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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 05.12.2005
Aktenzeichen: 11 (13) Sa 647/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 313
Mit einer Gesamtversorgungszusage übernimmt der Arbeitgeber grds. das Risiko, dass sich in Zukunft die Berechnungsgrundlagen für die Altersversorgung - insbesondere die Steigerung der Sozialversicherungsrente - anders entwickelt, als es im Zeitpunkt der Zusage absehbar war. Nach Abgabe eines solchen Gesamtversorgungsversprechens kann sich der Arbeitgeber deshalb nur in krassen Ausnahmefällen auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.11.2004 - 16 Ca 7487/04 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe der vom Beklagten zu zahlenden Betriebsrente.

Der am 22.08.1937 geborene Kläger war vom 01.07.1962 bis zum 30.11.1997 bei der Beklagten bzw. Ihrem Rechtsvorgänger beschäftigt. Anschließend bezog er vorgezogenes Altersruhegeld und seit dem gleichen Zeitpunkt eine betriebliche Altersversorgung.

Grundlage der betrieblichen Altersversorgung ist eine Betriebsvereinbarung vom 25.06.1976, geändert durch die Betriebsvereinbarungen vom 04.06.1993 und vom 17.11.1995. Es handelt sich um eine sogenannte Gesamtversorgung. Der Ruhegehaltsanspruch beträgt nach zehnjähriger anrechnungsfähiger Dienstzeit 35 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge und steigt mit jedem weiteren Dienstjahr bis zum Höchstsatz von 75 %. Auf den in dieser Weise berechneten Versorgungsbetrag wurde die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet. Der nach der Erstfestsetzung geschuldete monatliche Betrag wurde von der Beklagten jährlich dynamisiert nach Maßgabe der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge der Beamten des Landes NRW gemäß LBO NW. Hieraus wurde für jeden Arbeitnehmer der Betrag der Gesamtversorgung jährlich neu berechnet. Auf den dadurch berechneten Gesamtversorgungsbetrag wurde der anrechnungsfähige Teil der aktuellen Sozialversicherungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet. Seit dem 01.04.2004 weicht die Beklagte von dieser Art der Dynamisierung ab mit dem Ziel, die Entwicklung der zu zahlenden Betriebsrente von der Entwicklung der Sozialversicherungsrente abzukoppeln. Der auf der Grundlage der Gesamtrentenfortschreibung im Jahre 2003 für den jeweiligen Versorgungsempfänger berechnete und von dem Beklagten geschuldete Versorgungsbetrag (Differenz zwischen Gesamtversorgung und Sozialversicherungsrente zum Stichtag), wurde als Nominalbetrag zugrunde gelegt und ab dem Jahre 2004 ausschließlich nach der Maßgabe der LBO dynamisiert. Eine Berücksichtigung der Veränderungen der Sozialversicherungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt seither für den monatlichen Versorgungsbezug und die Sonderzuwendung nicht mehr.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der einseitige Eingriff der Beklagten in die Versorgungsansprüche aus Rechtsgründen nicht zulässig sei.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.04.2004 eine Gesamtversorgung, die in Form einer Gesamtrentenfortschreibung dynamisiert wird, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, sie sei unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt gewesen, die bisherige Gesamtrentenfortschreibung durch ein anderes Dynamisierungsverfahren zu ersetzen. Die Sozialversicherungsrenten hätten sich in Folge rentenrechtlicher Änderungen wesentlich langsamer erhöhten als die Beamtenbesoldung. Dadurch steige die Betriebsrente schneller an als dies im Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusagen habe erwartet werden können. Dieser Trend werde durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz noch wesentlich verstärkt. Die Belastung für das Unternehmen erhöhe sich dadurch in einer Weise, die nicht zumutbar sei. Leistung und Gegenleistung stünden in keinem ausgewogenen Verhältnis mehr. Überschlägig geschätzt könnten die sozialversicherungsrechtlichen Änderungen, insbesondere durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz, zu einer Erhöhung des Betriebsrentenbarwerts um 16 % führen. Die Beklagte hat sich hierzu erstinstanzlich auf ein Gutachten der Dr. Dr. H G aus dem Monat November 2003 berufen, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird. Die Beklagte hat weiter die Ansicht vertreten, die Geschäftsgrundlage sei auch deshalb gestört, da dass Einkommen der aktiven Beschäftigten inzwischen wesentlich geringer steige als die zu zahlenden Betriebsrenten. Die gesetzlichen Änderungen bei den Sozialversicherungsrenten seien auch nicht vorhersehbar gewesen. Es sei ihr, der Beklagten, auch nicht zuzumuten abzuwarten, bis sich die Nachteile aus dem fortschreitenden Auseinanderlaufen von Brutto-Besoldung und Sozialversicherungsrenten voll realisierten.

