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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil verkündet am 07.11.2006
Aktenzeichen: 9 Sa 444/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 253 Abs. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1) Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 14.02.2006 - 3 Ca 707/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Schmerzensgeldansprüche der Klägerin.

Die Klägerin ist seit 1998 als Wachfrau und Telefonistin in der Service- und Notruf-Zentrale der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte betreibt in der Rechtsform der OHG eine 24-Stunden Notrufzentrale sowie ein Call-Center, wie sich aus ihrem Briefbogen ergibt.

Ausweislich einer von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 16.03.2005 (Bl. 12 d.A.) befand sie sich vor dem 08.03.2005 in psychotherapeutischer Behandlung und nahm regelmäßig das Beruhigungsmittel Tafil ein. Dieses Mittel - es handelt sich um einen Tranquilizer - kann zu Wirkungen führen, wie sie auch bei alkoholabhängigen Personen auftreten (Zittern, Nervosität etc.). Hierzu hat die Beklagte eine Veröffentlichung zum Thema "Tranquilizer in der Angstbehandlung" zur Akte gereicht (Bl. 19 ff d.A.).

Am 08.03.2005 fand ein Gespräch zwischen der Klägerin und der Prokuristin S1xxxxxxxx der Beklagten statt, an dem auch die Teamleiterin Frau V1xxx V2xxxxxx teilnahm. Die Prokuristin äußerte gegenüber der Klägerin die Vermutung, sie habe das Gefühl, die Klägerin sei alkoholabhängig. Die Klägerin verneinte dies, erklärte aber, dass sie ein Beruhigungsmittel nehme. Über den sonstigen Inhalt und den Ablauf des Personalgespräches streiten die Parteien.

Mit Schreiben vom 15.03.2005 (Bl. 7 d.A.) forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte auf, die Behauptung zu widerrufen, die Klägerin habe ein Alkoholproblem. Mit Antwortschreiben vom 22.03.2005 (Bl. 9 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin folgendes mit:

"Sehr geehrter Herr L1xxxxx,

...

Ihre Mandantin ist seit dem 01.05.1998 (nicht seit 1995) bei der F1xx G1 E1xx C1xx C4xxxxxx Center S1xxxxxxxx OHG beschäftigt und derzeit im sogenannten "Orga"-Team tätig. Dort werden von Ihrer Mandantin telefonische Anfragen rund um bestehende Verträge beantwortet, Daten aktualisiert, Änderungen aufgenommen und neue Vertragsdaten erfasst.

Im vergangenen halben Jahr häuften sich Fehler, die sich in fehlerhaften Datensätzen manifestierten. Welcher Mitarbeiter Daten welchen Inhalts erfasst oder ändert, wird manipulationssicher dokumentiert. Das Verfahren ist TÜV-geprüft und von den Pflegekassen anerkannt. Die Fehler sind Ihrer Mandantin also eindeutig zuzuordnen. Ihre Mandantin hat so nicht nur einen enormen Korrekturbedarf geschaffen, der das Arbeitsvolumen ihrer Kollegen für diese merklich gesteigert hat, es hat zudem Verzögerungen bei der Notrufbearbeitung gegeben, dadurch, dass die von Ihrer Mandantin eingegebenen Notfall-Nummern nicht zutrafen. Daten werden für Notrufe von Kunden benötigt und bezwecken den Schutz von Leben und Gesundheit unserer Kunden. Angesichts der Bedeutung dieser Daten kann ein Arbeitgeber, der von der Fehlerhäufung bei der Dateneingabe durch einen Mitarbeiter Kenntnis erlangt, nicht einfach darüber hinweg sehen.

Bei der Ursachenforschung (ist das Orga-Team ausreichend besetzt, Stress etc.) kam heraus, dass das Team für die Schlechtleistung Ihrer Mandantin nicht Stress oder eine zu niedrige Besetzung des Teams oder Ähnliches vermutete, sondern anhand des Verhaltens und der Fehler (Flüchtigkeitsfehler) Ihrer Mandantin die Möglichkeit einer Abhängigkeit (wie zum Beispiel Alkohol) sah. Den Mitarbeitern war aufgefallen, dass sich dass äußere Erscheinungsbild Ihrer Mandantin in den letzten Wochen stark gewandelt hatte. Beschränkt auf das Wesentliche: Ihr Gesicht war aufgedunsen und sie sah ungepflegt aus (sie trug über zwei Wochen die gleiche Kleidung), was für Ihre Mandantin sehr ungewöhnlich ist. Ihre Hände zitterten und sie schien nervös zu sein. Unentwegt ersuchte Ihre Mandantin die übrigen Mitarbeiter, ihre Arbeit zu kontrollieren und fragte nach jedem Vorgang, ob sie dies und jenes so richtig gemacht habe. Selbständiges Arbeiten war ihr quasi nicht mehr möglich. Dieses Verhalten zeichnete sich so auch schon Anfang des Jahres ab. Hier kam noch hinzu, dass sie regelmäßig morgens kurzfristig mitteilte, später kommen zu wollen, da sie nicht arbeitsfähig sei. Als Begründung nannte sie häufiger, dass sie nachts nicht geschlafen habe, weil sie ihre Tochter, die zu diesem Zeitpunkt Nachwuchs erwartete, telefonisch betreut habe oder Ähnliches. Da es firmenintern bezüglich Abhängigkeiten keine eigenen Erfahrungen gibt, habe ich Herrn Dr. H3xxxxxxx eingeschaltet, der anhand der beschriebenen Auffälligkeiten bestätigte, dass es sich um eine Alkoholabhängigkeit handeln könnte. Er empfahl, den Arbeitnehmer direkt mit der Vermutung zu konfrontieren. Als mildere Alternative zu einer Abmahnung wurde der Empfehlung von Dr. H3xxxxxxx gefolgt und Ihre Mandantin am 08.03.05 durch mich mit der Vermutung konfrontiert, dass sie alkoholabhängig sei.

