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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.07.2002
Aktenzeichen: 11 Sa 383/02
Rechtsgebiete: BAT


Vorschriften:

BAT § 12 Abs. 1
BAT § 22
BAT § 23
1. Zur Versetzung eines Sozialarbeiters mit Facharbeiterausbildung von einer "Orientierungswerkstatt" für Jugendliche in einer Kindertagesstätte innerhalb eines öffentlich bezuschussten Vereins mit vereinbarter Anwendung des BAT.

2. Zur "schwierigen Tätigkeit" i. S. d. Vergütungsgruppe BAT IVb der Vergütungsordnung für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst (VkA): Der Einsatz handwerklicher Qualifikation reicht nicht aus.

3. Zur Bedeutung des Schrägstrichs für die Auslegung eines schriftlichen Vertrages: Er gibt jedenfalls keine Kumulation der durch ihn verbunden Glieder an.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 Sa 383/02

Verkündet am: 26.07.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26.07.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin Schloß und den ehrenamtlichen Richter Henßen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 20.12.2001 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln - 1 Ca 3183/01 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

(abgekürzt gem. § 69 Abs. 2 ArbGG)

Die Parteien - nämlich der beklagte gemeinnützige Verein für soziale Dienste, der Jugendwerkeinrichtungen und Kindertagesstätten unterhält und von öffentlichen Zuschüssen lebt sowie der am 04. 04. 1959 geborene Kläger, ausgebildeter Facharbeiter im Metallhandwerk und Erzieher, der von ihr seit dem 15. 02. 1989 beschäftigt wird - streiten um die Wirksamkeit einer vom Beklagten mit Schreiben vom 21. 03. 2001 (Bl. 19) vorgenommenen Versetzung, die ab 15. 05. 2001 umgesetzt werden soll. Laut maschinenschriftlichem Zusatz im Arbeitsvertrag vom 21. 02. 1989 (Bl. 4 f.), der sich weitgehend an den BAT anlehnt, wurde der Kläger eingestellt als "Erzieher/Zentralheizungs- u. Lüftungsbauer" (§ 1), der "nach Möglichkeit in den Projekten Jugend- u. Ausbildungswerkstatt arbeiten" sollte (§ 3). Seine Vergütung erfolgt laut Arbeitsvertrag "in Anlehnung an Vergütungsgruppe IV b BAT Gemeinden." Bis zum 31. 12. 1997 wurde er in der Ausbildungswerkstatt der Jugendwerkeinrichtung als Erzieher eingesetzt und wegen deren Schließung ab 01. 01. 1998 - ebenfalls als Erzieher - in die Orientierungswerkstatt versetzt, in der eine Berufsausbildung nicht stattfindet. Die von ihm dort eingenommene Stelle wurde zu 2/3 refinanziert; die Refinanzierung des letzten Drittels war bis zum 30. 11. 2000 mit Hilfe eines Sonderprogramms möglich und war seitdem nicht mehr gewährleistet. Der Beklagte beabsichtigte deshalb seine Versetzung als Erzieher in die Kindertagesstätte Straße unter Beibehaltung seiner Bezüge und hörte dazu mit Schreiben vom 13. 03. 2001 (Bl. 20) seinen Betriebsrat an, dessen Mitglied der Kläger war. Der Betriebsrat stimmte mit Schreiben vom 20. 03. 2001 (Bl. 22) zu. Der Kläger, der anschließend aus dem Betriebsrat austrat, hält die daraufhin vorgenommene Versetzung in die Kindertagesstätte für vertragswidrig und nicht vom Direktionsrecht gedeckt: Seine handwerkliche und damit Doppelqualifikation sei Einstellungsbedingung gewesen und von ihm sowohl in der Ausbildungs- als auch in der Orientierungswerkstatt neben seiner erzieherischen Tätigkeit begleitend zur Tätigkeit des zuständigen Handwerksmeisters eingesetzt worden. Sein Anspruch auf entsprechende Beschäftigung sei Vertragsinhalt geworden. Bei seiner ihm nunmehr zugedachten Aufgabe als Erzieher in der Kindertagesstätte sei seine handwerkliche Ausbildung nicht verwertbar.

