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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 19.07.2002
Aktenzeichen: 11 Sa 1147/01
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 7 Abs. 2
BetrAVG § 7 Abs. 5
BetrAVG § 1 Abs. 1
BetrAVG § 17 Abs. 1
1. Ein Vertragsverhältnis, das von den Parteien ausdrücklich als Arbeitsverhältnis gewollt wurde und wird, ist grundsätzlich der gerichtlichen Statuskontrolle nicht zugänglich mit dem Ziel, eine andere rechtliche Einordnung vorzunehmen.

2. Ein Arbeitsverhältnis ändert seinen rechtlichen Status nicht dadurch, dass der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nicht ausübt. Derart "liberale" Arbeitsverhältnisse sind besonders bei familiären Beziehungen der Vertragspartner nicht unüblich.

3. Unternehmer ist, wem das Unternehmen gehört.

4. Auch einem Familienmitglied wird eine Altersversorgung "aus Anlass" seines Arbeitsverhältnisses zugesagt, wenn dies jedenfalls auch mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis geschieht. Für den Insolvenzschutz ist es unschädlich, wenn sich die familiären Beziehungen nicht begründend, sondern allenfalls mitbegründend auf die Versorgungszusage ausgewirkt haben.

5. Sofern zur Anerkennung einer innerfamiliären Versorgungszusage der schriftliche Abschluss eines Arbeitsvertrages verlangt wird, ist dieser nicht als materielle Anspruchsvoraussetzung gemeint, sondern als Mittel zu ihrem Nachweis; d. h. dass der Nachweis grundsätzlich auch anders geführt werden kann.

6. Zum Missbrauch i. S. v. § 7 Abs. 5 S. 1 BetrAVG bei Beleihung einer Lebensversicherung: Werden die gewonnenen Mittel dem Betrieb zugeführt, um ihn zu sanieren, kann es grundsätzlich nicht der überwiegende Zweck der Beleihung gewesen sein, den PSV in Anspruch zu nehmen.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 Sa 1147/01

Verkündet am: 19.07.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 14.06.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin Frau Hubert-Hesse und den ehrenamtlichen Richter Kaulertz

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 07.11.2000 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 17 Ca 4208/00 - abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Lebensversicherung zu Lebensversicherungspolicen-Nr. zugunsten des Klägers einen Betrag in Höhe von 33.200,00 DM zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte mit Ausnahme der durch die Anrufung des Landgerichts entstandenen Kosten: Diese trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Beklagt ist der Verein als Träger der Insolvenzsicherung gem. § 14 Abs. 1 BetrAVG. Die Parteien streiten um seine Einstandspflicht für Versorgungsansprüche des am 12. 06. 1947 geborenen Klägers. Dieser war - nach seinem Vortrag seit 15. 12. 1967 in einem Arbeitsverhältnis aufgrund mündlichen Arbeitsvertrages - tätig als Betriebsleiter und Koch für die Einzelfirma (Firma), deren Inhaberin zuletzt seine Mutter H V war und die laut eigenen Angaben (Bl. 44 R) im Oktober 1962 gegründet wurde. Die Firma fertigte Speisen für Aktionen wie "Essen auf Rädern". Sie schloß im November 1982 für den Kläger eine Lebensversicherung über eine Summe von 88.507,-- DM mit einer Laufzeit bis 01. 11. 2012 ab, deren Versicherungsschein sie als "Arbeitgeber" und den Kläger als "Arbeitnehmer" aufführt, eine Vorfälligkeit der Versicherungsleistung an den vorzeitigen Bezug des gesetzlichen Altersruhegeldes knüpft und auf das BetrAVG Bezug nimmt.