Das Protokoll des Gespräches in einer E-Mail vom 17.03.05 habe ich zu Ihrer Kenntnis beigefügt.

Es wurde zu keinem Zeitpunkt von der Geschäftsleitung oder den mit der Sache betrauten Personen gegenüber der Belegschaft geäußert, dass Ihre Mandantin alkoholabhängig sei, Alkoholprobleme habe oder Ähnliches. Recherchen in der Belegschaft haben ergeben, dass es derzeit keinerlei Gerüchte gibt, Ihre Mandantin sei alkoholabhängig oder Ähnliches. Insoweit würde eine öffentliche Erklärung mit dem Inhalt, Ihre Mandantin sei nicht alkoholabhängig, deren Interessen konterkarieren. Kenntnis haben selbstverständlich einige Kollegen des Orga-Teams, denn sie haben ihre Beobachtungen und Schlussfolgerungen an die Geschäftsleitung herangetragen und waren schließlich die Quelle der am 08.03.05 geäußerten Vermutung. Wie kann ein Arbeitgeber seinen Fürsorgepflichten sorgfältiger nachgehen, als auf diese Weise?

Die Konsequenz der hohen Fehlerquote bei der Arbeit Ihrer Mandantin kann, in Anbetracht von Leben und Gesundheit der Kunden des Unternehmens, nur durch eine zumindest vorübergehende Einschränkung der Tätigkeit Ihrer Mandantin auf nicht sensible Bereiche bestehen. Die Überprüfung und Aktualisierung bestehender Datenbestände waren schon immer Inhalt der Tätigkeit Ihrer Mandantin. Es hat hier lediglich eine Schwerpunktverlagerung stattgefunden. Sonstige Einschränkungen wurden nicht vorgenommen. Der Begriff "Degradierung" ist wohl in erster Linie von subjektivem Empfinden geprägt.

Sobald es Ihrer Mandantin besser geht und sie belastbarer geworden ist, werden die Schwerpunkte ihrer Tätigkeit wieder auf sensible Bereiche ausgeweitet (siehe das Gesprächsprotokoll)."

In der von der Beklagten angesprochenen E-Mail vom 17.03.2005, die von der Prokuristin Frau S1xxxxxxxx verfasst wurde und an die Mitarbeiterin der Rechtsabteilung Frau S5xxxx M1xxxx gerichtet ist, heißt es u.a., dass die Prokuristin gegenüber der Klägerin das Gefühl geäußert habe, sie sei alkoholabhängig. Die Klägerin habe sich auch für das offene Wort bedankt. Auf die Kopie der E-Mail Bl. 11 d.A. wird im übrigen Bezug genommen.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Der Vorwurf eines Alkoholproblems sei wider besseres Wissen erfolgt. Darüber hinaus habe die Prokuristin S1xxxxxxxx im Gespräch vom 08.03.2005 der Klägerin vorgeschlagen, in Zukunft die Telefonakquise zu übernehmen und nebenbei Angelegenheiten der Organisation zu erledigen. Hiermit sei die Klägerin nicht einverstanden gewesen, sondern sie habe die Prokuristin darauf hingewiesen, dass weder ihr körperliches noch ihr geistiges Leistungsvermögen eingeschränkt sei.

Die Klägerin hat behauptet, dass die Äußerung über ihre vorgebliche Alkoholabhängigkeit in der Belegschaft der Beklagten bekannt geworden sei.

Das Schreiben der Beklagten vom 22.03.2005 setze die Attacken der Beklagten gegen die Klägerin fort. Die beschriebenen Fehler habe die Klägerin nicht gemacht. Die Arbeitsleistung der Klägerin sei überdurchschnittlich, so dass sie sich durch den ungerechtfertigten Vorwurf in ihrer Ehre gekränkt und diskriminiert fühle. Die Klägerin habe den Eindruck gewonnen, die Beklagte wolle sich von ihr trennen. Erschwerend komme hinzu, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 22.03.2005 betone, die Kollegen der Klägerin hätten durch die Fehler Mehrarbeit leisten müssen.

