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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 10 Sa 692/06
Rechtsgebiete: BetrAVG, BGB


Vorschriften:

BetrAVG § 2
BGB § 139
BGB § 242
BGB § 275
BGB § 313
1. Der steuerunschädliche Widerrufsvorbehalt wegen wirtschaftlicher Notlage i. S. d. BdF-Schreibens vom 30.06.1975 - BStBl I S. 716 und der ESt-RiL 2005 zu § 6 a EStG in einer Versorgungszusage hat keine weitergehende Bedeutung als die Berufung auf eine Störung der Geschäftsgrundlage nach allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts.

2. Darauf kann sich der Arbeitgeber bei einer auf individualrechtlicher Grundlage erteilten Versorgungszusage grundsätzlich auch dann nicht berufen, wenn er lediglich in Anwartschaftszuwächse eingreifen will (Weiterführung von BAG vom 17.06.2003).

3. Der sog. Mustervorbehalt kann nicht in dem Sinne umgedeutet werden, dass sich seine Anforderungen an den Eingriffszielen i. S. d. 3-Stufen-Theorie des BAG jeweils variabel ausrichten.


Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.05.2006 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 14 Ca 10030/05 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines (Teil-)Widerrufs einer Versorgungszusage.

Der am 15.11.1944 geborene Kläger steht seit 1.1.1971 in den Diensten der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger. In § 11 des Arbeitsvertrages vom 18.2.1981 sind ihm Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung nach der LH-Pensionsordnung in der jeweils geltenden Fassung zugesagt. Die Pensionsordnung sieht dienstzeitabhängige Steigerungen ( 0,5 % pro Dienstjahr) und gehaltsabhängige Dynamik vor. Diese am 1. 1.1969 eingeführte Pensionsordnung galt bei Abschluss des Arbeitsvertrages in der 3. Fassung v. 1.1.1980. Mit Wirkung v. 1.1.1986 wurde sie im Hinblick auf die Regelungen im gesetzlichen Rentenrecht über die Gleichstellung von Mann und Frau bei der Hinterbliebenenrente durch die 4. Fassung ersetzt. Vorausgegangen war die Betriebsvereinbarung Nr. 113 v. 26.11.1985 über die Einführung einer Witwer-Pension und einer einheitlichen Witwer-/Witwenpension von 50 %, die in die Neufassung eingearbeitet wurde.

§ 12 der Pensionsordnung enthielt auch in der 4. Fassung u. a. folgende Bestimmungen:

"...........

3. LH hofft, die nach den vorstehenden Bestimmungen vorgesehenen Leistungen vermögens-, liquiditäts- und ertragsmäßig dauernd erfüllen zu können. Sie muss sich jedoch vorübergehende oder dauernde Einschränkungen, Kürzung oder Einstellung der Leistungen ausdrücklich vorbehalten für den Fall, dass sich die bei Erteilung der Pensionszusage maßgebenden Verhältnisse nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass LH die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange der Pensionsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.

4. Dies gilt insbesondere, wenn

a) die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert hat, dass ihm eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann oder

b).........

c).........

d)........"

Für die ab 1.11.1980 eingetretenen Mitarbeiter wurden durch Betriebsvereinbarungen Nr. 112,116 vom 26.11.1985 und 26.9.1986 gesonderte Regelungen über die betriebliche Altersversorgung eingeführt, die u. a. im Vergleich zur Versorgungszusage des Klägers geringere Steigerungssätze ( 0,3 % statt 0,5 %) für jedes anrechnungsfähige Beschäftigungsjahr vorsehen. Durch Betriebsvereinbarung Nr. 23 vom 31.8.2000 wurde die mit der Betriebsvereinbarung Nr. 116 gewährte Pensionszusage für Neueintritte geschlossen. Mit Schreiben v. 26.1.2004 kündigte die Beklagte die Betriebsvereinbarung Nr. 116. Mit Schreiben v. 5.5.2004 teilte die Beklagte dem Betriebsrat u. a. mit:

"......

