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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 24.08.2007
Aktenzeichen: 11 Sa 241/07
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 75 d S. 2
Honorarabführungsvereinbarungen im Arbeitsvertrag eines angestellten Rechtsanwalts sind jedenfalls dann gemäß § 75 d Satz 2 HGB unwirksam, wenn sie sich jeweils auf einen Zeitraum von drei Jahren nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstrecken (im Anschluss an BAG, Urteil vom 07.08.2002 - 10 AZR 586/01, AP Nr. 4 zu § 75 d HGB). Eine geltungserhaltende Reduktion der zu lang bemessenen Bindungsfristen auf die von der Rechtsprechung des BAG für zulässig erachtete Bindungsfrist von zwei Jahren kommt nicht in Betracht.
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.10.2006 - 10 Ca 4726/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit von Honorarabführungsvereinbarungen.

Der Kläger, der Rechtsanwalt und als Insolvenzverwalter, Treuhänder sowie Sachverständiger in Insolvenzverfahren tätig ist, befand sich zu der Beklagten, einer auf Wirtschaftsrecht spezialisierten Anwaltskanzlei, die bundesweit derzeit an 21 Standorten vertreten ist, zunächst im Jahre 1988 in einem freien Mitarbeiterverhältnis, sodann vom 01.01.1999 bis zum 30.04.2000 in einem Arbeitsverhältnis. Die Beklagte eröffnete am 01.05.2000 ein Büro in F und setzte dort den Kläger, der seitdem bis zum 30.09.2002 im Rahmen eines Gesellschaftsverhältnisses Partner der Beklagten war, ein. Dieser wurde in der Folgezeit in rund 400 Fällen im R -M -Raum als Insolvenzverwalter bestellt. Seit dem 01.10.2002 war der Kläger bei der Beklagten auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 16.09.2002 wiederum im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt. In dieser Vereinbarung heißt es u.a.:

"9. Ausgleichszahlung bei Fortführung eigener Insolvenz- und sonstiger Mandate nach Ausscheiden

9.1. War Herr Dr. L während der Zusammenarbeit mit K als Insolvenzverwalter o.ä. bestellt worden und führt er die Verfahren oder andere ihm persönlich erteilte Mandate nach seinem Ausscheiden fort, hat er 25 % der ihm zukünftig aus diesen Verfahren/Mandaten noch zufließenden Vergütungen (netto ohne MwSt.) an Kübler abzuführen.

9.2. Wird Herr Dr. L nach seinem Ausscheiden bei K von Gerichten, an denen er oder ein Gesellschafter bereits während der Zusammenarbeit mit K tätig war, als Insolvenzverwalter o.ä. eingesetzt, hat er 25 % der Vergütung (netto ohne MwSt.), die er innerhalb von drei Jahren nach seinem Ausscheiden bei K in diesem Verfahren vereinnahmt oder vereinnahmen könnte, an K abzuführen. Die Abführungspflicht gilt ebenfalls, wenn Herr Dr. L nicht selbst als Gutachter etc. bestellt wird, sondern das Gericht auf seine Veranlassung an seiner Stelle einen mit ihm wirtschaftlich verbundenen Dritten - gleich in welcher Form und in welcher rechtlichen Gestaltung - einsetzt, sofern der Dritte nicht zuvor bereits selbst an dem jeweiligen Gericht als Insolvenzverwalter o.ä. tätig war.

9.3. Die vorstehende Regelung gilt entsprechend für Beratungsmandate, die Herrn Dr. L von Mandanten der Gesellschaft innerhalb von drei Jahren nach Beendigung des Anstellungsvertrages erteilt werden."

Mit Schreiben vom 29.10.2005 kündigte der Kläger das mit der Beklagten bestandene Anstellungsverhältnis zum 31.10.2006. Zwischenzeitlich schloss sich der Kläger einer Anwaltskanzlei als Partner an, die bislang nicht in F vertreten ist.