Die Behauptung, sie hätte einen ungepflegten Eindruck gemacht, habe die Klägerin gedemütigt. Das äußere Erscheinungsbild der Klägerin sei stets außerordentlich gepflegt.

Besonders gravierend sei die Tatsache, dass die Beklagte die angeblichen Auffälligkeiten mit einem Arzt erörtert hätte. Die Klägerin müsse davon ausgehen, dass dies keinesfalls anonym erfolgt sei, was eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstelle.

Durch die Angriffe der Beklagten sei es zu einer akuten psychischen Erkrankung der Klägerin gekommen, jedenfalls sei die bereits bestehende psychische Erkrankung der Klägerin erheblich verschlimmert worden. Sie sei systematisch und nachhaltig schikaniert worden. Die Beklagte habe der Klägerin im Schreiben vom 22.03.2005 Schlecht- und Minderleistungen, eine Belästigung der Mitarbeiter sowie ein mangelhaftes äußeres Erscheinungsbild über einen längeren Zeitraum hinaus vorgehalten. Auch der Vorwurf von regelmäßigen Verspätungen sei unzutreffend. Hiermit seien die Voraussetzungen des Mobbings gegeben.

Der Zusammenhang der Vorgehensweise der Beklagten und ihrer Erkrankung werde auch durch die Ausführungen der Therapeutin D2xxx K4xxxx vom 22.12.2005 dokumentiert. Hierzu wird auf den zur Akte gereichten Bericht Bl. 108,109 d.A. Bezug genommen.

In jedem Fall sei das genannte Schreiben der Beklagten als Angriff auf die Person und das soziale Ansehen der Klägerin zu werten. Hiermit habe die Beklagte die Klägerin eindeutig körperlich misshandelt. Dieses Verhalten wiege umso schwerer, als zwischen der Klägerin und der Prokuristin der Beklagten ein Vertrauensverhältnis bestanden habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,-- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Mit Äußerung der Vermutung, die Klägerin trinke zuviel Alkohol, habe die Beklagte ihren arbeitgeberseitigen Fürsorgepflichten nachkommen wollen. Die Vermutung des Alkoholmissbrauchs sei entstanden, da die Leistungen der Klägerin rasant abgefallen seien. Anfang Dezember 2004 habe die Klägerin das Gespräch mit der Prokuristin der Beklagten gesucht und geäußert, sie könne z. Zt. keine guten Leistungen bringen, da sie sich um ihre Tochter sorge und gesundheitliche Probleme habe. Anfang 2005 hätte sich die Fehlerhäufigkeit verstärkt. Außerdem habe die Klägerin darum gebeten, ihre Arbeitsergebnisse durch ihre Vorgesetzte überprüfen und ggf. korrigieren zu lassen.

Die Klägerin habe dann 3 Wochen Urlaub erhalten. Nach dem Urlaub habe die Klägerin darum gebeten, nur noch in der Nachmittagsschicht eingesetzt zu werden, da die Schicht nicht so anstrengend sei.

Darüber hinaus habe sich das äußere Erscheinungsbild der Klägerin stark verändert, sie sei rund zwei Wochen lang in derselben Kleidung erschienen, was für sie, die bekanntermaßen Wert auf Äußeres legt, ungewöhnlich sei. Des Weiteren habe die Klägerin aufgedunsen gewirkt und ihre Hände haben gezittert.

In anonymisierter Form sei die Situation einem Arzt geschildert worden. Der habe bestätigt, dass es sich um Alkoholmissbrauch handeln könne. Er habe der Prokuristin ausdrücklich empfohlen, den Mitarbeiter mit der Vermutung zu konfrontieren.

Die Klägerin habe im Rahmen des Gesprächs vom 08.03.2005 eingeräumt, dass sie sich auch durch die Arbeit überfordert fühle. Sie habe selbst geäußert, sie würde gerne vorübergehend in der telefonischen Akquise arbeiten. Die angebotene Vertriebstätigkeit sei inhaltlich gleichwertig mit der von der Klägerin verrichteten Tätigkeit, derzeit werde sie von einer Akademikerin verrichtet.

Die Beklagte hat bestritten, dass das Personalgespräch vom 08.03.2005 oder das Schreiben vom 22.03.2005 ursächlich für die psychische Erkrankung der Klägerin seien. Die Beklagte habe auf Verlangen der Klägerin ihr geäußertes Gefühl, die Klägerin sei alkoholabhängig, nicht widerrufen, da nach ihrer Auffassung ein öffentlicher Widerruf die Interessen der Klägerin konterkariert hätte. Lediglich zur Klarstellung sei deshalb das Schreiben vom 22.03.2005 an die Prozessbevollmächtigten erfolgt.

Durch Urteil vom 14.02.2006 hat das Arbeitsgericht die Klage im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe keinen Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte aus § 823 BGB wegen Mobbings. Die Beklagte habe mit Durchführung des Personalgesprächs am 08.03.2005 ihrer arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht nachkommen wollen. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich dafür, dass die Beklagte die Klägerin bewusst habe diffamieren bzw. negativ darstellen wollen.