Das Arbeitsgericht hat seine Klage auf Verurteilung der Beklagten, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Erzieher/Zentralheizungs- und Lüftungsbauer in der Jugendwerkstatt mit den Aufgaben der Berufsausbildung bzw. Berufsorientierung für Jugendliche zu beschäftigen, abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter und verweist erneut auf die Tätigkeitsbezeichnung im Arbeitsvertrag; danach sei eine Tätigkeit vereinbart, deren Ausübung den Einsatz seiner Facharbeiterausbildung einschließe. Das sei auch bei den Einstellungsverhandlungen zum Ausdruck gekommen. Seine Doppelqualifikation sei entscheidend für seine Eingruppierung gewesen. Die Parteien seien sich dabei einig gewesen, daß seine Tätigkeit wegen der erforderlichen Doppelqualifikation als "schwierige Tätigkeit" im Sinne der Vergütungsgruppe IVb BAT (VkA) zu bewerten sei. Ausdrücklich hätten sie vereinbaren wollen, daß er im Zusammenhang mit der Berufsausbildung Jugendlicher beschäftigt werde. So sei er auch eingesetzt worden, wobei er in der Orientierungswerkstatt neben seiner sozialpädagogischen Betreuung Grundqualifikationen im handwerklichen Bereich vermittelt habe. Demgegenüber entspreche die Tätigkeit in der Kindertagesstätte nur der Vergütungsgruppe V c BAT.

Der Kläger beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den erstinstanzlichen Schlußanträgen zu erkennen,

2. hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, ihn als Erzieher im Jugendbereich mit handwerklichem Bezug zu beschäftigen.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und bestreitet eine vertragliche Konkretisierung des Arbeitsplatzes. Der Kläger sei auch stets nur als Sozialarbeiter eingesetzt worden und allein für den pädagogischen Bereich zuständig gewesen, während den fachlichen Bereich die neben dem Kläger tätigen Meister abgedeckt hätten. Der Beklagte behauptet, alte und neue Tätigkeit des Klägers seien gleichermaßen der Vergütungsgruppe Vb/5 BAT (VkA) zuzuordnen und damit als Arbeitsplätze "mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten" zu bewerten - früher wegen Protokollerklärung Nr. 6c (Tätigkeiten in Jugendzentren), nunmehr wegen Protokollerklärung Nr. 6b (Tätigkeiten in Gruppen von Kindern mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten). Zur Begründung beruft er sich auf vorgelegte Stellenbeschreibungen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die streitige Versetzung ist wirksam. In der Begründung folgt das Gericht der angefochtenen Entscheidung, weshalb insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Gründe halten auch den Angriffen der Berufung stand:

Grundsätzlich kann der Kläger versetzt werden - und zwar in entsprechender Anwendung von § 12 Abs. 1 BAT; die Parteien haben für "Einzelfragen" die entsprechende Anwendung des BAT vereinbart (§ 5 des Arbeitsvertrags).

Der Beklagte überschreitet mit der streitigen Versetzung nicht die tariflich gesetzten Grenzen seines Direktionsrechts. Im Geltungsbereich des BAT - und damit kraft vertraglicher Vereinbarung auch im Arbeitsverhältnis der Parteien - wird das Versetzungsrecht des Arbeitgebers von der Vergütungsgruppe begrenzt, die dem vom Angestellten eingenommenen Arbeitsplatz zukommt. Vorliegend ist davon auszugehen, daß dem neuen Arbeitsplatz des Klägers keine andere Vergütungsgruppe zukommt als seinem alten:

Mit der Kindertagesstätte ist für den Kläger derzeit die Vergütungsgruppe Vb/5 BAT der Vergütungsordnung für Angestellte im Sozial- und im Erziehungsdienst (VkA) verbunden und damit - da es sich um eine Bewährungsgruppe handelt - die Vergütungsgruppe Vc/5 BAT. Denn es handelt sich um eine Erziehertätigkeit "mit besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten". Als solche führt die Protokollerklärung 6b beispielhaft die Tätigkeit in Gruppen von Kindern mit wesentlichen Erziehungsschwierigkeiten auf. Daß in der Kindertagesstätte Straße solche Kindergruppen zu betreuen sind, hat der Beklagte behauptet, ohne daß dem der Kläger widersprochen hätte.

