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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 16.11.2006
Aktenzeichen: 8 Sa 982/06
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Keine "grobe Fehlerhaftigkeit" der Sozialauswahl bei vereinbarter Beschränkung der "Vergleichbarkeit" auf Tätigkeiten mit kürzerer als der tariflich vorgesehenen Einarbeitungszeit.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 05.05.2006 - 2 Ca 230/06 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage wendet sich die im Jahre 1961 geborene, verheiratete und gegenüber zwei minderjährigen Kindern sowie ihrem z.Zt. arbeitslosen Ehemann unterhaltspflichtige Klägerin, welche seit dem 01.04.1981 als gewerbliche Arbeitnehmerin im Betrieb der Beklagten gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 2.048,00 € beschäftigt ist, gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 26.01.2006 zum 31.08.2006.

Diese Kündigung stützt die Beklagte, die sich u.a. mit der Entwicklung und Produktion von Geräten der Stromversorgung und Telekommunikation befasst und nach vorangehenden Rationalisierungsmaßnahmen zuletzt noch 325 Arbeitnehmer am Standort S2xxx beschäftigt hat, auf den Vortrag, aufgrund weiterer Restrukturierungsmaßnahmen mit einer Auslagerung der Serienfertigung und der Schließung der sog. Telekom-Produktion sei ein erneuter Personalabbau von 45 Arbeitnehmern erforderlich.

Wie unstreitig ist, hatten Betriebsrat und Arbeitgeber im Hinblick auf den beabsichtigten Personalabbau unter dem 21.10.2005 eine Auswahlrichtlinie (Bl. 35 ff. d.A.) vereinbart, welche in der Anlage (Bl. 38 d.A.) eine "Gruppenbildung nach Bereichen" vorsah. Die Klägerin ist danach der auf Dauer zur Stilllegung vorgesehenen Gruppe 14 zugeordnet, in welcher unter der Bezeichnung "End of Life/Repair" im Wesentlichen eine Auslaufproduktion erfolgte. Weiter vereinbarten die Betriebsparteien unter dem selben Datum einen Interessenausgleich (Bl. 39 ff. d.A.) nebst Namensliste (Bl. 43 d.A.), in welcher auch die Klägerin genannt wird, sowie einen Sozialplan (Bl. 44 ff. d.A.). Ob der Interessenausgleich mit Namensliste den formellen Anforderungen entspricht, ist unter den Parteien streitig. Nachdem die Klägerin - wie auch weitere acht in der Namensliste verzeichnete Arbeitnehmer - dem vorgesehenen Wechsel in eine Transfergesellschaft nicht zugestimmt hat, sprach die Beklagte die hier angegriffene Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Vor Ausspruch der Kündigung hatte die Beklagte wegen der behördlichen Gleichstellung der Klägerin mit einem GdB von 30 die Zustimmung des Integrationsamtes beantragt, welche mit - noch nicht bestandskräftigem - Bescheid vom 22.12.2005 (Bl. 52 d.A.) erteilt wurde. Weiter hatte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 17.01.2006 (Bl. 57 ff. d.A.) über die Kündigungsabsicht unterrichtet; Einzelheiten sind unter den Parteien streitig. Abweichend von der Auswahlrichtlinie, welche eine Auswahl getrennt nach 15 Bereichen vorsah, legte die Beklagte hierbei eine dem Betriebsrat übermittelte "zusammengefasste Liste" mit der Bezeichnung "Übersicht Lohnempfänger S2xxx, Stand: 01.12.2005" (Bl. 50 = Bl. 188 d.A.) zugrunde, in welcher auch die in Gruppe 13 beschäftigten Personen erfasst waren. Die in Gruppe 15 beschäftigten Personen hatten sich demgegenüber zu einem Wechsel in die gebildete Beschäftigungsgesellschaft bereit erklärt.

Hinsichtlich der Sozialauswahl heißt es im Anhörungsschreiben vom 17.01.2006 auszugsweise wie folgt:

"Frau E5xxx K1x hat mit Status vom 01.Dezember 2005 2154 Sozialpunkte und ist nach Einführung der ERA in der Entgeltgruppe 4 eingruppiert. Die Anlernzeiten betragen hierbei 4 Wochen bis zu 2 Monaten und 29 Tagen. Verbleibende Arbeitsplätze in allen anderen Bereichen 1- 15 gemäß unserer Vereinbarung kann Frau K1x nicht erfüllen, da in diesen Bereichen Spezialisten eingesetzt sind, bei denen über andere Anforderungen hinaus eine Anlernzeit größer 6 Monate oder eine Facharbeiterausbildung erforderlich ist. Diese Voraussetzungen haben wir im einzelnen erläutert und erklärt, dass dieses von Frau K1x nicht erbracht wird.

Unter Berücksichtigung der Sozialpunkte wären vor Frau K1x auch Herr H4xxxxxx, Fau W4xxx, Frau L1xxxxxxxx und Frau K3xxxxx zu kündigen. Da diese Mitarbeiter jedoch, wie ihnen im Detail erläutert, ausgesprochene Spezialisten sind, was eine Ausbildung zum Facharbeiter oder Anlernzeiten von bis zu 12 Monaten erfordert, und Frau K1x diese nicht nachweisen kann, sind diese Mitarbeiter nach unserer Regelung nicht zu kündigen.

Frau K1x kann nur einfache Tätigkeiten im Bestücken und Löten, keine komplexeren Muster-Montagen.

Frau K4xxxx und Frau K8xxx mit ebenfalls geringen Sozialpunkten sind Betriebsratsmitglieder. Die gleiche Spezialistenregelung gilt für den Bereich SMD gegenüber den Mitarbeitern Frau W6xxxxxxxxx und Frau A3xxx.

In der Anlage (vom 18. November 2005) erhalten Sie alle detaillierten Personalangaben sowie die ermittelten Punktebewertungen aus den Sozialauswahlkriterien im Gesamtvergleich."

Nach Darstellung der Beklagten war die "zusammengefasste Liste" im Einvernehmen mit dem Betriebsrat erstellt worden, nachdem Unsicherheiten in der Frage entstanden waren, ob die in der Auswahlrichtlinie vorgesehene gruppenbezogene Auswahl sachgerecht sei. Inwiefern hierin eine rechtlich relevante Abweichung von Interessenausgleich und Namensliste liegt, ist unter den Parteien streitig.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszuge die vollständige Unterrichtung des Betriebsrats, die ordnungsgemäße Erstattung einer Massenentlassungsanzeige sowie die soziale Rechtfertigung der Kündigung bestritten. In jedem Fall müsse zumindest die Sozialauswahl als grob fehlerhaft angesehen werden. Da sie - die Klägerin - nicht allein an dem zuletzt zugewiesenen Arbeitsplatz im Bereich der Gruppe 14 tätig, sondern im Laufe ihrer langjährigen Beschäftigung praktisch an allen Arbeitsplätzen im Produktionsbereich eingesetzt gewesen sei, sei sie mit allen gewerblichen Arbeitnehmern des Betriebes - jedenfalls auch aus dem Bereich SMD - vergleichbar. Insbesondere sei nicht einsichtig, dass die in der "zusammengefassten Liste" Bl. 50 d.A. aufgeführten Arbeitnehmer H4xxxxxx, W5xxxx, L1xxxxxxxx und K3xxxxx trotz deutlich geringerer Punktezahl von einer Kündigung verschont worden seien.