Auch das Schreiben vom 22.03.2005 sei nicht als sog. Mobbinghandlung zu sehen. Nachdem die Klägerin mit Anwaltschreiben den Widerruf der angeblichen Behauptung der Alkoholkrankheit gefordert hätte, habe sich die Beklagte veranlasst gesehen, mit Schreiben vom 22.03.2005 darzustellen, vor welchem Hintergrund sie die Vermutung des Alkoholmissbrauches geäußert habe. Selbst wenn keine derart gravierenden Schlechtleistungen über einen längern Zeitraum aufgetreten sein sollten und sich auch das äußerliche Erscheinungsbild der Klägerin nicht verändert haben sollte, sei die Reaktion in Form des Schreibens vom 22.03.2005 nachvollziehbar, da die Klägerin vorher den Widerruf der Vermutung gefordert habe. Mit der Aufforderung zum Widerruf habe die Klägerin damit der Beklagten Veranlassung gegeben, die einzelnen Punkte niederzulegen.

Im übrigen wird wegen des angegriffenen Urteils des Arbeitsgerichts Rheine vom 14.02.2006 auf Bl. 126 ff. d.A. Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin unter dem 20.02.2006 zugestellt, richtet sich die Klägerin mit der vorliegenden, am 13.03.2006 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und unter dem 20.04.2006 begründeten Berufung.

Die Klägerin trägt vor:

Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass sich der Anspruch der Klägerin aus einer Vertragspflichtverletzung der Beklagten ergebe. Solche Pflichten bestünden auch im Hinblick auf den Schutz des Persönlichkeitsrechtes der Klägerin durch die Beklagte. Auch verkenne die angegriffene Entscheidung die Darlegungs- und Beweislast.

Die Klägerin habe die erforderlich Kausalität zwischen den Verletzungshandlungen und ihrem Krankheitsbild schon erstinstanzlich nachgewiesen. Es werde erneut auf die ärztliche Bescheinigung vom 08.03. und den gestaltungstherapeutischen Behandlungsbericht Bezug genommen.

Die Führung des Personalgesprächs am 08.03.2005 mit der hierin von der Prokuristin erhobenen Unterstellung einer Alkoholabhängigkeit der Klägerin stelle eine Verletzungshandlung dar. Die Beklagte selbst habe das sowohl im Schreiben vom 22.03.2005 als auch in der Email vom 17.03.2005 eingeräumt. Weder in diesem Gespräch noch zu einem anderen Zeitpunkt habe die Klägerin erklärt, täglich das Medikament "Tafil" oder andere Beruhigungsmittel einzunehmen. Das habe sie auch nicht täglich gemacht, sondern in geringer Dosis über ein halbes Jahr hinweg, ohne dass sich das auf das Arbeitsverhältnis ausgewirkt hätte.

Die Klägerin habe stets beanstandungsfrei und überdurchschnittlich gearbeitet, weshalb die degradierende Versetzung in den Vertrieb ebenso eine Rechtsverletzung darstelle.

Eine weitere Vertragspflichtverletzung der Beklagten liege vor, da viele Kollegen der Klägerin offen befragt worden seien, ob die Klägerin alkoholabhängig sei. Diese suggestive Fragestellung habe zu einer schweren Rufschädigung geführt.

Die nächste Rechtsverletzung liege in der Nachfrage der Beklagten bei dem Arzt Dr. H3xxxxxxx. Die Beklagte habe persönliche und geheimhaltungsbedürftige Daten der Klägerin an Dr. H3xxxxxxx weitergegeben.

Sämtliche Verletzungshandlungen zusammen genommen hätten bei der Klägerin zu einer tief greifenden und nachhaltigen Persönlichkeitsrechtsverletzung geführt. Das Arbeitsgericht sei über den Fortsetzungszusammenhang und das systematische Tun der Beklagten lapidar hinweggegangen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Rheine vom 14.02.2006, 3 Ca 707/05, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes und der konkreten Höhe nach vom Gericht zu bestimmendes Schmerzensgeld in Höhe von wenigstens 3.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.05.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend und meint, das Verhalten der Beklagten habe der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers entsprochen.

Konfliktsituationen insbesondere im Arbeitsverhältnis seien ebenso unvermeidbar wie die daraus folgenden unterschiedlichen Empfindungen Betroffener. Das habe mit Vertragsverletzungen nicht das geringste zu tun.

Schließlich komme es nicht darauf an, welche Anspruchsgrundlage die angegriffene Entscheidung geprüft habe, da es an jedweder Verletzungshandlung fehle.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach der Beschwer (§ 64 Abs. 2 ArbGG) an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin (§§ 66 Abs. 1 Satz 1; 64 Abs. 6 ArbGG, 516 ff. ZPO) hat keinen Erfolg, da die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gegen die Beklagte hat.

I.

Der Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus einer Verletzung des Arbeitsvertrages durch die Beklagte aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB, und zwar weder unter dem Aspekt des so bezeichneten Mobbings, noch aus anderweitigen Verletzungshandlungen der Beklagten im Hinblick auf den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis.