Soweit die alte Pensionsordnung vom 1.1.1969 als einseitige aber verpflichtende Pensionszusage angesehen werden sollte und die Betriebsvereinbarung 113 als eine selbstständige Betriebsvereinbarung anzusehen ist, erklärt die Geschäftsleitung vorsorglich:

1. Die Aufhebung/Schließung einer einseitigen Pensionszusage.

2. Die Kündigung aller weiteren Betriebsvereinbarungen zu Pensionszusagen, insbesondere die Betriebsvereinbarung 113.

Die Geschäftsleitung strebt eine lückenlose Begrenzung der Pensionsansprüche an und will insbesondere das Anwachsen weiterer Pensionsansprüche nach Ende der Kündigungsfrist verhindern.

3. Bereits unverfallbar erworbene Anwartschaften sollen hiervon unberührt bleiben. Soweit nach der geltenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Anwartschaften oder vergleichbare Rechte trotz Kündigung und Aufhebung sich zu Rechtsansprüchen verfestigen können, sollen auch diese Grundsätze beachtet werden."

Mit Schreiben v. 30.6.2005 bat die Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf die zum 31.08.2004 gekündigte Betriebsvereinbarung Nr. 113 um Zustimmung zu einer einzelvertraglichen Vereinbarung, durch die das weitere Anwachsen der Versorgungsansprüche ab Stichtag 31.8.2004 verhindert werden sollte. Nach Ablehnung teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 22.8.2005 unter dem Betreff "Widerruf der Anwartschaftszuwächse" mit, dass sie sich aufgrund der nachhaltig anhaltenden wirtschaftlichen Notlage des Unternehmens gezwungen sehe, die Pensionszusage nunmehr einseitig zu widerrufen. Sie könne ihre Zusage in der bisherigen Fassung nicht aufrechterhalten und müsse die vom Kläger noch nicht erdienten Zuwächse sowie die künftige Dynamik widerrufen. Der aufrechterhaltene Besitzstand entspreche dem quotierten Teilanspruch nach § 2 I BetrAVG. Stichtag sei der 31.8.2004.

Der Kläger hält den Widerruf für unwirksam. Soweit die Beklagte den 31.8.04 als Stichtag für die Berechnung des bereits erdienten Teilbetrages angebe, liege eine Rückwirkung vor, die unzulässig sei, da "zwingende Gründe" im Sinne der BAG-Rechtsprechung nicht vorlägen. Auch habe die Beklagte "triftige Gründe" für den Eingriff in die zweite Besitzstandsstufe, der mit dem Entfallen der künftigen Dynamik verbunden sei, nicht schlüssig dargelegt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass die dem Kläger erteilte Pensionszusage auf der Grundlage der Pensionsordnung 1969 in der 4. Fassung vom 1.1.1986 uneingeschränkt fortbesteht und durch den Widerruf der Beklagten vom 22.8.2005 nicht auf den Anspruchsstand/Anwartschaftsstand zum 31.8.2004 begrenzt wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Aus wirtschaftlichen Gründen habe ein weiteres Anwachsen der Pensionsansprüche verhindert werden müssen. Hierfür lägen zwingende Gründe vor.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es auf die Entscheidung des BAG vom 17.6.2003 verwiesen, wonach sich der Arbeitgeber bei insolvenzgeschützten Versorgungsansprüchen und unverfallbaren Anwartschaften schon dem Grunde nach nicht mehr auf eine wirtschaftliche Notlage berufen könne. Der Kläger habe eine insolvenzgeschützte Anwartschaft, für die der PSV nach § 7 II BetrAVG im Falle der Insolvenz einstandspflichtig wäre. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie vertritt die Auffassung, die Pensionsordnung sei betriebsvereinbarungsoffen. Aufgrund der Kündigung der Betriebsvereinbarung Nr. 113, die keiner Rechtfertigung bedürfe und die als freiwillige Betriebsvereinbarung keine Nachwirkung entfalte, sei der Ausschluss der Anwartschaftszuwächse wirksam. Die Berufung macht geltend, die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse und die sog. erdiente Dynamik seien - anders als vom Arbeitsgericht angenommen - gerade nicht vom PSV zu versichern und daher auch nicht insolvenzfest. Der steuerunschädliche spezielle Vorbehalt in der Pensionsordnung wegen wirtschaftlicher Notlage greife durch. Für den Widerruf seien Gründe dargelegt, die zumindest als sachlich-proportional zu bezeichnen seien und jedenfalls einen Eingriff in noch nicht erdiente dienstzeitabhängige Zuwächse rechtfertigten. Die Beklagte beantragt unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klageabweisung, während der Kläger um Zurückweisung der Berufung bittet.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Die dem Kläger arbeitsvertraglich erteilte Versorgungszusage ist weder kollektiv- noch individualrechtlich eingeschränkt worden.