Das Arbeitsgerichts Köln hat mit Urteil vom 23.11.2004 der Klage stattgegeben mit der Begründung, aus den Darlegungen der Beklagten ergebe sich keine Störung der Geschäftsgrundlage.

Gegen das ihr am 27.04.2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Köln hat die Beklagte am 11.05.2005 Berufung eingelegt die - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 27.07.2005 - am 27.07.2005 begründet worden ist.

Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, dass der Eingriff in die Dynamisierung der laufenden Betriebsrenten unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gerechtfertigt sei. Aus den gesetzgeberischen Eingriffen in die Sozialversicherungsrente resultiere eine Mehrbelastung, die zu einer Äquivalenzstörung geführt habe: Das Verhältnis der Leistung des Klägers (Betriebstreue) zu der Gegenleistung "Betriebsrente" sei nicht mehr gleichwertig. Der Beklagte beruft sich in zweiter Instanz nunmehr auf ein Gutachten der Dr. Dr. H G von Dezember 2004, auf dessen Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass durch gesetzgeberische Eingriffe in die Sozialversicherungsrente, bezogen auf den Personenkreis aller einschlägigen Betriebsrentenempfänger am Stichtag 31.12.2003, Mehrbelastungen in Höhe von 32,8 % entstanden seien. Aufgrund des sozialversicherungsrechtlichen Ist-Zustands am 31.12.2003 sei sie um 32,8 % höher belastet im Vergleich zu demjenigen Zustand, der sich am selben Stichtag ergeben hätte, wenn die bei Erteilung der Versorgungszusage an die jeweiligen Betriebsrentner gegebenen sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen unverändert Bestand gehabt hätten. Zusätzlich ergebe sich, wie dem Gutachten ebenfalls zu entnehmen sei, für die Zeit ab Anfang 2004, auf die Zukunft hochgerechnet, eine zusätzliche Mehrbelastung in Höhe von 11,5 %. Schließlich führe die sogenannte Nullrunde bei der Sozialversicherungsrente im Jahre 2004 zu einer weiteren Belastung in Höhe von 1,74 %. Insgesamt ergebe sich somit eine Mehrbelastung im Umfang von 46,04 %.

Die Beklagte meint, außerdem sei auch eine Zweckverfehlung der ursprünglichen Versorgungszusage eingetreten, denn die gesetzlichen Eingriffe in das Sozialversicherungsrecht hätten dazu geführt, dass die Brutto-Betriebsrente (Differenz zwischen Gesamtversorgung und Sozialversicherungsrente) nunmehr weit stärker steige als die Brutto-Vergütung der aktiven Mitarbeiter. Der Zweck der Versorgungszusage sei geprägt gewesen von der Vorstellung, dass sich die Steigerung der Bruttobelastung durch die Zahlung der Betriebsrenten im Gleichlauf bewege mit der Steigerung der Bruttobelastung durch die Zahlung der Aktivenbezüge. Dieser Zweck sei durch die sinkenden Sozialversicherungsrenten verfehlt.

Der vorgenommene Eingriff in die Dynamisierung sei auch maßvoll und angemessen. Er führe nicht zu einer Rentenminderung, sondern nur zu einem "weniger an Mehr".

