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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 12.04.2002
Aktenzeichen: 11 Sa 1327/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 284
ZPO § 531 Abs. 2
BGB § 294
BGB § 320 Abs. 1
BGB § 611 Abs. 1
BGB § 614
BGB § 615 Abs. 2
BGB § 626 Abs. 1
1. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft tatsächlich anbieten, wozu erforderlich ist, dass er sich am Arbeitsplatz einfindet.

2. Das Angebot der Arbeitskraft am Arbeitsplatz ist nur dann wirksam, wenn es "zur rechten Zeit" erfolgt, d. h. zu einer Zeit, zu der es auch angenommen werden kann; das ist z. B. am Tage eines Betriebsausflugs nicht der Fall - ebenso nicht zu einer Uhrzeit, zu der noch niemand anwesend ist, der die Arbeitskraft annehmen könnte. Nach diesen Anwesenheitszeiten muss sich der Arbeitnehmer auch und gerade dann richten, wenn mit ihm keine bestimmten Arbeitszeiten vereinbart worden sind.

3. Eine Entgeltabrechnung schuldet der Arbeitgeber auch dann, wenn er die Vergütung rechtsgrundlos gezahlt hat.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 Sa 1327/01

Verkündet am: 12.04.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 12.04.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Froitzheim und Büttner

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.09.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn - 3 Ca 1422/01 - unter Zurückweisung der Berufung im übrigen - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte bleibt verurteilt, der Klägerin für den Monat Mai 2001 eine Gehaltsabrechnung zu erteilen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt zu 95 % die Klägerin und zu 5 % die Beklagte mit Ausnahme der Berufungskosten: Diese trägt die Beklagte allein.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien - nämlich die beklagte GmbH, die sich u.a. mit der Erhebung und Bearbeitung von Daten für Statistik, Politikforschung und Raumanalysen befaßt und die am 06. 12. 1972 geborene, noch studierende Klägerin, die sie ab Februar 2000 als Projektmanagerin für 20 Stunden in der Woche beschäftigt hat und die unter dem 12. 11. 2001 das Arbeitsverhältnis selbst zum 31. 12. 2001 gekündigt hat - streiten um eine ordentliche Kündigung vom 15. 05. 2001 zum 30. 06. 2001, die die Klägerin für unwirksam hält, weil das Kündigungsschutzgesetz nach Anzahl der Beschäftigten (13) anwendbar sei; um eine fristlose Kündigung vom 07. 06. 2001 und um die (restliche) Vergütung für April (1.260,-- DM brutto) und Juni 2001 (2.700,-- DM). Nach Ansicht der Klägerin, die für April 2001 bis zum 17. d.M. in Höhe von 1.440,-- DM vergütet worden ist, bestehen diese Gehaltsansprüche trotz der unstreitigen Tatsache, daß sie ab 17. 04. 2001 nicht mehr gearbeitet hat, weil ihr der Geschäftsführer der Beklagten, nachdem er ihr am 11. 04. 2001 die Schlüssel für die Geschäftsräume entzogen habe, am 17. 04. 2001 unter vier Augen mündlich fristlos gekündigt und ihr Hausverbot erteilt habe, wogegen die Klägerin unter dem 08. 05. 2001 eine später zurückgenommene Klage erhoben hat. Sie beruft sich auf mehrere Schreiben, in denen sie ihre Arbeitskraft angeboten hat - u.a. bereits unter dem 17. 04. 2001 (Bl. 48), 27. 04. 2001 (Bl. 49), 30. 04. 2001 (Bl. 50), 02. 05. 2001 (Bl. 10) und 14. 05. 2001 (Bl. 13); darüber hinaus habe sie versucht, ihre Arbeitskraft am 30. 04. und 02. 05. 2001 zu Beginn ihrer bis zum 12. 05. 2001 währenden Arbeitsunfähigkeit persönlich anzubieten, ohne daß ihr auf ihr Klingeln am Eingang zu den Geschäftsräumen jemand geöffnet habe.

Die Parteien streiten ferner um die Bezahlung von Überstunden in Höhe von 2.032,96 DM, die die Klägerin in den Monaten Januar bis März 2001 geleistet haben will sowie um die Erteilung einer Lohnabrechnung für das Maigehalt, das die Beklagte ihr unter dem 31. 05. 2001 - nach deren Darstellung irrtümlich - überwiesen hat.