Erfolglos behauptet der Kläger, seine Tätigkeit in der Orientierungswerkstatt sei höherwertig weil eine "schwierige Tätigkeit" i.S.d. Vergütungsgruppe IVb gewesen. Von den dortigen Fallgruppen kommt nur Ziffer 16 in Betracht. Diese verweist aber zur Erläuterung des Begriffs "schwierige Tätigkeit" auf die Protokollerklärung Nr. 12, aus der sich keine Übereinstimmung mit dem Arbeitsplatz des Klägers in der Orientierungswerkstatt ergibt. Die dortigen Beispiele beschreiben eine Führungsposition (Buchst. e) und Fälle spezieller Problemgruppen (Suchtmittel-Abhängige, AIDS-Erkrankte, Heimbewohner und Strafgefangene); der Einsatz handwerklicher Qualifikation wird nicht angesprochen. Er ist auch den angeführten Beispielen zu verschiedenartig, um mit ihnen unter einem Oberbegriff zusammengefaßt zu werden. Die Kombination von erzieherischer und handwerklicher Qualifikation wird von den Tarifvertragsparteien unter dem Begriff "handwerklicher Erziehungsdienst" zusammengefaßt und an anderer Stelle berücksichtigt - so z.B. in Vergütungsgruppe Vc/1 BAT für Handwerksmeister im handwerklichen Erziehungsdienst als Leiter von Ausbildungswerkstätten. Da diese Tätigkeit mit der Vergütungsgruppe Vc/1 BAT bedacht wird, kann nicht angenommen werden, daß die Tarifvertragsparteien dem Erzieher mit Facharbeiterausbildung die Vergütungsgruppe IVb zuweisen wollten.

Selbst wenn der Einsatz einer Handwerkerausbildung den Weg nach Vergütungsgruppe IVb eröffnete, würde das vorliegend nicht zu deren Anwendung auf den Arbeitsplatz des Klägers in der Orientierungswerkstatt führen. Denn es kann der Entscheidung nicht zugrunde gelegt werden, daß vom Kläger bei seinem dortigen Einsatz eine neben dem zuständigen Meister einzusetzende handwerkliche Qualifikation verlangt wurde (§ 22 Abs. 2 S. 1 BAT: "auszuübende Tätigkeit"). Der Beklagte hat durch Vorlage einer Stellenbeschreibung (Anlg. B 7 zum Schriftsatz vom 12. 11. 2001) substantiiert vorgetragen, was von ihm als Sozialpädagoge in der Orientierungswerkstatt verlangt wurde; irgendeine handwerkliche Ausbildung oder auch nur Propädeutik ist nicht darunter. Sicherlich kam dem Kläger sein handwerklicher Hintergrund zugute, schon weil jedes soziale Verhalten in direktem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhalten steht; jedoch zeigt die unbestrittene Tatsache, daß die im Bereich "Holz" beschäftigte Sozialpädagogin keine handwerkliche Qualifikation besitzt, daß solche auch nicht erforderlich ist.

Da nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Einsatz seiner handwerkliche Qualifikation vom Kläger verlangt wurde und dies zu seiner "auszuübenden Tätigkeit" gehörte, ist es nicht erheblich, ob der Kläger seine diesbezüglichen Kenntnisse und Fähigkeiten tatsächlich eingesetzt hat. Solches kann unterstellt werden. Dies führte weder zu einer abweichenden eingruppierungsrechtlichen Bewertung noch zu einer "Konkretisierung" des Arbeitsplatzes in dem Sinne, daß dem Kläger ein Anspruch auf entsprechende Gestaltung seiner Beschäftigung für die Zukunft erwüchse: Eine Konkretisierung des Arbeitsplatzes findet im Geltungsbereich des BAT durch die praktische Handhabung allein nicht statt.

Da die streitige Versetzung keine Vergütungsgruppengrenze überschreitet, könnte ihrer Zulässigkeit nur die vom Kläger behauptete einzelvertragliche Vereinbarung entgegenstehen. Von solcher Vereinbarung kann jedoch nicht ausgegangen werden:

Soweit sich der Kläger zur Begründung seines Standpunkts auf den Inhalt der mündlichen Vertragsverhandlungen bezieht, scheitert seine Argumentation an § 4 Abs. 2 BAT, dessen entsprechende Anwendung die Parteien vereinbart haben.

