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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: 10 Sa 1146/01
Rechtsgebiete: ATG, TV ATZ Metall


Vorschriften:

ATG § 3
ATG § 15
TV ATZ Metall § 7
Zur Auslegung eines Altersteilzeitarbeitsvertrages; Berechnung der Aufstockung auf 82 % des Nettoentgelts nach den individuellen steuerlichen Verhältnissen des AN oder pauschalierte Nettobetragsberechnung nach § 15 Satz 1 ATG?
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 10 Sa 1146/01

Verkündet am: 28.02.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28.02.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schroeder als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Kannmacher und Horst

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.05.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 17 Ca 10175/00 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revison wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob für die Berechnung des Aufstockungsbetrages nach dem Altersteilzeitvertrag zwischen den Parteien das individuelle Nettoentgelt des Klägers oder das pauschalierte Nettoentgelt nach der Mindestnettobetragsverordnung zu Grunde zu legen ist.

Die beiderseits tarifgebundenen Parteien schlossen am 15.08.2000 auf der Grundlage des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke vom 28.03.2000 (TV BB) einen Altersteilzeitarbeitsvertrag mit Wirkung ab 01.10.2000 für die Zeit bis zum 30.11.2005. In § 6 dieses Vertrages heißt es zur Berechnung des Aufstockungsbetrages:

Der Arbeitnehmer erhält einen Aufstockungsbetrag nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) Altersteilzeitgesetz auf das Altersteilzeitentgelt. Dieser ist so zu bemessen, dass das monatliche Nettoentgelt 82 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei dem Arbeitnehmer gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Bruttovollzeitarbeitsentgeltes beträgt. Bei der Ermittlung des Bruttovollzeitarbeitsentgeltes werden die zusätzliche Urlaubsvergütung und die tariflich abgesicherten betrieblichen Sonderzahlungen nicht berücksichtigt.

Nach dem TV BB vom 28.03.2000 in der Fassung vom 19.05.2000 haben Beschäftigte wie der Kläger, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Tarifvertrages Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages mit mindestens zweijähriger bis zu sechsjähriger verblockter Altersteilzeit. Nach § 5 TV BB gelten für alle nach den Bestimmungen dieses Tarifvertrages beanspruchten Altersteilzeitarbeitsverhältnisse neben den gesetzlichen Altersteilzeitbestimmungen die tariflichen Bedingungen und persönlichen Voraussetzungen des Tarifvertrages zur Altersteilzeit (TV ATZ), insbesondere auch die Regelung über den Aufstockungsbetrag nach § 7 TV ATZ.

Nach § 7 TV ATZ erhält der Beschäftigte einen Aufstockungsbetrag nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Nr. 1 a des Altersteilzeitgesetzes auf das Altersteilzeitentgelt, der aber so zu bemessen ist, dass das monatliche Nettoentgelt mindestens 82 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei den Beschäftigten gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Bruttovollzeitarbeitsentgelt (Fassung des TV ATZ vom 23.10.1997) bzw. des verminderten monatlichen bisherigen Arbeitsentgelts im Sinne des § 6 Abs. 1 des Altersteilzeitgesetzes (TV ATZ Fassung vom 20.11.2000) beträgt.

§ 3 des Altersteilzeitgesetzes (ATG) regelt die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Bundesanstalt für Arbeit dem Arbeitgeber die gesetzlichen Aufstockungsbeträge auf das Teilzeitentgelt und auf den Rentenbeitrag erstattet. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATG ist das Arbeitsentgelt für die Altersteilzeitarbeit um mindestens 20 % dieses Arbeitsentgelts, jedoch auf mindestens 70 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Vollzeitarbeitsentgelt im Sinne des § 6 Abs. 1 (Mindestnettobetrag) aufzustocken.

Der Mindestnettobetrag im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATG wird gemäß § 15 ATG jeweils für ein Kalenderjahr durch Rechtsverordnung (Mindestnettobetrags-Verordnung) festgelegt. Dieser Mindestnettobetrag wird nicht auf Grund der individuellen Steuermerkmale des jeweiligen Arbeitnehmers, sondern - unter Berücksichtigung der Steuerklasse - pauschaliert ermittelt.