A. Die Versorgungszusage wurde durch Betriebsvereinbarung nicht abgelöst.

I. Das Berufungsgericht teilt die Auffassung der Beklagten, dass die Versorgungszusage in § 11 des Arbeitsvertrages mit ihrer Bezugnahme auf die Pensionsordnung eine vertragliche Einheitsregelung mit kollektivem Bezug darstellt und grundsätzlich betriebsvereinbarungsoffen ist. Dafür spricht sowohl die Jeweiligkeitsklausel im Arbeitsvertrag, die Bezugnahme auf eine Betriebsvereinbarung in der Pensionsordnung in der 4. Fassung v. 1.1.1986, deren Fortbestand der Kläger geltend macht, als auch die betriebliche Praxis der Änderung der Pensionsordnung durch Abschluss von Betriebsvereinbarungen.

II. Eine die Versorgungszusage des Klägers betreffende ablösende Betriebsvereinbarung liegt aber nicht vor. Die von der Beklagten zitierten Betriebsvereinbarungen Nr. 112, 116 beziehen sich auf Mitarbeiter, die erst seit 1.11.1980 eingetreten sind. Demgegenüber gilt für den Kläger nach § 13 seines Arbeitsvertrages das Eintrittsdatum 1.1.1971.

III. Durch die Kündigung der Betriebsvereinbarung Nr. 113 konnte sich die Beklagte nicht mit Erfolg von ihrer bisherigen Versorgungszusage lösen. Diese Betriebsvereinbarung betrifft zwar Mitarbeiter, die wie der Kläger vor dem 1.11.1980 eingetreten sind. Sie ist auch in der Pensionsordnung v. 1.1.1986 ausdrücklich als "eingearbeitet" erwähnt. Diese Betriebsvereinbarung regelt jedoch nur die Einführung einer Witwer-Pension und einer einheitlichen Witwer-/Witwenpension, die nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist. Im übrigen bleibt die individualrechtliche Grundlage der dem Kläger erteilten Versorgungszusage unberührt. Die bloße Kündigung der Betriebsvereinbarung kann nur die Rechtsgrundlage für Ansprüche entfallen lassen, die ihren Rechtsgrund in der Betriebsvereinbarung selbst haben. Nur wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, stellt sich die Frage der begrenzten Wirkung der Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit bzw. der Anwendung der sog. 3-Stufen-Theorie des BAG. Es kommt daher in diesem Zusammenhang weder auf die 3-Stufen-Theorie noch darauf an, welche Bedeutung der in der Betriebsvereinbarung Nr. 113 vereinbarten Nachwirkungsregelung zukommt.

B. Individualvertragliche Gestaltungsmittel haben die Versorgungszusage nicht verschlechtert.

I. Eine vertragliche Änderung scheidet aus, denn der Kläger hat das Änderungsangebot der Beklagten vom 30.6.2005 abgelehnt.

II. Von dem Instrument der Änderungskündigung hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht.

III. Der (Teil-)Widerruf vom 22.8.2005 ist unwirksam. Er lässt sich nicht mit dem Vorbehalt in § 12 der Pensionsordnung rechtfertigen.