Durch Urteil vom 05.05.2006 (Bl. 111 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht antragsgemäß festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26.01.2006 nicht mit Ablauf des 31.08.2006 beendet worden sei. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, unabhängig von der Frage der ordnungsgemäßen Massenentlassungsanzeige und unabhängig von der fehlenden Bestandskraft des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes erweise sich die ausgesprochene Kündigung jedenfalls als sozialwidrig im Sinne des § 1 KSchG. Zwar ergebe sich aus dem abgeschlossenen Interessenausgleich nebst Namensliste, dass der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für 45 Arbeitnehmer vermutet werde. Das bloße Bestreiten der Klägerin genüge nicht zur Wiederlegung dieser Vermutung. Im Ergebnis scheitere die ausgesprochene Kündigung jedoch am Erfordernis der Sozialauswahl. Unstreitig habe die Beklagte die Sozialauswahl nicht - wie zunächst in der Auswahlrichtlinie vorgesehen - allein in Bezug auf die 15 gebildeten Beschäftigtengruppen durchgeführt (was wegen vollständiger Schließung des Bereichs "End of Life/Repair" zur Entbehrlichkeit einer sozialen Auswahl geführt hätte); tatsächlich sei die Sozialauswahl vielmehr im Einvernehmen mit dem Betriebsrat unter Einbeziehung der Beschäftigten der Gruppen 13 und 14 erfolgt. Wie sich aber aus der hierzu erstellten gemeinsamen Personalliste ergebe, sei die Klägerin in dieser Vergleichsgruppe deutlich schutzwürdiger als etwa der nicht entlassene Arbeitnehmer H4xxxxxx, welcher nur über 1.368 Sozialpunkte verfüge. Soweit sich die Beklagte darauf berufe, Herr H4xxxxxx verfüge bei seiner Tätigkeit als Tester über eine besondere fachliche Qualifikation und sei auch in der Lage, große Gewichte zu bewegen, sei nicht ersichtlich, dass diese Auswahlgesichtspunkte Gegenstand der Betriebsratsanhörung gewesen seien. Allein die Angabe im Anhörungsschreiben an den Betriebsrat, Herr H4xxxxxx sei Spezialist und deshalb mit der Klägerin nicht vergleichbar, genüge nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG. Die zugunsten des Arbeitnehmers H4xxxxxx geltend gemachten Auswahlgesichtspunkte seien unter diesen Umständen im Prozess nicht verwertbar, weswegen die Sozialauswahl schon aus diesem Grunde als grob fehlerhaft angesehen werden müsse.

Mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens gegen den Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils, der Betriebsrat sei über die Gesichtspunkte der Sozialauswahl nicht vollständig informiert worden. Bereits im Zusammenhang mit den Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan seien zum einen auf der Grundlage der Auswahlrichtlinie die in der zugehörigen Anlage aufgelisteten 15 Vergleichsgruppen gebildet und entsprechende "Einzellisten" erstellt worden. Daneben sei auch bereits zu diesem Zeitpunkt die Frage einer gruppenübergreifenden Sozialauswahl diskutiert worden. Eben aus diesem Grunde sei dann, nachdem die auf der Namensliste erfasste Klägerin einen Übertritt in die Transfergesellschaft abgelehnt und eine Realisierung des Kündigungsentschlusses angestanden habe, in Absprache mit dem Betriebsrat die weitere "zusammengefasste Liste" mit den Beschäftigten der Gruppen 13 und 14 erstellt und zum Gegenstand der Betriebsratsanhörung gemacht worden, ohne dass allerdings darin die Vergleichbarkeit der in dieser Liste verzeichneten Arbeitnehmer zum Ausdruck komme. Im Gegenteil sei dem Betriebsrat im Zuge des Anhörungsverfahrens ausdrücklich mitgeteilt worden, dass die Klägerin nicht mit den übrigen dort aufgeführten Arbeitnehmern vergleichbar sei. Bereits anlässlich der Verhandlungen über den Interessenausgleich und Sozialplan habe insbesondere Einverständnis zwischen den Betriebsparteien darüber geherrscht, dass ein Einsatz der Klägerin am Arbeitsplatz des Arbeitnehmers H4xxxxxx sowohl wegen der dort bestehenden Gewichtsbelastung als auch wegen der erforderlichen besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten ausscheide.

Ergänzend nimmt die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.10.2006 zum weiteren Vortrag der Klägerin zur Vergleichbarkeit anderer Arbeitskollegen Stellung und hält an ihrer Auffassung fest, jedenfalls unter Berücksichtigung des den Betriebsparteien gemäß § 1 Abs. 5 KSchG zustehenden Beurteilungsspielraums, welcher sich auch auf die Vergleichsgruppenbildung beziehe, könne die vorgenommene Sozialauswahl nicht beanstandet werden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, und legt ferner Anschlussberufung ein mit dem Antrag die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 10.000,00 € über den 31.08.2006 hinaus weiterhin zu beschäftigen.

Die Beklagte stimmt der Erweiterung des Klageantrags nicht zu und beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung begründet die Klägerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrages wie folgt:

Zum einen scheitere die Wirksamkeit der Kündigung schon am Erfordernis der Massenentlassungsanzeige, da auch diejenigen Mitarbeiter, welche in die Transfergesellschaft gewechselt seien, bei der Anzahl der zu entlassenen Arbeitnehmer mitzuzählen seien. Weiter bestreitet die Klägerin die Unterzeichnung und feste Verbindung der Namensliste mit dem Interessenausgleich. Nach Einsichtnahme in die von der Beklagten vorgelegte Urkunde hat die Klägerin hierzu erklärt, der gegenwärtige Zustand von Interessenausgleich und Namensliste werde nicht bestritten, es bleibe der rechtlichen Prüfung des Gerichts überlassen, ob es sich um eine feste Verbindung im Sinne des Gesetzes handele.

