Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: 10 TaBV 18/03
Rechtsgebiete: BetrVG, MTV Hotel- u. Gaststätten NW


Vorschriften:

BetrVG § 87 I Nr. 10
MTV Hotel- u. Gaststätten NW § 9
Keine Änderung des Verteilungsgrundsatzes und daher kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei linearer Kürzung der über dem tariffesten Anspruch liegenden übertariflichen Weihnachtsgratifikation um die Hälfte.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

10 TaBV 18/03

In Sachen

hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Anhörung vom 20.11.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schroeder als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter König und Fomferek

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den am 22.01.2003 verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn - 2 BV 93/02 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der von der Arbeitgeberin vorgenommenen Kürzung der Weihnachtsgratifikation zusteht.

Antragsteller ist der aus neun Personen bestehende Betriebsrat im B Betrieb der Arbeitgeberin. Die Arbeitgeberin schließt mit ihren Arbeitnehmern schriftliche Arbeitsverträge, denen "Allgemeine Vertragsbedingungen" beigefügt sind. Diese enthielten bis Ende 2001 in Ziffer 12 und 13 folgende Regelungen:

"12. Der im ungekündigten Arbeitsverhältnis stehende AN erhält als Teil des Dezembergehalts eine Weihnachtsgratifikation als freiwillige Leistung von 20 % der vereinbarten Monatsvergütung im ersten Jahr der Betriebszugehörigkeit, jedoch nur bei mindestens sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit und in Höhe von 1/12 je Beschäftigungsmonat.

In den folgenden Jahren erhöht sich die Weihnachtsgratifikation um je 20 % auf 100 % im fünften Jahr.

Die Weihnachtsgratifikation wird anteilig gekürzt für die Zeiträume, in denen der AG nicht zur Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlung verpflichtet war.

Endet das Arbeitsverhältnis, nachdem der AN vorstehende Gratifikation erhalten hat, aufgrund einer Kündigung des AN oder einer Kündigung des AG aus verhaltensbedingten Gründen, so gilt:

a) In Höhe eines Betrages von DM 200,00 braucht der AN die Gratifikation nicht zurückzuzahlen.

b) Eine Gratifikation unter einer Monatsvergütung ist mit Ausnahme des Betrages von DM 200,00 voll zurückzuzahlen, falls der AN vor dem 01.04. des folgenden Jahres ausscheidet.

c) Eine Gratifikation in Höhe einer Monatsvergütung ist mit Ausnahme des Betrages von DM 200,00 voll zurückzuzahlen, falls der AN vor dem 01.07. des folgenden Jahres ausscheidet.

13. Auf über die vertraglich zugesagten Leistungen des AG hinausgehende freiwillige Leistungen besteht auch bei Wiederholungen kein Rechtsanspruch."

In einer späteren Fassung der Allgemeinen Vertragsbedingungen, Stand Januar 2002, ist um eine Ziffer nach hinten verschoben folgende Regelung aufgenommen:

"13. Weihnachtsgratifikation

Der am 30.11. des jeweiligen Jahres in einem ungekündigten und nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis stehende AN erhält als Teil des November-Gehalts eine Weihnachtsgratifikation als freiwillige stets widerrufbare Leistung des AG von 20 % des für den Monat November vereinbarten Bruttomonatsgehalts im ersten Jahr der Betriebszugehörigkeit, jedoch nur bei Eintritt vor dem 01.07. des Jahres und nur in Höhe von 1/12 je Beschäftigungsmonat.

In den folgenden Jahren, gerechnet ab dem ersten Auszahlungsjahr, erhöht sich die Weihnachtsgratifikation um je 20 % auf maximal 100 %.