Mit seiner am 14.06.2006 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage vom 13.06.2006 hat der Kläger zunächst die Feststellung begehrt, dass die in B Ziffer 9 der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung vom 16.09.2002 enthaltene Klausel betreffend "Ausgleichszahlungen bei Fortführung eigener Insolvenz- und sonstiger Mandate nach Ausscheiden" unverbindlich bzw. unwirksam ist und die Beklagte aus dieser Vereinbarung gegen ihn keine Ansprüche herleiten kann.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Regelungen in den Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 seien unwirksam, da sie ihn in seiner Berufsausübung nach dem Ausscheiden aus dem Anstellungsverhältnis mit der Beklagten erheblich beschränkten und dadurch seine weiteren Tätigkeiten unbillig erschwert würden. Er hat behauptet, die in der Vereinbarung vom 16.09.2002 vorgesehene Abführung von 25 % der im nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zufließenden Vergütungen lasse eine wirtschaftlich lohnende Bearbeitung von Mandanten, insbesondere von Insolvenzmandanten nicht zu. Die Unwirksamkeit der Regelungen in den Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung vom 16.09.2002 ergebe sich zudem, so ist der Kläger der Ansicht gewesen, aus der Bindungsfrist von drei Jahren. Darüber hinaus verstießen diese Regelungen gegen § 138 BGB, gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB sowie gegen die §§ 74 ff. HGB.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass die in der Vereinbarung vom 16.09.2002 enthaltenen Klauseln 9.2 und 9.3 unwirksam sind.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung gewesen, die Regelungen in Nr. 9 der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 über die Honorarabführung seien wirksam. Sie seien weder nach § 75 d HGB unverbindlich noch nach § 138 Abs. 1 BGB oder § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Abführungsprozentsatz sei der Höhe nach angemessen, zumal dem Kläger ausreichende Verdienstmöglichkeiten verblieben. Eine Beschränkung der Dauer der Abführungspflicht werde den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens nicht gerecht. Trotz der Kostenlast und Abführungsverpflichtung an sie könne er jährlich mehr als 100.000,00 € erwirtschaften. Im Übrigen bestünden für ihn auch andere Einkommensmöglichkeiten, etwa aus Anwaltstätigkeiten für die Insolvenzmasse.

Mit Urteil vom 18.10.2006 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die in der Vereinbarung vom 16.09.2002 enthaltenen Klauseln 9.2 und 9.3 unwirksam sind und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die vereinbarte Honorarabführungspflicht sei auf Grund der Umstände des Einzelfalls als Umgehung im Sinne des § 75 d Satz 2 HGB zu werten, mithin als eine Konkurrenzschutzklausel ohne Karenzentschädigung. Eine geltungserhaltende Reduktion auf ihr zulässiges Maß komme nicht in Betracht.

Gegen das ihr am 08.01.2007 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte mit am 05.02.2007 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangenem Schriftsatz vom 02.02.2007 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29.03.2007 - mit am 29.03.2007 beim Landesarbeitsgericht Köln eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag begründet.