Der Text der schriftlichen Vertragsurkunde gibt die vom Kläger gewünschte Auslegung nicht her. Insoweit beruft sich der Kläger allein auf die Formulierung in § l des Arbeitsvertrags, wonach er als "Erzieher/Zentralheizungs- u. Lüftungsbauer" eingestellt wurde. Daraus kann jedoch die Zusage eines kombinierten Einsatzes nicht gefolgert werden:

Die Ansicht des Klägers wäre nur dann schlüssig, wenn der zur Verbindung der beiden Funktionen verwendete Schrägstrich die Bedeutung von "und" hätte. Das läßt sich jedoch nicht feststellen. Der Schrägstrich kann verschiedene syntaktische Funktionen haben. Dabei steht im Vordergrund die Angabe mehrerer Möglichkeiten ("und/ oder", "Ärzte/Ärztinnen"). Auch andere Funktionen sind denkbar. Der offiziellen Syntax ist aber die Verwendung des Schrägstrichs zur Verdeutlichung einer Kumulation nicht bekannt (Duden, Die deutsche Rechtschreibung, 21. Aufl., R 114 - R 118, S. 57). Es gilt die Vermutung, daß Vertragsparteien sich sprachlich richtig ausdrücken wollen. Der Vertragstext gibt im übrigen keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Parteien den Schrägstrich regelwidrig als Kumulationszeichen verwenden wollten. Andererseits ergibt die Verwendung des Schrägstrichs als Alternativitätszeichen wenig Sinn, da eine der sich dadurch ergebenden Möglichkeiten ausscheidet: Die Einstellung wahlweise nur als Zentralheizungs- und Lüftungsbauer kann schon wegen der Vereinbarung des BAT nicht gewollt sein und wird auch von keiner Partei behauptet. Damit scheidet eine sprachlich zulässige Bedeutung des Schrägstrichs aus; seine irreguläre Verwendung ist jeder Deutung zugänglich. Am nächsten liegt noch die Vorstellung, der Kläger solle als Erzieher eingestellt werden, aber mit dem abrufbaren Können eines Handwerkers, das je nach Bedarf zusätzlich einsetzbar ist vergleichbar etwa der Einstellung einer Korrespondentin mit Englischkenntnissen, der mit solcher Formulierung allerdings nicht der fortwährende Einsatz dieser Kenntnisse zugesagt wird.

Die Frage kann letztlich offenbleiben. Denn selbst wenn der Vertragstext im Sinne des Klägers so zu verstehen sein sollte, daß er als Erzieher "und" Zentralheizungsund Lüftungsbauer eingestellt werden sollte, folgt daraus noch nicht die Zusage eines entsprechenden Einsatzes. Gerade im Geltungsbereich des BAT ist die Angabe des ersten Arbeitsplatzes im Arbeitsvertrag üblich, ohne daß daraus auf einen Verzicht auf das allgemeine Versetzungsrecht geschlossen werden darf. Es ist sehr wohl möglich, daß es dem Beklagten auf die Verfügbarkeit der handwerklichen Qualifikation ankam, ohne deren ständige Abrufung garantieren zu wollen. Eine Einstellung als Erzieher und Zentralheizungs- und Lüftungsbauer bedeutet dann, daß vertraglich die Möglichkeit sichergestellt ist, auf die zusätzliche Qualifikation zurückgreifen zu können. Das wäre dann zwar eingruppierungsrechtlich als zusätzliches Vorhaltewissen zu berücksichtigen, führte aber nicht zu einem entsprechenden Beschäftigungsanspruch.

Im übrigen unterstellen Haupt- ("Jugendwerkstatt") und Hilfsantrag ("im Jugendbereich") einen Anspruch des Klägers, im Jugendbereich beschäftigt zu werden und übersehen dabei, daß der Kläger laut Vertrag nur "nach Möglichkeit" in den Projekten Jugend- und Ausbildungswerkstatt arbeiten soll (§ 3). Ein Anspruch darauf, nicht in der Arbeit mit Kindern eingesetzt zu werden, kann daraus nicht abgeleitet werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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