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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 12.01.2006
Aktenzeichen: 10 (8) Sa 606/04
Rechtsgebiete: MTV für das private Versicherungsgewerbe


Vorschriften:

MTV für das private Versicherungsgewerbe § 24
Zur Reichweite einer Verfallklausel, wonach vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis spätestens innerhalb einer bestimmten Frist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht werden müssen, wenn Ansprüche erst nach Ablauf dieser Frist entstehen und fällig werden können.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.12.2003 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 18 Ca 3448/03 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.781,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 25.10.2002 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, einen Teil der Abfindung an die Klägerin zurückzuzahlen.

Die am 13.02.1940 geborene Beklagte war bei der Klägerin beschäftigt. Im Rahmen des Sozialplans "Migration" vom 28.03.1995 wurde hinsichtlich der vorzeitigen Beendigung von Arbeitsverhältnissen für ältere Mitarbeiter (55er-Modell) Folgendes geregelt:

"7.1. Die Arbeitgeber können Mitarbeitern, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, nach 7.2. bis 7.7. eine Ausscheidensregelung anbieten. Ein Rechtsanspruch auf Abschluß einer derartigen Vereinbarung besteht nur, wenn die dafür unter II.9. genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Für das 55er-Modell gilt folgende Regelung:

7.2.1. Der Mitarbeiter erhält mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für jeden Monat vom Ende des Arbeitsverhältnisses bis zum Beginn des frühestmöglichen gesetzlichen Rentenanspruchs (Überbrückungszeitraum) eine Abfindung, die sich wie folgt zusammensetzt:

Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld, auf das der Mitarbeiter bei Beginn der Arbeitslosmeldung Anspruch hätte, und 90 % des Nettobezuges des letzten Monats, Beiträge (AG- und AN-Anteile) zur Kranken- und Pflegeversicherung für Zeiten innerhalb des Überbrückungszeitraumes, in denen kein gesetzlicher Kranken- oder Pflegeversicherungsschutz besteht, Beiträge (AG- und AN-Anteile) zur gesetzlichen Rentenversicherung auf der Basis von 90 % des Bruttomonatsbezuges für die Zeiten innerhalb des Überbrückungszeitraumes, in denen keine Anrechnungs- und/oder Beitragszeit vorliegt.

Für Zeiten, in denen das Arbeitslosengeld aufgrund von Sperr- und/oder Ruhensfristen nicht gezahlt wird sowie für Zeiten vom Ablauf der Arbeitslosengeldzahlung bis zum frühestmöglichen gesetzlichen Rentenbeginn, erhält der Mitarbeiter eine Abfindung in Höhe von 90 % seiner Nettobezüge."

...

"7.6. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, dem Arbeitgeber die Unterlagen (z. B. Rentenversicherungsverlauf, Mitteilungen des Arbeitsamtes über Anspruch Arbeitslosengeld) nachzuweisen, die für eine Berechnung der Leistungen nach 7. benötigt werden und dem Arbeitgeber alle dazu notwendigen Angaben zu machen.

7.7. Der Anspruch entsteht zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er wird mit der letzten Entgeltzahlung ausgezahlt, sofern im Einzelfall keine abweichenden Vereinbarungen getroffen werden."

Am 24.10.1997/11.12.1997 vereinbarten die Parteien die Aufhebung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1997. In der Aufhebungsvereinbarung (Bl. 9 - 11 d. A.) verpflichtete sich die Beklagte zur Zahlung einer Auflösungsentschädigung in Höhe von insgesamt 105.227,00 DM brutto. Wegen der Berechnung der Abfindung wurde auf beigefügte Unterlagen verwiesen. In der Vereinbarung wurde u. a. noch Folgendes geregelt:

"Die Höhe der Abfindung ist u. a. abhängig von der Dauer und Höhe eines evtl. Arbeitslosengeldes, das erst mit den entsprechenden Bescheiden des Arbeitsamtes feststeht (Ziff. 7.2.1 2. Abs. Sozialplan Migration vom 28.03.1995). Außerdem richtet sich die Höhe der Abfindung nach den zu erstattenden Beiträgen zur Kranken-/Pflegeversicherung, wenn der entsprechende Versicherungsschutz fehlt (a. a. O. 3. Abs.), und zur Rentenversicherung, wenn keine Anrechnungs- oder/und Beitragszeit vorliegt (a. a. O. 4. Abs.). Sofern die in Ziff. II 7 des Sozialplans Migration benötigten Werte bei Austritt fehlen oder Tatbestände erst später festgestellt werden können, wird die Abfindung nachträglich neu berechnet. Es können dabei Minderungen oder Nachzahlungen auftreten. Insbesondere wird auf die Mitwirkung nach Ziff. II 7. 6. hingewiesen.

