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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: 10 (13) Sa 366/03
Rechtsgebiete: BetrVG, MTV Hotel- und Gaststätten NW


Vorschriften:

BetrVG § 87 I Nr. 10
MTV Hotel- und Gaststätten NW § 9
Keine Änderung des Verteilungsgrundsatzes und daher kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei linearer Kürzung der über dem tariffesten Anspruch liegenden übertariflichen Weihnachtsgratifikation um die Hälfte.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

10 (13) Sa 366/03

Verkündet am 20. November 2003

In Sachen

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 20.11.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schroeder als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter König und Fomferek

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufungen der Kläger Apitz und Dose gegen die am 22.01.2003 verkündeten Urteile des Arbeitsgerichts Bonn - 2 Ca 4383/02 - (Kläger Apitz) und 2 Ca 4384/02 (Kläger Dose) werden kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03.06.2003 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn - 6 Ca 4385/02 - abgeändert und die Klage kostenpflichtig abgewiesen.

3. Die Revision wird für die Kläger zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Höhe der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2002.

Der Kläger zu 1) ist seit Februar 1988, der Kläger zu 2) seit Juni 1993 und der Kläger zu 3) seit September 1991 bei der Beklagten beschäftigt. Bestandteil der Arbeitsverträge der Parteien sind die diesen beigefügte "Allgemeine Vertragsbedingungen", die in Ziffer 12 auszugsweise folgende Regelungen enthalten:

"12. Der im ungekündigten Arbeitsverhältnis stehende Arbeitnehmer erhält als Teil des Dezembergehalts eine Weihnachtsgratifikation als freiwillige Leistung von 20 % der vereinbarten Monatsvergütung im ersten Jahr der Betriebszugehörigkeit, jedoch nur bei mindestens sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit und in Höhe von 1/12 je Beschäftigungsmonat.

In den folgenden Jahren erhöht sich die Weihnachtsgratifikation um je 20 % auf 100 % im fünften Jahr.

Die Weihnachtsgratifikation wird anteilig gekürzt für die Zeiträume, in denen der Arbeitgeber nicht zur Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlung verpflichtet war".

Ziffer 12 der Allgemeinen Vertragsbedingungen enthält weiter Rückzahlungsverpflichtungen des Arbeitnehmers bei Eigenkündigung vor dem 01.04. und 01.07. des Folgejahres und bei einer verhaltensbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers.

Nach dem allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23.03.1995 in der Fassung vom 17.03.2002 hat jeder Arbeitnehmer, der am 01.12. des jeweiligen Kalenderjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, Anspruch auf eine Sonderzahlung von 50 % des tariflichen Monatseinkommens. Nach Ziffer 9.3 dieses Tarifvertrages können auf die Jahressonderzahlung aus gleichem Anlass freiwillig, einzelvertraglich oder übertariflich gezahlte Leistungen angerechnet werden.

Die Beklagte, die an ihre Arbeitnehmer überwiegend übertarifliche Bruttomonatsvergütungen in unterschiedlicher Höhe zahlt, gewährte in den vergangenen Jahren bis einschließlich des Jahres 2001 an ihre Arbeitnehmer jeweils zum Ende November des Jahres ein Weihnachtsgeld, das sich aus der tariflichen Sonderzahlung und einem Aufstockungsbetrag entsprechend der Dauer der Betriebszugehörigkeit bis auf maximal 100 % der vereinbarten Effektivvergütung nach Maßgabe der Allgemeinen Vertragsbedingungen zusammensetzte. Bei der jeweiligen Auszahlung des Weihnachtsgeldes hat die Beklagte schriftlich darauf hingewiesen, dass es sich bei der übertariflichen Gratifikationszahlung um eine freiwillige Leistung handelt, wie es zusätzlich in den Allgemeinen Vertragsbedingungen geregelt sei, und dass auf Grund der Freiwilligkeit keine Rechtsansprüche für die Zukunft begründet würden, sofern der Arbeitsvertrag des betreffenden Arbeitnehmers nichts Gegenteiliges vorsehe.