Die Weihnachtsgratifikation wird anteilig gekürzt für die Zeiträume, in denen der AG nicht zur Lohn- bzw. Gehaltsfortzahlung verpflichtet war oder in denen das Arbeitsverhältnis ruht. Endet das Arbeitsverhältnis, nachdem der Arbeitnehmer die vorstehende Gratifikation erhalten hat, aufgrund einer Kündigung des AN oder einer Kündigung des AG aus verhaltensbedingten Gründen, so gilt:

a) Eine Gratifikation bis zu Euro 100,00 braucht der AN nicht zurückzuzahlen.

b) Eine Gratifikation über Euro 100,00, aber unter einer Monatsvergütung, ist vollzurückzuzahlen, falls der AN vor dem 31.03. des folgenden Jahres ausscheidet.

c) Eine Gratifikation in Höhe einer Monatsvergütung ist voll zurückzuzahlen, falls der AN vor dem 30.06. des folgenden Jahres ausscheidet.

14. Freiwillige Leistungen

Leistungen, die der AG in Abweichung von oder zusätzlich zu den vertraglich zugesagten Leistungen gewährt, sind freiwillige, stets widerrufbare Leistungen, durch die weder eine Bindung für die Zukunft, noch ein Rechtsanspruch begründet wird."

Nach dem allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes N vom 23.03.1995 in der Fassung vom 17.03.2002 hat jeder Arbeitnehmer, der am 01.12. des jeweiligen Kalenderjahres in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis steht, Anspruch auf eine Sonderzahlung von 50 % des tariflichen Monatseinkommens. Nach Ziffer 9.3 dieses Tarifvertrages können auf die Jahressonderzahlung aus gleichem Anlass freiwillig, einzelvertraglich oder übervertraglich gezahlte Leistungen angerechnet werden.

Die Arbeitgeberin, die an ihre Arbeitnehmer überwiegend übertarifliche Bruttomonatsvergütungen in unterschiedlicher Höhe zahlt, gewährte in den vergangenen Jahren bis einschließlich des Jahres 2001 an ihre Arbeitnehmer jeweils zum Ende November des Jahres ein Weihnachtsgeld, das sich aus der tariflichen Sonderzahlung und einem Aufstockungsbetrag entsprechend der Dauer der Betriebszugehörigkeit bis auf maximal 100 % der vereinbarten Effektivvergütung nach Maßgabe der Allgemeinen Vertragsbedingungen zusammensetzte. Bei der jeweiligen Auszahlung des Weihnachtsgeldes hat die Arbeitgeberin schriftlich darauf hingewiesen, dass es sich bei der übertariflichen Gratifikationszahlung um eine freiwillige Leistung handele, wie es zusätzlich in den Allgemeinen Vertragsbedingungen geregelt sei, und dass auf Grund der Freiwilligkeit keine Rechtsansprüche für die Zukunft begründet würden, sofern der Arbeitsvertrag des betreffenden Arbeitnehmers nichts Gegenteiliges vorsehe.

Mit Schreiben vom 25.11.2002 teilte die Hauptverwaltung der Arbeitgeberin allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit, dass sie vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Lage des laufenden Jahres und der Erwartung an die Entwicklung für das Jahr 2003 im Hinblick auf die Erhaltung der Arbeitsplätze Einschnitte bei der Zahlung der Weihnachtsgratifikation vornehmen müsse. Mit Schreiben vom 27.11.2002 teilte die Regionaldirektion Bonn ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit, dass mit der Lohn-/Gehaltsabrechnung für November 2002 trotz der Einschnitte teilweise ein übertarifliches Weihnachtsgeld ausgezahlt werde. Weiterhin enthält dieses Schreiben den jeweils bei der Gratifikationszahlung in den Vorjahren gegebenen Hinweis, dass es sich bei übertariflicher Gratifikationszahlung um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft handele.

Die Arbeitgeberin kürzte das Volumen der übertariflichen Gratifikation um die Hälfte und zahlte an ihre Arbeitnehmer für das Jahr 2002 eine Weihnachtsgratifikation aus, die sich aus der tariflichen Jahressonderzahlung gemäß § 9 MTV in Höhe von 50 % des jeweiligen Tarifentgelts und der Hälfte der Differenz zwischen effektivem Bruttogehalt und tariflicher Jahressonderzahlung zusammensetzte.