...

Bei der Festlegung der Höhe der Abfindung sind wir davon ausgegangen, dass Sie sich mit der Unterschrift unter dieser Aufhebungsvereinbarung gleichzeitig verpflichten, ab 01.01.1998 arbeitslos zu melden. Da wir bei der Berechnung der Abfindungsentschädigung weiterhin Sperr- und Ruhenszeiten nach dem Arbeitsförderungsgesetz berücksichtigt haben, verzichten Sie für die Dauer bis zum 30.04.1999 auf Leistungen des Arbeitsamtes.

Anspruch auf Auszahlung des Arbeitslosengelds haben Sie voraussichtlich erst ab 01.05.1999.

Über das weitere Verfahren werden wir Sie noch eingehend informieren.

..."

Bei Abschluss der Vereinbarung galt noch die Bestimmung des § 140 SGB III, wonach die Abfindung auf die Höhe des Arbeitslosengeldes anzurechnen war. Am 01.04.1999 trat das Entlastungsentschädigungs-Änderungsgesetz in Kraft, durch das u. a. § 140 SGB III aufgehoben wurde. Dies hatte zur Folge, dass die Abfindung nicht mehr auf die Höhe des Arbeitslosengeldes angerechnet wurde und die Beklagte ab Beginn des Anspruchs auf Bezug von Arbeitslosengeld (01.05.1999) statt in der Abfindungsberechnung angenommener 993,74 DM monatlich einen erheblich höheren monatlichen Betrag an Arbeitslosengeld bis zum Rentenbeginn (01.05.2000) erhielt.

Mit Schreiben vom 01.10.2001 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Rückzahlungsanspruch in Höhe einer überzahlten Bruttoabfindung von 16.000,00 DM, was einem Nettobetrag von 13.263,45 DM = 6.781,49 € entspräche, geltend gemacht.

Die Klägerin stützt den Rückzahlungsanspruch auf die Aufhebungsvereinbarung, die wiederum auf den Sozialplan Bezug nehme, der für die Höhe der Abfindung auf die Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und 90 % des Nettobezuges des letzten Monats abstelle. In der Aufhebungsvereinbarung sei ausdrücklich geregelt, dass die Höhe der Abfindung u. a. von der Dauer und der Höhe des Arbeitslosengeldes, das erst mit den entsprechenden Bescheiden des Arbeitsamtes feststehe, abhängig sei. Dementsprechend sei im Vertrag bestimmt worden, dass bei einer Neuberechnung der Abfindung Minderungen oder Nachzahlungen auftreten könnten. Außerdem sei die Beklagte auf ihre Mitwirkungspflicht nach Ziff. 7.6 des Sozialplans hingewiesen worden, der sie nicht nachgekommen sei, denn die Beklagte habe trotz mehrfacher Aufforderung die Bescheide des Arbeitsamtes nicht vorgelegt. Der Rückzahlungsanspruch sei nicht nach § 24 des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe verfallen, da er von der Verfallklausel nicht erfasst werde. Im Übrigen lägen Verzögerungen der Geltendmachung in der Sphäre der Beklagten, die die Bescheide des Arbeitsamtes zurückhalte.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.781,49 € nebst Verzugszinsen ab dem 25.10.2002 i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, die Änderung der Gesetzeslage berechtige nicht zur Rückzahlung eines Teils der Abfindung. Sie habe darauf vertraut, dass die Klägerin eine Minderung der Abfindung nicht geltend machen werde und habe den an sie ausgezahlten Abfindungsbetrag gutgläubig verbraucht, indem sie eine langandauernde und aufwendige Reise nach Alaska mit ihrem Ehemann unternommen habe. Ein etwaiger Rückzahlungsanspruch der Klägerin sei nach § 24 des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass weder der Aufhebungsvertrag noch der Sozialplan eine Rückzahlungsverpflichtung bzw. eine Neuberechnung der Abfindung im Falle einer veränderten Höhe des Arbeitslosengeldes aufgrund einer Gesetzesänderung regele. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren im Wesentlichen mit Rechtsausführungen weiterverfolgt. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf das angefochtene Urteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Abfindung in Höhe des zuerkannten Betrages.