Neben dem Hinweis auf die genannten formalen Gesichtspunkten hält die Klägerin an ihrer Auffassung fest, weder sei der Bedarf für die Beschäftigung von Arbeitnehmern im angegebenen Umfang zurückgegangen, noch halte die getroffene Sozialauswahl der rechtlichen Prüfung stand. Schon die Tatsache, dass die Beklagte die Sozialauswahl nicht strikt nach der vereinbarten Auswahlrichtlinie durchgeführt habe, führe zur Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl. Zudem belege jedenfalls die nachträglich erstellte "zusammengefasste Liste", dass nach der übereinstimmenden Vorstellung der Betriebsparteien sämtliche dort aufgeführten Arbeitnehmer als vergleichbar im Sinne des § 1 Abs. 3 KSchG anzusehen seien. Anhand der Liste lasse sich nämlich kein Anhaltspunkt dafür finden, aus welchem Grunde die Klägerin im Vergleich zu den Mitarbeitern H4xxxxxx, W5xxxx, L2xxxxxxxxx und K3xxxxx als weniger schutzwürdig anzusehen sei. Die schriftliche Betriebsratsanhörung lasse die angebliche Spezialistenrolle des Mitarbeiters H4xxxxxx nicht erkennen. Auch in der Sache gebe es keinerlei Unterschied der Fähigkeiten und Kenntnisse der Klägerin im Vergleich zu den übrigen aufgeführten Mitarbeitern. Von einer übermäßigen Belastung durch schweres Heben am Arbeitsplatz des Herrn H4xxxxxx könne keine Rede sein, auch die Klägerin sei entsprechend leistungsfähig, zumal gegebenenfalls auch der Einsatz von Hebemitteln in Betracht komme. Entgegen der Darstellung der Beklagten seien in der Vergangenheit durchaus auch weibliche Arbeitnehmer im Testbereich eingesetzt worden. Auch soweit es die fachliche Seite der Tätigkeit des Herrn H4xxxxxx betreffe, stehe dies der Austauschbarkeit der Klägerin nicht entgegen. Der Vortrag der Beklagten zu den angeblichen fachlichen Anforderungen sei völlig aus der Luft gegriffen und im Übrigen ohnehin nicht Gegenstand der Betriebsratsanhörung gewesen. Tatsächlich sei die Klägerin in der Vergangenheit in sämtlichen Abteilungen eingesetzt gewesen, ohne dass es zu irgendwelchen Schwierigkeiten gekommen sei. Eben hierdurch werde die Alltauglichkeit der Klägerin anschaulich belegt, so dass auch eine Vergleichbarkeit hinsichtlich der übrigen aufgeführten Mitarbeiter nicht zweifelhaft sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 14.09.2006 führt die Klägerin ergänzend aus, unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der "horizontalen Vergleichbarkeit" erstrecke sich die Sozialauswahl auf den gesamten Kreis der beschäftigten Anlernkräfte. Allein eine relativ kurze, dem Arbeitgeber zumutbare Einarbeitungszeit stehe der Vergleichbarkeit nicht entgegen. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte müsse die durchgeführte Sozialauswahl umfassend beanstandet werden.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, Interessenausgleich und Namensliste seien fest miteinander verbunden, durch Vorlage der Urkunde im Original, ferner über die widerstreitenden Behauptungen der Parteien zur Betriebsratsanhörung und zu den Verhältnissen am Arbeitsplatz des Arbeitnehmers H4xxxxxx, durch uneidliche Vernehmung der Zeugen S6xxxxxx, R1xxxxxxxxxx, K5xxxx und U1xxxxx. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.11.2006 (Bl. 198 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils zur Abweisung des verfolgten Kündigungsfeststellungsantrages. Zugleich ergibt sich hieraus, dass der Anschlussberufung der Klägerin, mit welcher diese die arbeitsvertragsgemäße Weiterbeschäftigung begehrt, der Erfolg versagt bleibt.

A

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis ist durch die angegriffene Kündigung vom 26.01.2006 mit Ablauf des 31.08.2006 wirksam beendet worden.

I

Entgegen der Auffassung der Klägerin scheitert die Wirksamkeit der Kündigung nicht am Erfordernis der Massenentlassungsanzeige. Unabhängig von weiteren rechtlichen Aspekten, auf welche aus den nachfolgenden Gründen nicht mehr einzugehen ist, ist zu beachten, dass es für die Berechnung der Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer nicht darauf ankommt, dass die Beklagte im Ergebnis einen Personalabbau um 45 Personen anstrebt. Maßgeblich ist vielmehr, dass allein neun Kündigungen ausgesprochen worden sind, welche dazu führen, dass auf dem Arbeitsmarkt eine entsprechende Anzahl von Arbeitnehmern als arbeitssuchend in Erscheinung tritt. Demgegenüber sind die übrigen in der Namensliste zur Entlassung vorgesehenen Arbeitnehmer in die Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft gewechselt. Sofern sie später - nach ihrem Ausscheiden aus der Beschäftigungsgesellschaft - am Arbeitsmarkt als arbeitssuchend in Erscheinung treten, steht dies mit der aktuellen Kündigung gegenüber der Klägerin und den weiteren zeitgleich gekündigten acht Arbeitnehmern nicht in zeitlichem Zusammenhang.

II

Die ausgesprochene Kündigung scheitert auch nicht an den Vorschriften des Schwerbehindertenschutzes. Unstreitig hat die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt. Allein der Umstand, dass die behördliche Zustimmung noch nicht bestandskräftig, sondern Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, führt weder zu einer Kündigungssperre für den Arbeitgeber, noch bedarf es einer Aussetzung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Wirksamkeit des Zustimmungsbescheides. Vielmehr gebietet es der arbeitsgerichtliche Beschleunigungsgrundsatz, die arbeitsgerichtliche Wirksamkeit der Kündigung unabhängig vom Stand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu prüfen und hierüber im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Entscheidung zu treffen. Sollte im Verwaltungsverfahren der Zustimmungsbescheid aufgehoben werden, stünde der Klägerin das Mittel der Restitutionsklage zur Verfügung (vgl. BAG, Urteil vom 17.06.1998 - 2 AZR 519/97 - n.v. ; KR-Etzel, 7. Aufl., §§ 85 - 90 SGB IX Rz 144).

III

Die angegriffene Kündigung ist auch nicht wegen unzureichender Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG unwirksam.

1. Unstreitig hat die Beklagte den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 17.01.2006 angehört. Der Anhörungsbogen weist den Eingangsstempel des Betriebsrats mit Datum vom 18.01.2006 sowie die Rückgabe der Anhörungsunterlagen mit Datum vom 26.01.2006 aus. Bei seiner Vernehmung hat der seinerzeitige Betriebsratsvorsitzende S6xxxxxx erklärt, er erkenne seine Unterschrift auf dem Anhörungsbogen (Bl. 57 d.A.). Dementsprechend ist davon auszugehen, dass bei Ausspruch der Kündigung das Anhörungsverfahren gemäß § 102 BetrVG abgeschlossen war.