Das Arbeitsgericht hat der Klage insgesamt stattgegeben. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter und behauptet, außer der Klägerin lediglich sieben Arbeitnehmer beschäftigt zu haben - und zwar geringfügig und in der Regel nicht über zehn Stunden in der Woche. Eine fristlose Kündigung oder ein Hausverbot sei am 17. 04. 2001 nicht ausgesprochen worden, vielmehr habe ihr Gesellschafter und Prozeßbevollmächtigter, der Zeuge W, die Klägerin mehrfach aufgefordert, die Arbeit wieder aufzunehmen, nachdem sie ihren Arbeitsplatz am 17. 04. 2001 im Verlaufe eines Streits mit ihrem Geschäftsführer verlassen habe. Auch ihr Geschäftsführer habe sie zur Arbeitsaufnahme aufgefordert - und zwar schriftlich unter Erteilung einer Abmahnung, nämlich mit Schreiben vom 16. 05. 2001 (Bl. 101), der Klägerin unstreitig zugegangen, und mit Schreiben vom 05. 06. 2001 (Bl. 102). Persönlich habe die Klägerin ihre Arbeitskraft nicht angeboten, auch nicht am 30. 04. oder 02. 05. 2001 - jedenfalls nicht wirksam: Am 30. 04. 2001 sei der Betrieb wegen Betriebsausflugs geschlossen gewesen, wie ihr Praktikant S der Klägerin am 26. 04. 2001 gegen 16.00 Uhr telefonisch mitgeteilt habe; am 02. 05. 2001 könne die Klägerin nur zur Unzeit vor dem Betrieb erschienen sein - nämlich vor den Geschäftszeiten, die erst um 10.00 Uhr begännen. Gehaltsabrechnung für Mai 2001 könne die Klägerin nicht fordern, weil sie keinen Anspruch auf das versehentlich übersandte Gehalt habe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung, rügt das Vorbringen der Beklagten als verspätet und wiederholt ihren Vortrag zum 17. 04. 2001. Hierzu behauptet sie, der Geschäftsführer der Beklagten habe sich mit fristloser Kündigung und Hausverbot gebrüstet. Noch am 15. 07. 2001 habe er sich wegen dieser Maßnahmen vor Dritten gerechtfertigt. Der Zeuge W habe mit ihr am 18. 04. 2001 telefoniert und erklärt, das mit der fristlosen Kündigung sei natürlich nicht rechtens, aber sie wisse ja, wie der Geschäftsführer sei; nachdem der Zeuge eine Abfindung angeboten habe, habe sie sich bis zum 20. 04. 2001 Bedenkzeit erbeten. Im übrigen habe der Zeuge sie nur zweimal zur Arbeitsaufnahme aufgefordert; beide Male sei sie dem nachgekommen, habe aber im Betrieb niemanden angetroffen. Wegen der Überstunden beruft sich die Klägerin auf die von ihr vorgelegten Stundenzettel (Bl. 15 - 18), die offen auf ihrem Schreibtisch gelegen hätten und damit für den Geschäftsführer jederzeit zugänglich gewesen seien. Die Überstunden seien angefallen, weil der Geschäftsführer mit ihr vereinbart habe, sie solle die Aufgaben von Frau U übernehmen; hierfür sei niemand anderer dagewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist überwiegend begründet. Das folgt aus dem Vortrag der Parteien - einschließlich dem der Beklagten in der Berufungsinstanz. Dessen Verspätung rügt die Klägerin unter Berufung auf §§ 67 ArbGG, 528 Abs.2 ZPO zu Unrecht. Es verzögert nämlich nicht die Erledigung des Rechtsstreits. Denn eine solche Verzögerung liegt nur vor, wenn das Berufungsgericht bei Zulassung des neuen Vorbringens vertagen müßte, bei dessen Zurückweisung jedoch nicht (GK-ArbGG/Vossen, § 67 Rn. 40). Wie der Prozeßverlauf zeigt, mußte das Berufungsgericht nicht vertagen.

I. Die Berufung ist begründet, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung der Gehälter für die Zeit nach dem 17. 04. 2001 richtet. Für diese Zeit hat die Klägerin keine Vergütungsansprüche; denn sie hat in dieser Zeit nicht gearbeitet (§§ 320 Abs.1, 614 BGB; "ohne Arbeit keinen Lohn"). Auf die in § 615 S.1 BGB normierte Ausnahme von diesem Grundsatz kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen; ein Annahmeverzug der Beklagten kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden:

1) Die verschiedenen Briefe der Klägerin haben keinen Annahmeverzug der Beklagten herbeigeführt. Ein Annahmeverzug setzt nämlich grundsätzlich voraus, daß die geschuldete Leistung dem Gläubiger "so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten" wird (§ 294 BGB). Dazu ist grundsätzlich unter anderem erforderlich, daß sich der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz einfindet (ErfK/Preis, § 615 BGB Rn. 19). Briefe erfüllen diese Voraussetzung nicht.