Diesen Versicherungsvertrag mit unwiderruflichem Bezugsrecht für den Kläger belieh die Firma mit dessen Zustimmung beim Versicherungsträger unter dem 02.11. 1995 mit 33.200,-- DM und teilte dies dem Beklagten unter dem 10. 01. 1996 mit. Der Darlehensbetrag wurde zu Lasten der Versicherungssumme ausbezahlt. Am 21. 10. 1997 stellte die Firma Konkursantrag, der am 19. 12. 1997 mangels Masse abgelehnt wurde. Das Gewerbe wurde abgemeldet, die Firmeninhaberin (Mutter des Klägers) gab die eidesstattliche Versicherung ab. Nach Vorstellung des Klägers soll der Beklagte die zu erwartende Versicherungssumme dadurch wiederherstellen, daß er die Darlehensforderung der Versicherung erfüllt. Der Beklagte hat eingewandt, der Kläger sei nicht als Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnlich anzusehen, sondern als Unternehmer, als der er nach außen hin aufgetreten sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter und verweist darauf, daß seine Versorgungsanwartschaft seit dem 06. 01. 1995 beim Beklagten versichert und seine Arbeitnehmereigenschaft stets bei den Behörden (Finanzamt, Sozialversicherungsträger, Arbeitsamt) anerkannt und auch bei Lohnsteuerprüfungen nie beanstandet worden sei. Zur Bestätigung legt er Steuererklärungen und -bescheide aus den Jahren 1996 und 1997 (auszugsweise), seine Lohnsteuerkarte 1997 sowie einen Bescheid des Arbeitsamtes vor und bezieht sich auf den inzwischen unstreitigen Umstand, daß er Konkursausfallgeld bezogen hat. Als Koch habe ihm seine Mutter zwar mangels eigener Fachkenntnisse keine Weisungen erteilt, in der Betriebsleitung habe er aber wichtige Entscheidungen nicht ohne Absprache treffen dürfen. Er habe für seine ausschließliche Tätigkeit bei der Firma ein Festgehalt bezogen und sei vermögensmäßig am Betrieb nicht beteiligt gewesen. Eine Versorgungszusage habe nicht nur er, sondern auch der Mitarbeiter g erhalten - und zwar am 23. 12. 1996; für weitere Versorgungszusagen habe kein Anlaß bestanden, da die Firma weitgehend mit Aushilfen und Saisonkräften gearbeitet habe. Der Konkursantrag sei erst erforderlich geworden, als ein im August 1996 gewonnener Großkunde abgesprungen sei, was im November 1995, als die Lebensversicherung beliehen worden sei, nicht habe vorhergesehen werden können.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Lebensversicherung Lebensversicherungspolicen-Nr. zu seinen Gunsten einen Betrag in Höhe von 33.200,-- DM zu zahlen,

2. hilfsweise festzustellen, daß der Beklagte aus dem Versicherungsverhältnis "Insolvenzsicherung", Betriebs-Nr. 2 zur Leistung verpflichtet ist.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und wiederholt seine Ansicht, der Kläger sei kein weisungsgebundener Arbeitnehmer gewesen; er habe für die Firma allein unterschrieben und eigenverantwortlich wichtige Verträge abgeschlossen. Ausweislich der Bilanzen 1995 und 1996 habe er Privatentnahmen getätigt. Wegen der familiären Beziehungen seien besondere Anforderungen an den Nachweis der Existenz und die Ernsthaftigkeit der Versorgungszusage zu stellen; die Rechtsprechung fordere bei familiären Arbeitsverhältnissen u.a. den schriftlichen Abschluß eines Arbeitsvertrages und die Gleichbehandlung mit anderen Arbeitnehmern. Hier sei die Versorgungszusage nicht aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses, sondern allein aus familiären Gründen erteilt worden. Die Behauptung des Klägers über die Versorgungszusage zugunsten des Mitarbeiters 9 könne nicht stimmen, da seine Mutter mit Schreiben vom 24. 10. 1998 mitgeteilt habe, weitere Versorgungszusagen als die zugunsten des Klägers existierten nicht (Bl. 274). Auch als arbeitnehmerähnliche Person sei der Kläger nicht anzusehen, da er für sein eigenes Unternehmen tätig geworden sei. Zudem liege Versicherungsmißbrauch i.S.v. § 7 Abs. 5 BetrAVG vor: Der Entschluß, die Lebensversicherung zu beleihen, sei getroffen worden, weil die Firma dringend Kapital benötigt habe, das der Firma auf sein, des Beklagten, Risiko habe zufließen sollen. Eine Rückabwicklung der Beleihung habe angesichts ihrer schon erkennbaren bedrohlichen Lage nicht erwartet werden können, vielmehr hätten der Kläger und seine Mutter ausschließlich in der Absicht gehandelt, ihn, den Beklagten, in Anspruch zu nehmen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet. Der Klage war stattzugeben. Der Beklagte muß für die Versorgungsschulden der Firma einstehen, die diese infolge ihrer Insolvenz nicht mehr erfüllen kann: § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BetrAVG:

I. Gegen die Höhe der geforderten Leistung und die Art, wie sie erbracht werden soll, hat der Beklagte keine Einwände erhoben. Unstreitig ist auch der Ablauf der Unverfallbarkeitsfristen nach § 1 Abs. 1 BetrAVG. Die Einwände, die der Beklagte erhebt, sind erfolglos:

II. Der Kläger ist als Arbeitnehmer anzusehen. Das folgt aus den unstreitigen Umständen:

1) Der Kläger wurde unstreitig jahrzehntelang in einem und für einen Betrieb tätig, der ihm nicht gehörte. Inhaberin des Unternehmens und Trägerin der Gewerbeerlaubnis war unstreitig Frau H V . Diese war die selbständige Gewerbetreibende; denn es ist mangels abweichenden Vortrags davon auszugehen, daß sie Inhaberin der Betriebsstätte und der Produktionsmittel war. Sie wiesen die Bilanzen als Inhaberin aus. Sie trat auch nach außen als Betriebsinhaberin auf, wie nicht zuletzt das vom Beklagten vorgelegte Schreiben vom 24. 10. 1998 (Bl. 83) belegt. Auch haftete sie persönlich für die Betriebsschulden, wie die vorgelegten Kreditverträge Bl. 158 ff. (= K1 - K4) zeigen und der Umstand der von ihr abgegebenen eidesstattlichen Versicherung beweist und trat als Arbeitgeberin auf (Versorgungszusage zugunsten des Klägers, Kündigungen der Zeugen S , F, G und S Bl. 163, 167 ff). Vor diesem Hintergrund ist es ausgeschlossen, Frau H V als bloße "Strohfrau" abzuqualifizieren und den Kläger als Unternehmer zu bezeichnen, der für sein eigenes Unternehmen tätig war. Solche Bezeichnungen mögen metaphorisch unter dem einen oder anderen Betracht einen Sinn ergeben, sind aber juristisch ohne Bedeutung. Unternehmer ist, wem das Unternehmen gehört.

2) Dieses Vertragsverhältnis, in dem der Kläger zur Betriebsinhaberin stand, war auch ein Arbeitsverhältnis:

a) Zunächst einmal haben die Parteien es als ein solches gewollt. Das ergibt nicht nur die Zusage einer betrieblichen Altersversorgung auf der Grundlage des BetrAVG, in der der Kläger als Arbeitnehmer und Frau H V als Arbeitgeber bezeichnet wird; das folgt auch aus der formalen Handhabung des Vertragsverhältnisses durch die Parteien: die unstreitige Anmeldung des Klägers bei der Sozialversicherung, die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer sowie die Abwicklung über eine Lohnsteuerkarte. Vor diesem Hintergrund würde jedes Arbeitsgericht zumindest das konkludente Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses annehmen, wenn der Arbeitnehmer etwa rückständigen Lohn einklagte.

b) Die praktische Handhabung der mit einem Arbeitsverhältnis typischerweise verbundenen Weisungsstrukturen ist nach Vorstehendem ohne ausschlaggebende Bedeutung. Parteien, die zur Ordnung ihrer rechtlichen Beziehungen die Form des Arbeitsverhältnisses wählen, wählen damit im Zweifel auch dessen Inhalt, wie sie dann de facto mit diesem Inhalt umgehen, ist grundsätzlich ohne Bedeutung. Aus einem einmal gewählten Arbeitsverhältnis wird keine Rechtsbeziehung anderer Art, nur weil der Arbeitgeber sein Weisungsrecht nicht ausübt (BAG, Urteil vom 12. 09. 1996 - 5 AZR 1066/94 in AP Nr. 1 zu § 611 BGB Freier Mitarbeiter).