2. Auch in inhaltlicher Hinsicht genügt die Betriebsratsanhörung den gesetzlichen Erfordernissen.

a) Das Arbeitsgericht hat im Zusammenhang mit der Überprüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung ausgeführt, der Vortrag der Beklagten zur angeblichen Spezialistenstellung des Arbeitnehmers H4xxxxxx könne prozessual nicht verwertet werden, weil es insoweit an einer ausreichenden Information des Betriebsrates fehle. Ohne Berücksichtigung der besonderen Gesichtspunkte des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG erweise sich die Sozialauswahl aber als grob fehlerhaft im Sinne des § 1 Abs. 5 KSchG.

b) Nach Auffassung der Kammer stellt sich die Frage der vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats hier schon bei der rechtlichen Prüfung einer möglichen Rechtsunwirksamkeit der Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG. Unterstellt man den Vortrag der Klägerin als richtig, nach welchem dem Betriebsrat keine Informationen über die angebliche Spezialistenstellung des Arbeitnehmers H4xxxxxx vorlagen, so müsste von einer unzureichenden Information des Betriebsrats über die Sozialauswahl insgesamt und damit von einer fehlerhaften Anhörung im Sinne des § 102 BetrVG ausgegangen werden, da dem Betriebsrat dann nicht einmal die vom Arbeitgeber subjektiv für entscheidend gehaltenen Auswahlgesichtspunkte mitgeteilt worden wären. Insoweit ist zwischen der Frage der Vollständigkeit der Betriebsratsanhörung nach Maßgabe der subjektiv determinierten Kündigungsgründe einerseits und der Präklusion solcher Kündigungstatsachen andererseits zu unterscheiden, welche dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden sind, weil sie vom Kündigungsentschluss des Arbeitgebers nicht erfasst waren. Allein im Hinblick auf solche Tatsachen stellt sich die Problematik des Nachschiebens weiterer Kündigungstatsachen und der Präklusion nicht mitgeteilter Umstände.

c) Letztlich kann die rechtliche Abgrenzung der Unwirksamkeit der Kündigung wegen unzureichender Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG und der Präklusion nicht mitgeteilter Kündigungstatsachen bei der Überprüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung hier dahinstehen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nämlich zur vollen Überzeugung des Landesarbeitsgerichts fest, dass diejenigen Gründe, welche zur getroffenen Sozialauswahl - einschließlich der Frage der Vergleichbarkeit und/oder der Herausnahme der sog. Leistungsträger aus der Sozialauswahl - geführt haben, dem Betriebsrat bekannt gewesen sind.

(1) Schon die schriftliche Betriebsratsanhörung enthält - wenn auch zunächst nur schlagwortartige - Angaben zu denjenigen Gründen, welche aus der Sicht des Arbeitgebers dazu führen, dass nicht die Klägerin mit 2.154 Sozialpunkten, sondern andere, als Spezialisten bezeichnete Arbeitnehmer von der Kündigung verschont bleiben sollen. Darauf, ob die Beklagte sich bei der Betriebsratsanhörung ausdrücklich auf den Gesichtspunkt fehlender Vergleichbarkeit der genannten Personen oder auf die Herausnahme sog. Leistungsträger aus der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG berufen hat, kommt es nicht an. Maßgeblich ist die Mitteilung entsprechender Tatsachen, nicht hingegen erfordert die vollständige Unterrichtung des Betriebsrats eine zutreffende rechtliche Einordnung.

(2) Weiter weist das Anhörungsschreiben vom 17.01.2006 auf den Gesichtspunkt unterschiedlich langer Anlernzeiten hin, wobei die Tätigkeit der Klägerin als einfache Tätigkeit in Form des Bestückens und Lötens ohne komplexe Muster-Geräte-Montagen umschrieben wird, für welche - der tariflichen Eingruppierung entsprechend - eine Anlernzeit von weniger als drei Monaten erforderlich sei. Demgegenüber sei für die Tätigkeit der übrigen aufgeführten Personen eine Anlernzeit von bis zu 12 Monaten in Ansatz zu bringen. Richtig ist allerdings, dass nähere Angaben dazu fehlen, welche speziellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Herrn H4xxxxxx als Tester einer Vergleichbarkeit mit der Klägerin entgegenstehen bzw. dessen Herausnahme aus der Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer begründen sollen. Einer solchen näheren Erläuterung der vom Arbeitgeber genannten "Spezialistenfunktion" bedurfte es indessen nicht, soweit dem Betriebsrat bereits aus eigener Kenntnis der Arbeitsplätze die entsprechenden Arbeitsplatzanforderungen bekannt waren (BAG Urteil vom 28.08.2003 - 2 AZR 377/02 - AP Nr. 134 zu § 102 BetrVG 1972; KR-Etzel a.a.O., § 102 BetrVG Rz 69).

(3) Der hierzu als Zeuge vernommene ehemalige Betriebsratsvorsitzende S6xxxxxx hat ausgesagt, er könne sich zwar nicht daran erinnern, welche Angaben der Geschäftsführer S1xxxx bei der mündlichen Erläuterung der Sozialauswahl in Bezug auf die Person des Herrn H4xxxxxx gemacht habe. Aus eigener Kenntnis sei ihm aber klar gewesen, dass in Bezug auf die Arbeitsplätze des Arbeitnehmers H4xxxxxx und der Klägerin ganz unterschiedliche Arbeitsanforderungen bestünden. Dies betreffe sowohl den Gesichtspunkt der körperlichen Belastung, da Gewichte bis zu zehn oder 15 kg zu heben seien, als auch die Frage der fachlichen Eignung.

(4) Unabhängig davon, inwieweit tatsächlich die vom Zeugen S6xxxxxx genannten Gesichtspunkte die von der Beklagten getroffene soziale Auswahl in der Sache rechtfertigen, ist im vorliegenden Zusammenhang der vollständigen Betriebsratsanhörung festzuhalten, dass dem Betriebsrat, welchem die "amtlich" (im Zuge der Betriebsratstätigkeit) erlangten Kenntnisse seines Vorsitzenden zuzurechnen sind (BAG Urteil vom 27.06.1985 - 2 AZR 412/84 - AP Nr. 37 zu § 102 BetrVG), die maßgeblichen Verhältnisse am Arbeitsplatz des Herrn H4xxxxxx bekannt waren. Die Überlegung des Arbeitsgerichts, aus der Sicht des Betriebsrates habe sich eine widersprüchliche Situation daraus ergeben, dass die Beklagte einerseits in der "zusammengefassten Liste" vom 01.12.2005 die Klägerin und die übrigen in den Lohngruppen 3 bis 5 aufgeführten Personen offenbar als vergleichbar benannt, andererseits dann aber u.a. den Mitarbeiter H4xxxxxx als Spezialisten bezeichnet habe, trifft danach nicht zu. Für die Frage der vollständigen Unterrichtung des Betriebsrats über die vom Arbeitgeber getroffene Auswahlentscheidung kann nicht auf eine isolierte Betrachtung der vorgelegten Listen abgestellt werden. Vielmehr sind in die Beurteilung neben der bereits vereinbarten Namensliste das Anhörungsschreiben vom 17.01.2006 sowie der vorhandene Kenntnisstand des Betriebsrats einzubeziehen. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme besteht danach für die Kammer an der ausreichenden Information des Betriebsrats kein Zweifel.