Die Beklagte ist unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterhin der Ansicht, die Regelungen in den Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung vom 16.09.2002 seien wirksam. Insbesondere führe die Honorarabführungspflicht nicht zu einer Umgehung der §§ 74 ff. HGB. Ebenso wenig verstoße sie gegen andere Vorschriften. Die streitbefangenen Klauseln dienten dem Schutz eines berechtigten Geschäftsinteresses von ihr, das sich aus von ihr geleisteten Einarbeitungen, Investitionen und Vorbereitungen ergebe, denen der Kläger seine Entwicklung verdanke. Zudem habe sie es dem Kläger ermöglicht, anlässlich des Aufbaus des Standortes in F unter Nutzung ihrer Firma und ihrer Ressourcen als Insolvenzverwalter aufzutreten und immer häufiger bestellt zu werden. Für dessen Etablierung habe sie eine mehrjährige Verlustfinanzierung übernommen. Demgegenüber könne sie den Standort in F nicht ohne weiteres mit anderen Insolvenzverwaltern fortführen. Vielmehr müsse sie einen Neuanfang mit einer anderen, ortsnahen Person vornehmen, die bei den in Betracht kommenden Insolvenzgerichten zu etablieren sei. Durch die Regelungen in den Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung vom 16.09.2002 werde auch nicht das berufliche Fortkommen des Klägers unbillig erschwert. Der Abführungsprozentsatz sei nicht unangemessen. Dem Kläger verblieben ausreichende Verdienstmöglichkeiten. Die Bindungsdauer von drei Jahren sei im Zusammenhang mit dem Abführungsprozentsatz und den Gewinnchancen des Klägers zu betrachten, so dass sie nicht zur Unverbindlichkeit i.S. von § 75 d HGB führe. Entscheidend sei, dass sich die Bearbeitung der Mandate wirtschaftlich lohne. Dies sei hier aber unter Berücksichtigung einer Kostenquote von 46 % uneingeschränkt der Fall. Hinzu komme, dass mit höheren Umsätzen auch die Kostenquote sinke. Im Übrigen blieben dem Kläger andere Bereiche mit erheblichen Einkommensmöglichkeiten. Dies sei sowohl im Zusammenhang mit der Bindungsdauer als auch im Zusammenhang mit der Abfindungshöhe zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18.10.2006 - 10 Ca 4726/06 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil. Insbesondere sei, so ist der Kläger der Meinung, die vertraglich vereinbarte Bindungsfrist von drei Jahren nicht gerechtfertigt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft und wurde gemäß §§ 66 Abs. 1 Satz 1 und 5, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsfrist begründet.

II. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Denn die Klage ist zulässig und auch begründet.

1. Der Kläger hat angesichts der sich aus den Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 ergebenden Verpflichtungen gegenüber der Beklagten und den damit verbundenen u.U. ganz erheblichen finanziellen Belastungen bei der Ausübung seines Berufes innerhalb des in diesen Bestimmungen genannten Zeitraums ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, ob diese Regelungen rechtswirksam sind oder nicht, § 256 Abs. 1 ZPO.

2. Die Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 sind rechtsunwirksam.

a) Diese Regelungen sind als unzulässige Umgehung i.S. von § 75 Satz 2 HGB zu werten, da deren Konditionen derart gestaltet sind, dass sich die Wahrnehmung der von diesen Regelungen erfassten Tätigkeiten durch den Kläger wirtschaftlich nicht lohnt.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der überwiegenden Auffassung in der Literatur sind zwar sog. Mandantenübernahmeklauseln, also Regelungen, die - anders als sog. Mandantenschutzklauseln, wonach es dem Arbeitnehmer untersagt ist, nach seinem Ausscheiden mit der Beratung ehemaliger Mandanten seines Arbeitgebers zu diesem in Konkurrenz zu treten - gerade kein Konkurrenzverbot enthalten, sondern im Gegenteil die Betreuung von Mandanten des ehemaligen Arbeitgebers, allerdings gegen Abführung eines Teils des Honorars, ausdrücklich zulassen, auch ohne Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Karenzentschädigung grundsätzlich zulässig und verbindlich, soweit sie dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses dienen und das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unbillig erschweren (BAG, Urteil vom 07.08.2002 - 10 AZR 586/01, AP Nr. 4 zu § 75 d HGB, zu II. 1. der Gründe m.w. Nachw. des Schrifttums). Eine Mandantenübernahmeklausel ohne Karenzentschädigung stellt nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts aber jedenfalls dann eine Umgehung i.S. von § 75 d Satz 2 HGB dar, wenn die Konditionen so gestaltet sind, dass sich die Bearbeitung der Mandate wirtschaftlich nicht lohnt (BAG, Urteil vom 07.08.2002 - 10 AZR 586/01, a.a.O., zu II. 2. a) der Gründe). In diesem Fall schaltet der Arbeitgeber seinen früheren Mitarbeiter als Konkurrenten aus, d.h. es handelt sich um eine verdeckte Mandantenschutzklausel, die den Arbeitnehmer i.S. von § 74 Abs. 1 HGB in seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt. Dies kann auch aus einer zu langen Bindungsdauer folgen (BAG, Urteil vom 07.08.2002 - 10 AZR 586/01, a.a.O., zu II. 2. a) der Gründe m.w. Nachw.).

