Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 11.10.2002
Aktenzeichen: 11 Sa 431/02
Rechtsgebiete: BGB, SGB IX


Vorschriften:

BGB § 134
SGB IX § 86
SGB IX § 91
Eine zustimmungslose und damit unwirksame Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers liegt auch dann vor, wenn die Zustimmung zunächst erteilt aber nach Kündigungsausspruch von einer Rechtsmittelinstanz aufgehoben wird - und zwar selbst dann, wenn der Arbeitgeber nun seinerseits gegen die Aufhebung der Zustimmung Rechtsmittel einlegt. Die Begründung der die Zustimmung aufhebenden Entscheidung hat das Arbeitsgericht nicht auf ihre Stichhaltigkeit hin zu prüfen - auch wenn sie angefochten und noch nicht formell rechtskräftig ist.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 Sa 431/02

Verkündet am: 11.10.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 11.10.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Gerß und Baurmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.01.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen - 2 Ca 1645/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien - nämlich die beklagte Stadt und der am 16. 06. 1943 geborene, schwerbehinderte Kläger, der von ihr seit 1985 im Vollstreckungsdienst (Außendienst) beschäftigt wird - streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 29. 03. 2001. Die Beklagte hat sie ausgesprochen, weil sie den Kläger in Verdacht hat, seine Kilometerabrechnungen manipuliert zu haben, um unberechtigt Wegstreckenentschädigung zu erhalten, die die Beklagte für den Einsatz des Privat-PKW bezahlt. Während in einem TÜV-Bericht vom 07. 08. 2000 (Bl. 34) handschriftlich ein Kilometerstand von 169.031 km vermerkt war, haben Mitarbeiter der Beklagten noch am 12. 09. 2000 einen Kilometerstand von nur 142.086 km abgelesen. Am 12. 02. 2001 trat der Kläger einen genehmigten Urlaub an. Wenige Tage darauf (am 16. 02. 2001) erhob der Staatsanwaltschaft Anklage wegen einer am TÜV-Bericht begangenen mittelbaren Urkundenfälschung, der ursprünglich einen Kilometerstand von nur 141.590 km enthalten habe (Bl. 121 ff.). Am 15. 03. 2001 erhielt die Beklagte von der Anklageschrift Kenntnis, worauf sie den Entschluß zu einer Verdachtskündigung faßte und dazu am folgenden Tag (16. 03. 2001) ein Anhörungsschreiben an ihren Personalrat (Bl. 65 ff.) und an den Kläger (Bl. 55 ff.) verfaßte sowie bei der Hauptfürsorgestelle einen Antrag auf Zustimmung stellte. Der in Urlaub befindliche Kläger gab innerhalb der ihm gesetzten Frist (23. 03. 2001) keine Stellungnahme ab und erschien auch nicht an dem von der Hauptfürsorgestelle angesetzten Anhörungstermin am 26. 03. 2001. Daraufhin erteilte diese unter dem 27. 03. 2001 die beantragte Zustimmung (Bl. 62), und die Beklagte sprach unter dem 29. 03. 2001 die beabsichtigte Verdachtskündigung aus. Erst am 07. 04. 2001 will der Kläger aus dem bis zum 12. 04. 2001 genehmigten Urlaub in der Dominikanischen Republik zurückgekehrt sein. Am 03. 07. 2001 wurde das gegen den Beklagte geführte Strafverfahren gem. § 153a StPO gegen Zahlung einer Buße von 1.000,-- DM vorläufig eingestellt. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. 11. 2001 wurde das vom Kläger gegen die Zustimmung zur Kündigung eingelegte Rechtsmittel zurückgewiesen (Bl. 101), wogegen dieser unter dem 28. 11. 2001 Klage beim Verwaltungsgericht Aachen erhob (Bl. 109).

Das Verwaltungsgericht hat, nachdem das Arbeitsgericht der Klage unter Hinweis auf die nicht durchgeführte Anhörung des Klägers, die folglich auch nicht Inhalt der Personalratsanhörung sein konnte, mit Urteil vom 25. 06. 2002 (Bl. 282 ff.) die von Hauptfürsorgestelle/Widerspruchsausschuß erteilte Zustimmung als rechtswidrig aufgehoben, weil der Antrag auf Zustimmung "offensichtlich nicht innerhalb der Zweiwochenfrist gestellt wurde". Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Auch in der Berufungsinstanz erweist sich die streitige Kündigung als unwirksam, so daß sie das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beenden kann. Die Unwirksamkeit folgt jedenfalls aus § 134 BGB, §§ 85, 91 SGB IX (§§ 15, 21 SchwbG a.F.). Denn es liegt für die Kündigung keine vorherige Zustimmung (mehr) vor, nachdem diese vom Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. 06. 2002 kassiert worden ist. Eine zustimmungslose Kündigung liegt nämlich auch dann vor, wenn die Zustimmung zunächst erteilt, von einer Rechtsmittelinstanz später aufgehoben wird - und zwar selbst dann, wenn der Arbeitgeber nun seinerseits gegen die Aufhebung der Zustimmung Rechtsmittel einlegt (KR-Etzel, 6. Aufl., §§ 85-90 SGB IX Rn. 106).

Ob die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung in den Augen des Berufungsgerichts tragfähig ist, ist ohne Bedeutung. Denn die Gerichte für Arbeitssachen sind an die Zustimmungsentscheidungen im Verwaltungsrechtsweg gebunden, d.h. sie müssen die Entscheidung (bis zu ihrer evtl. Aufhebung) als wirksam behandeln auch wenn sie angefochten und noch nicht formell rechtskräftig ist (KR-Etzel, 6. Aufl., §§ 85-90 SGB IX Rn. 125). Die Gerichte für Arbeitssachen verfügen insoweit über keinerlei Prüfungskompetenz.

Zwar liegt eine Aussetzung des Kündigungsrechtsstreits bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verwaltungsverfahrens im Ermessen der Arbeitsgerichte (BAG, Urteil vom 26. 09. 1991 - 2 AZR 132/91 in AP Nr.28 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit) und ist damit auch vorliegend denkbar; sie ist aber angesichts der bekannten Dauer solcher Verfahren einerseits und des für Kündigungsschutzklagen geltenden Beschleunigungsgrundsatzes andererseits grundsätzlich nicht angebracht und wegen der Möglichkeit der Wiederaufnahme des arbeitsgerichtlichen Verfahrens auch nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist vorliegend schon deshalb nicht abzuweichen, weil noch nicht einmal feststeht, ob die Beklagte überhaupt Rechtsmittel einlegen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

Zurück