(5) Etwas anderes folgt auch nicht aus der Tatsache, dass sich die Erinnerung des Zeugen zur Frage, ob die "zusammengefasste Liste" bereits bei Abschluss des Interessenausgleichs mit Namensliste vorlag oder dem Betriebsrat erst später - eventuell erst zusammen mit dem Anhörungsschreiben vom 17.01.2006 - vorgelegt worden ist, nicht mit dem Sachvortrag der Beklagten deckt. Während nach Darstellung der Beklagten zunächst - wie in der Auswahlrichtlinie vorgesehen - eine Sozialauswahl nach Gruppen erfolgen sollte, so dass die Mitarbeiter der Gruppe 14 einschließlich der Klägerin zwangsläufig in die Namensliste aufzunehmen waren, und erst anschließend unter dem Datum vom 1.12.2005 in Absprache mit dem Betriebsrat eine "zusammengefasste Liste" unter Einbeziehung der Arbeitnehmer der G3xxxx 13 erstellt worden ist, welche alsdann im Zuge der Betriebsratsanhörung (ggfls. nochmals) überreicht worden ist, hat der Zeuge ausgesagt, die "zusammengefasste Liste" sei schon bei der Vereinbarung von Interessenausgleich und Namensliste erstellt worden. Dies erscheint schon mit Rücksicht auf das Datum der Liste (1.12.2005) als zweifelhaft; auch in der Sache besteht zwischen vereinbarter Auswahlrichtlinie und "zusammengefasster Liste" ein inhaltlicher Widerspruch. Dies dürfte dafür sprechen, dass der Zeuge den genauen zeitlichen Ablauf der Ereignisse nicht mehr zuverlässig erinnert, wie ihm auch erklärtermaßen eine konkrete Erinnerung an die mündliche Erläuterung der Kündigungsgründe durch den Geschäftsführer S1xxxx fehlt. Allein diese Erinnerungslücken rechtfertigen jedoch nicht die Schlussfolgerung, der Zeuge sei bei seiner Aussage, ihm seien die Arbeitsplätze der im Anhörungsschreiben genannten Vergleichspersonen aus eigener Anschauung bekannt gewesen, von der Wahrheit abgewichen. Im Gegenteil erscheint es ohne weiteres nachvollziehbar und glaubhaft, dass dem Zeugen als langjährigem Betriebsratsvorsitzenden die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten so konkret bekannt waren, dass er sich ein Bild von den Qualifikationsanforderungen und Belastungsfaktoren sowie der Frage der erforderlichen Anlernzeit machen und die diesbezüglichen arbeitgeberseitigen Angaben nachvollziehen konnte.

IV

Die angegriffene Kündigung ist auch nicht sozialwidrig im Sinne des § 1 KSchG. Auf der Grundlage der Vorschrift des § 1 Abs. 5 KSchG ergibt sich vielmehr die Vermutung, dass die Kündigung durch ein dringendes betriebliches Erfordernis gerechtfertigt ist. Die getroffene Sozialauswahl kann im Ergebnis jedenfalls nicht als "grob fehlerhaft" im Sinne des Gesetzes angesehen werden.

1. Unstreitig haben die Betriebsparteien im Zusammenhang mit der vorliegenden Betriebsänderung einen Interessenausgleich mit Namensliste vereinbart, weswegen nach § 1 Abs. 5 KSchG vermutet wird, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

a) Soweit die Klägerin zunächst schriftsätzlich eine feste Verbindung von Interessenausgleich und Namensliste bestritten hat, hat sie im Anschluss an die Vorlage der Urkunde im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erklärt, es bleibe der rechtlichen Prüfung durch das Landesarbeitsgericht überlassen, ob es sich um eine feste Verbindung im Sinne des Gesetzes handele. Hieran besteht nach Auffassung der Kammer in Anbetracht des Form der Klebebindung in einer Plastikmappe kein Zweifel, da eine Herausnahme und Auswechslung einzelner Blätter nicht ohne sichtbare Zerstörung der Bindung möglich erscheint. Darüber hinaus ist durch die Vorlage der Urkunde im Original belegt, dass nicht allein der Interessenausgleich, sondern auch die als "Namensliste als Anlage 1 gemäß § 112 BetrVG Sozialplan und §§ 111 ff. BetrVG Interessenausgleich vom 21.10.2005" die Unterschriften der Geschäftsführung und des Betriebsratsvorsitzenden sowie eines weiteren Betriebsratsmitglieds aufweist.

b) In der nachfolgenden Erklärung der Klägerin, der gegenwärtige Zustand der Urkunde werde nicht bestritten, das Gericht möge in rechtlicher Hinsicht das Merkmal der "festen Verbindung" prüfen, kann auch nicht die Behauptung gesehen werden, die in Augenschein genommene Urkunde sei erst zu einem späteren Zeitpunkt - etwa erst im Zuge des Kündigungsschutzprozesses - unterzeichnet oder fest verbunden worden. Richtig ist zwar, dass es für die Anwendung des § 1 Abs. 5 KSchG darauf ankommt, dass im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein formgerechter Interessenausgleich vorliegen muss (vgl. KR-Etzel, 7. Aufl., § 1 KSchG Rz. 703 b). Dass die Klägerin mit der vorstehenden Äußerung eine nachträgliche Manipulation der Urkunde behaupten will, kann ohne weitere Anhaltspunkte jedoch nicht angenommen werden. Auch wenn nicht verkannt wird, dass das Vorliegen eines formgerechten Interessenausgleichs mit Namensliste zu den vom Arbeitgeber zu beweisenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG zählt, muss für den Sachvortrag des Arbeitgebers - sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte ersichtlich sind - genügen, dass dieser einen formgerechten Abschluss des Interessenausgleichs vorträgt und im Bestreitensfall die Urkunde vorlegt. Allein der Umstand, dass die formelle Beweiskraft der Urkunde sich nicht auf die inhaltliche Richtigkeit des angegebenen Datums bezieht, schließt auf der Grundlage des § 286 ZPO die Überzeugungsbildung nicht aus, für eine nachträgliche Veränderung der Urkunde fehle jeder Anhaltspunkt. Soweit also eine nachträgliche Manipulation weder ausdrücklich behauptet ist noch sonstige Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, beseht kein Anlass, daran zu zweifeln, dass der gegenwärtige Zustand der Urkunde vom Zustand im Zeitpunkt der Urkundserrichtung oder der Kündigung nicht abweicht.

c) Liegt nach alledem ein formgerechter Interessenausgleich nebst Namensliste vor, wäre es Sache der Klägerin, die in § 1 Abs. 5 KSchG genannte Vermutung zu entkräften. Zutreffend hat das Arbeitsgericht hierzu ausgeführt, dass allein durch schlichtes Bestreiten des gegnerischen Vorbringens die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG nicht in Frage gestellt werden kann.