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.11.2004 - 16 Ca 7487/04 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und erwidert mit Rechtsausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen wird auf die Berufungsbegründungsschrift, die Berufungsbeantwortungsschrift und auf den Schriftsatz der Beklagten vom 30.11.2005 sowie deren Anlagen. Insbesondere wird auf die von der Beklagten erstinstanzlich zur Akte gereichte Anlage B 10 (Bl. 112 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).

II. Die Berufung der Beklagten konnte aber keinen Erfolg haben. Das Arbeitsgericht Köln hat zu Recht entschieden, dass die Betriebsrente auch über den 01.04.2004 hinaus nach der zuvor geltenden Dynamisierungsformel anzupassen ist. Der mit Wirkung zum 01.04.2004 erfolgte Eingriff des Beklagten in die laufenden Gesamtversorgungsbetriebsrenten ist rechtswidrig. Die erkennende Kammer schließt sich den ausführlichen und zutreffenden Erwägungen der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln im Urteil vom 03.08.2005 - 7 (9) Sa 1589/04 - an, die einen gleich gelagerten Sachverhalt betrafen. Für den hier konkret zu entscheidenden Fall werden die Erwägungen, auf denen die vorliegende Entscheidung beruht, wie folgt zusammengefasst und teilweise vertieft.

Die Beklagte kann sich nicht auf eine Störung der Geschäftsgrundlage berufen. Gemäß § 313 Abs. 1 BGB liegt eine solche Störung der Geschäftsgrundlage vor, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. So kann die Änderung der Umstände zu einer Verfehlung des ursprünglichen Zwecks führen oder zu einer gravierenden Störung des Austauschverhältnisses. Vorliegend kann sich die Beklagte weder auf eine Zweckverfehlung noch auf eine Äquivalenzstörung berufen.

1. Die Beklagte hat als Zweck der Gesamtversorgungszusage den angestrebten Gleichlauf genannt zwischen der Vergütungssteigerung bei den aktiven Beschäftigten einerseits und der Betriebsrentenerhöhung bei den Versorgungsberechtigten andererseits. Wie es dazu gekommen sein soll, dass dieser "Gleichlauf der Steigerungsraten" zum zentralen Zweck eines Rentenversprechens wird, ergibt sich aus den Darlegungen der Beklagten nicht. Regelmäßig ist der Zweck einer dynamisierten Gesamtversorgungszusage gerade der, den Versorgungsempfängern den Lebensstandard zu sichern, den sie als aktive Arbeitnehmer erworben haben (BAG Urteil vom 28.07.1998 - 3 AZR 100/98 - AP Nr. zu § 1 BetrAVG Überversorgung), indem eine feste Relation hergestellt wird zwischen der Gesamtrente (Sozialversicherungsrente + Betriebsrente) und den Bezügen der aktiv Beschäftigten. Dazu gehört, dass Schwankungen der Sozialversicherungsrente durch die zu zahlende Betriebsrente ausgeglichen werden. Solche Schwankungen können daher nicht zur Verfehlung des Zwecks führen, sondern vielmehr zu seiner Erfüllung.

2. Auch eine Äquivalenzstörung ist nicht ersichtlich. Sie ergibt sich weder aus den Darlegungen der Beklagten noch aus den vorgelegten Gutachten.