1. § 12 der Pensionsordnung regelt einen ausdrücklichen Widerrufsvorbehalt. Es handelt sich um den üblichen steuerunschädlichen Vorbehalt in Gestalt des allgemeinen und speziellen Vorbehalts im Sinne der Schreiben des BdF v. 30.6.1975 -BStBl I S. 716- und der ESt-RiL 2005 zu § 6 a EStG. Die Beklagte beruft sich auf den speziellen Vorbehalt der wirtschaftlichen Notlage.

2. Die Berufung rügt im Ausgangspunkt zu Recht die Begründung im angefochtenen Urteil, die davon ausgeht, der Widerruf der Beklagten greife in insolvenzgeschützte Rechte ein; nach der Entscheidung des BAG v. 17.6.2003 könne ein solcher Widerruf nicht mehr mit einer wirtschaftlichen Notlage begründet werden.

a. Die zitierte Entscheidung betraf einen anderen Sachverhalt. Sie betraf einen Versorgungsempfänger. Das BAG zog in dieser Entscheidung die Konsequenz aus der Streichung des Sicherungsfalls der wirtschaftlichen Notlage ( § 7 I 3 Nr. 5 BetrAVG aF) durch Art. 91 EGInsO ab 1.1.1999 sowie aus der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs. Nach den Gesetzesmaterialien war dieser Sicherungsfall von der Rechtsprechung des BAG so stark in die Nähe eines außergerichtlichen Vergleichs gerückt worden, dass er als gesonderter Sicherungsfall entbehrlich geworden war. Aufgrund des von der Rechtsprechung hergestellten untrennbaren Zusammenhangs zwischen der Berechtigung zum Widerruf und der Eintrittspflicht des PSV sei nach Streichung des Sicherungsfalls der wirtschaftlichen Notlage ein einseitiger Widerruf auch arbeitsrechtlich nicht mehr zulässig (BT-Drucks. 12/3803, S. 109,110). Die Rechtsprechung habe die Anforderungen an einen Widerruf insolvenzgeschützter laufender Leistungen und Anwartschaften (unantastbarer Besitzstand) weiter präzisiert und weiterentwickelt, so dass kaum ein Anwendungsfall vorstellbar sei, der unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung nicht sogleich in den Sicherungsfall des außergerichtlichen Vergleichs einmünde (BT-Drucks. 12/3803, S. 132 ff, 137/138).

Dieser Vorgabe des Gesetzgebers ist das BAG in seiner Entscheidung v. 17.6.2003 aa0 gefolgt: Der Gesetzgeber habe für wirtschaftliche Notlagen den Sicherungsfall des außergerichtlichen Vergleichs unter Einschaltung des PSV belassen ( § 7 I 4 Nr. 2 BetrAVG nF) und verweise den Arbeitgeber ansonsten auf den Weg des Insolvenzverfahrens.

b. Die Entscheidung des Gesetzgebers und des BAG betrifft - wie sich aus der Verknüpfung mit dem Insolvenzschutz ergibt - nur die insolvenzgeschützten laufenden Versorgungsansprüche und die gesetzlich unverfallbaren Anwartschaften ( Höfer, BetrAVG,Band I, 2006, Rn 4389.3, S. 1343).