2. Als weitere Folge der Vereinbarung eines Interessenausgleichs mit Namensliste ergibt sich aus § 1 Abs. 5 KSchG, dass die von den Betriebsparteien gemeinsam verantwortete Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden kann.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. die Nachweise bei KR-Etzel, § 1 KSchG, Rz. 697) ist die getroffene Sozialauswahl grob fehlerhaft, wenn einzelne der vier Sozialdaten überhaupt nicht, eindeutig unzureichend oder mit eindeutig überhöhter Bedeutung berücksichtigt werden. Anders als nach der Vorschrift des § 1 Abs. 4 KSchG, betreffend die Vereinbarung einer Auswahlrichtlinie, umfasst der Maßstab der "groben Fehlerhaftigkeit" im Fall des § 1 Abs. 5 KSchG nach der gefestigten Rechtsprechung der Instanzgerichte - eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts liegt, soweit ersichtlich, allein zur entsprechenden Regelung des § 125 InsO vor - auch die Frage der Nichteinbeziehung anderer Arbeitnehmer wegen fehlender Vergleichbarkeit oder wegen vorrangiger betrieblicher Interessen (KR-Etzel, a.a.O. § 1 KSchG Rz. 703 h m.w.N.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Beschränkung des Prüfungsmaßstabes lässt sich eine Überschreitung des den Betriebsparteien zugewiesenen Beurteilungsspielraums hinsichtlich des Gesichtspunkts der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer nicht feststellen, ohne dass dieses Ergebnis durch die von den Zeugen unterschiedlich geschilderten Arbeitsumstände in Frage gestellt wird.

(1) Dies betrifft zunächst die Arbeitsbedingungen des Herrn H4xxxxxx, welcher als Tester tätig ist. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Vortrag der Beklagten, am Arbeitsplatz des Arbeitnehmers H4xxxxxx würden nur Männer beschäftigt, jedenfalls in dieser Ausschließlichkeit nicht zutrifft und nach den gegenwärtigen Verhältnissen die Notwendigkeit des schweren Hebens nur ausnahmsweise anfällt, kann es jedenfalls nicht als grob fehlerhaft angesehen werden, wenn im Zusammenhang mit einer Verkleinerung des Betriebes auch der Gesichtspunkt der körperlichen Belastbarkeit der Arbeitnehmer in die Auswahlüberlegungen von Arbeitgeber und Betriebsrat Eingang findet, soweit nicht dieser Gesichtspunkt nach Art der Tätigkeit vollkommen ohne Belang erscheint. Entsprechendes gilt für die Einschätzung der fachlichen Arbeitsplatzanforderungen. Auch wenn man zu Gunsten der Klägerin unterstellt, dass zum Erlernen der einzelnen Arbeitschritte des Testens lediglich eine kurze Anlernzeit erforderlich ist - die Angaben der Zeugen weichen insoweit deutlich von einander ab -, ist doch zu beachten, dass es zum einen für die Erfüllung der Arbeitsplatzanforderungen nicht genügt, einen einzelnen Testvorgang zu beherrschen, vielmehr unterschiedliche Testvorgänge an unterschiedlichen Geräten vorzunehmen sind. Zum anderen kann es jedenfalls nicht als grob fehlerhaft angesehen werden, wenn im Zusammenhang mit einem Personalabbau auch die durch langjährigen Einsatz erworbene Handhabungssicherheit berücksichtigt wird, welche neben der sicheren und problemlosen Beherrschung der laufenden Arbeit auch den Gesichtspunkt berücksichtigt, dass der bereits eingearbeitete Arbeitnehmer etwa auftretende Probleme realistisch einschätzen und gegebenenfalls auch kleinere Störungen eigenständig beheben oder zumindest sonstwie für Abhilfe sorgen kann.

Richtig ist allerdings, dass allein der sog. Routinevorsprung eines langjährig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigten Arbeitnehmers gegenüber dem erst neu anzulernenden Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG nicht zur Herausnahme aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG genügt (BAG, Urteil vom 25.04.1985 - 2 AZR 140/84 - AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; KR-Etzel, a.a.O. Rz 620). Auch wenn man hieran im Grundsatz bei der Beurteilung der Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 5 KSchG nach dem abgesenkten Prüfungsmaßstab der "groben Fehlerhaftigkeit" festhält, ist doch zu beachten, dass bei Betriebsänderungen mit einem erheblichen Personalabbau typischerweise ein gesteigertes Bedürfnis besteht, die Effektivität der betrieblichen Funktionen nicht durch vermeidbare Umsetzungen innerhalb der verbliebenen Belegschaft zu schwächen, soweit dies nicht durch die gesetzlich vorgeschriebenen Grundsätze der Sozialauswahl geboten ist. Dementsprechend kann zwar auch im Falle einer Betriebsänderung gemäß § 1 Abs. 5 KSchG nicht davon abgesehen werden, die Sozialauswahl betriebsweit durchzuführen und etwa allein aus Kontinuitätsgründen eine abteilungsbezogene Auswahl vorzusehen (BAG, Urteil vom 05.12.2002 - 2 AZR 697/01 - AP Nr. 60 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Andererseits räumt das Gesetz den Betriebsparteien im Fall der Betriebsänderung im Ergebnis eine weitreichende Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Sozialauswahl ein, welche nicht allein mehr oder minder bedeutsame Mängel bei der Feststellung auswahlrelevanter Tatsachen (z.B. Alter, Kinderzahl, Dauer der erforderlichen Einarbeitung) zurücktreten lässt, sondern auch in Bewertungsfragen (z.B. der Vergleichbarkeit der Arbeitsplatzanforderungen oder der Eigenschaft als Leistungsträger) zur Geltung kommt und so letztlich auch eine nicht unbedenkliche, immerhin aber doch vertretbare rechtliche Wertung unbeanstandet lässt. Eben darum geht es aber bei der Frage, ob in Anbetracht der konkreten Arbeitsbedingungen, insbesondere ihrer Ähnlichkeit oder Verschiedenheit von einer fachlichen Austauschbarkeit der betreffenden Arbeitnehmer auszugehen ist bzw. die Weiterbeschäftigung eines bestimmten Arbeitnehmers im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Wenn die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Prüfung der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 Kündigungsschutzgesetz für eine "ausreichende" Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte beim Wegfall einzelner Arbeitsplätze die Zubilligung einer "kurzen Einarbeitungszeit" fordert, für welche bei den unteren tariflichen Lohngruppen die dort vorgesehene Einarbeitungszeit eine Orientierung bieten kann, so kann es nach Auffassung der Kammer jedenfalls nicht als grob fehlerhaft angesehen werden, wenn bei einem umfangreichen Personalabbau im Zuge einer Betriebsänderung die Betriebsparteien nicht die tariflich vorgesehene Einarbeitungszeit zum Maßstab der Vergleichbarkeit nehmen, sondern bereits die Tatsache als auswahlrelevant berücksichtigen, dass sich die fraglichen Arbeitsinhalte, auch wenn die erforderlichen Kenntnisse im Wege einer vergleichsweise kurzen Einarbeitung erworben werden können, grundlegend unterscheiden. Anders als bei weitgehend ähnlichen Tätigkeiten, bei welchen realistischerweise der Austausch der Arbeitnehmer im Zuge der Sozialauswahl keinerlei fachliche Probleme erwarten lässt, lassen sich, auch wenn aufgrund abstrakter tariflicher Eingruppierungsregeln von einer Gleichwertigkeit der Tätigkeit auszugehen ist, bei einer Umsetzung auf einen vollkommen anders gestalteten Arbeitsplatz mögliche Anpassungsschwierigkeiten nicht als völlig untypische Ausnahmeerscheinungen beiseite schieben.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze können aber weder die Auswahlentscheidung der Betriebsparteien, die Klägerin als zu entlassende Arbeitnehmerin auf die Namensliste zu setzen, noch die im Zuge der Betriebsratsanhörung im Verhältnis zum Arbeitnehmer H4xxxxxx angegebenen Auswahlerwägungen als grob fehlerhaft angesehen werden. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Klägerin im Zuge ihrer langjährigen Tätigkeit schon verschiedene Tätigkeiten ausgeübt hat, ist doch die Tätigkeit des Arbeitnehmers H4xxxxxx als Tester so grundlegend von der Tätigkeit der Klägerin in der Produktion - welche im Bestücken und Löten elektronischer Bauteile nach Vorgabe besteht - verschieden, dass jedenfalls eine bloße Einweisung in die geänderte Tätigkeit des Testers nicht genügen würde. Davon, dass die Klägerin tatsächlich schon nach bloßer Einweisung oder innerhalb von zwei Wochen sämtliche Tätigkeiten des Arbeitnehmers H4xxxxxx wie dieser beherrscht, kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit ausgegangen werden. Die Frage, ob die Klägerin die Tätigkeit des Herrn H4xxxxxx zeitnah erledigen könnte, betrifft den Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit der Arbeitsplatzanforderungen, nicht hingegen geht es um die Fragen einer besonderen Zusatzqualifikation. Dementsprechend liegt die Beweislast bei der Klägerin (§ 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG).