Im Anschluss an die bis dahin in der Literatur überwiegend vertretene Meinung (Büsken, Mandantenschutzklausel und Übernahmeklausel, MDR 1985, 898 ff.; Henssler/Holthausen, BRAK-Mitt. 2001, 132, 134; Eich, in: Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich, Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts, 2. Aufl. 1988, § 81 Rdnr. 190) hat das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung vom 07.08.2002 angenommen, dass bei Mandantenübernahmeklauseln eine Bindung von mehr als zwei Jahren nicht mehr als angemessen angesehen werden kann. Im Zusammenhang mit Mandantenschutzklauseln nehme auch der Bundesgerichtshof regelmäßig eine zeitliche Begrenzung von zwei Jahren an, da sich bis dahin die Beziehungen zum Mandantenkreis so stark verflüchtigt hätten, dass die Konkurrenz danach für den Berechtigten keine wesentliche Einbuße mehr bedeute (BAG, Urteil vom 07.08.2002 - 10 AZR 586/01, a.a.O., zu II. 2. b) der Gründe unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 16.10.1989 - II ZR 2/89, BB 1990, 11 f.).

Auch im Falle einer zugelassenen Mandantenübernahme könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Verbleiben von Mandanten beim ehemaligen Mitarbeiter über einen derart langen Zeitraum nicht auf den mitgegebenen "good will" des ehemaligen Arbeitgebers, sondern auf die eigene Leistung des ehemaligen Mitarbeiters zurückzuführen sei. Da zu prüfen sei, ob eine verdeckte Mandantenschutzklausel und damit eine Umgehung i.S. von § 75 d Satz 2 HGB vorliege, sei auf § 74 a Abs. 1 Satz 3 HGB als Prüfungsmaßstab zurückzugreifen (so ausdrücklich BAG, Urteil vom 07.08.2002 - 10 AZR 586/01, a.a.O., zu II. 2. b) der Gründe).

bb) Diese Erwägungen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich das Berufungsgericht anschließt, sind auch auf die streitbefangenen Regelungen der Nr. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 anwendbar.

(1) Bei diesen Regelungen handelt es sich zwar nicht, wie von den Parteien insoweit offenbar übereinstimmend angenommen wurde, um reine Mandantenübernahmeklauseln im engeren Sinne, da sie sich in ihrem Anwendungsbereich nicht nur auf die bloße "Übernahme" von Mandanten der Beklagten durch den Kläger beschränken, sondern - weitergehend - zum einen den (künftigen) Einsatz des Klägers sowie eines von ihm veranlassten und mit ihm wirtschaftlich verbundenen Dritten als Insolvenzverwalter o.ä. von Gerichten, an denen er oder ein Gesellschafter bereits während der Zusammenarbeit mit der Beklagten tätig war (Nr. 9.2. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002), zum anderen Beratungsmandate des Klägers oder eines von ihm veranlassten und mit ihm wirtschaftlich verbundenen Dritten, die von Mandanten der Beklagten erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien erteilt werden (Nr. 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002), umfassen. Wenn aber das Bundesarbeitsgericht bereits bei Mandantenübernahmeklauseln im engeren Sinne eine Bindungswirkung von höchstens zwei Jahren für zulässig erachtet, gilt dies erst recht für die vorliegenden Honorarabführungsregelungen in den Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002, zumal diese in ihrer Reichweite über reine Mandantenübernahmeklauseln im eigentlichen Sinne zu Lasten des Klägers weit hinausgehen.