Mit Schreiben vom 25.11.2002 teilte die Hauptverwaltung der Beklagten allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit, dass sie vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Lage des laufenden Jahres und der Erwartung an die Entwicklung für das Jahr 2003 im Hinblick auf die Erhaltung der Arbeitsplätze Einschnitte bei der Zahlung der Weihnachtsgratifikation vornehmen müsse. Mit Schreiben vom 27.11.2002 teilte die Regionaldirektion Bonn der Beklagten ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit, dass mit der Lohn-/Gehaltsabrechnung für November 2002 trotz der Einschnitte teilweise ein übertarifliches Weihnachtsgeld ausgezahlt werde. Weiterhin enthält dieses Schreiben den jeweils bei der Gratifikationszahlung in den Vorjahren gegebenen Hinweis, dass es sich bei übertariflicher Gratifikationszahlung um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft handele.

Die Beklagte kürzte das Volumen der übertariflichen Gratifikation um die Hälfte und zahlte an ihre Arbeitnehmer für das Jahr 2002 eine Weihnachtsgratifikation aus, die sich aus der tariflichen Jahressonderzahlung gemäß § 9 MTV in Höhe von 50 % des jeweiligen Tarifentgelts und der Hälfte des übersteigenden Betrages zusammensetzte.

Bei dieser Kürzung wurde weder der örtliche Betriebsrat noch der auf Bundesebene bestehende Gesamtbetriebsrat beteiligt.

Die Kläger vertreten die Auffassung, die Kürzung der Weihnachtsgratifikation sei unwirksam, weil die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt habe. Auf Grund der Kürzungen hätten sich die Verteilungsgrundsätze geändert. Nach der Kürzung sei das Verhältnis zwischen dem aus Tarifanspruch und betrieblicher Sonderzahlung zusammengesetzten (Gesamt-) Weihnachtsgeld und dem persönlichen Bruttomonatsgehalt verschieden. Die Arbeitnehmer erhielten nunmehr bei gleicher Betriebszugehörigkeit nicht mehr den gleichen Staffelprozentsatz an Weihnachtsgeld bezogen auf das persönliche Bruttomonatsgehalt. Dadurch sei auch das früher geltende Prinzip "Lohngerechtigkeit durch gleiche Staffelprozente" aufgehoben worden. Ein Anspruch auf ungekürzte Zahlung der Weihnachtsgratifikation folge auch daraus, dass die Beklagte die Sonderzuwendung nicht rechtzeitig vor dem Auszahlungszeitpunkt widerrufen habe. Das Schreiben der Beklagten vom 25.11.2002, in dem sie Einschnitte beim Weihnachtsgeld angekündigt habe, sei für einen Widerruf zu unbestimmt. Erst nach Durchführung der Kürzungsmaßnahme sei ihr konkreter Umfang ersichtlich geworden.

Im Verfahren Arbeitsgericht Bonn - 2 Bv 92/02 - hat der Betriebsrat die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Kürzung des Weihnachtsgeldes für den Betrieb Bonn im Jahr 2002 beantragt. Die Beklagte hat geltend gemacht, dass sich die Verteilungsgrundsätze durch die Kürzung nicht geändert und die Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch auf die übertarifliche Weihnachtszuwendung hätten.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Die Beschwerde des Betriebsrats wurde durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 20.11.2003 - 10 TaBv 18/03 - zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Im vorliegenden Zahlungsprozess

hat der Kläger zu 1) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 688,22 € brutto Weihnachtsgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2002 zu zahlen,

hat der Kläger zu 2) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 834,48 € brutto Weihnachtsgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2002 zu zahlen,

hat der Kläger zu 3) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 662,65 € brutto Weihnachtsgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klagen des Klägers zu 1) - Arbeitsgericht Bonn - 2 Ca 4383/02 - und des Klägers zu 2) - Arbeitsgericht Bonn 2 Ca 4384/02 - abgewiesen. Im Klageverfahren des Klägers zu 3) hat eine andere Kammer des Arbeitsgerichts Bonn - 6 Ca 4385/02 - der Klage stattgegeben. Die jeweils unterlegene Partei hat Berufung eingelegt, in der die Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden worden sind.