I. Der Rückzahlungsanspruch ergibt sich aus der vertraglichen Vereinbarung über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses vom 24.10.1997/11.12.1997.

1. Die Parteien haben im Aufhebungsvertrag die Höhe der Abfindung u. a. von der Dauer und der Höhe eines evtl. Arbeitslosengeldes, das erst mit den entsprechenden Bescheiden des Arbeitsamtes feststeht, abhängig gemacht. Dabei ging es den Parteien durch die ausdrückliche Verweisung auf Ziff. 7.2.1 des Sozialplans um die Vereinbarung eines Abfindungsanspruchs in Höhe der Differenz zwischen dem Arbeitslosengeld und 90 % des Nettobezugs des letzten Monats. Da für die Klägerin erst nach dem Ausscheidungstermin Arbeitslosengeld in Betracht kam und erst dann Bescheide über den Bezug von Arbeitslosengeld vorgelegt werden konnten, stand die Höhe der zunächst vereinbarten Abfindung unter dem Vorbehalt der Neuberechnung. In diesem Zusammenhang haben die Parteien im Aufhebungsvertrag ausdrücklich festgehalten, dass bei der Neuberechnung "Minderungen oder Nachzahlungen" auftreten können. Diese Regelung konnten und durften die Parteien (§§ 133, 157 BGB) so verstehen, dass der Beklagten im Nachzahlungsfall ein vertraglicher Nachzahlungsanspruch und der Klägerin im Minderungsfall ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch eingeräumt werden sollte. Dieser vertraglichen Grundlage für einen Nachzahlungs- oder Rückzahlungsanspruch steht nicht entgegen, dass die Parteien im nachfolgenden Absatz der Aufhebungsvereinbarung für den Sonderfall des Eintritts eines Versorgungsfalles mit Betriebsrentenbezug bereits vor dem 01.05.2000 ausdrücklich eine Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich eines Teils der Abfindung vereinbart haben. Dies rechtfertigt noch keinen Umkehrschluss dahingehend, dass bei der notwendigen Neuberechnung der Abfindung entsprechend der Höhe des tatsächlich bezogenen Arbeitslosengeldes bei einer Überzahlung keine vertragliche Rückzahlungsgrundlage vorhanden sei. Es spricht mehr dafür, die sich aus der Neuberechnung ergebenen Konsequenzen bei Minderungen oder Nachzahlungen insoweit gleich zu behandeln, dass nicht nur ein vertraglicher Nachzahlungsanspruch der Beklagten, sondern auch ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch der Klägerin bestehen kann.

2. Das Berufungsgericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, eine Neuberechnung und Minderung der Abfindung der Höhe nach beziehe sich nicht auf den hier vorliegenden Sachverhalt einer Gesetzesänderung. Inhalt der Aufhebungsvereinbarung mit ihrer Bezugnahme auf den Sozialplan war die Sicherstellung der sog. 90%-Regelung. Diesem Sinn und Zweck dient die Vereinbarung einer Neuberechnung der Abfindung beim Vorliegen eines Arbeitslosengeldbescheides und die im Vertrag und im Sozialplan unter Ziff. 7.6 geregelte Mitwirkungspflicht der Abfindungsberechtigten. Dass die Höhe des Arbeitslosengeldes dann keine Rolle mehr spielen soll, wenn sie auf Gesetzesänderungen beruht, was im Übrigen die Regel ist, kann der Vereinbarung nicht entnommen werden. Veränderungen hätten sich auch zugunsten der Beklagten auswirken können. Vorliegend führten sie zu einer Besserstellung im Vergleich zum angestrebten Ziel der sog. 90%-Regelung, deren Einhaltung der Vorbehalt der Neuberechnung dient.