A.

a.

Nach § 253 Abs. 2 BGB besteht bei Gesundheitsverletzungen ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens, der nicht voraussetzt, dass deliktisches Handeln vorliegt. Vielmehr reicht nach § 253 Abs. 2 BGB eine einfache Vertragsverletzung aus (§ 280 Abs. 1 BGB), weshalb sich die Haftung auch auf das Fehlverhalten eines Erfüllungsgehilfen i.S.d. § 278 BGB erstreckt, das dieser in Ausübung einer übertragenen Aufgabe begangen hat. Bei Vorgesetzten kann das regelmäßig angenommen werden.

Durch diese Neuregelung des Schadensersatzrechts sind die rechtlichen Voraussetzungen für Schmerzensgeldansprüche ausgeweitet worden (vgl. Diller/Grote, MDR 2004, 984). Für den vorliegenden Rechtsstreit folgt daraus, dass die Beklagte grundsätzlich für denkbare Verletzungshandlungen der Prokuristin S1xxxxxxxx zu haften hätte.

b.

Mit dem Begriff "Mobbing" allein lässt sich ein Schadensersatzanspruch nicht begründen. Es handelt sich nicht um ein Tatbestandsmerkmal einer gesetzlich geregelten Anspruchsgrundlage (Vieweg, juris-PK BGB, 3. Aufl. 2006, § 253 BGB Rdnr. 38), sondern um ein soziales Phänomen, das durch Konflikte am Arbeitsplatz geprägt ist. Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.01.1997, 7 ABR 14/96, NZA 1997, 781, die Mobbing definiert als systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte, wird in der Rechtsprechung Mobbing wie folgt beschrieben:

Mobbinghandlungen sind "fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweisen am Arbeitsplatz gegenüber einzelnen Mitarbeitern zur Erreichung von Zielen, die von der Rechtsordnung nicht gedeckt sind und die jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Mobbingopfers verletzen"

so LAG Thüringen, Urteil vom 05.02.2001, 5 Sa 102/00, NZA RR 2001, 577; LAG Bremen, Urteil vom 17.10.2002, 3 Sa 232/02, NZA RR 2003, 234; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.08.2001, 6 Sa 415/01, NZA-RR 2002, 121; LAG Sachsen, Urteil vom 17.02.2005, 2 Sa 751/03 bei juris; LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.03.2006, 5 Sa 595/05, NZA-RR 2006, 402; Vieweg, juris-PK-BGB aaO, § 253 BGB Rdnr. 38 mit zahlreichen Nachweisen.

Es geht deshalb nicht um einzelne Vorgänge, denen für sich allein genommen kein besonderer Unrechtsgehalt zukommt, sondern um ein Verhalten über einen längeren Zeitraum hinweg, das erst in einer Gesamtschau das Maß überschreitet, das am Arbeitsplatz hingenommen werden kann. Mobbing ist die "Politik der kleinen Nadelstiche" (LAG Hamm, Urteil vom 06.03.2006, 16 Sa 76/05 bei juris). Zu verlangen ist also ein Fortsetzungszusammenhang zwischen einzelnen Verhaltensweisen im Sinne eines roten Fadens (so LAG Berlin, Urteil vom 06.03.2000, 3 (18) Sa 2299/02, MDR 2003, 881; Diller/Grote aaO). Die Klägerin muss dabei nicht bestimmte Motive nachweisen, vielmehr genügt der Vortrag eines typischen Geschehensablaufs, der bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände zu dem Ergebnis führt, dass das Verhalten von der Rechtsordnung nicht gebilligt wird.

c.

Zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs aus § 253 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB, der auf den so beschriebenen Begriff des Mobbings gestützt wird, muss die Klägerin ebenso wie in allen anderen Fällen behaupteter Vertragspflichtverletzungen deshalb Handlungen konkret darlegen, durch die kausal Rechtsverletzungen verursacht worden sind. Es muss ein zurechenbarer Schaden und ein Verschulden des Arbeitgebers bzw. ein ihm über § 278 BGB zurechenbares Verschulden seines Mitarbeiters vorliegen, wobei insbesondere psychische Schäden voraussehbar gewesen sein müssen (vgl. LAG Berlin, Urteil vom 15.07.2004, 16 Sa 2280/03, NZA RR 2005, 13; LAG Hamm, Urteil vom 06.03.2006 aaO, LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.03.2006 aaO).

B.

Unter Beachtung dieser Anforderungen liegt weder ein die Klägerin schädigendes Verhalten der Beklagten im Sinne eines Mobbings noch aus anderweitigen Verletzungshandlungen der Beklagten im Hinblick auf den arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis vor, ohne dass es weiterer Sachverhaltsaufklärungen hinsichtlich der zwischen den Parteien streitigen Fragen bedurfte, wie das Arbeitsgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend erkannt hat.

a.

