefern sich die geringere Erfahrung der Klägerin in der Funktion der Gruppenleitung jemals nachteilig ausgewirkt hat, ist nicht ersichtlich, die längere Erfahrungszeit der Frau V1 stellt danach allenfalls einen wünschenswerten Vorzug dar, welcher zur Abweichung von der regulären Sozialauswahl nicht genügt.

(4) Schließlich ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer ausgewogenen Altersstruktur nichts anderes. Der bisherige Altersdurchschnitt der vier beschäftigten Gruppenleiterinnen beträgt bislang etwa 40,5 Jahre, im Falle des Ausscheidens der jüngsten Gruppenleiterin Frau V1 steigt er auf etwa 43,6 Jahre, wohingegen bei Entlassung der Klägerin eine Absenkung des Altersdurchschnitts auf etwa 39 Jahre zu erzielen wäre. Von einer "Vergreisung" oder auch nur von einer Überalterung der Belegschaft kann auf dieser Grundlage aber keinesfalls ausgegangen werden, auch von einer Erziehung durch "Großmütter" kann keine Rede sein.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Erfordernis einer "ausgewogenen" Altersstruktur nur unter der Voraussetzung eine Abweichung von den an sich maßgeblichen sozialen Gesichtspunkten rechtfertigen kann, wenn die Ausgewogenheit, d.h. die gleichmäßige Verteilung verschiedener Altersgruppen in der Belegschaft, nach der konkreten betrieblichen Arbeitsorganisation für die Erreichung des Betriebszwecks von Belang ist. So mag es bei einem größeren Friseursalon sinnvoll erscheinen, entsprechend dem unterschiedlichen Alter der Kunden auch Personal in entsprechender Altersstaffelung zu beschäftigen, um entsprechende Kundenerwartungen zu befriedigen. Auch in einem Produktionsbetrieb wird vielfach eine Altersstaffelung der Belegschaft sinnvoll sein, um den Gesichtspunkten körperlicher Leistungsfähigkeit einerseits und langjähriger Erfahrung andererseits Rechnung zu tragen.

Auch in Bezug auf die in pädagogischen Einrichtungen eingesetzten Erziehungskräfte erscheint der Einsatz von Mitarbeitern unterschiedlichen Geschlechts und Alters ohne weiteres als sinnvoll, so dass die Bildung von Altersgruppen nicht beanstandet werden kann (vgl. BAG, 06.07.2006, 2 AZR 442/05, NZA 2007, 139 ff.). Demgegenüber geht es bei dem hier in die Sozialauswahl einbezogenen Personenkreis um die Position der Gruppenleiterinnen. Das nachvollziehbare Ziel des beklagten Vereins, zu vermeiden, dass die in der Tageseinrichtung betreuten Kinder nicht nur von älteren Kräften, sondern - der familiären Situation entsprechend - auch von jüngeren Kräften betreut werden, kann nicht dadurch verwirklicht werden, dass einzelne Gruppenleiterinnen jünger, andere hingegen deutlich älter sind. Diejenigen Kinder, welche etwa in der von Frau K3 geleiteten Gruppe betreut werden, erleben eine über 50 Jahre alte Gruppenleiterin, diejenigen Kinder, die bislang in der von Frau V1 geleiteten Gruppe betreut wurden, trafen auf eine Gruppenleiterin im Alter von etwas über 30 Jahren. Der Gesichtspunkt der ausgewogenen Altersstruktur kann aber allein bedeuten, dass innerhalb einer betreuten Gruppe jüngere wie auch ältere pädagogische Kräfte anzutreffen sind, welche an den in der Gruppe betreuten Kindern eine gemeinsame Erziehungsaufgabe vollziehen. Die Schaffung einer speziellen Altersstruktur für die Gruppenleiterinnen macht demgegenüber keinen Sinn. So betraf die vom Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) gebilligte Altersgruppenbildung allein den Kreis der Erzieherinnen. Leiterinnen und Pädagogen waren demgegenüber hiervon ausgenommen.

Im Ergebnis können damit die vom beklagten Verein vorgetragenen Ausführungen zur Frage der ausgewogenen Altersstruktur eine Abweichung von der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht rechtfertigen.

II

Aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ergibt sich die Verpflichtung des beklagten Vereins, die Klägerin bis zum Abschluss des Rechtsstreits arbeitsvertragsgemäß weiter zu beschäftigen. Nachdem die Klägerin die nach der ursprünglichen Antragsfassung verbleibenden Unklarheiten ausgeräumt und ihren Weiterbeschäftigungsantrag konkreter gefasst hat, bestehen gegen die Bestimmtheit des Klageantrages keine Bedenken. Allein der Umstand, dass die Klägerin - jedenfalls nach ihrem Standpunkt - nicht allein für die Tageseinrichtung H1, sondern für den gesamten Betrieb eingestellten ist, zwingt auch nicht etwa zu einer entsprechend weiten Fassung des Weiterbeschäftigungsantrages. Nachdem der beklagte Verein der Klägerin auf der Grundlage des arbeitsvertraglichen Direktionsrechts einen konkreten Einsatzort zugewiesen hat, ist dieser bis zur Erteilung einer gegenteiligen Weisung für den Inhalt des Weiterbeschäftigungsanspruchs maßgeblich. Dementsprechend ist die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Funktion der Gruppenleiterin in der Tageseinrichtung H1 zu beschäftigen.

III

Die Kosten der erfolglosen Berufung hat der beklagte Verein zu tragen.

IV

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück