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Gericht: Landesarbeitsgericht Hamm
Beschluss verkündet am 07.11.2005
Aktenzeichen: 9 Ta 496/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
Unterhält ein Arbeitgeber, der die notwendigen Reisekosten seines Prozessbevollmächtigten geltend macht (§ 91 Abs. 1 ZPO), eine Zweigniederlassung, die nicht selbständig i. S. v. § 91 ZPO ist, die aber in nicht unerheblichem Maß am Rechtsverkehr teilnimmt, ist nicht die Entfernung von der zentralisierten Personalabteilung maßgeblich, sondern die Entfernung der Zweigstelle zum Arbeitsgericht und zum Landesarbeitsgericht. Es kommt nicht darauf an, ob in der Zweigniederlassung Personal beschäftigt wird, das tatsächlich in der Lage ist, einen Rechtsstreit selbständig zu führen (Fortführung von BAG, 21.01.2004 - 5 AZB 43/03 - AP 37 zu § 91 ZPO).
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 15.06.2004 - 2 Ca 446/02 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: € 782,10. Gründe: I.

Der Kläger war seit dem 01.11.1997 bei der Beklagten beschäftigt. Diese unterhält in B. eine Zweigniederlassung, in der auch der Regionalleiter S. und der unmittelbare dienstliche Vorgesetzte des Klägers, der Bezirksleiter E., beschäftigt wurden. Diese besprachen mit dem Kläger die Tourenplanungen und die Vorgaben für die Verkaufsgespräche. Sie gaben dem Kläger die Verkaufskonditionen vor und genehmigten die von ihm gewährten Rabatte und Sonderpreise. Sämtliche Gespräche, die dazu dienten, die Arbeitstätigkeit des Klägers zu konkretisieren, fanden in B. statt. Herr E. genehmigte den Urlaub und war Ansprechpartner bei Arbeitsunfähigkeitszeiten. Lediglich die dazugehörige büromäßige Abwicklung erfolgte am Sitz des Unternehmens in K., wo auch die Personalakte des Klägers geführt wurde. Die Parteien führten einen Rechtsstreit über die Wirksamkeit eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, der durch einen Vergleich vor dem BAG beendet wurde. Nach dem Vergleich hat der Kläger die Kosten zu tragen, die erst- und zweitinstanzlich angefallen sind. Mit zwei Anträgen vom 22.04.2004 machte die Beklagte erst- und zweitinstanzliche Kosten in Höhe von € 2.474,70 geltend. Die Kosten erster Instanz beinhalteten lediglich Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder. Den Gütetermin und den Kammertermin hat ein in Ö. niedergelassener Rechtsanwalt wahrgenommen, letzteren zusammen mit Herrn H., der am Unternehmenssitz beschäftigt wird. Mit Beschluss vom 15.06.2004 hat der Rechtspfleger des Arbeitsgerichts die zu erstattenden Kosten auf € 1.692,60 festgesetzt. Der Rechtspfleger hat im Wesentlichen ausgeführt: Erstinstanzliche Kosten seien nicht erstattungsfähig. Die Beklagte unterhalte in B. eine Zweigniederlassung und hätte die Termine beim Arbeitsgerichtgericht in B. durch einen Mitarbeiter der Zweigniederlassung wahrnehmen lassen können. Ein Ersatz der tatsächlich entstandenen Reisekosten des Mitarbeiters H. komme nicht in Betracht, da das persönliche Erscheinen der Beklagten nicht angeordnet worden sei. Zweitinstanzlich seien Fahrt- und Abwesenheitsgelder auf der Grundlage der Beauftragung eines in B. geschäftsansässigen Rechtsanwalts zu bemessen. Gegen die am 20.06.2004 zugestellte Entscheidung hat die Beklagte am 30.06.2004 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor: Bei ihren Niederlassungen handele es sich um unselbständige Verkaufsniederlassungen, deren Aufgabe es sei, den Markt zu erschließen und ihre Waren zu verkaufen. Für die Bearbeitung von Personalfragen seien die Mitarbeiter in den Niederlassungen nicht qualifiziert. Es sei im Rechtsstreit letztlich nicht um ein Fehlverhalten des Klägers oder Ähnliches gegangen, bei dem eine Terminswahrnehmung durch einen örtlichen Bevollmächtigten denkbar sei. Es hätte sich vielmehr um eine reine Rechtsfrage gehandelt, welche nur die Personalabteilung in K. hätte bearbeiten können. In diesem Zusammenhang seien auch die Grundsätze des § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu beachten. Danach stelle sich die Reise eines Mitarbeiters des Unternehmenssitzes nach B. als angemessen dar. Im Hinblick auf die zweitinstanzlich angefallenen Reisekosten hätte sie schon nach der entsprechend anzuwendenden Rechtsprechung des BAG einen außerhalb des Sitzes des Berufungsgerichts ansässigen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragen dürfen. Die Beklagte beantragt, die Kosten des Verfahrens zugunsten der Beklagten entsprechend der Anträge vom 22. und 23.04.2004 festzusetzen. Der Kläger ist dem Vortrag der Beklagten entgegengetreten. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in beiden Instanzen wird auf die Verfahrensakten Bezug genommen. II. Die zulässige Beschwerde der Beklagten ist nicht begründet. Der angefochtene Beschluss ist nicht zu beanstanden. 1. Soweit der Antrag der Beklagten auf Kostenerstattung keinen Erfolg hat, waren die Kosten nicht zur zweckmäßigen Rechtsverteidigung notwendig (§ 91 Abs. 1 ZPO); sie stellen sich vielmehr als Kosten der Zentralisierung der Rechtsabteilung dar, welche nicht auf Prozessgegner abgewälzt werden können. Es gibt insoweit eine einschlägige Rechtsprechung der LAG und der OLG (so schon LAG Hamm, Beschluss vom 20.01.1984, EzA § 91 ZPO Nr. 5; vgl. LAG Nürnberg, Beschluss vom 23.11.1992, LAGE § 91 ZPO Nr. 20; LAG Berlin, Beschluss vom 06.07.1994, Juristisches Büro 1995, 38; OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 19.05.1995 - 12 W 65/95 -; damit übereinstimmend GK-ArbGG/Wenzel, Stand März 2003, § 12 a Rn. 22; MK/Betz, ZPO, 2. Aufl., § 91 Rn. 76; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 Rn. 13 "Mehrkosten"). Zutreffend hat das LAG Nürnberg (a.a.O.; zu II. 2. der Gründe) den "tragenden" Grund darin gesehen, dass eine Zentralisierung der Personal-/Rechtsabteilung eine betriebsinterne Angelegenheit sei, deren Kosten nicht dem prozessualen Gegner zur Last fallen dürften. In der Tat handelt es sich bei derartigen Fahrtkosten und Tagegeldern um Aufwendungen, die in erster Linie nicht durch das aktuelle Prozessgeschehen ausgelöst werden, sondern die durch die vorangegangene betriebliche Rationalisierungsmaßnahme der zentralen Bearbeitung der Rechtsstreitigkeiten bedingt sind. Diese Wertung der Gegebenheiten beeinträchtigt nicht das unbestrittene Recht einer Partei, ihren Prozessbevollmächtigten frei zu wählen. Der Umfang der zu erstattenden Aufwendungen im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist von vornherein auf notwendige Kosten beschränkt. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine Zweigniederlassung im Sinne des § 21 Abs. 1 ZPO handelt. Es reicht aus, wenn der Filiale im Rechtsverkehr wirtschaftliche Eigenständigkeit zukommt (MK/Belz, a.a.O.). Das kann im Fall der Zweigniederlassung B. der Beklagten nicht zweifelhaft sein. In B. sind ein Regionalleiter und der auch für den Kläger zuständige Bezirksleiter geschäftsansässig. Hier wird über Verkaufskonditionen, Sonderpreise und Rabatte im Rechtsverkehr mit den Kunden entschieden. Letztlich ist auch der persönliche Bezug des Klägers zu der Zweigniederlassung gegeben. Dort hat er seine konkreten, einzelfallbezogenen arbeitsrechtlichen Weisungen erhalten und die sozialen Angelegenheiten wie Urlaub und Zeiten der Arbeitsunfähigkeit geregelt. Zutreffend trägt der Kläger vor, am Unternehmenssitz in K. seien diese Gegebenenheit lediglich verwaltungs- und buchungsmäßig abgewickelt, die Führungsverantwortung hätten jedoch der Regionalleiter und der Bezirksleiter in B. ausgeübt. Dieser Handhabung entspricht es, dass Entgeltabrechnungen und Gehaltszahlungen vom Unternehmenssitz in K. erfolgt sind. 2. Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die sofortige Beschwerde der Beklagten keinen Erfolg haben. Es kommt eben nicht darauf an, ob sie in der Zweigniederlassung B2xxxx Mitarbeiter beschäftigt, die für die Bearbeitung von Personalfragen qualifiziert sind. Inwieweit die Grundsätze des § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu wahren sind, kann offen bleiben. Das persönliche Erscheinen der Beklagten war, worauf schon der Rechtspfleger hingewiesen hat, nicht angeordnet worden. Für die Reisekosten im Berufungsverfahren hat der Rechtspfleger folgerichtig unter Wahrung der Grundsätze der Rechtsprechung des LAG Hamm (Beschluss vom 16.07.1970, AP Nr. 32 zu § 91 ZPO) zu Gunsten der Beklagten die Entfernung von B. nach H. zugrunde gelegt und nicht etwa auf die Beauftragung eines am Sitz des LAG in H. ansässigen Anwalts abgestellt. III. Die Beklagte hat die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 ZPO). Die Rechtsbeschwerde war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Satz 2, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG). Der Streitwert bestimmt sich gem. §§ 3 ff. ZPO. Maßgeblich ist die Höhe der umstrittenen Kostenforderung.

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