Demgegenüber macht die Berufung zu Recht geltend, dass die Beklagte mit ihrem Widerruf nur in Anwartschaftszuwächse und gerade nicht in insolvenzfeste Ansprüche habe eingreifen wollen. Lediglich der für die Berechnung des insolvenzgeschützten Teils der Anwartschaft mitgeteilte Stichtag 31.8.2004 begegnet Bedenken, da es für die Vertragsanpassung aufgrund Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage grundsätzlich auf den Zugang der Widerrufserklärung ankommt ( BAG, Urteil v. 25.1.2000- 3 AZR 871/98, nv, juris Tz 38) und nur in Ausnahmefällen eine Rückwirkung des Berechnungsstichtags auf einen früheren Zeitpunkt wegen Beseitigung schutzwürdigen Vertrauens zulässig ist ( so in BAG, Urteil v. 11.12.2001- 3 AZR 512/00- II 2a der Gründe). Eine unzulässige Vorverlegung des Berechnungsstichtags, die die Beklagte in Anlehnung an den Kündigungstermin der Betriebsvereinbarung Nr .113 zugrunde gelegt hat, hätte aber nur die rechtliche Konsequenz, dass es beim Regelfall der Widerrufswirkung ab Zugang der Erklärung bleibt. Maßgebend ist der im Widerrufsschreiben zum Ausdruck gekommene Wille der Beklagten, in den nach § 2 I BetrAVG erdienten Besitzstand nicht eingreifen, sondern nur die Anwartschaftszuwächse widerrufen zu wollen. Selbst bei einer wegen unzulässiger Vorverlegung des Stichtags angenommenen Teilunwirksamkeit des Widerrufs hätte dies nicht nach § 139 BGB die Unwirksamkeit des ganzen Widerrufs zur Folge, da anzunehmen ist, dass der Widerruf und die angestrebte Neuregelung der Versorgungszusage durch Wegfall der Anwartschaftszuwächse auch ohne die Rückwirkung auf eine Berechnung zum 31.8.2004 vorgenommen worden wäre (BAG, Urteil v. 26.9.2000 - 3 AZR 601/99, juris Tz 69).

c. Für die widerrufenen Zuwächse wäre der Träger der Insolvenzsicherung im Sicherungsfall nicht eintrittspflichtig. Insolvenzgeschützt sind - wie sich aus dem Gesetz ergibt ( § 7 II 3 iVm § 2 I,V BetrAVG ) - weder dienstzeitabhängige Zuwächse noch Zuwächse aufgrund sog. erdienter Dynamik ( BAG, Urteil v. 11.12.2001 - 3 AZR 512/00- Tz 44 ). Bei nicht insolvenzgeschützten Zuwächsen geht es nicht um den Zusammenhang zwischen der Berechtigung zum Widerruf und der Übernahme der widerrufenen Teile durch den Träger der Insolvenzsicherung. Die Entscheidung des BAG v. 17.6.2003 lässt sich daher nicht ohne weiteres auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt übertragen. Das BAG hat in der zitierten Entscheidung, die den Eingriff in laufende Renten betraf, nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass es dem Arbeitgeber von vornherein verwehrt sei, sich auf eine wirtschaftlich schwierige Lage zu berufen und der Arbeitgeber den Insolvenzweg gehen müsse, wenn dieser wie hier lediglich die gesetzlich nicht insolvenzgeschützten Zuwächse bei Anwartschaften begrenzen oder verhindern will. Diese Frage brauchte das BAG nicht zu entscheiden und hat sie offen gelassen.

d. Da es bei Anwartschaftszuwächsen nicht um den im Gesetzgebungsverfahren herausgestellten Zusammenhang zwischen der Berechtigung zum Widerruf und der Übernahme der widerrufenen Teile durch den Träger der Insolvenzsicherung geht, kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der Arbeitgeber könne sich bei gesetzlich nicht insolvenzgesicherten Anwartschaften nicht auf den Widerrufsgrund der wirtschaftlichen Notlage berufen (für eine insoweit fortbestehende Widerrufsmöglichkeit: Höfer aaO 4389.4-6; Andresen/Förster/Rößler/Rühmann, Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung, Bd. II, Teil 12 Rn 225,527 f.; Förster/Rühmann, Münchener Handbuch Arbeitsrecht Bd. 1, 2. Auflage 2000, § 106 Rn 15).

In rechtssystematischer Hinsicht erscheint es ohnehin fragwürdig, aus dem Wegfall eines Sicherungsfalles auf den Wegfall eines Widerrufsgrundes zu schließen. Ob ein Widerrufsgrund besteht, beurteilt sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen.