Da hier der Kläger und Frau H V zumindest konkludent ein Arbeitsverhältnis vereinbart haben, kommt es für die Statusbewertung auf dessen praktische Abwicklung nicht an. Die Vereinbarung als solche ist als statusbegründend ausreichend. Das liegt zum Teil daran, daß für ein Arbeitsverhältnis ein Recht - nämlich das Direktionsrecht des Arbeitgebers - konstitutiv ist und ein Recht chrakteristischerweise zwar ein Können aber kein Müssen beinhaltet. Für ein subjektives Recht ist es nicht typisch, daß es auch ausgeübt wird. Es geht grundsätzlich während seiner Latenzzeit - d.h. in Zeiten, in denen es nicht in Anspruch genommen wird - nicht verloren, m.a.W.: Durch die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer läßt sich der Arbeitgeber von diesem vertraglich ein Direktionsrecht einräumen; dieses verliert er nicht mit der Folge einer Statusänderung, wenn er nicht darauf pocht, sondern statt dessen das Einvernehmen mit seinem Arbeitnehmer sucht oder diesen weitgehend nach eigenem Ermessen schalten läßt. Ob der Rechtsinhaber das eingeräumte Recht auf dem Papier stehen und ruhen läßt, spielt für die Statusbewertung keine Rolle, weil er es jederzeit wieder aufleben lassen kann. Eine andere Betrachtungsweise würde es für jedermann allzu leicht machen, sich aus einem verabredeten Arbeitsverhältnis herauszuschleichen: Er brauchte nichts weiter zu tun, als durch ausdrückliche Erklärung gegenüber seinem Arbeitnehmer auf sein Direktionsrecht zu verzichten und sich entsprechend zu verhalten - Kündigungen wären nicht mehr nötig.

Der weitere Grund dafür, warum die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses als solche für eine Statusbegründung ausreichend ist, liegt in der Zielrichtung der gerichtlichen Statuskontrolle und ggf. -korrektur: Die Statuskontrolle dient dem Schutz des Arbeitnehmers vor Fluchtversuchen des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis - vor der Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften durch Falschetikettierungen, nicht etwa dem Schutz des Arbeitgebers vor Arbeitsverhältnissen. Es besteht deshalb kein Anlaß für ein korrigierendes Eingreifen der gerichtlichen Statuskontrolle, wenn das Arbeitsverhältnis in der Etikettierung gerade nicht gemieden, sondern gesucht wird. Wenn in der Rechtsprechung davon die Rede ist, über die rechtliche Einordnung eines Vertragsverhältnisses entscheide nicht seine Bezeichnung durch die Vertragspartner, sondern seine tatsächliche Ausgestaltung, so ist diese Formulierung in der Tat insofern zu weit, als darunter auch eine Korrektur des verabredeten Arbeitsvertrages zu Lasten des arbeitsrechtlichen Schutzsystems und zugunsten freier Vertrags-Verhältnisse subsumiert werden könnte (so auch LAG Köln, Urteil vom 25. 10. 1994 - 9 Sa 774/94). Dies sieht auch das BAG so; es hat entschieden, daß Dozenten dann Arbeitnehmer sind, wenn die Parteien dies vereinbart haben oder Umstände hinzutreten, aus denen sich ihre persönliche Abhängigkeit ergibt (BAG, Urteil vom 24. 06. 1992 - 5 AZR 384/91 in NZA 1993, 174). Aus dem Wort "oder" folgt, daß auf derartige Umstände eben nicht abzustellen ist, wenn bereits die Vereinbarung der Parteien auf ein Arbeitsverhältnis gerichtet ist (vgl. LAG Köln, Urteil vom 28. 04. 1995 - 13 Sa 48/95 in ZTR 1996, 129 <L> = NZA 1996, 319 <L>).

Gerade unter den vorliegenden Umständen sind "liberale" Arbeitsverhältnisse, d.h. solche, in denen der Arbeitgeber weitgehend auf das Geschehen keinen Einfluß mehr nimmt, sozialtypisch: Der angestellte Betriebsleiter, dem der älter werdende Unternehmer weitgehend alles überläßt, weil er sich ins Privatleben zurückzieht, ist bekannt; ebenso die Witwe, die von ihrem verstorbenen Mann den Betrieb geerbt hat und damit in die Arbeitsverträge mit den Belegschaftsmitgliedern "hineingeraten" ist, die sich mangels Einblicks in das betriebliche Geschehen weitgehend auf die im Betrieb tätigen Abkömmlinge verläßt, die ihr Vertrauen besitzen und die sich mit zunehmendem Alter und wachsender Erfahrung der Nachkommen nahezu völlig zurückzieht, um diese schalten und walten zu lassen. Ein Grund, hier die Arbeitsverträge sich auflösen zu sehen, besteht nicht.

c) Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und Frau H V war auch ernsthaft gewollt, da es jahrelang gegen Entgelt im Austausch für erbrachte Dienstleistungen praktiziert worden ist. Daß zugunsten des Klägers private Entnahmen getätigt worden sind, widerspricht seinem Status als Arbeitnehmer nicht. Jedenfalls hat er Gehalt bezogen: Schon das Arbeitsgericht sagt im unstreitigen Teil seines Tatbestands, der Kläger habe bei Begründung der Lebensversicherung auf einen Teil seines "Gehalts" verzichtet; nach Vortrag des Beklagten wurden die Versicherungsprämien bis Oktober 1997 durch Vergütungsumwandlung bezahlt.

III. Nach Vorstehendem kann unerörtert bleiben, ob der Kläger nicht zumindest den Personen i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG zuzuzählen wäre, die nicht Arbeitnehmer sind, denen aber Versorgungsleistungen aus Anlaß ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt wurden. Immerhin ist darauf zu verweisen, daß - wäre die Firma eine juristische Person gewesen - die Rechtsprechung den Kläger nicht einmal dann als Person i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG ausschließen würde, wenn er deren alleiniger gesetzlicher Vertreter gewesen wäre, solange er nicht oder nur unwesentlich am Unternehmen beteiligt war (BGH, Urteil vom 28. 04. 1980 - II ZR 254/78 in AP Nr. 1 zu § 17 BetrAVG Unter II 7). Der Behauptung des Klägers, er sei am Unternehmen vermögensmäßig nicht beteiligt gewesen, hat der Beklagte nicht widersprochen.

IV. Der Entscheidung ist zugrunde zu legen, daß dem Kläger die betriebliche Altersversorgung "aus Anlaß" seines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden ist und nicht allein aus familiären Gründen:

Richtig ist, daß § 7 Abs. 1 BetrAVG voraussetzt, daß die Versorgungszusage dem Zusageempfänger aus Anlaß seines Arbeitsverhältnisses (§ 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG) oder aus Anlaß seiner Tätigkeit für ein Unternehmen (§ 17 Abs. 1 S. 2 BetrAVG) erteilt worden ist und daß die Rechtsprechung diese Voraussetzung bei familiären Arbeitsverhältnissen dann nicht annimmt, wenn dem Versorgungsberechtigten aus Gründen, die außerhalb des Dienstverhältnisses liegen, Vergünstigungen zugebilligt werden, die deutlich über das Maß dessen hinausgehen, was unter vergleichbaren Verhältnissen einem "Fremdbewerber" im Rahmen des Üblichen zugebilligt wird (BGH, Urteil vom 28. 09. 1981 - II ZR 181/80 in AP Nr. 12 zu § 7 BetrAVG).

Hier steht jedoch fest, daß die Versorgungszusage dem Kläger jedenfalls auch mit Rücksicht auf das Arbeitsverhältnis erteilt worden ist:

Die streitige Direktversicherung kann schon in der vorliegenden Form außerhalb eines Arbeitsverhältnisses überhaupt nicht abgeschlossen werden. Sie ist als Maßnahme der betrieblichen Altersversorgung konzipiert und an das Schicksal des Arbeitsverhältnisses gekoppelt: Nach dem "Nachtrag L 47" zum Versicherungsschein (Bl. 15) erwirbt der Kläger bei vorzeitigem Ausscheiden das Recht zur Fortsetzung der Versicherung mit eigenen Beiträgen. Wäre die Versicherung allein aus familiären Gründen zugewandt worden, würde sie ohne Rücksicht auf ein Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis von seiner Mutter fortgeführt werden. Die familiären Beziehungen können sich also nicht begründend, sondern allenfalls mitbegründend auf die Versorgungszusage ausgewirkt haben. Es beseitigt aber nicht die betriebliche Veranlassung der Versorgungszusage, wenn familiäre Motive zusätzlich im Spiel waren und bei ihrer Ausgestaltung eine Rolle gespielt haben (BGH, Urteil vom 28. 09. 1981 - II ZR 181/80 in AP Nr. 12 zu § 7 BetrAVG unter II

3).