Die Führung des Personalgesprächs am 08.03.2005 stellt schon keine Verletzungshandlung dar. Es entspricht vielmehr der Fürsorgepflicht der Beklagten als Arbeitgeberin, wenn sie aus ihrer subjektiven Sicht heraus ein solches Gespräch gesucht hat. Auch wenn die Klägerin die von der Beklagten vorgetragenen Entwicklungen des Arbeitsverhältnisses unmittelbar vor dem Gespräch vom 08.03.2005 bestritten hat, so ist doch unstreitig, dass sie in diesem zeitlichen Zusammenhang das Medikament "Tafil" eingenommen hat, welches - unbestritten - auch in geringer Dosierung Nebenwirkungen zeitigen kann, wie sie auch im Zusammenhang mit Alkoholmissbrauch denkbar sind. Von der Einnahme des Medikamentes hatte die Berufungskammer auszugehen, da die Klägerin das nicht in Abrede gestellt hat. Sie hat insoweit im Berufungsverfahren lediglich bestritten, dieses oder andere Beruhigungsmittel "täglich" einzunehmen und diese tägliche Einnahme im Gespräch eingeräumt zu haben.

Die Kammer hatte daher mit der angefochtenen Entscheidung davon auszugehen, dass die Beklagte eine zumindest subjektive Veranlassung hatte, das Gespräch mit der Klägerin zu suchen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sowohl in gesetzlichen Regelungen als auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu besonderen Fallgruppen der personenbedingten Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG anerkannt ist, dass durchaus eine Verpflichtung des Arbeitgebers bestehen kann, auf der Grundlage der ihn treffenden Fürsorgepflicht ein Personalgespräch mit der Arbeitnehmerin zu führen: So beschreibt § 84 Abs. 2 SGB IX die gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers zur Beteiligung der Arbeitnehmerin am betrieblichen Eingliederungsmanagement nach Eintritt einer bestimmten Arbeitsunfähigkeitsdauer. Im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung, der aus Sicht des Arbeitgebers eine Alkoholerkrankung zugrunde liegen kann, verlangt das BAG das Abklopfen der Therapiebereitschaft vor Ausspruch einer Kündigung (BAG, Urteil v. 09.04.1987, 2 AZR 210/86, NZA 1987, 811-813). Die Berufungskammer ist sich bewusst, dass im vorliegenden Streitfall keine der Voraussetzungen vorliegt, unter denen eine Verpflichtung der Beklagten zum Personalgespräch angenommen werden kann; warum es ihr indessen - wie die Klägerin auch meint - untersagt gewesen sein soll, ist jedoch vor den geschilderten Hintergründen nicht zu erkennen.

Anzeichen dafür, dass die Beklagte das Instrument des Personalgesprächs im Rahmen einer Kette sog. Mobbinghandlungen dazu genutzt hat, die Klägerin zu schikanieren, sind weder von ihr vorgetragen noch aus dem unstreitigen Vorbringen ersichtlich.

b.

Dem Arbeitsgericht ist auch darin zu folgen, dass, soweit die Prokuristin der Beklagten in diesem Personalgespräch die Vermutung geäußert habe, die Klägerin trinke zuviel Alkohol, hierin jedenfalls kein zielgerichteter systematischer Angriff gegen die Klägerin zu sehen ist. Schon der Ansatz der Klägerin, die Beklagte in Person der Prokuristin S1xxxxxxxx habe ihr Alkoholabhängigkeit unterstellt, was sich aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten ergebe, ist so nicht zutreffend. Eine solche Unterstellung findet weder im außergerichtlichen Schreiben vom 22.03.2005 noch in der Email an die Mitarbeiterin S5xxxx M1xxxx statt. Im ersteren Schreiben ist von der Konfrontation mit einer Vermutung die Rede, in der Email von einem geäußerten Gefühl. Eine Alkoholabhängigkeit hat die Beklagte der Klägerin nicht unterstellt, sondern eine Besorgnis ihrerseits vorgetragen. Diese Besorgnis wiederum war nicht - zielgerichtet gegen die Klägerin - aus der Luft gegriffen; vielmehr gab es sachliche Anhaltspunkte für diese Besorgnis der Beklagten, da das Medikament, das die Klägerin zumindest seinerzeit einnahm, Nebenwirkungen haben kann, die den Wirkungen des Alkohols entsprechen.

Die Beklagte hat, wie auch im Berufungsverfahren unstreitig geblieben ist, ihr oben beschriebenes Gefühl in der Folgezeit weder wiederholt noch vertieft. Nachdem die Klägerin geäußert hatte, sie nehme ein Beruhigungsmittel, war aus Sicht der Beklagten eine nachvollziehbare Ursache für das - bestrittene, aber subjektiv empfundene - Verhalten der Klägerin ersichtlich.

c.