2) Auch der Behauptung der Klägerin, sie habe sich am 30. 04. und 02. 05. 2001 vor dem Betrieb eingefunden, ohne daß ihr geöffnet worden sei, können die Voraussetzungen für einen Annahmeverzug nicht entnommen werden. Das nach § 294 BGB erforderliche "tatsächliche" Angebot der geschuldeten Leistung hat nämlich nicht nur am rechten Ort (Arbeitsplatz) zu geschehen, sondern auch zur rechten Zeit. Das ist hier nicht feststellbar:

a) Am 30. 04. 2001 war der Betrieb wegen Betriebsferien geschlossen, wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat. An einem solchen Tag kann die Arbeitskraft nicht ordnungsgemäß angeboten werden - selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer von der Betriebsfeier nichts weiß. Denn an einem solchen Tag kann die Arbeitskraft nicht angenommen werden. Zudem muß die Kenntnis der Klägerin hier unterstellt werden: Die Beklagte hat bereits in der Berufungsbegründung vorgetragen, ihr Praktikant S habe der Klägerin am 26. 04. 2001 gegen 16.00 Uhr telefonisch mitgeteilt, daß der Betrieb am 30. 04. 2001 wegen Betriebsausflugs geschlossen sei. Dem hat die Klägerin nicht schriftsätzlich widersprochen, insbesondere nicht in der Berufungserwiderung (§ 138 Abs. 3 ZPO).

b) Auch dem Vortrag der Klägerin zum 02. 05. 2001 kann kein "tatsächliches" Angebot i.S.v. § 294 BGB entnommen werden. Es ist nicht feststellbar, daß es zur rechten Zeit erfolgte. Ein ordnungsgemäßes Angebot kann nur erfolgen, wenn der Betrieb geöffnet ist. Die Klägerin, der die Betriebsschlüssel bereits am 11. 04. 2001 entzogen worden waren, mußte wissen, daß sie im Betrieb keine Arbeit verrichten konnte, wenn dort niemand anwesend und die Geschäftsräume folglich verschlossen waren. Das war nach ihrem eigenen Vorbringen jedenfalls bis 10.00 Uhr der Fall: Im heutigen Termin hat sie bekundet, daß der Geschäftsführer der Beklagten regelmäßig erst um 10.00 Uhr kam und ihre Kollegen erst nachmittags erschienen. Welchen Sinn dann ein (versuchtes) Arbeitsangebot um 09.00 Uhr (so das Schreiben der Klägerin vom 30. 04. 2001, Bl. 50) bzw. 09.30 Uhr (so das Schreiben der Klägerin vom 02. 05. 2001, Bl. 10) haben sollte, hat sich dem Gericht nicht erschlossen. Insbesondere kann sich die Klägerin nicht auf ein Recht berufen, mit ihrer Arbeit früher als um 10.00 Uhr zu beginnen. Sie hat im heutigen Termin eingeräumt, daß die Arbeitszeit nicht vertraglich vereinbart war. Eine diesbezügliche betriebliche Übung hat sie nicht behauptet. Im Gegenteil ergeben die von ihr vorgelegten Stundenzettel (Bl. 15 ff.) für die Monate Februar bis April 2001, daß sie ihre Arbeitszeit offenbar nach Ermessen begonnen hat - jedenfalls wiederholt erst um 10.00 Uhr oder noch später. Dann aber ist kein Grund ersichtlich, warum die Klägerin an ein Recht hätte glauben können, in den Betriebsräumen mit ihrer Arbeit zu beginnen, als diese mangels Anwesenheit eines Schlüsselinhabers noch geschlossen waren.

Nach dem Vorstehenden kann die Frage offen bleiben, ob die Klägerin am 02. 05. 2001 mit Rücksicht auf ihre an diesem Tag beginnende Arbeitsunfähigkeit überhaupt ein wirksames Arbeitsangebot abgeben konnte, was bekanntlich die Leistungs- und damit Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers voraussetzt (ErfK/Preis, § 615 BGB Rn. 48).

3) Danach könnte ein Annahmeverzug der Beklagten nur dann entstanden sein, wenn sie am 17. 04. 2001 durch ihren Geschäftsführer eine fristlose Kündigung ausgesprochen hätte; denn eine fristlose Kündigung enthebt den Arbeitnehmer von der Verpflichtung, seine Arbeitskraft "tatsächlich" i.S.v. § 294 BGB anzubieten. Dies kann der Entscheidung jedoch nicht zugrunde gelegt werden. Denn die Beklagte hat eine fristlose Kündigung bestritten und die Klägerin hat sie nicht bewiesen. Für ihr Vorliegen trägt die Klägerin die Beweislast; denn die Vermutung spricht für den Fortbestand einmal bestehender Verhältnisse.