Die Kläger zu 1) und 2) beantragen,

Die angefochtenen Urteile abzuändern und nach ihren Klageanträgen erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen der Kläger zu 1) und 2) zurückzuweisen und hinsichtlich des Klägers zu 3) das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn - 6 Ca 4385/02 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger zu 3) beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

In der Berufung halten die Parteien an ihren jeweiligen Rechtsansichten fest. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die angefochtenen Urteile, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet, die Berufung der Kläger zu 1) und 2) hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Die Kläger haben keinen Rechtsanspruch auf ungekürzte Auszahlung der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2002. Dies ergibt sich sowohl aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen als Bestandteil der Arbeitsverträge als auch und insbesondere aus den mit der jeweiligen Auszahlung in der Vergangenheit verbundenen Begleitschreiben mit dem Hinweis, dass es sich bei der übertariflichen Gratifikationszahlung um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft handelt.

Der Hinweis auf die Freiwilligkeit einer Leistung schließt zwar einen Rechtsanspruch nicht aus, sondern macht zunächst nur deutlich, dass es sich um eine zusätzliche Leistung handelt, die anderweitig nicht vorgeschrieben ist. Aus Ziffer 13 der Allgemeinen Vertragsbedingungen, wonach auf über die vertraglich zugesagten Leistungen des Arbeitgebers hinausgehende freiwillige Leistungen auch bei Wiederholungen kein Rechtsanspruch besteht, ergibt sich doch, dass die Beklagte diese Leistungen unter einen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt hat. Bezüglich der Jahressonderzahlung wird dies besonders deutlich in den Begleitschreiben zur Auszahlung der jährlichen Weihnachtsgratifikation. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt hindert das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs und lässt dem Arbeitgeber die Freiheit, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gratifikation gezahlt werden soll. Ein Anspruch für ein bestimmtes Jahr entsteht erst entweder mit der vorbehaltlosen Zusage, auch in diesem Jahr eine Gratifikation zahlen zu wollen, oder mit der tatsächlichen Zahlung der Gratifikation nach Maßgabe des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Anders als bei der Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts kann der Arbeitgeber die Leistung ohne vorherige Ankündigung und ohne Bindung an § 315 BGB einstellen oder die Voraussetzungen für ihre Gewährung ändern (BAG, Urteil vom 12.01.2000 - 10 AZR 840/98 - NZA 2000, 944, 945). Abgesehen davon hat die Beklagte ihren Beschäftigten mit Schreiben vom 25.11. und 27.11.2002 vor Auszahlung eine Kürzung des übertariflichen Weihnachtsgeldes unter Angabe von Sachgründen angekündigt.

II. Der Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Weihnachtsgratifikation kann auch nicht aus der Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Umsetzung der Kürzungsentscheidung der Beklagten nach der sog. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzungen hergeleitet werden.

1. Die Voraussetzungen für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach der hier allein in Betracht kommenden Bestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG liegen nicht vor.

a) § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gibt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers kann dieser frei entscheiden, ob und in welchem Umfang er zusätzliche Leistungen erbringen will oder nicht (sog. Dotierungsrahmen). Das gilt für die Einführung als auch für die Kürzung und Einstellung solcher Leistungen. Ein Mitbestimmungsrecht kann der Betriebsrat nur hinsichtlich der Verteilung geltend machen. Beachtet der Arbeitgeber bei der Neufestsetzung des Gesamtvolumens für die freiwillige Leistung die bisherigen Verteilungsgrundsätze, so dass sich das rechnerische Verhältnis der einzelnen Zulagen zueinander nicht verschiebt, scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aus, da nicht die Kürzungsentscheidung, sondern allein die Änderung des Verteilungsgrundsatzes der Mitbestimmung unterliegt (BAG, Beschluss vom 03.12.1991 - GS 2/90 - C III 5 der Gründe, NZA 1992, 749, 757).

b) Die Beklagte hat durch die Kürzung des übertariflichen Bestandteils der Weihnachtsgratifikation das rechnerische Verhältnis der einzelnen übertariflichen Zulagen zueinander nicht verschoben. Alle übertariflichen Bestandteile der Weihnachtsgratifikation wurden mit dem gleichen Prozentsatz um die Hälfte gekürzt.