Bei dieser Kürzung wurde weder der antragstellende Betriebsrat noch der auf Bundesebene bestehende Gesamtbetriebsrat beteiligt.

Der Betriebsrat nimmt für sich das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Anspruch. Er meint, durch die Kürzung hätten sich die Verteilungsgrundsätze geändert. Nach der Kürzung sei das Verhältnis zwischen dem aus Tarifanspruch und betrieblicher Sonderzahlung zusammengesetzten (Gesamt-) Weihnachtsgeld und dem persönlichen Bruttomonatsgehalt verschieden. Die Arbeitnehmer erhielten nunmehr bei gleicher Betriebszugehörigkeit nicht mehr den gleichen Staffelprozentsatz an Weihnachtsgeld bezogen auf das persönliche Bruttomonatsgehalt. Dadurch sei auch das früher geltende Prinzip "Lohngerechtigkeit durch gleiche Staffelprozente" aufgehoben worden. Unabhängig von veränderten Verteilungsgrundsätzen stehe ihm ein Mitbestimmungsrecht auch deshalb zu, weil die Arbeitnehmer mangels rechtzeitigen Widerrufs der Sonderzuwendung zum Auszahlungszeitpunkt bereits einen ungekürzten Anspruch auf die betriebliche Weihnachtszuwendung erworben hätten. Das Schreiben der Arbeitgeberin vom 25.11.2002, in dem sie Einschnitte beim Weihnachtsgeld angekündigt habe, sei für einen Widerruf zu unbestimmt. Erst nach Durchführung der Kürzungsmaßnahme sei der konkrete Umfang ersichtlich geworden.

Der Betriebsrat hat die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der Kürzung des Weihnachtsgeldes für den Betrieb B im Jahr 2002 beantragt, die Arbeitgeberin die Zurückweisung des Antrags mit der Begründung, dass sich die Verteilungsgrundsätze durch die Kürzung nicht geändert und die Arbeitnehmer kein Rechtsanspruch auf die übertarifliche Weihnachtszuwendung hätten.

Das Arbeitsgericht ist der Auffassung der Arbeitgeberin gefolgt und hat den Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Betriebsrats, in der die Beteiligten an ihren jeweiligen Rechtsansichten festhalten.

Der Betriebsrat beantragt,

den angefochtenen Beschluss abzuändern und festzustellen, dass die Kürzung des Weihnachtsgeldes bei der Arbeitgeberin für den Betrieb Bonn im Jahr 2002 sowie die Regelung der Modalitäten dieser Kürzung der Mitbestimmung des Betriebsrats unterlagen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den angefochtenen Beschluss, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Betriebsrats ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

1. Der antragstellende Betriebsrat für den Betrieb Bonn der Arbeitgeberin ist zuständig, selbst wenn im Hinblick auf die unternehmenseinheitliche Kürzungsregelung beim Weihnachtsgeld 2002 eine originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG angenommen würde. Soweit eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats kraft Gesetzes bestände, dieser jedoch wie vorliegend von ihr keinen Gebrauch gemacht hat, bleiben die einzelnen Betriebsräte zur Regelung der Angelegenheit befugt.

2. Das Arbeitsgericht hat zu Recht das allein in Betracht kommende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mit zutreffender Begründung verneint. Das Beschwerdegericht nimmt zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe der Vorinstanz Bezug. Die Beschwerde rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die Voraussetzungen des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG liegen nicht vor.

a) § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gibt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Bei freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers kann dieser frei entscheiden, ob und in welchem Umfang er zusätzliche Leistungen erbringen will oder nicht (sog. Dotierungsrahmen). Das gilt für die Einführung als auch für die Kürzung und Einstellung solcher Leistungen. Ein Mitbestimmungsrecht kann der Betriebsrat nur hinsichtlich der Verteilung geltend machen. Beachtet der Arbeitgeber bei der Neufestsetzung des Gesamtvolumens für die freiwillige Leistung die bisherigen Verteilungsgrundsätze, so dass sich das rechnerische Verhältnis der einzelnen Zulagen zueinander nicht verschiebt, scheidet ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aus, da nicht die Kürzungsentscheidung, sondern allein die Änderung des Verteilungsgrundsatzes der Mitbestimmung unterliegt (BAG, Beschluss vom 03.12.1991 - GS 2/90 - C III 5 der Gründe, NZA 1992, 749, 757).

b) Die Arbeitgeberin hat durch die Kürzung des übertariflichen Bestandteils der Weihnachtsgratifikation das rechnerische Verhältnis der einzelnen übertariflichen Zulagen zueinander nicht verschoben. Alle übertariflichen Bestandteile der Weihnachtsgratifikation wurden mit dem gleichen Prozentsatz um die Hälfte gekürzt.

aa) Zunächst ist festzustellen, dass die Arbeitnehmer entgegen der Auffassung des Betriebsrats keinen Rechtsanspruch auf ungekürzte Auszahlung der Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2002 hatten. Dies ergibt sich sowohl aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen als Bestandteil der Arbeitsverträge als auch und insbesondere aus den mit der jeweiligen Auszahlung in der Vergangenheit verbundenen Begleitschreiben mit dem Hinweis, dass es sich bei der übertariflichen Gratifikationszahlung um eine freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft handelt. Anders als bei der Vereinbarung eines bloßen Widerrufsvorbehalts kann der Arbeitgeber die Leistung ohne vorherige Ankündigung und ohne Bindung an § 315 BGB einstellen (BAG, Urteil vom 12.01.2000 - 10 AZR 840/98 - NZA 2000, 944, 945). Abgesehen davon hat die Arbeitgeberin ihren Beschäftigten mit Schreiben vom 25.11. und 27.11.2002 vor Auszahlung eine Kürzung des übertariflichen Weihnachtsgeldes unter Angabe auch vom Betriebsrat nicht in Abrede gestellten Sachgründen angekündigt.

Mitbestimmungsrechtlich führt die von einem Anspruch der Beschäftigten auf ungekürzte Gratifikation ausgehende Argumentation des Betriebsrats auch nicht zu dem von ihm angenommenen Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Das Mitbestimmungsrecht reicht nicht weiter als das Entscheidungsrecht des Arbeitgebers. Nur soweit der Arbeitgeber Gestaltungsfreiheit für Regelungen hat, kann der Betriebsrat bei deren Ausgestaltung mitbestimmen. Ist dem Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag nicht gestattet, eine Zuwendung zu kürzen, so kann sich insoweit eine mitbestimmungspflichtige Frage der betrieblichen Lohngestaltung nicht stellen (BAG, Urteil vom 07.02.1996 - 1 AZR 657/95 - AP Nr. 85 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).

bb) Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats lässt sich nicht damit begründen, dass sich nach der Kürzung unterschiedliche Prozentsätze ergeben, wenn die Gesamtgratifikation, bestehend aus der tariflichen und betrieblichen Sonderzahlung, zum persönlichen Gehalt des einzelnen Arbeitnehmers ins Verhältnis gesetzt wird. Richtig ist, dass bei den unterschiedlichen, überwiegend übertariflichen Gehältern in unterschiedlicher Höhe die von der Arbeitgeberin vorgenommene lineare Kürzung der außertariflichen Komponente der Weihnachtszuwendung um 50 % zu unterschiedlichen Relationen zwischen Gesamtgratifikation und persönlichem Gehalt führt. Je höher das übertarifliche Gehalt ist, desto größer sind die prozentualen Auswirkungen der Kürzung im Verhältnis Gesamtgratifikation zu persönlichem Gehalt. Dies hängt damit zusammen, dass die tarifliche Sonderzahlung, die sich auf den Tariflohn bezieht, prozentual stärker ins Gewicht fällt, was an folgendem vereinfachten Beispiel deutlich gemacht werden kann:

Bezieht der Arbeitnehmer A mit Tariflohn von 1.000,00 € bei einem Staffelprozentsatz von 100 eine Gesamtgratifikation von 1.000,00 €, setzt sich die Weihnachtsgratifikation aus 500,00 € Tarifanspruch und 500,00 € außertariflicher Gratifikation zusammen. Bezieht ein anderer Arbeitnehmer B mit gleichem Tariflohn ein doppelt so hohes Effektivgehalt von 2.000,00 €, erhält er bei einem Staffelprozentsatz von 100 2.000,00 € an Weihnachtsgeld, das sich aus 500,00 € Tarifanspruch und 1.500,00 € außertariflicher Gratifikation zusammen setzt. Die von der Arbeitgeberin vorgenommene Kürzung des nicht tariffesten Anspruchs um die Hälfte führt beim Arbeitnehmer A mit dem Tariflohn von 1.000 € zu einer Kürzung der freiwilligen Leistung auf 250,00 € und bei dem übertariflichen Arbeitnehmer B zu einer Kürzung auf 750,00 €. Der Arbeitnehmer A erhält nach der Kürzung also 750,00 € Gesamtgratifikation = 75 % seines Gehalts, der Arbeitnehmer B erhält nach der Kürzung 1.250,00 € Gesamtgratifikation = 62,5 % des persönlichen Gehalts.

Während der Betriebsrat auf diese Verschiebung der Relationen entscheidend zur Begründung seines Mitbestimmungsrechts abstellt, ist nach Auffassung der Kammer bei der Frage der Verteilung freiwilliger Leistungen, deren Volumen gekürzt wurde, darauf abzustellen, ob sich die Relationen bei der Verteilung der freiwilligen Leistung durch die mitbestimmungsfrei vorgegebene Kürzung des Dotierungsrahmens verändert haben. Das ist nicht der Fall.

cc) Die Kürzung der von der Arbeitgeberin über den Tarifanspruch hinaus bereitgestellten freiwilligen Leistung beträgt nicht nur bei allen Arbeitnehmern gleichmäßig 50 %. Auch das Verhältnis der Höhe der außertariflichen Leistungen zueinander hat sich durch die Kürzung nicht verändert. Im Ausgangsbeispiel bezog der Arbeitnehmer A vor der Kürzung 50 % seines Gehalts als außertarifliche Leistung bzw. 100 % bezogen auf den Tarifanspruch. Der Arbeitnehmer B erhielt vor der Kürzung 75 % seines Gehalts als außertarifliche Leistung bzw. 300 % bezogen auf den Tarifanspruch. Nach der Kürzung erhält der Arbeitnehmer A 25 % seines Gehalts als außertarifliche Leistung bzw. 50 % bezogen auf den Tarifanspruch. Der Arbeitnehmer B erhält nach der Kürzung 37,5 % seines Gehalts als außertarifliche Leistung bzw. 150 % bezogen auf den Tarifanspruch. Die Kürzung der übertariflichen Leistung um den gleichen Prozentsatz hat den bisherigen Verteilungsgrundsatz nicht geändert. Auch nach der Kürzung stehen die übertariflichen Leistungen im gleichen Verhältnis zueinander, im Beispielsfall im Verhältnis eins zu drei. Das gilt auch für die Relation der außertariflichen Leistung zum persönlichen Gehalt. Insoweit sind die Verhältnisse zwischen den Arbeitnehmern A und B von 50 % zu 75 % vor der Kürzung und 25 % zu 37,5 % nach der Kürzung unverändert geblieben.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die prozentualen Auswirkungen der Kürzung der freiwilligen übertariflichen Sonderzahlung bei allen Arbeitnehmern gleich geblieben sind, unabhängig davon, ob der Begünstigte tariflich oder übertariflich vergütet wird. Dies gilt auch unabhängig davon, in welchem Staffelprozentsatz sich die einzelnen Arbeitnehmer befinden. Die Kürzung der übertariflichen Sonderzahlung ist bei allen Arbeitnehmern, die darauf nach den "Allgemeinen Vertragsbedingungen" Anspruch haben, prozentual gleich, d. h. sie bekommen nur die Hälfte der bisher gezahlten freiwilligen Leistungen.