3. Die Berechnung der Höhe des Rückzahlungsanspruchs durch die Klägerin ist nicht zu beanstanden und von der Beklagten mit konkretem Sachvortrag auch nicht angegriffen worden. In Übereinstimmung mit der Aufhebungsvereinbarung hat die Klägerin bei der zunächst erfolgten Berechnung der Abfindungshöhe für die Zeit bis zum 30.04.1999 kein Arbeitslosengeld angerechnet und für diesen Zeitraum eine Abfindung in Höhe von 90 % der Nettobezüge veranschlagt. Für die Zeit ab dem 01.05.1999 bis zum Rentenbeginn ging die Klägerin aufgrund der damaligen Gesetzeslage wegen der Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld von einem Arbeitslosengeld in Höhe von wöchentlich 229,50 DM = monatlich 993,74 DM und daher von einem Zuschuss zum Arbeitslosengeld bis zu 90 % des Nettobezugs von monatlich 2.028,25 DM aus (3.021,99 DM - 993,74 DM). Auf diese Weise ergab sich eine Abfindung in Höhe von 105.227,00 DM brutto. Die Einzelheiten der Berechnung sind aus den der Aufhebungsvereinbarung beigefügten Unterlagen (Bl. 12 - 14 d. A.) ersichtlich. Tatsächlich hat die Klägerin wegen der Gesetzesänderung ab 01.05.1999 ein erheblich höheres Arbeitslosengeld erhalten. Dementsprechend reduziert sich der Zuschuss zum Arbeitslosengeld bis zur 90%-Grenze mit dem Ergebnis einer Überzahlung von 16.000,00 DM brutto. Gegen die rechnerische Richtigkeit der Neuberechnung (Bl. 15 - 17 d. A.) und des sich durch Rückrechnung ergebenden geltend gemachten Nettobetrages von 13.263,45 DM = 6.781,49 € hat die Beklagte keine substantiierten Einwendungen erhoben. Insbesondere hat die Beklagte nicht geltend gemacht, dass sie ein geringeres Arbeitslosengeld als von der Klägerin mit monatlich 2.049,57 DM angenommen ab 01.05.1999 bezogen hat. Die Beklagte hat nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin bis heute davon abgesehen, der Klägerin Unterlagen über den Bezug des Arbeitslosengeldes vorzulegen. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann davon ausgegangen werden, dass der Neuberechnung kein höheres Arbeitslosengeld als von der Beklagten tatsächlich bezogen zugrunde liegt.

4. Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist nicht nach § 24 des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe verfallen. Dabei ist zwischen der nicht tarifgebundenen Beklagten und der Klägerin unstreitig, dass dieser Tarifvertrag, wenn schon nicht kraft ausdrücklicher vertraglicher Vereinbarung, was nicht vorgetragen ist, so doch aufgrund betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand.

a) § 24 des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe (MTV) hat folgenden Wortlaut:

"Vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, soweit sie nicht spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden.

Hierunter fallen nicht Ansprüche des Arbeitgebers aus der Einkommensregelung mit Angestellten des Außendienstes, insbesondere aus einer Provisionsvereinbarung. Entsprechende Ansprüche der Angestellten im Außendienst müssen jedoch innerhalb einer Frist von zwölf Monaten wenigstens dem Grunde nach schriftlich geltend gemacht werden."

b) Der nach dem Ausscheiden der Beklagten aus dem Arbeitsverhältnis fällig gewordene Rückzahlungsanspruch wird von dem sachlichen Gegenstandsbereich der tariflichen Ausschlussfrist des § 24 S. 1 MTV nicht erfasst.

aa) Nach der tariflichen Regelung sollen nur vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, soweit sie nicht rechtzeitig nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden. Damit haben die Tarifvertragsparteien Ansprüche befristet, die sich aus dem vertraglichen Austauschverhältnis ergeben (BAG, Urt. v. 23.02.1999 - 9 AZR 737/97). Die in der Aufhebungsvereinbarung vom 24.10.1997/11.12.1997 geregelte Auflösungsentschädigung ist keine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung und unterlag daher auch nicht den kurzen Verjährungsfristen des § 196 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BGB a. F. (vgl. BAG, Urt. v. 30.10.2001 - 1 AZR 65/01 - Zur Sozialplanabfindung). Es wird nicht verkannt, dass das Erfordernis des "vertraglichen Austauschverhältnisses" in der Entscheidung vom 23.02.1999 im Kontext mit neben dem Arbeitsvertrag abgeschlossenen anderen bürgerlich-rechtlichen Verträgen steht und das BAG in seiner Entscheidung vom 19.01.1999 - 1 AZR 606/98 - grundsätzlich auch Sozialplanabfindungen unter Ausschlussfristen subsumiert, wenn sich diese allgemein auf "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" beziehen.