Die Klägerin hat für ihre Behauptung auch keinen tauglichen Beweis angetreten. Die Haupttatsache (Ausspruch der Kündigung am 17. 04. 2001) hätte nur durch eine Parteivernehmung des Geschäftsführers bewiesen werden können, da Zeugen bei der Auseinandersetzung der Parteien am 17. 04. 2001 nicht zugegen waren. Eine Parteivernehmung hat die Klägerin aber nicht beantragt. Statt dessen hat sie - erstinstanzlich - für Hilfstatsachen Beweise angeboten, die aber - selbst wenn man darüber hinwegsieht, daß die Beweisantritte zweitinstanzlich nicht wiederholt, sondern nur pauschal und damit unzulässig in Bezug genommen worden sind - nicht zu erheben waren. Die Hilfstatsachen sind zum Teil nicht in hinreichender Substantiierung vorgetragen, zum Teil ist der Schluß von ihnen auf die Haupttatsache nicht zwingend. So können Äußerungen des Zeugen W in einem Telefonat am 18. 04. 2001 schon deshalb keinen zwingenden Beweis für den Inhalt des Gesprächs am 17. 04. 2001 erbringen, weil auch dieser das Gespräch nur vom Hören-Sagen kennen kann - u.U. sogar, da die Klägerin den Kontext dieser Äußerungen verschweigt, von der Klägerin selber; sie wären dann zu verstehen als hypothetisches Urteil, d.h. als Bewertung einer nur angenommenen Tatsache. Die Äußerungen des Geschäftsführers am 15. 07. 2001 sind nicht in hinreichender Substantiierung geschildert, weil ihr Wortlaut verschwiegen wird: "Sich rechtfertigen" ist kein Text, sondern dessen Bewertung. Der von der Klägerin nahegelegte Schluß auf eine Kündigung am 17. 04. 2001 ist auch hier nicht zwingend - zum einen, weil man sich auch gegenüber einem haltlosen Vorwurf rechtfertigen kann; zum anderen, weil am 15. 07. 2001 schon die unstreitige Kündigung vom 07. 06. 2001 ausgesprochen war und man ohne Kenntnis des Textes und des Gesprächs, in dessen Zusammenhang er gehört, nicht entscheiden kann, ob sich die Rechtfertigung nicht etwa auf diese unstreitige Kündigung beziehen konnte. Jedenfalls ist nicht vorgetragen, durch welche Tatsachen man dies ausschließen könnte.

Versuche der Klägerin, die geschilderten Mängel im heutigen Termin mündlich nachzubessern, müssen - ohne Rücksicht auf die Frage, ob sie tauglich waren - jedenfalls als verspätet zurückgewiesen werden.

Im übrigen wäre eine - unterstellte - Kündigung vom 17. 04. 2001 längst aus der Welt geschafft worden. Mit ihren verschiedenen Schreiben an die Beklagte hat die Klägerin gezeigt, daß sie deren Rücknahme erwartet. Damit korrespondiert das Verhalten der Beklagten, aus dem zu schließen ist, daß auch sie eine Kündigung vom 17. 04. 2001, die schon wegen § 623 BGB offensichtlich (form-) unwirksam sein mußte, als nicht-existent betrachtet. Schon das von der Klägerin geschilderte Telefongespräch am 18. 04. 2001 zeigte der Klägerin die Einschätzung der Beklagten, daß die Kündigung "natürlich" nicht rechtens sei. Den gleichen Standpunkt ergeben die unstreitigen Arbeitsaufforderungen durch den Zeugen W bis hin zu der unstreitigen Abmahnung durch den Geschäftsführer vom 16. 05. 2001. Schließlich ergibt sich auch aus der ordentlichen Kündigung vom 15. 05. 2001 zum 30. 06. 2001, die eine Freistellung von der Arbeit ab dem 08. 06. 2001 enthält (Bl. 3) zwingend, daß die Beklagte von keiner fristlosen Kündigung vom 17. 04. 2001 ausging - an dieser also, sollte sie ausgesprochen worden sein, jedenfalls nicht festhielt; andernfalls wäre eine Freistellung völlig sinnlos. Vor diesem Hintergrund durfte die Klägerin, die mit ihren zahlreichen Schreiben genau dieses Ziel verfolgte und damit aus ihrer Sicht erfolgreich war, sich nicht weiter so verhalten, als gäbe es diese Kündigung noch und als würde die Beklagte weiterhin an dieser festhalten.