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats lässt sich nicht damit begründen, dass sich nach der Kürzung unterschiedliche Prozentsätze ergeben, wenn die Gesamtgratifikation, bestehend aus der tariflichen und betrieblichen Sonderzahlung, zum persönlichen Gehalt des einzelnen Arbeitnehmers ins Verhältnis gesetzt wird. Richtig ist, dass bei den unterschiedlichen, überwiegend übertariflichen Gehältern in unterschiedlicher Höhe die von der Beklagten vorgenommene lineare Kürzung der außertariflichen Komponente der Weihnachtsgratifikation um 50 % zu unterschiedlichen Relationen zwischen Gesamtgratifikation und persönlichem Gehalt führt. Je höher das übertarifliche Gehalt ist, desto größer sind die prozentualen Auswirkungen der Kürzung im Verhältnis Gesamtgratifikation zu persönlichem Gehalt. Dies hängt damit zusammen, dass die tarifliche Sonderzahlung, die sich auf den Tariflohn bezieht, prozentual stärker ins Gewicht fällt, was an folgendem vereinfachten Beispiel deutlich gemacht werden kann:

Bezieht der Arbeitnehmer A mit Tariflohn von 1.000,00 € bei einem Staffelprozentsatz von 100 eine Gesamtgratifikation von 1.000,00 €, setzt sich die Weihnachtsgratifikation aus 500,00 € Tarifanspruch und 500,00 € außertariflicher Gratifikation zusammen. Bezieht ein anderer Arbeitnehmer B mit gleichem Tariflohn ein doppelt so hohes Effektivgehalt von 2.000,00 €, erhält er bei einem Staffelprozentsatz von 100 2.000,00 € an Weihnachtsgeld, das sich aus 500,00 € Tarifanspruch und 1.500,00 € außertariflicher Gratifikation zusammensetzt. Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung des nicht tariffesten Anspruchs um die Hälfte führt beim Arbeitnehmer A mit dem Tariflohn von 1.000,00 € zu einer Kürzung der freiwilligen Leistungen auf 250,00 € und bei dem übertariflichen Arbeitnehmer B zu einer Kürzung auf 750,00 €. Der Arbeitnehmer A erhält nach der Kürzung also 750,00 € Gesamtgratifikation = 75 % seines Gehalts, der Arbeitnehmer B erhält nach der Kürzung 1.250,00 € Gesamtgratifikation = 62,5 % des persönlichen Gehalts.

Während die Kläger auf diese Verschiebung der Relationen entscheidend zur Begründung des Mitbestimmungsrechts abstellen, ist nach Auffassung der Kammer bei der Frage der Verteilung freiwilliger Leistungen, deren Volumen gekürzt wurde, darauf abzustellen, ob sich die Relationen bei der Verteilung der freiwilligen Leistung durch die mitbestimmungsfrei vorgegebene Kürzung des Dotierungsrahmens verändert haben. Das ist nicht der Fall.

Die Kürzung der von der Arbeitgeberin über den Tarifanspruch hinaus bereitgestellten freiwilligen Leistung beträgt nicht nur bei allen Arbeitnehmern gleichmäßig 50 %. Auch das Verhältnis der Höhe der außertariflichen Leistungen zueinander hat sich durch die Kürzung nicht verändert. Im Ausgangsbeispiel bezog der Arbeitnehmer A vor der Kürzung 50 % seines Gehalts als außertarifliche Leistung bzw. 100 % bezogen auf den Tarifanspruch. Der Arbeitnehmer B erhielt vor der Kürzung 75 % seines Gehalts als außertarifliche Leistung bzw. 300 % bezogen auf den Tarifanspruch. Nach der Kürzung erhält der Arbeitnehmer A 25 % seines Gehalts als außertarifliche Leistung bzw. 50 % bezogen auf den Tarifanspruch. Der Arbeitnehmer B erhält nach der Kürzung 37,5 % seines Gehalts als außertarifliche Leistung bzw. 150 % bezogen auf den Tarifanspruch. Die Kürzung der übertariflichen Leistung um den gleichen Prozentsatz hat die bisherigen Relationen nicht verschoben. Auch nach der Kürzung stehen die übertariflichen Leistungen im gleichen Verhältnis zueinander, im Beispielsfall im Verhältnis eins zu drei. Das gilt auch für die Relation der außertariflichen Leistung zum persönlichen Gehalt. Insoweit sind die Verhältnisse zwischen den Arbeitnehmern A und B von 50 % zu 75 % vor der Kürzung und 25 % zu 37,5 % nach der Kürzung unverändert geblieben.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die prozentualen Auswirkungen der Kürzung der freiwilligen übertariflichen Sonderzahlung bei allen Arbeitnehmern gleichgeblieben sind, unabhängig davon, ob der Begünstigte tariflich oder übertariflich vergütet wird. Dies gilt auch unabhängig davon, in welchem Staffelprozentsatz sich die einzelnen Arbeitnehmer befinden. Die Kürzung der übertariflichen Sonderzahlung ist bei allen Arbeitnehmern, die darauf nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen Anspruch haben, prozentual gleich, das heißt sie bekommen nur die Hälfte der bisher gezahlten freiwilligen Leistungen.