a. Eine Anwendung des § 313 BGB wegen einer Äquivanlenzstörung scheidet vorliegend schon dem Grunde nach aus, weil die Beklagte vertraglich gerade das Risiko einer solchen Störung übernommen hat (vgl. BGH Urteil vom 16. Februar 2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714 ff unter II 3 der Gründe.; Palandt/Heinrichs, § 313 BGB Rdnr. 15). Das Versprechen einer Gesamtversorgung ist nur dann sinnvoll, wenn die Parteien von schwankenden Bezugsgrößen ausgehen. Tun sie dies nicht, ist kein Grund ersichtlich, wieso nicht eine starre Steigerung der Betriebsrente vereinbart wurde, die sowohl rechnerisch als auch ökonomisch einfacher zu handhaben gewesen wäre. Mit ihrem Versorgungsversprechen hat die Beklagte zugesagt, die Lücke zwischen zwei voneinander unabhängigen dynamischen Größen (Beamtenbesoldung / Sozialversicherungsrente) zu schließen. Wird diese Lücke größer als ursprünglich angenommen, verwirklicht sich das vertraglich abgesicherte Risiko (vgl. BAG Urteil vom 09.07.1985 - 3 AZR 546/82 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Ablösung; Hanau/Preis, Der Übergang von der Gesamtversorgung zu einer von der Sozialversicherung abgekoppelten Betriebsrente, RdA 1988, 65, 83). Von einer gestörten Geschäftsgrundlage kann dann keine Rede sein (BAG Urteil vom 22.02.2000, AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Beamtenversorgung unter B IV 3 b der Gründe). Auch erhebliche Kostensteigerungen führen in einem solchen Fall grundsätzlich nicht zur Anwendung des § 313 BGB (OLG München, Urteil vom 22.09.1983 - 24 U 893/82 - DB 83, 2619; Palandt/Heinrichs, § 313 BGB Rdnr. 15).

b. Tatsachen, die eine Ausnahme von dem vorgenannten Grundsatz rechtfertigen, sind nicht ersichtlich. Solche kämen nur in Betracht, wenn durch Umstände außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners ein so krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entsteht, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht mehr zumutbar ist (BGH Urteil vom 30.01.1956 - II ZR 168/54 - BB 56, 254; Palandt/Heinrichs, § 313 BGB Rdnr. 39) und wenn dadurch die Sachlage der wirtschaftlichen Unmöglichkeit im Sinne der früheren Zivilrechtsprechung nahe kommt (Palandt/Heinrichs, a.a.O.). Solche Ausnahmefälle wurden z. B. angenommen bei einem unvorhergesehenen Ansteigen der Herstellungskosten einer Ware auf das 15-fache, bzw. um 60 % (Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Reichsgerichts: Palandt/Heinrichs, § 313 BGB Rdnr. 39).

Vorliegend ergibt sich aus den Darlegungen der Beklagten kein solches krasses Missverhältnis.

(1) Das vom Beklagten in der Berufungsinstanz vorgelegte Gutachten von Dezember 2004 ist nicht geeignet, eine derartige Äquivalenzstörung zu belegen, denn es beschränkt sich auf die Betrachtung der Sozialversicherungsrente. Dies ist nach Auffassung des Berufungsgerichts methodisch unzulässig. Die Beklagte möchte zwei Situationen miteinander vergleichen, nämlich zum einen die tatsächliche Belastung, wie sie sich im Jahre 2003 durch die Rentenverbindlichkeiten tatsächlich für sie darstellt, und zweitens die Situation, die im Zeitpunkt der Versorgungszusage, spätestens bei Abschluss der letzten Betriebsvereinbarung, prognostizierbar war (= Basis der Geschäftsgrundlage). Im zweiten Fall hat sie aber nicht die Lücke zwischen der prognostizierten Sozialversicherungsrente und der prognostizierten Beamtenbesoldung (als Bezugsgröße für die Gesamtversorgung) betrachtet, sondern die tatsächliche und niedrigere Beamtenbesoldung zu Grunde gelegt. Dadurch erscheint der prognostizierte Barwert deutlich geringer, als es im Zeitpunkt der Versorgungszusage absehbar gewesen wäre, was den Wert des Gutachtens erheblich beschränkt.

(2) Das Gutachten hat aber auch deshalb wenig Aussagekraft, weil es die Entwicklung der Betriebsrenten sämtlicher Rentner aller Gesellschaften betrachtet, die aus dem ehemaligen TüV e.V. hervorgegangen sind. Aus den Darlegungen der Beklagten ergibt sich aber weder, wie viele Rentner sie nach dem hier streitigen Gesamtversorgungssystem zu versorgen hat, noch ob sich bei diesen konkreten Rentnern das beschriebene Risiko verwirklicht.