(2) Da sich die Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 jeweils auf einen Zeitraum von drei Jahren nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien erstrecken, während nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die auch - wie soeben im Einzelnen ausgeführt - für diese Regelungen maßgebend ist, bei Mandantenübernahmeklauseln eine Bindung von mehr als zwei Jahren nicht mehr als angemessen angesehen werden kann, ergibt sich bereits aus dieser zu langen Bindungsdauer, dass sich die Bearbeitung der Mandate wirtschaftlich nicht lohnt, ohne dass es dabei auf die von der Beklagten angenommene Angemessenheit des vereinbarten Prozentabführungssatzes, die dem Kläger nach Abzug der Kosten und der an die Beklagten abzuführenden Beträge letztlich tatsächlich verbleibenden Einkünfte aus den Tätigkeiten, auf die sich die streitgegenständlichen Regelungen beziehen, oder auf die diesbezüglichen Rechenbeispiele der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 29.03.2007 (dort auf den Seiten 14 ff.) ankam, die den eigenen Angaben der Beklagten zufolge ohnehin ihre Grundlage nur auf den Bestellungen des Klägers als Insolvenzverwalter in den Jahren 2005 bis 2006 haben und denen für die (künftigen) Tätigkeiten des Klägers nach der Beendigung des mit der Beklagten bestandenen Arbeitsverhältnisses bzw. seinen Umsätzen innerhalb von drei Jahren nach dem 31.10.2006 aus den von Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 erfassten Fällen nicht per se die gleiche Aussagekraft beigemessen werden kann.

cc) Die Besonderheiten des hier vorliegenden Streitfalls vermögen entgegen der Auffassung der Beklagten keine anderweitige Beurteilung zu rechtfertigen.

(1) Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 07.08.2002 hatte zwar in der Tat eine mit einer - wie sie die Beklagte sowohl in der Klageerwiderung vom 22.09.2006 (dort im letzten Absatz von Seite 22) als auch in der Berufungsbegründung (dort zu Beginn des zweiten Absatzes von Seite 12) bezeichnet - "einfachen" Steuerassistentin in deren Anstellungsvertrag vereinbarten Mandantenübernahmeklausel zum Gegenstand. Selbst wenn im hiesigen Verfahren der (berufliche) Status des Klägers als Rechtsanwalt, der u.a. als Insolvenzverwalter, Treuhänder und Sachverständiger tätig ist, ein anderer sein mag, lässt sich den Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts in den Entscheidungsgründen des Urteils vom 07.08.2002 nicht entnehmen, dass sich die dort festgelegte Höchstgrenze von zwei Jahren für Mandantenübernahmeklauseln allein auf die Berufsgruppe der Steuerassistenten beschränkt und bei anderen Berufsgruppen ausnahmsweise auch eine längere Bindungsfrist wirksam vereinbart werden könnte. Vielmehr heißt es in den Entscheidungsgründen wörtlich und ganz generell, dass "bei Mandantenübernahmeklauseln eine Bindung von mehr als zwei Jahren nicht mehr als angemessen angesehen werden kann" (BAG, Urteil vom 07.08.2002 - 10 AZR 586/01, a.a.O., zu II. 2. b) der Gründe). Auch wenn die Beklagte, wie von ihr weiterhin behauptet, die Voraussetzungen für die weiteren beruflichen Entwicklungen und Möglichkeiten des Klägers geschaffen haben sollte, entbindet dies nicht von der - hier vorzunehmenden - Prüfung, ob die streitbefangenen Vereinbarungen der Parteien als verdeckte Mandantenschutzklauseln und damit als Umgehungen i.S. von § 75 d Satz 2 HGB zu werten sind, wobei auch insoweit auf § 74 a Abs. 1 Satz 3 HGB als Prüfungsmaßstab zurückzugreifen ist (vgl. BAG, Urteil vom 07.08.2002 - 10 AZR 586/01, a.a.O., zu II. 2. b) der Gründe).

Hinzu kommt, dass das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 07.08.2002 über eine reine Mandantenübernahmeklausel zu befinden hatte. Ausweislich des Tatbestands dieser Entscheidung lautete die dortige Klausel wie folgt:

"Übernehmen Sie bei oder im Zusammenhang mit Ihrem Ausscheiden aus den Diensten meiner Praxis unmittelbar oder mittelbar Mandate meiner Praxis, so werden Sie als Entschädigung für einen Zeitraum von 5 Jahren seit dem Ausscheiden einen Betrag in Höhe von 20 % Ihres Gesamtumsatzes mit dem betreffenden Mandanten an mich abführen. Die Zahlungen sind jeweils am 1. März eines Jahres für den Jahresumsatz des vorangegangenen Kalenderjahres fällig."