Vor Abschluss des Altersteilzeitvertrages fand zwischen den Parteien am 07.08.2000 ein Gespräch über die Altersteilzeit statt, dessen Inhalt der Kläger unterschriftlich bestätigte (Blatt 21 - 23 d. A.). In der Gesprächsnotiz heißt es zur Berechnung des Aufstockungsbetrages auf 82 % Vollzeitnetto:

"Ermittlung über eine durch den Gesetzgeber vorgegebene Nettoliste. Dieses ist ein je nach Steuerklasse durchschnittlich ermittelter Betrag, der nicht dem persönlichen Netto entsprechen muss..."

Ob dem Kläger auch die konkrete Berechnung seines Aufstockungsbetrages in Höhe von 1.078,26 DM (Blatt 24 d. A.) ausgehändigt worden ist, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger einen höheren Aufstockungsbetrag als monatlich 1.078,26 DM. Dabei stellt er auf seine individuellen Verhältnisse ab und macht geltend, er sei weder kirchensteuerpflichtig, da er aus der Kirche ausgetreten sei, noch krankenversicherungspflichtig, da er bei einem Vollzeitbruttoentgelt von 8.312,50 DM oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung gelegen habe. Erstinstanzlich hat der Kläger für die Monate Oktober und November 2000 einen monatlichen Differenzbetrag von 109,14 DM geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an den Kläger 218,28 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 02.12.2000 zu zahlen. Für die Beklagte hat das Arbeitsgericht Berufung und Sprungrevision zugelassen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger hat in der Berufung seine Klage erweitert und macht nunmehr einen monatlichen Differenzbetrag von 503,17 DM für die Monate Oktober bis einschließlich Dezember 2000 geltend. Er hält daran fest, dass es auf seine individuellen Verhältnisse ankommen müsse, und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.182,09 DM netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Beklagte bleibt dabei, dass für die Berechnung des Aufstockungsbetrages von 82 % nicht auf den individuellen, sondern auf den pauschalierten Nettolohn nach der gesetzlichen Nettolohntabelle abzustellen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung der Beklagten ist begründet. Klage und Klageerweiterung (Anschlussberufung) sind unbegründet, so dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass sich die Berechnung seines Aufstockungsbetrages nach seinen individuellen Verhältnissen richtet. Grundlage für die Berechnung ist vielmehr die pauschalierte Nettobetragsberechnung nach § 15 Satz 1 ATG.

Der Kläger stützt seinen Anspruch auf § 6 des Altersteilzeitarbeitsvertrages vom 15.08.2000. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus der vertraglichen Vereinbarung kein Anspruch darauf, dass für die Berechnung des Aufstockungsbetrages auf sein individuelles Nettoentgelt abgestellt werden müsste. Dies ergibt die Vertragsauslegung. Verträge sind gemäß §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie Treu und Glauben es erfordern. Dabei ist auch bei der Auslegung von Verträgen zunächst vom Wortlaut der Vereinbarung auszugehen. Dieser spricht gegen die Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse gerade beim Kläger.

