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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 18.01.2002
Aktenzeichen: 11 (2) TaBV 66/01
Rechtsgebiete: HGB, ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

HGB § 266
ArbGG § 92a
BetrVG § 40 Abs. 1
BetrVG § 37 Abs. 6
BetrVG § 80 Abs. 2
BetrVG § 106 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 11 (2) TaBV 66/01

Verkündet am: 18.01.2002

In dem Beschlussverfahren

mit den Beteiligten

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Anhörung vom 18.01.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie den ehrenamtlichen Richter Esser und die ehrenamtliche Richterin Frau Dr. Buddeberg

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 12.07.2001 verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen - 3 BV 37/01 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Antragsgegner ist ein gemeinnütziger Verein für Dialyse und Nierentransplantation, der bundesweit Dialyse-Zentren unterhält - unter anderm eines in Aachen. Antragsteller ist der dort amtierende örtliche Betriebsrat. Dieser beschloß, seinen Vorsitzenden, der zugleich Mitglied des Gesamtbetriebsrats ist, an einem zweitägigen Schulungsseminar zum Thema "Früherkennung von Unternehmenskrisen und Bilanzanalyse" in der Zeit vom 30. 09. bis 01. 10. 1999 teilnehmen zu lassen und teilte dies dem Antragsgegner mit Schreiben vom 10. 08. 1999 mit. Dieser verweigerte eine Kostenübernahme mit Schreiben vom 01. 09. 1999, woraufhin der Betriebsratsvorsitzende seine bereits angemeldete Teilnahme unter dem 23. 09. 1999 absagte. Der Veranstalter stellte dem Antragsteller eine "Ausfallgebühr" von 240,-- DM in Rechnung, da die Absage nach Anmeldeschluß erfolgte. Vorliegend fordert der Antragsteller vom Antragsgegner, ihn von dieser Forderung freizustellen. Seine Absicht, seinen Vorsitzenden an dem Seminar teilnehmen zu lassen, begründet er mit den zeitweise vom Antragsgegner gehegten Plänen, die Bereiche Logistik, Technik und Bauwesen auszugliedern und auf eine selbständige Tochter zu übertragen; die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Arbeitnehmer machten es erforderlich, die betrieblichen Gegebenheiten einzuschätzen. Der Antragsgegner hat bestritten, daß von dem Seminar Kenntnisse hätten vermittelt werden sollen, die für die Arbeit des örtlichen Betriebsrats erforderlich seien; von einer Unternehmenskrise könne mit Rücksicht auf steigende Patientenzahlen und die dadurch bedingte Notwendigkeit zu expandieren keine Rede sein.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Verfahrensziel weiter mit der Begründung, das Seminar habe ihn in die Lage versetzen sollen, bei anstehenden Entscheidungen betriebliche Notwendigkeiten wirtschaftlicher Art angemessen zu berücksichtigen - z.B. bei Arbeitszeitverkürzungen, die zweimal angestanden hätten oder bei vorübergehenden Versetzungen.

Der Antragsgegner beantragt Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt die angefochtene Entscheidung mit Rechtsausführungen. Der Betriebsratsvorsitzende sei nicht mit Fragen von Unternehmenskrisen und Bilanzanalysen beschäftigt. Jedenfalls hätte der Antragsteller die Teilnahme seines Vorsitzenden an dem Seminar so frühzeitig absagen müssen, daß Stornokosten nicht hätten entstehen können.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf den Inhalt der zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II. Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Der Antragsgegner muß die fraglichen Stornokosten nicht übernehmen. Es ist schon fraglich, ob Stornokosten überhaupt unter die von den §§ 40 Abs. 1, 37 Abs. 6 BetrVG erfaßten Teilnahmekosten fallen, da eine Teilnahme gerade nicht stattgefunden hat; dadurch hat der Betriebsrat bzw. sein Mitglied eben keine Kenntnisse erworben - und damit erst recht keine, die für seine Arbeit erforderlich sein könnten.

Das kann dahinstehen. Denn keinesfalls sind Kosten und damit auch Stornokosten für Schulungs- und Bildungsveranstaltungen zu übernehmen, die nicht unter §§ 37 Abs. 6, 40 Abs. 1 BetrVG fallen. So liegt es hier:

Bei den "Kenntnissen" i.S.v. § 37 Abs. 6 BetrVG ist zwischen Grundkenntnissen und Spezialkenntnissen zu unterscheiden. Während ein Schulungsanspruch des Betriebsrats im allgemeinen ohne konkrete und aktuelle Veranlassung besteht, soweit es um die Vermittlung von Grundkenntnissen insbesondere betriebsverfassungsrechtlicher Art geht, ist solch eine Veranlassung bei sonstigen Kenntnissen erforderlich und darzulegen.