Auch soweit die Klägerin dargelegt hat, die Beklagte habe eine degradierende Versetzung durch Zuweisung geringer qualifizierter Tätigkeiten angeordnet, so liegt hierin keine vertragswidrige, schikanierende Handlung der Beklagten. Es darf hierbei nicht übersehen werden, dass es schon nach der gesetzlichen Regelung des § 106 GewO im Direktionsrecht des Arbeitgebers liegt, Zeit, Ort und Inhalt der Arbeitsleistung einseitig - nach billigem Ermessen - zu bestimmen. Hierzu fehlt jeder substantiierte Vortrag, wonach die Zuweisung von Aufgaben im Vertriebsbereich nicht mehr vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt sein sollen (vgl. LAG Schleswig Holstein, Urteil vom 28.03.2006 aaO zu 1.b.aa) der Gründe). Die Tätigkeiten im Vertriebsbereich sind jedenfalls nicht offensichtlich unterwertig im Vergleich zu den Aufgaben, die die Klägerin in der Vergangenheit ausübte. Von einer bewussten Herabstufung konnte damit auch die Berufungskammer nicht ausgehen.

d.

Soweit die Klägerin eine Vertragspflichtverletzung der Beklagten dadurch behauptet hat, es seien viele Kollegen der Klägerin offen befragt worden, ob die Klägerin alkoholabhängig sei, so vermochte die erkennende Berufungskammer dem unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten nicht zu folgen und zwar unabhängig davon, ob sich in dieser Darstellung der Klägerin ein hinreichend substantiierter Sachvortrag erblicken lässt. Insoweit bestehen Bedenken, als das die - darlegungsbelastete - Klägerin weder Zeit noch Personen noch genaue Art der Befragung vorgetragen hat.

Jedenfalls kann eine solche Nachfrage nicht losgelöst davon betrachtet werden, dass die Beklagte nach ihrer Einschätzung von der - streitigen - nachlassenden Arbeitsleistung der Klägerin versuchen wollte, die Ursachen hierfür herauszufinden, wobei der Hinweis auf eine Vermutung aus den Reihen des sog. Orga-Team gekommen sei, welchem auch die Klägerin zugeordnet war. In einem solchen Zusammenhang ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte zunächst an der Stelle nachfragt, von der solche Äußerungen kommen. Die vertragswidrige Verbreitung eines Gerüchts über eine in Wahrheit nicht bestehende Alkoholerkrankung hat die Klägerin selbst nicht behauptet.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte innerhalb der Belegschaft verbreitet hätte, die Klägerin sei alkoholkrank liegen im übrigen auch nicht vor. Insbesondere liegt eine von der Klägerin angenommene Unterrichtung der gesamten Belegschaft nicht in der Versendung der Email an die Mitarbeiterin M1xxxx. Wie Frau M1xxxx im Termin zur Berufungsverhandlung, in der sie mit entsprechender Vollmacht anwesend war, erläutert hat, ist sie Mitarbeiterin der Rechtsabteilung der Beklagten und als solche auch mit Personalfragen befasst. Es ist unter dem Gesichtspunkt arbeitsvertraglicher Pflichten nicht zu beanstanden, wenn die Prokuristin nach einem Personalgespräch ihrerseits das Gespräch mit einer Fachabteilung der Beklagten sucht.

e.

Eine Vertragspflichtverletzung liegt auch nicht in der Nachfrage der Beklagten bei dem Arzt Dr. H3xxxxxxx. Abgesehen davon, dass der Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe "persönliche und geheimhaltungsbedürftige Daten" der Klägerin an Dr. H3xxxxxxx weitergegeben, ohne jeden Anhaltspunkt im sonstigen Sachverhalt und damit "ins Blaue hinein" erfolgt ist, wird nicht deutlich, welche Daten das denn sein sollen.

Selbst wenn die Berufungskammer unterstellt, die Beklagte habe entgegen ihrem Vorbringen keine anonyme Sachverhaltsschilderung gegenüber dem genannten Arzt abgegeben, sondern Namen(?), Tätigkeiten(?) und ggf. Daten zum Alter, Familienstand und Beschäftigungszeit(?) genannt, darf nicht verkannt werden, dass der Arzt Dr. H3xxxxxxx seinerseits einer gesetzlichen Verpflichtung zu absolutem Stillschweigen unterliegt, wie sie sowohl § 203 Abs. 1 S.1 StGB als auch § 9 der (Muster-) Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte - Stand 2004 - (MBO) ausdrücklich als umfassend beschreiben.

f.

Auch mit dem Schreiben vom 22.03.2005 verletzt die Beklagte keine Vertragspflichten zur Klägerin im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB. Die Berufungskammer folgt vollumfänglich den Ausführungen der angegriffenen Entscheidung, § 69 Abs. 2 ArbGG. Die Klägerin hat insoweit auch nicht ergänzend vorgetragen, sondern sich auf den erstinstanzlichen Sachvortrag bezogen.

II.

Schließlich steht der Klägerin unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (§§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB) der geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch nicht zu.