(2) Entsprechendes gilt auch für die weiteren in der Betriebsratsanhörung angesprochenen Arbeitnehmer Frau W5xxxx, Frau L1xxxxxxxx und Frau K3xxxxx. Auch insoweit ergibt sich aus der Aussage des Zeugen S6xxxxxx, dass diese Beschäftigten nicht nur andersartige, sondern auch anspruchsvollere Tätigkeiten erledigen. So ist Frau W5xxxx als Maschinen-Bedienerin am Bestückungsautomaten tätig, Frau L1xxxxxxxx arbeitet im Bereich des Musterbaus mit eigenständiger Aufgabenerledigung. Auf Frau K3xxxxx trifft zwar das Merkmal der eigenständigen Aufgabenerledigung nicht zu, die von ihr erledigten Tätigkeiten unterscheiden sich aber doch von den vom Zeugen S6xxxxxx als einfach bezeichneten Tätigkeiten der Klägerin durch einen höheren Spezialisierungsgrad, weswegen auch insoweit nicht von einer grob fehlerhaften Verkennung des Gesichtspunkts der Vergleichbarkeit der Arbeitsplatzanforderungen ausgegangen werden kann.

(3) Nachdem die Klägerin im ersten Rechtszuge zunächst mit Schriftsatz vom 21.04.2006 unter Ziffer III.1. (Bl. 72 f. d.A.) zahlreiche Arbeitnehmer als vergleichbar bezeichnet hat, hat sie mit weiterem Schriftsatz vom 26.04.2006 (Bl. 85 d.A.) klargestellt, dass sie von den zu Ziffer III.1. genannten Arbeitnehmern sich allein mit den Arbeitnehmerinnen K6xxxxxx, K3xxxxx, König und K7xxxxx für vergleichbar halte, wobei es sich unstreitig bei den beiden zuletzt genannten Personen um Betriebsratsmitglieder handelt. Hinsichtlich der weiteren Arbeitnehmerin K3xxxxx hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass diese ebenfalls zur Kündigung ausgewählt worden war, allerdings nach Zustimmung des Integrationsamtes der rechtzeitige Ausspruch der Kündigung aufgrund eines Versehens unterblieben ist. Nachdem die Beklagte insoweit zeitnah erneut die Zustimmung des Integrationsamtes beantragt hat - die Klägerin hat den im Beklagtenschriftsatz vom 02.05.2006 ausdrücklich wiederholten Vortrag hinsichtlich der Arbeitnehmerin K3xxxxx nicht bestritten -, kann auch insoweit eine grobe Fehlerhaftigkeit der getroffenen Sozialauswahl nicht angenommen werden. Im Übrigen hat sich aber der betreffende Fehler nicht zu Lasten der Klägerin ausgewirkt, da der Arbeitsplatz der Klägerin aus den dargestellten Gründen ohnehin nicht mit demjenigen der Frau K3xxxxx vergleichbar ist.

(4) Soweit die Klägerin schließlich vorgetragen hat, auch mit einer Vielzahl anderer Arbeitnehmer vergleichbar zu sein, kann dieser Vortrag nicht als hinreichend substantiiert angesehen werden. Mit Schriftsatz vom 21.04.2006 hat die Klägerin hierzu vorgetragen, sie sei in allen Abteilungen der Fertigung einsetzbar und eingesetzt worden und dementsprechend ohne weiteres in der Lage, sämtliche dort anfallenden Anlerntätigkeiten zu erledigen. Welche Arbeitsplatzanforderungen in Bezug auf welche Arbeitsplätze bestehen und wann die Klägerin welche konkrete Tätigkeit ausgeübt hat, ist dem Vorbringen der Klägerin nicht zu entnehmen. Eine entsprechende Präzisierung ist auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil es sich offenbar sämtlich um Anlerntätigkeiten handelt. In Anbetracht der Tatsache, dass allein aus dem Vorliegen einer Anlerntätigkeit nicht ohne weiteres auf eine fachliche Vergleichbarkeit geschlossen werden kann, entzieht sich der Vortrag der Klägerin mangels substantiierter Angaben der gerichtlichen Nachprüfung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Verpflichtung des Arbeitgebers, über die von ihm getroffenen Auswahlerwägungen einschließlich der Frage der Vergleichbarkeit Auskunft zu erteilen bzw. nach den Grundsätzen der "sekundären Behauptungslast" gemäß § 138 ZPO weitergehende Angaben zu den vom Arbeitnehmer als vergleichbar reklamierten Arbeitsplätzen zu machen (zu den Einzelheiten vgl. KR-Etzel a.a.O., § 1 KSchG Rz 679, 683, 702). Wenn die Klägerin - wie sie selbst vorträgt - bereits in anderen Abteilungen tätig war und die dort anfallenden Aufgaben erledigt hat, muss davon ausgegangen werden, dass sie die betreffenden Arbeitsplätze und Anforderungen kennt und aus diesem Grunde auf eine Auskunft der Beklagten nicht angewiesen ist. Dann wäre es aber Sache der Klägerin, die in den übrigen Abteilungen anfallenden Tätigkeiten so zu beschreiben, dass anhand dieser Angaben die Vergleichbarkeit der Arbeitsplatzanforderungen und deren grob fehlerhafte Verkennung durch die Betriebsparteien bei Aufnahme der Klägerin in die Namensliste nachvollzogen werden könnte. Von einer grob fehlerhaften Sozialauswahl kann danach nicht ausgegangen werden.