II. Die Berufung ist auch insoweit erfolgreich, als sie sich gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Streits um die Kündigungen richtet:

1) Die fristlose Kündigung vom 07. 06. 2001 ist wirksam, weil sie durch einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs.1 BGB gerechtfertigt ist. Die Klägerin hat trotz Abmahnung ihre Arbeit nicht aufgenommen. Ihre Schreiben, in denen sie ihre Arbeitskraft anbietet, entschuldigen das nicht: Der Arbeitsvertrag verpflichtet den Arbeitnehmer nicht, seine Arbeitskraft anzubieten, sondern zu arbeiten. Ein Grund, warum die Klägerin hätte davon ausgehen dürfen, daß eine Arbeitsaufnahme entbehrlich war, weil die Beklagte sie ohnehin nicht annehmen würde, ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil verbaten die Arbeitsaufforderungen und die Abmahnung eine solche Annahme. Daran ändern auch die Versuche der Klägerin nichts, ihre Arbeitskraft anzubieten, da sie - wie gezeigt - zur Unzeit erfolgten. Auch die angebliche Kündigung am 17. 04. 2001 ändert nichts, weil sie - wie gezeigt - der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden kann und weil die Beklagte, sollte es sie gegeben haben, von ihr jedenfalls schon lange abgerückt war.

2) Da die fristlose Kündigung wirksam war, kann die gegen die ordentliche Kündigung gerichtete Klage nicht erfolgreich sein. Das setzte einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Kündigungsfrist voraus. Daran fehlt es aber, weil die fristlose Kündigung vom 07. 06. 2001 das Arbeitsverhältnis beendet hat, bevor die Kündigungsfrist am 30. 06. 2001 ablaufen konnte.

III. Die Berufung ist auch insoweit erfolgreich, als sie sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von Überstunden richtet:

Das Gericht kann nicht davon ausgehen, daß die Klägerin die behaupteten Überstunden geleistet hat. Die Beklagte hat deren Ableistung bestritten; die Klägerin hat sie nicht bewiesen. Die von ihr vorgelegten Stundenzettel erbringen keinen Beweis, da sie diese selber hergestellt hat. Ein Anerkenntnis durch die Beklagte oder eine Beweisvereinbarung zwischen den Parteien liegt nicht vor. Solches pflegt üblicherweise durch Abzeichnung zu geschehen. Daß die Stundenzettel offen herumlagen und deshalb für den Geschäftsführer jederzeit einsehbar gewesen sein sollen, ersetzt eine solche Abzeichnung nicht: Dem unterlassenen Einschreiten fehlt jeder Erklärungswert, weil zum Einschreiten kein Anlaß bestand. Aufzeichnungen, die der Arbeitnehmer im eigenen Interesse fertigt, sind seine Sache und gehen den Arbeitgeber zunächst einmal nichts an.

IV. Nicht erfolgreich ist die Berufung, soweit sie sich gegen die Verurteilung richtet, eine Gehaltsabrechnung für Mai 2001 zu erteilen. Ausgezahlte Vergütungen abzurechnen, ist eine Nebenpflicht des Arbeitgebers. Die Vergütung ist unstreitig ausgezahlt. Ob dies ohne Rechtsgrund geschah, wie die Beklagte meint, ist ohne Belang: Auch rechtsgrundlos ausgezahlte Löhne sind abzurechnen. Andernfalls wüßte der Arbeitnehmer nicht, welche Abgaben in seinem Namen abgeführt wurden oder noch abzuführen sind. Sie sind ggf. noch abzuführen, weil auch rechtsgrundlos bezogenes Einkommen Einkommen ist und zwar solches, das Steuer- und abgabenpflichtig ist. Daß die Beklagte sich mit dem Gedanken trägt, die Vermögensverschiebung rückgängig zu machen, kann daran - jedenfalls solange er nicht durchgeführt ist - nichts ändern.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO. Dabei mußten der Beklagten trotz ihres überwiegenden Obsiegens die Kosten der Berufungsinstanz auferlegt werden: Soweit ihre Berufung zurückgewiesen wurde, folgt dies aus § 97 Abs.1 ZPO, soweit sie erfolgreich war, aus § 97 Abs.2 ZPO. Denn ihr Erfolg beruht ausschließlich auf neuem Vorbringen, das schon in der I. Instanz hätte erfolgen können.

Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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