Eine Änderung des bisherigen im Einvernehmen der Betriebsparteien bestehenden Verteilungsgrundsatzes käme nur dann in Betracht, wenn durch die Kürzung um den gleichen Prozentsatz ein den Arbeitnehmern zustehender Sockelbetrag unterschritten worden wäre. Auch das ist nicht der Fall. Der den Arbeitnehmern unentziehbar zustehende "Sockelbetrag" ist der Tarifanspruch. Er bleibt unangetastet. Zwischen den Beteiligten ist auch nicht im Streit, dass schon in der Vergangenheit das tariflich geschuldete Weihnachtsgeld in Höhe von 50 % des Tarifgehalts auf die betriebliche Weihnachtsgeldzahlung in voller Höhe angerechnet wurde, was je nach Staffelprozentsatz und persönlichem Gehalt das Ergebnis haben konnte und nach wie vor haben kann, dass die betriebliche Regelung über die Weihnachtszuwendung zu keiner Zahlung über den Tarifanspruch hinaus führt. Im allein maßgebenden Bereich der übertariflichen Zahlung blieben die Relationen unverändert.

2. Die von den Klägern angesprochene Alternative, die Kürzung des Volumens des übertariflichen Weihnachtsgeldes durch Beibehaltung derselben Relation der Gesamtgratifikation zum persönlichen Gehalt umzusetzen, würde zu einer Veränderung des bisherigen Verteilungsgrundsatzes führen. Wenn im Ausgangsbeispiel die Arbeitnehmer A und B wegen gleicher Betriebszugehörigkeit ab fünf Jahren statt 100 % des persönlichen Gehalts als Weihnachtsgratifikation nach der Kürzung einheitlich etwa 75 % ihres Gehalts bekämen, würde die Kürzung ungleichmäßig weitergegeben. Die Relation des Bezugs übertariflicher Leistungen zueinander würde sich zu Gunsten der übertariflich bezahlten Arbeitnehmer verändern. Im Ausgangsbeispiel erhielte der Arbeitnehmer A nach der Kürzung 750,00 € und der Arbeitnehmer B 1.500,00 € an Weihnachtsgeld. Standen die außertariflichen Leistungen dieser beiden Arbeitnehmer vorher im Verhältnis eins zu drei, so haben sie sich nach der Kürzung zu dem Verhältnis eins zu vier verschoben. Der Arbeitnehmer A erhielte nur noch 250,00 € außertarifliche Leistung, der Arbeitnehmer B 1.000,00 € außertarifliche Leistung.

4. Die außertarifliche Leistung für das Weihnachtsgeld vor und nach der Kürzungsentscheidung der Beklagten lässt sich in einer Formel wie folgt zusammenfassen:

AT-Weihnachtsgeld = (Staffelprozent x persönliches Gehalt) - 50 % Tarifgehalt

Nach der Kürzung lautet die Formel:

AT-Weihnachtsgeld = (Staffelprozent x persönliches Gehalt) - 50 % Tarifgehalt 2

Ein anderer hier nicht zu entscheidender Sachverhalt, der einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand auslösen kann, läge erst bei einer Tariflohnerhöhung mit unterschiedlicher Anrechnung der Erhöhung auf übertarifliche Gehälter vor, weil sich dadurch die Verteilungsgrundsätze hinsichtlich der übertariflichen Leistungen verschieben können. Die Kürzungsentscheidung der Beklagten und ihre Umsetzung beim Weihnachtsgeld ändert indessen die bisherigen Verteilungsgrundsätze nicht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision wurde nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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