dd) Eine Änderung des bisherigen im Einvernehmen der Betriebsparteien bestehenden Verteilungsgrundsatzes käme nur dann in Betracht, wenn durch die Kürzung um den gleichen Prozentsatz ein den Arbeitnehmern zustehender Sockelbetrag unterschritten worden wäre. Auch das ist nicht der Fall. Der den Arbeitnehmern unentziehbar zustehende "Sockelbetrag" ist der Tarifanspruch. Er bleibt unangetastet. Zwischen den Beteiligten ist auch nicht im Streit, dass schon in der Vergangenheit das tariflich geschuldete Weihnachtsgeld in Höhe von 50 % des Tarifgehalts auf die betriebliche Weihnachtsgeldzahlung in voller Höhe angerechnet wurde, was je nach Staffelprozentsatz und persönlichem Gehalt das Ergebnis haben konnte und nach wie vor haben kann, dass die betriebliche Regelung über die Weihnachtszuwendung zu keiner Zahlung über den Tarifanspruch hinaus führt. Im allein maßgebenden Bereich der übertariflichen Zahlung blieben die Relationen unverändert.

c) Die vom Betriebsrat angesprochene Alternative, die Kürzung des Volumens des übertariflichen Weihnachtsgeldes durch Beibehaltung derselben Relation der Gesamtgratifikation zum persönlichen Gehalt umzusetzen, würde zu einer Veränderung des bisherigen Verteilungsgrundsatzes führen. Wenn im Ausgangsbeispiel die Arbeitnehmer A und B wegen gleicher Betriebszugehörigkeit ab fünf Jahren statt 100 % des persönlichen Gehalts als Weihnachtsgratifikation nach der Kürzung einheitlich etwa 75 % ihres Gehalts bekämen, würde die Kürzung ungleichmäßig weitergegeben. Die Relation des Bezugs übertariflicher Leistungen zueinander würde sich zu Gunsten der übertariflich bezahlten Arbeitnehmer verändern. Im Ausgangsbeispiel erhielt der Arbeitnehmer A nach der Kürzung 750,00 € und der Arbeitnehmer B 1.500,00 € an Weihnachtsgeld. Standen die außertariflichen Leistungen dieser beiden Arbeitnehmer vorher im Verhältnis eins zu drei, so haben sie sich nach der Kürzung zu dem Verhältnis eins zu vier verschoben. Der Arbeitnehmer A erhielte nur noch 250,00 € außertarifliche Leistung, der Arbeitnehmer B 1.000,00 € außertarifliche Leistung.

d) Die außertarifliche Leistung für das Weihnachtsgeld vor und nach der Kürzungsentscheidung der Arbeitgeberin lässt sich in einer Formel wie folgt zusammenfassen:

AT-Weihnachtsgeld = (Staffelprozent x persönliches Gehalt) - 50 % Tarifgehalt.

Nach der Kürzung lautet die Formel:

AT-Weihnachtsgeld = (Staffelprozent x persönliches Gehalt) - 50 % Tarifgehalt 2

Ein anderer hier nicht zu entscheidender Sachverhalt, der einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand auslösen kann, läge erst bei einer Tariflohnerhöhung mit unterschiedlicher Anrechnung der Erhöhung auf übertarifliche Gehälter vor, weil sich dadurch die Verteilungsgrundsätze hinsichtlich der übertariflichen Leistungen verschieben können. Die Kürzungsentscheidung der Arbeitgeberin und ihre Umsetzung beim Weihnachtsgeld allein ändert die bisherigen Verteilungsgrundsätze nicht.

Ende der Entscheidung

Zurück