Im Streitfall sprechen die konkreten Umstände eher dafür, dass der vertragliche Rückzahlungsanspruch aus der Aufhebungsvereinbarung von der Verfallklausel des § 24 MTV nicht erfasst ist. Die Auflösungsentschädigung wurde zwar auf der Grundlage des Sozialplans abgeschlossen. Mit Abschluss der Aufhebungsvereinbarung bildet diese jedoch selbst die Anspruchsgrundlage für die Auflösungsentschädigung, die nach Auffassung des Berufungsgerichts auch zugunsten der Beklagten nicht mehr der Verfallklausel des § 24 MTV unterliegt. Mit anderen Worten: Die Beklagte wäre nicht gehindert gewesen, auch noch sechs Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Auflösungsentschädigung aus der Aufhebungsvereinbarung mit Erfolg zu verlangen, wenn die Klägerin diese nicht vorher ausgezahlt hätte. Gleiches gilt für Nachzahlungs- und Rückzahlungsansprüche aus der Aufhebungsvereinbarung.

bb) Hinzu kommt, dass die Nachzahlungs- und Rückzahlungsansprüche im konkreten Fall überhaupt nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätten geltend gemacht werden können, da die Parteien übereinstimmend von der Auszahlung des Arbeitslosengeldes erst ab 01.05.1999 ausgegangen sind. Zu dieser Zeit war das Arbeitsverhältnis bereits seit 16 Monaten beendet. § 24 MTV passt nicht auf Ansprüche, die wie hier bei Abschluss des Vertrages von vornherein erst später als sechs Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen und fällig werden können.

cc) Die Aufhebungsvereinbarung stellt hinsichtlich der Anwendbarkeit des MTV eine Zäsur dar. Dafür spricht ergänzend die Formulierung in der Aufhebungsvereinbarung, dass mit ihrer Unterzeichnung die Anwendung der Kündigungsschutzbestimmungen, insbesondere des Kündigungsschutzgesetzes und des Tarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe nicht mehr möglich ist. Es mag zwar sein, dass die Parteien dabei in erster Linie die im MTV geregelten Kündigungsschutzbestimmungen im Auge hatten. Anhaltspunkte dafür, dass die anderen Bestimmungen des MTV unter Einschluss der Verfallklausel weiter gelten sollten, sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Die weitere Regelung in der Aufhebungsvereinbarung, dass mit ihr der Fortbestand des Anstellungsverhältnisses bis zum Beendigungszeitpunkt abschließend geregelt ist und alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung ausgeglichen und erledigt sind, macht deutlich, dass für eine weitere Anwendung des § 24 MTV die Grundlage fehlt.

II. Wegen Bestehens eines vertraglichen Rückzahlungsanspruchs bedarf es keines Rückgriffs auf den Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 BGB. Selbst wenn sich der Rückzahlungsanspruch nur aus Bereicherungsrecht herleiten ließe, könnte sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf den Entreicherungseinwand aus § 818 Abs. 3 BGB berufen. Die nicht näher konkretisierte und von der Klägerin bestrittene Behauptung, die Beklagte habe eine langandauernde und aufwendige Reise nach Alaska mit ihrem Ehemann unternommen, lässt weder Schlüsse auf das Ob noch den Umfang einer etwaigen Entreicherung zu. Im Übrigen steht dem Einwand der Entreicherung § 818 Abs. 4 i. V. m. § 820 Abs. 1 S. 2 BGB entgegen, denn die Beklagte musste aufgrund der Neuberechnungsklausel in der Aufhebungsvereinbarung es als möglich ansehen, dass es wegen Überzahlung zu Rückzahlungsansprüchen kommt.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

IV. Die Revision wurde im Hinblick auf die Auslegung des § 24 MTV nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

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