3. Ob und unter welchen Voraussetzungen die noch nicht erdienten dienstzeitabhängigen Zuwächse und die gehaltsabhängige Dynamik in der Versorgungszusage des Klägers widerrufen werden können, hängt von der Art der Versorgungszusage und der Ausgestaltung des Widerrufsvorbehalts ab.

a. Die Beklagte hat keine Versorgungszusage über eine Unterstützungskasse zugesagt, die sie dazu berechtigen könnte, noch nicht erdiente Anwartschaftsteile aus sachlichen oder triftigen Gründen nach der sog. 3-Stufen-Theorie des BAG zu widerrufen. In § 2 Nr. 2 der Pensionsordnung ist dem Kläger ein Rechtsanspruch auf die Pensionsleistungen eingeräumt worden.

b. Der ausdrückliche Widerrufsvorbehalt wegen wirtschaftlicher Notlage nach § 12 der Pensionsordnung hat keine weitergehende Bedeutung als die Berufung auf eine Störung der Geschäftsgrundlage. Nach ständiger Rechtsprechung werden von den in dieser Bestimmung geregelten steuerunschädlichen Vorbehalten ausschließlich Fallgestaltungen erfasst, die als Rechtsmissbrauch ( § 242 BGB) oder nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§313 BGB) bereits nach allgemeinen Rechtsprinzipien zu einem Ausschluss oder einer Verminderung der Altersversorgung berechtigen (BAG, Urteil v. 26.4.1988 -3AZR 277/87-ArbuR 1989,187- mwN). Auf diese eng gefassten Vorbehalte kann sich der Arbeitgeber nur berufen, wenn ihre Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Daran fehlt es hier.

aa. Die Überlegung, den sog. Mustervorbehalt in der Pensionsordnung im Hinblick auf das erst später vom BAG entwickelte differenzierte Eingriffssystem mit der verfeinerten Interessenabwägung so auszulegen, wie es der 3-Stufen-Theorie heute entspricht, vermag letztlich nicht zu überzeugen. Die hohen Anforderungen an den Widerrufsvorbehalt in der Pensionsordnung, die über das Eingriffssystem des BAG hinausgehen, bezwecken die Steuerunschädlichkeit, an deren Voraussetzungen sich zwischen der Zeit der Versorgungszusage und dem Widerruf im Wesentlichen nichts geändert hat. Dies gilt sowohl für den allgemeinen Vorbehalt als auch den speziellen Notlagen-Vorbehalt aus wirtschaftlichen Gründen, so dass eine am Normzweck der Steuerunschädlichkeit orientierte Auslegung des Widerrufsvorbehalts keine "Aufweichung" der Anforderungen an den arbeitsrechtlichen Vorbehalt zulässt. Aufgrund der ständigen Rechtsprechung des BAG konnte die Beklagte auch nicht damit rechnen, unter anderen als den engen Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage von dem Widerrufsvorbehalt Gebrauch machen zu dürfen.

Selbst wenn zu berücksichtigen ist, dass die Jahrzehnte alten Mustervorbehalte ursprünglich dazu gedacht waren, den Unternehmen den Totalwiderruf der Versorgungszusage zu ermöglichen und die Unterscheidung zwischen erdienten und noch nicht erdienten Versorgungsrechten erst auf die Unverfallbarkeits-Entscheidung des BAG v. 10.3.1972 zurückgeht, rechtfertigt dies nicht die Auslegung, an den Mustervorbehalt bei Eingriffen in künftig entstehende Anwartschaftsteile auf der Tatbestandsseite geringere Anforderungen zu stellen als an den Wegfall der Geschäftsgrundlage nach allgemeinen Grundsätzen des Schuldrechts ( aA Blomeyer in Anm. zu BAG v. 26.4.1988, ArbuR 1989, 190 mit Hinweis auf den Rechtsgedanken des § 140 BGB). Zu Recht weist Blomeyer darauf hin, dass ein vom anerkannten Mustervorbehalt abweichender Vorbehalt Gefahr läuft, nicht mehr als steuerunschädlich anerkannt zu werden. Gerade das sollte aber mit der Formulierung des Mustervorbehalts, wie er in der Pensionsordnung der Beklagten Eingang gefunden hat und weiter aufrechterhalten wurde, verhindert werden. Es bleibt daher dabei, das der Widerruf nur dann möglich ist, wenn seine Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, selbst wenn die vom Arbeitgeber angestrebten Rechtsfolgen bzw. Eingriffe nur Anwartschaftszuwächse betreffen, für die nach der 3-Stufen-Theorie des BAG lediglich sachliche oder triftige Gründe erforderlich wären.

bb. Die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage für das Versorgungsversprechen liegen aus mehreren Gründen nicht vor.