Dagegen handelt es sich bei den streitbefangenen Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 - wie bereits ausgeführt - nicht nur um solche Mandantenübernahmeklauseln im engeren Sinne. Vielmehr gehen sie in ihren Regelungsinhalten erheblich in einer die Verdienstmöglichkeiten des Klägers einschränkenden Weise hinaus. Beide Bestimmungen beschränken sich nicht auf die bloße "Übernahme" von Mandanten der Beklagten. Die Nr. 9.2. dieser Vereinbarung hat - weitergehend - den Einsatz des Klägers oder eines mit ihm wirtschaftlich verbundenen Dritten auf seine Veranlassung als Insolvenzverwalter o.ä. von Gerichten, an denen er oder ein Gesellschafter bereits während der Zusammenarbeit mit der Beklagten tätig war, zum Gegenstand. Entsprechendes gilt nach Nr. 9.3. dieser Vereinbarung für Beratungsmandate, die dem Kläger von Mandanten erst nach der Beendigung des Anstellungsvertrags erteilt werden. Wenn aber das Bundesarbeitsgericht bereits reine Mandantenübernahmeklauseln bei einer Bindungsdauer von mehr als zwei Jahren für unzulässig erachtet, gilt dies - auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten in der Klageerwiderung vom 22.09.2006 sowie in der Berufungsbegründung vom 29.03.2007 vorgetragenen Besonderheiten hinsichtlich des Status und der Tätigkeiten des Klägers - im Wege eines erst-recht-Schlusses in gleicher Weise für die streitgegenständlichen Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002.

(2) Ob und inwieweit dem Kläger aus anderen Tätigkeiten, die nicht von den Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 erfasst werden, während des in diesen Regelungen vorgesehenen Bindungszeitraums von drei Jahren nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien Einkommensmöglichkeiten verbleiben, etwa aus dem Führen von Aktiv- oder Passivprozessen für die Insolvenzmasse, war für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit dieser Regelungen ohne Belang. Abgesehen davon, dass das Bundesarbeitsgericht in der bereits mehrfach erwähnten Entscheidung vom 07.08.2002 die Wirksamkeit einer Mandantenübernahmeklausel lediglich unter dem Gesichtspunkt der (zu langen) Bindungsdauer, nicht aber nach etwaigen Einkommensmöglichkeiten des Arbeitnehmers aus Tätigkeiten, die von einer solchen Mandantenübernahmeklausel nicht erfasst werden, beurteilt hat, war im Streitfall insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger in den vergangenen Jahren schwerpunktmäßig als Insolvenzverwalter tätig war. Letzteres ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten in der Klageerwiderung vom 22.09.2006 (dort auf Seite 4), wo die Beklagte u.a. selbst vorgetragen hat, der Kläger sei seit dem Jahre 2000 bis zum Jahre 2006 in 400 Fällen als Insolvenzverwalter bestellt worden. Wenn sich aber die Tätigkeiten des Klägers im Kern auf die Bestellung als Insolvenzverwalter fokussiert haben und hiervon auch künftig auszugehen ist, kann anderweitigen Tätigkeiten, die nicht von den Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 erfasst werden, sowie den sich daraus ergebenden Einkünften keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden. Unabhängig davon orientieren sich die Berechnungen der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 29.03.2007 (dort auf Seite 16 f.) hinsichtlich der sonstigen, nicht von den Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 erfassten Tätigkeiten des Klägers wiederum allein an den Einnahmen in den Jahren 2005 und 2006, woraus sich aber nicht ohne weiteres ableiten lässt, dass der Kläger innerhalb von drei Jahren nach der Beendigung des mit der Beklagten bestandenen Arbeitsverhältnisses am 31.10.2006 insoweit im gleichen Umfang Einkünfte erzielt.