Kenntnisse in Bilanzanalyse gehören in diesem Sinne nicht zu den generell zuzubilligenden Grundkenntnissen (LAG Köln v. 04. 10. 1994 - 9 TaBV 33/94; v. 13. 06. 1997 - 11 TaBV 87/96), da diese sich grundsätzlich auf die Bereiche des Betriebsverfassungsrechts (BAG v. 21. 11. 1978 - 6 ABR 10/77 in AP Nr. 35 zu § 37 BetrVG 1972), der Arbeitssicherheit (BAG v. 15. 05. 1986 - 6 ABR 74/83 in AP Nr. 54 zu § 37 BetrVG 1972) und evtl. des elementaren Arbeitsrechts (BAG v. 16. 10. 1986 - 6 ABR 14/84 in AP Nr. 58 zu § 37 BetrVG 1972) beschränken. Der Betriebsrat benötigt nicht generell und ohne aktuelle betriebliche Veranlassung nähere Kenntnisse zu § 266 HGB, um seine Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte ausüben zu können - insbesondere dann nicht, wenn ihm wie hier vom Arbeitgeber im Rahmen seiner Unterrichtungspflichten gar keine Bilanzen vorgelegt werden. Auf deren Vorlage hat der Betriebsrat weder nach § 80 Abs. 2 BetrVG noch nach weiteren Vorschriften (§§ 90, 92, 99 Abs. 1, 102 Abs. 1, 111 BetrVG) einen allgemeinen Anspruch; vielmehr muß die jeweils vom Arbeitgeber geforderte Unterrichtung für die Erfüllung einer konkreten gesetzlichen Aufgabe des Betriebsrats erforderlich sein; unzureichend ist die Argumentation, der Betriebsrat könne nur bei vollständiger Unterrichtung über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und nur in Kenntnis auch von Hintergrundinformationen seine Aufgaben und Beteiligungsrechte sachgerecht wahrnehmen (BAG vom 05. 02. 1991 - 1 ABR 24/90 in AP Nr. 10 zu § 106 BetrVG 1972). Sollte einmal ein konkreter Anlaß die Fähigkeit erfordern, Bilanzen zu lesen und zu analysieren, kommt die Hinzuziehung von Sachverständigen in Betracht (§ 80 Abs. 3 BetrVG).

Auch die Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers nach § 106 Abs. 2 BetrVG bieten keinen Anlaß, ein Vorhaltewissen des Betriebsrats in Bilanzanalyse für erforderlich zu halten: Den dort begründeten Unterrichtungsanspruch hat nur der Wirtschaftsausschuß; er geht auch dann nicht auf den Betriebsrat über, wenn ein solcher Ausschuß nicht existiert (BAG vom 05. 02. 1991 - 1 ABR 24/90 in AP Nr. 10 zu § 106 BetrVG 1972). Sofern ein Schulungsanspruch in Bilanzanalyse überhaupt gegeben ist, gilt dies für Mitglieder des Wirtschaftsausschusses (Wiese, GK-BetrVG, § 37 Rn. 155 Stichw. Bilanzanalyse; FKHE, BetrVG, 19. Aufl., § 37 Rn. 122; Stege/Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 37 Rn. 42; DKK-Blanke/Wedde, 6. Aufl., § 37 Rn. 108) und gerade deshalb für Betriebsratsmitglieder nicht.

Eine aktuelle und konkrete betriebliche Veranlassung für den Erwerb von Kenntnissen in Bilanzanalyse hat der Antragsteller nicht dargetan.

Den zeitweise vom Antragsgegner angedachten Plänen, die Bereiche Logistik, Technik und Bauwesen auszugliedern und auf eine selbständige Tochter zu übertragen, fehlt bereits die Aktualität; Planspiele begründen noch keine hinreichende Sicherheit, daß der Betriebsrat die zu erwerbenden Kenntnisse demnächst benötigen wird. Ob die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats bei Betriebsänderungen seine Fähigkeit, Bilanzen zu lesen und zu analysieren, erforderlich machen, kann somit dahinstehen. Der Hinweis des Antragstellers, das Seminar habe ihn in die Lage versetzen sollen, bei anstehenden Entscheidungen betriebliche Notwendigkeiten wirtschaftlicher Art angemessen zu berücksichtigen, geht nicht über das hinaus, was jeder Betriebsrat in jedem Betrieb für sich anführen könnte und kann schon deswegen keine aktuelle und konkrete betriebliche Veranlassung darstellen. Das gilt auch für den unsubstantiierten Hinweis des Antragstellers auf Arbeitszeitverkürzungen und Versetzungen.

Da Kenntnisse in Bilanzanalyse nicht erforderlich waren, kann eine Erforderlichkeit für das gesamte Seminar nicht festgestellt werden. Deshalb sei nur am Rande darauf hingewiesen, daß die Ausführungen zu Kenntnissen in Bilanzanalyse entsprechend auch für die "Früherkennung von Unternehmenskrisen" gelten. Auch hierbei handelt es sich nicht um Grundwissen, auch hierzu hat der Antragsteller keine aktuelle und konkrete betriebliche Veranlassung vorgetragen - insbesondere nicht mit seinem Hinweis auf vorübergehende Ausgliederungspläne des Antragsgegners: Ausgliederungen werden auch von florierenden Unternehmen ohne Krise vorgenommen. Auch Arbeitszeitverkürzungen und Versetzungen stellen kein Indiz für aktuelle oder sich ankündigende Unternehmenskrisen dar.

Das Gericht hat keinen Anlaß gesehen, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 92a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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