Zunächst begegnet es grundsätzlichen dogmatischen Bedenken, eine Störung der Geschäftsgrundlage ( § 313 BGB ) mit der wirtschaftlichen (Not-) Lage zu begründen, weil § 275 BGB keinen Ausschluss der Leistungspflicht aus wirtschaftlichen Gründen vorsieht. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenzstörung lässt sich nicht rechtfertigen. Die wirtschaftliche Notlage berührt nicht das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung. Leistungserschwerungen und unerwartete Finanzierungsschwierigkeiten gehen grundsätzlich zu Lasten des Geldschuldners.

Das Gleiche gilt für den betriebsrentenspezifischen Wegfall der Geschäftsgrundlage, den das BAG auf den Gedanken der Solidargemeinschaft zwischen aktiver Belegschaft und Pensionären gestützt und mit der Entscheidung v. 17.6.2003 aufgegeben hat. Er passt auch nicht auf den vorliegenden Fall gesetzlich nicht insolvenzgeschützter Anwartschaftszuwächse. Insbesondere geht es nicht darum, dass Betriebsrentner ihre Rentenansprüche nicht zu Lasten der Arbeitsplätze der Belegschaft durchsetzen sollen (kritisch zum Gedanken der Solidargemeinschaft in der - früheren - Rechtsprechung: Blomeyer, RdA 1977,1,8 ff ).

Selbst wenn man den Notlagen-Vorbehalt im Hinblick auf die jahrzehntelange Rechtsprechung aus Gründen des Vertrauensschutzes als betriebsrentenspezifischen Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nunmehr für nicht insolvenzgeschützte Anwartschaftszuwächse aufrechterhalten wollte, würde dies der Beklagten nicht weiterhelfen, weil sie die Voraussetzungen eines Widerrufs wegen wirtschaftlicher Notlage nicht hinreichend dargelegt hat. Danach muss sich das Unternehmen in einer existenzbedrohenden insolvenzgleichen Notlage befinden, die eine Sanierung nur unter Opfer aller Beteiligten einschließlich der Versorgungsberechtigten aussichtsreich erscheinen läßt. Als formelle Voraussetzung muss der Nachweis der Notlage durch ein betriebswirtschaftliches Gutachten eines Sachverständigen unter Darstellung ihrer Ursachen erbracht werden und ein Sanierungsplan erstellt sein. Aus diesem muss hervorgehen, dass die Lasten gerecht verteilt sind und eine Überwindung der Krise erreicht werden kann ( vgl. u. a. BAG, Urteil v. 24.4.2001 - 3 AZR 402/00- , BAG, Urteil v. 18.4.1989 - 3 AZR 688/87- AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Betriebsvereinbarung ).

Die von der Beklagten eingereichten Unterlagen, die Jahresabschlüsse, Lageberichte, Kreditbestätigungen und Planungen mögen zwar für eine schwierige wirtschaftliche Lage sprechen, die die Beklagte dazu berechtigen mag, eine Anpassung laufender Leistungen nach § 16 BetrAVG, die zuletzt 2003 erfolgte, zu unterlassen, was nach ihrer Erklärung in der Berufungsverhandlung im "Anpassungsjahr" 2006 auch realisiert worden sei. Ein Nachweis wirtschaftlicher Notlage durch Betriebsanalyse eines Sachverständigen liegt aber nicht vor. Außerdem fehlt ein Sanierungsplan im oben aufgezeigten Sinn. Wie die Sanierungslasten auf Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Pensionäre und weitere Gläubiger verteilt werden, so dass Rückschlüsse auf eine gerechte Verteilung möglich sind, ist nur ansatzweise und pauschal vorgetragen.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO.

D. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, da es hierfür am gesetzlichen Grund fehlt.

Ende der Entscheidung

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