(3) Wenn mit der Beklagten von der Geschäftsgrundlage ausgegangen wird, dass sich die Steigerung der Renten und der Beamtenbesoldung im Gleichklang bewegen, so ist darin die Erwartung zu sehen, dass der Anteil der Betriebsrente an der Gesamtversorgung im Großen und Ganzen gleich bleibt. Aus der von der Beklagten selbst vorgelegten Anlage B 10 ergibt sich, dass sich diese Relation in den vergangenen 30 Jahren eher zu Gunsten der Beklagten entwickelt hat, als zu ihren Lasten: Im Jahre 1975 machte die Betriebsrente 28 % der Gesamtversorgung aus. Dieser Anteil sank - insbesondere Dank der nur mäßigen Steigerung der Beamtenbesoldung - auf 18 % im Jahre 1995. Im Jahre 2003 war der Anteil - wegen der sinkenden Sozialversicherungsrente - wieder gestiegen auf knapp 21 %, erreichte aber bei weitem noch nicht den Anteil von 28 % aus de 70er Jahren. Diese 28 % an der Gesamtversorgung finden sich in der Prognose der Beklagten (Anlage B 10) erst im Jahr 2018, um schließlich im letzten prognostizierten Jahr, dem Jahr 2029 auf 33 % zu steigen. Nur am Rande ist bei dem Jahr 2029 zu beachten, dass bei realistischer Betrachtung nur wenige der Versorgungsempfänger, die fast alle vor 1940 geboren sind, dieses Datum erleben werden, was die drohende zusätzliche Belastung der Beklagten in weit milderem Licht erscheinen läßt. Die Steigerung des Anteils der Betriebsrente an der Gesamtversorgung von den 28 % der 70er Jahre zu den 33%, die für einen Zeitpunkt sechzig Jahre später prognostiziert wurden, macht ihrerseits 15 % aus.

c. Selbst wenn der Beklagten - trotz des Vorgesagten - darin gefolgt wird, ein "krasses Missverhältnis" anzunehmen, so scheidet die Anwendung des § 313 BGB dennoch aus, da Gesetzesänderungen auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts, welche für die Zukunft die Höhe der Sozialversicherungsrente beeinflussen können, im Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusagen, insbesondere im Zeitpunkt der erstmaligen ausdrücklichen Regelung der Gesamtrentenfortschreibung in der Betriebsvereinbarung vom Juni 1993, keineswegs gänzlich unvorhersehbar waren (vgl. Hanau/Preis, Der Übergang von der Gesamtversorgung zu einer von der Sozialversicherung abgekoppelten Betriebsrente, RdA 1988, 65, 66 ff). Zwar ist grundsätzlich anerkannt, dass im Einzelfall auch eine gänzlich unvorhersehbare gravierende Änderung der Gesetzeslage zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage führen kann (BAG, Beschluß vom 23.09.1997 - 3 ABR 85/96 - AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung), aber auch hier ist wieder zu beachten, dass gerade durch das Versprechen einer Gesamtversorgung dieses Risiko übernommen wird und der Versprechende grundsätzlich davon auszugehen, hat, dass sich das Recht der gesetzlichen Sozialversicherung ändern kann (Blomeyer/Otto, BetrAVG, Rn. 468).

d. Nichts anderes kann aus der Entscheidung des BAG vom 23.9.1997 (- 3 ABR 85/96 - AP Nr. 26 zu § 1 BetrAVG Ablösung) hergeleitet werden. Dort ging es um eine bereits eingetretene Mehrbelastung in Höhe von 63 %, die vom BAG als nicht mehr zumutbar betrachtet wurde. Werden die Zahlen der Beklagten als richtig unterstellt, so erreicht ihre real eingetretene Mehrbelastung mit 32, 8 % gerade die Hälfte des dortigen Wertes. Außerdem ging es bei dem vom BAG entschiedenen Fall um einen Fall der Überversorgung. Von einer solchen ist hier nicht die Rede.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Im Hinblick auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG war die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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