Nach ständiger Rechtsprechung insbesondere des Bundesverfassungsgerichts besteht bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens, wenn eine objektiv erheblich ins Gewicht fallende Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt, subjektiv eine besonders schwere Schuld des Schädigers gegeben ist und die Persönlichkeitssphäre bei Versagen einer Entschädigung ohne Schutz bliebe (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 04.03.2004, 1 BVR 2098/01, NJW 2004, 2371 m.w.N.; zusammenfassend auch Vieweg, juris-PK BGB aaO, § 253 BGB Rdnr. 39 ff). Zum Schutz der Individualsphäre, bei der ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vorliegen kann, gehört auch das berufliche Wirken des Betroffenen. Ob das Persönlichkeitsrecht im Einzelfall verletzt ist, lässt sich nur aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände beurteilen (BAG, Urteil vom 18.12.1984, 3 AZR 389/83, EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 2 m.w.N.).

Unabhängig davon, auf welche Rechtsgrundlage man den Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts stützt (vgl. zur Entwicklung Vieweg, juris-PK aaO, § 253 BGB Rdnrn. 40, 41), steht jedenfalls fest, das zunächst immer auf der objektiven Seite eine besondere Schwere des Eingriffs festgestellt werden muss (vgl. zuletzt BGH, Urteil v. 05.10.2004, VI ZR 255/03, NJW 2005, 215-218).

Da somit die Anforderungen an diesen Anspruch über die Voraussetzungen des vertraglichen Schmerzensgeldanspruches (§ 253 Abs. 2 BGB) hinaus gehen und bereits letztere nicht gegeben sind, verweist die Kammer vollinhaltlich auf die obigen Ausführungen zu I. dieser Entscheidung.

III.

A.

Abschließend weist die Berufungskammer darauf hin, dass - auch wenn es darauf nach den obigen Ausführungen nicht mehr ankommt - die subjektiven Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs in Form des notwendigen Verschuldens (§ 276 Abs. 1 u. 2 BGB) nicht angenommen werden könnten. Denn das von der Klägerin darzulegende Verschulden muss sich nicht nur auf die einzelnen Verletzungshandlungen beziehen, sondern auch auf die hierdurch verursachte Erkrankung (LAG Berlin, Urteil vom 15.07.2004 aaO). Es bedarf daher zumindest der Darlegung, dass die Beklagte damit rechnen musste, dass ihre Handlungen geeignet waren, Gesundheitsschäden auszulösen oder eine bestehende Erkrankung zu verschlimmern (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.03.2006 aaO). In diesem Zusammenhang hat das Arbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beklagten in jedem Falle subjektiv kein Vorwurf zu machen ist, da sie, nachdem sie Veränderungen bei der Klägerin festzustellen glaubte, das Gespräch gesucht und nach Ursachen geforscht hat.

B.

Schließlich bestehen noch Bedenken - auch hierzu bedarf es aus o.g. Gründen keiner abschließenden Entscheidung -, ob sich nach dem Vortrag der Klägerin ein Schaden im Sinne der §§ 253 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB feststellen lässt.

Die Klägerin hat sich hierzu darauf berufen, dass wegen des Verhaltens der Beklagten eine akute psychische Erkrankung aufgetreten ist und die Kopie der Bescheinigung des Arztes Dr. P3xxxx vom 16.03.2005 vorgelegt. Hierin bescheinigt der Arzt der Klägerin indessen, dass sie sich in ständiger ambulanter und psychotherapeutischer Behandlung befinde und derzeit aufgrund einer akuten Erkrankung arbeitsunfähig erkrankt sei; eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus diesen gesundheitlichen Gründen sei nicht möglich. Ein Zusammenhang mit den der Beklagten vorgeworfenen Rechtsverletzungen ist hieraus nicht zu ersehen und auch nur schwer nachzuvollziehen, da die Kläger auch wesentlich als Verletzungshandlung auf das Schreiben der Beklagten vom 22.03.2005 abstellt, welches im Zeitpunkt der ärztlichen Bescheinigung noch gar nicht vorliegen konnte.

Auch der von der Klägerin vorgelegte gestaltungstherapeutische Behandlungsbericht der Therapeutin D2xxx K4xxxx räumt diese Bedenken nicht aus. Auch wenn die Therapeutin das entsprechende Gutachten ausgestellt hat, so ist das erkennbar auf der Basis der Aussagen der Klägerin im Rahmen der Therapie geschehen, da die Therapeutin mangels eigener Kenntnis nicht das Geschehen am Arbeitsplatz beurteilen kann. Selbst wenn man also andere Ursachen ausschließen und einige Befunde als "typisch" beurteilen kann, beweist der Behandlungsbericht allenfalls, dass die Klägerin psychischem Druck ausgesetzt war. In diesem Zusammenhang kommt also - wenn überhaupt - nur eine schwache Indizwirkung des Berichtes im Zusammenhang mit anderen Beweismitteln in Betracht (vgl. hierzu M. Benecke, Mobbing. Arbeits- und Haftungsrecht, 1. Aufl. 2005, Rdnr. 329 ff.).

Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG. Als unterliegende Partei hat die Klägerin die Kosten der Berufung zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor, § 72 Abs. 2 ArbGG.

Ende der Entscheidung

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