Zuzugeben ist, daß die Rechtsprechung einen Vergleich des versorgungsberechtigten Familienangehörigen mit der Versorgungssituation vergleichbarer familienfremder Arbeitnehmer anstellt, um die arbeitsrechtliche Veranlassung der Versorgungszusage zu prüfen. Dieses Kriterium fällt hier jedoch aus, weil der Beklagte keinen vergleichbaren Arbeitnehmer in der Firma benennt, dessen Situation geprüft werden könnte. Das dürfte auch kaum möglich sein, weil der Betrieb einen zweiten Betriebsleiter wohl nicht gehabt haben kann. Welcher Arbeitnehmer aus der Belegschaft ansonsten mit dem Kläger als Betriebsleiter vergleichbar gewesen sein könnte, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Er trägt insoweit die Darlegungslast, weil er einen rechtsvernichtenden Einwand geltend macht und einen Urkundenbeweis entkräften möchte.

Zu unrecht meint der Beklagte, die Rechtsprechung fordere zur Anerkennung einer innerfamiliären Versorgungszusage den schriftlichen Abschluß eines Arbeitsvertrages. Zum einen könnte es sich nur um Anforderungen an den Nachweis und nicht um eine materielle Anspruchsvoraussetzung handeln, da letztere nur vom Gesetz aufgestellt werden können. Anforderungen an den Nachweis von Anspruchvoraussetzungen wiederum können nicht apodiktisch sein, weil sie sonst zu materiellen Anspruchsvoraussetzungen würden; sie müssen Ausnahmen zulassen, die den Nachweis der materiellen Anspruchvoraussetzung auf andere Weise zulassen. Diese liegen hier vor, wie nicht nur das jahrelange Verhalten der Finanzverwaltung und anderer öffentlicher Stellen (Arbeitsamt, Sozialversicherungsträger) beweist, sondern auch durch die Umstände belegt wird. Zum anderen mißversteht der Beklagte die von ihm zitierte Entscheidung (BAG, Urteil vom 20. 07. 1993 - 3 AZR 99/93 in AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unverfallbarkeit): Wie aus deren Gründen (unter I 2 b) ersichtlich will das Gericht nicht eine eigene Forderung aufstellen, sondern berichtet darüber, daß das Steuerrecht strenge Anforderungen an die Anerkennung familiärer Arbeitsverhältnisse stellt - und u.a. den schriftlichen Abschluß eines Vertrages fordert. Weder übernimmt das Gericht diese Anforderung noch erhebt sie sie zur materiellen Anspruchsvoraussetzung.

V. Zu Unrecht beruft sich der Beklagte auf Versicherungsmißbrauch i.S.v. § 7 Abs. 5 BetrAVG. Offensichtlich hat er bei diesem Vorwurf nicht die Begründung der Versicherung im Auge, was auch angesichts der Tatsache, daß diese fünfzehn Jahre lang bedient worden ist, völlig lebensfremd wäre. Aber auch die Beleihung der Versicherung stellt sich nicht als Mißbrauch i.S.v. § 7 Abs. 5 S. 1 BetrAVG dar. Das folgt schon daraus, daß die Beleihungssumme, also die Darlehensvaluta, allein dem Betrieb zugute gekommen ist. Damit steht ihr Zweck, für mehr Liquidität der Firma zu sorgen, fest. Das schließt es aus, daß es zugleich der überwiegende Zweck der Beleihung gewesen sein kann, den Beklagten in Anspruch zu nehmen. Zudem fehlt es an der für diesen "Zweck" erforderlichen subjektiven Seite: Die Zuführung der gewonnenen Mittel zum Betriebsvermögen beweist die Absicht, den Betrieb zu sanieren. Ohne diese Absicht hätte gleich Konkursantrag gestellt werden können. Das so erreichte vorübergehende Überleben des Betriebes ermöglichte die Gewinnung eines Großkunden und damit letztlich das Hinausschieben des Konkurses um zwei Jahre. Von dieser Chance des Überlebens hat auch der Beklagte zumindest vorübergehend profitiert.

Zu Unrecht meint der Beklagte, die wirtschaftlichen Daten der Firma hätten ein Überleben keinesfalls zugelassen. Unstreitig hätte der Großkunde ein Weiterleben ermöglicht. Seine Abkehr war ebenso wenig vorauszusehen wie die Tatsache, daß kein Ersatz gefunden werden konnte.

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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