Der Wortlaut des § 6 des Altersteilzeitarbeitsvertrages nimmt bezüglich des zwischen den Parteien streitigen Aufstockungsbetrages ausdrücklich Bezug auf die gesetzliche Regelung. Der Arbeitnehmer soll einen Aufstockungsbetrag nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATG erhalten. Nach § 6 Satz 2 des Altersteilzeitarbeitsvertrages ist dieser Aufstockungsbetrag so zu bemessen, dass das monatliche Nettoentgelt 82 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei dem Arbeitnehmer gewöhnlich anfallen, verminderten monatlichen Bruttovollzeitarbeitsentgelt beträgt. Damit nimmt der Vertrag noch einmal Bezug auf die gesetzliche Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATG. Es kommt auf die gesetzlichen Abzüge an, die bei Arbeitnehmern "gewöhnlich" anfallen. Es kommt gerade nicht auf die individuellen Verhältnisse des Klägers an. Daran ändert auch nichts der Hinweis des Klägers, dass in der vertraglichen Vereinbarung von "dem" Arbeitnehmer die Rede ist und nicht von "Arbeitnehmern" wie in § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATG. Der gesamte formularmäßige Altersteilzeitarbeitsvertrag spricht typisierend von dem Arbeitnehmer in der Einzahl und lässt keinerlei individuelle Regelung in Bezug auf den Kläger erkennen. Im Gegenteil: Verwenden Vertragspartner in ihrer Vereinbarung einen Begriff, der in der Rechtsterminologie eine bestimmte vorgegebene Bedeutung hat, so wollen sie den betreffenden Begriff in seiner allgemeinen rechtlichen Bedeutung verstanden und angewendet wissen, soweit sich aus der Vereinbarung nicht etwas anderes ergibt. Die Übernahme der gesetzlichen Begriffe wie etwa der "gesetzlichen Abzüge", die "gewöhnlich anfallen" und die ausdrückliche Bezugnahme auf die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 a ATG sprechen daher für eine Übereinstimmung mit der gesetzlichen Bemessungsgrundlage. Der Unterschied zwischen dem Altersteilzeitarbeitsvertrag der Parteien und der gesetzlichen Regelung besteht in einer anderen Richtung, nämlich in der Höhe des Prozentsatzes für die Ermittlung des Aufstockungsbetrages. Während die gesetzliche Regelung eine Aufstockung auf mindestens 70 % des Nettobetrages vorschreibt (Mindestnettobetrag), gibt die vertragliche Regelung im Einklang mit den tarifvertraglichen Vorgaben dem Arbeitnehmer eine Aufstockung auf 82 % des Nettobetrages. Der Ausgangspunkt des Nettobetrages und seine Berechnungsweise sollten nicht geändert werden, sondern lediglich der Aufstockungssatz.

Der Kläger konnte die vertragliche Vereinbarung mit der Beklagten auch nicht anders verstehen. Im Rahmen der Auslegung von Verträgen sind auch die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände mit einzubeziehen. Dem Kläger ist ausweislich der von ihm ausdrücklich unterzeichneten Gesprächsnotiz eine Woche vor Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrages mitgeteilt worden, dass die Berechnung der Aufstockung auf 82 % Vollzeitnetto über eine durch den Gesetzgeber vorgegebene Nettoliste erfolgt und dass es sich dabei um einen je nach Steuerklasse durchschnittlich ermittelten Betrag handelt, der nicht dem persönlichen Nettogehalt entsprechen muss.

Auch aus den tariflichen Regelungen ergibt sich nichts zu Gunsten des (ebenfalls) tarifgebundenen Klägers. Die tariflichen Bestimmungen nehmen in der hier streitigen Frage der Berechnung des Nettoentgelts auf die gesetzliche Regelung Bezug. Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht offensichtlich keine Meinungsverschiedenheit über die pauschale Berechnungsweise zur Ermittlung des Aufstockungsbetrages. So wird in den vorläufigen Erläuterungen der IG Metall zum Tarifvertrag zur Altersteilzeit in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 20.11.2000 auf Seite 26 darauf hingewiesen, "dass 70 % des vorherigen Nettoentgelts nicht einfach rechnerisch ermittelt werden können, sondern aus den jährlich von der Bundesanstalt für Arbeit herausgegebenen pauschalierten Mindestnettolohntabellen ermittelt werden müssen". Weiter heißt es: "Der Tarifvertrag ändert die oben beschriebene Berechnungsweise nur insofern, als mindestens 82 % des vorherigen Nettoentgelts erreicht werden müssen".

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Für die Zulassung der Revision fehlt es am gesetzlichen Grund. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde unter den Voraussetzungen des § 72 a ArbGG wird verwiesen.

Ende der Entscheidung

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