(3) Ein berechtigtes geschäftliches Interesse der Beklagten, aus der Errichtung und dem Aufbau des Büros in F unter Einsatz des Klägers sowie den damit einhergehenden und in der Natur der Sache liegenden ganz erheblichen Kosten auch die wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen und dies nicht dem Kläger nach dessen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu überlassen, liegt zwar ohne weiteres auf der Hand und ist auch durchaus anzuerkennen.

Zu diesem Zweck hat die Beklagte gegenüber dem Kläger allerdings auch die arbeitsvertraglich zulässigen Mittel zu wahren, wie etwa die Vereinbarung eines für eine bestimmte Mindestdauer unbefristeten und ordentlich nicht kündbaren Arbeitsverhältnisses, eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots gemäß § 110 GewO i.V. mit §§ 74 ff. HGB oder einer Mandantenübernahmeklausel, die in ihrer Bindungsdauer den Anforderungen der von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätzen Rechnung trägt, was bei den streitgegenständlichen Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2006 nicht der Fall ist.

dd) Eine sog. geltungserhaltende Reduktion der in den Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 jeweils zu lang bemessenen Bindungsfristen auf die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht für zulässig erachtete Bindungsfrist von zwei Jahren konnte - wie bereits das Arbeitsgericht zu Recht angenommen hat - nicht erfolgen.

Bei Wettbewerbsverboten mit zu langer Bindung nimmt zwar der Bundesgerichtshof eine solche geltungserhaltende Reduktion vor (vgl. BGH, Urteil vom 29.10.1990 - II ZR 241/89, BB 1990, 2432 ff. m.w. Nachw.). Insoweit handelt es sich jedoch um Wettbewerbsverbote außerhalb des Schutzbereichs der §§ 74 ff. HGB, die nach § 138 f. BGB zu beurteilen sind. Vorliegend ist Prüfungsmaßstab dagegen die Vorschrift des § 75 d Satz 2 HGB. Stellen sich die Klauseln - wie hier - als verdeckte Mandantenschutzklauseln dar, die auf Grund der lang andauernden wirtschaftlichen Belastung für den Arbeitnehmer eine Übernahme der Mandate überhaupt in Frage stellen und ihn so als Konkurrenten ausschalten können, liegt eine Umgehung der Pflicht zur Karenzentschädigung vor. Diese Umgehung kann nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, die von dem Berufungsgericht ebenfalls geteilt wird, nicht durch eine geltungserhaltende Reduktion ungeschehen gemacht werden, weil die Entscheidung, im Hinblick auf die wirtschaftliche Belastung, ein Mandat - hier darüber hinausgehend auch die Bestellung als Insolvenzverwalter durch ein Gericht, an dem der Kläger oder ein Gesellschafter der Beklagten während der Zeit der Zusammenarbeit des Klägers mit der Beklagten bereits tätig waren - anzunehmen oder abzulehnen, nicht rückgängig gemacht werden kann. Die Unterscheidung zwischen Unverbindlichkeit und Nichtigkeit in den §§ 74 ff. HGB vermag daran nichts zu ändern, weil hier das mit der Unverbindlichkeit bestehende Wahlrecht des Arbeitnehmers, sich entweder des Wettbewerbs zu enthalten und dafür eine Karenzentschädigung zu erhalten oder aber unbehindert Wettbewerb zu betreiben, mangels einer Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Karenzentschädigung gerade nicht besteht (BAG, Urteil vom 07.08.2002 - 10 AZR 586/01, a.a.O., zu II. 2. d) der Gründe).

b) Ob die Regelungen der Nrn. 9.2. und 9.3. der Vereinbarung der Parteien vom 16.09.2002 zudem - wie vom Kläger angenommen - wegen Verstoßes gegen § 138 BGB und § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sind, bedurfte im Hinblick auf die vorangegangenen Ausführungen keiner Entscheidung.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG i.V. mit § 97 Abs. 1 ZPO.

IV. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht zuzulassen. Insbesondere ging es nicht um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Zum einen fehlt es an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit der entscheidungserheblichen Rechtsfragen, da diese bereits höchstrichterlich entschieden worden sind. Zum anderen beruht die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls.

Ende der Entscheidung

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