3. Die Anwendung des Maßstabes der "groben Fehlerhaftigkeit" gemäß § 1 Abs. 5 KSchG wird auch nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass die Betriebsparteien zunächst bei der Aufstellung der Namenliste auf der Grundlage der vereinbarten Auswahlrichtlinie und der dort vorgesehenen Gruppenbildung davon ausgegangen sind, eine Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer der zu schließenden Abteilung 14 mit den Arbeitnehmern anderer Abteilungen scheide aus, so dass konsequenterweise sämtliche Arbeitnehmer der zu schließenden Abteilung in die Namensliste aufzunehmen waren bzw. aufgenommen worden sind. Abweichend hiervon ist sodann - wohl im November 2005 - die "zusammengefasste Liste" unter Einbeziehung der Arbeitnehmer der Gruppe 13 erstellt worden. Bei der Kündigung derjenigen Arbeitnehmer einschließlich der Klägerin, die nicht zu einem Wechsel in die Beschäftigungsgesellschaft bereit waren, hat sich die Beklagte an dieser zusammengefassten Liste, nicht hingegen strikt an der vereinbarten Auswahlrichtlinie und der hierauf gestützten Namenliste orientiert.

a) Das Arbeitsgericht hat hierzu die Erwägung angestellt, in dieser Vorgehensweise sei möglicherweise eine einvernehmliche Änderung der in der Namensliste vorgesehenen Auswahl zu sehen. In Anbetracht der zu beachtenden Formvorschriften muss indessen eine formlose Abrede der Betriebsparteien ausscheiden.

b) Die damit festzuhaltende Abweichung von Auswahlrichtlinie und Namensliste führt indessen weder dazu, dass damit die Namensliste insgesamt als gegenstandslos bzw. die nach abweichenden Grundsätzen vorgenommene Sozialauswahl per se als fehlerhaft anzusehen wäre, noch folgt aus jeder Abweichung von den im Interessenausgleich vorgesehenen (abteilungsbezogenen) Auswahlgrundsätzen, dass für die Anwendung der Vermutungsregelung des § 1 Abs. 5 KSchG kein Raum bleibt. Vielmehr kann die Frage, welche Folgen sich aus der nachträglichen - einvernehmlichen oder auch einseitig vorgenommenen - "Korrektur" der vereinbarten Auswahlgrundsätze ergeben, nur unter Berücksichtigung der Zielrichtung der Abweichung und ihrer Auswirkungen auf die konkrete angegriffene Kündigung beurteilt werden.

(1) Nach dem hier vorliegenden Sachverhalt beruht die Abweichung von der vereinbarten Auswahlrichtlinie nicht darauf, dass etwa eine der Betriebsparteien deren Fehlerhaftigkeit reklamiert hätte, von der Vereinbarung "abgerückt" wäre und insbesondere eine Streichung der Klägerin von der Namensliste verlangt hätte, um sie vor einer Kündigung zu bewahren. Das Gegenteil ergibt sich vielmehr aus der Tatsache, dass die Klägerin auf der Namensliste verblieben ist und der Betriebsrat - wie der Gang des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG belegt - sich auch keineswegs von der diesbezüglichen Auswahlentscheidung distanziert hat.

(2) Ebenso wenig ist erkennbar, dass die Beklagte in Bezug auf andere - zunächst auf der Namensliste erfasste - Arbeitnehmer zu Lasten der Klägerin von der gemeinsam verantworteten Auswahlentscheidung abgewichen ist. Soweit tatsächlich einzelne Arbeitnehmer, welche aufgrund der zunächst vorgenommenen Zuordnung nach Gruppen in die Namensliste aufgenommen worden waren, anschließend auf der Grundlage der "zusammengefassten Liste" von einer Kündigung verschont geblieben sein sollten, wäre dies nur von Belang, wenn zumindest nicht auszuschließen wäre, dass hierdurch auch die Position der Klägerin nachteilig verändert worden wäre.

Ein solcher möglicher nachteiliger Einfluss der Abweichung vom Interessenausgleich scheidet hier indessen aus. Die Klägerin war zunächst auf der Grundlage der vereinbarten Auswahlrichtlinie als Beschäftigte der Gruppe 14 in die vereinbarte Namensliste aufgenommen worden. Die "Erweiterung" der Sozialauswahl auf die Beschäftigten der Gruppe 13 bewirkt damit in Bezug auf die Beschäftigten der Gruppe 14 nicht etwa eine tatsächliche oder auch nur potentielle Schlechterstellung - letzteres könnten allein die nunmehr in die gruppenübergreifende Auswahl einbezogenen Beschäftigten der Gruppe 13 geltend machen, welche bei gruppenbezogener Auswahl gar nicht zur Entlassung angestanden hätten. Vielmehr stellt sich die Ausweitung des Kreises der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer für die Beschäftigten der Gruppe 14 als rechtlich vorteilhaft dar. Die Tatsache, dass die Klägerin auch auf der Grundlage der erweiterten Auswahl zur Entlassung anstand, beruht darauf, dass die Betriebsparteien auch nach Überprüfung ihrer im Interessenausgleich niedergelegten Auswahlüberlegungen an der Beurteilung festgehalten haben, dass die Klägerin aus Qualifikationsgründen die Tätigkeit anderer Arbeitnehmer der Vergleichsgruppe - gleich ob diese enger oder weiter gefasst ist - nicht bzw. nicht ohne längere Anlernzeit erledigen kann.

V

Die Beklagte hat auch die gesetzliche Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende eingehalten, so dass das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31.08.2006 sein Ende gefunden hat.

B

Wegen der Abweisung des Kündigungsfeststellungsbegehrens kann auch der im Wege der Anschlussberufung verfolgte Weiterbeschäftigungsantrag keinen Erfolg haben.

C

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen, da sie unterlegen ist.

D

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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