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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 16.08.2002
Aktenzeichen: 11 Sa 487/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 242
Eine wegen nicht zufriedenstellender Leistungen während der Probezeit ausgesprochene ordentliche Kündigung ist nicht allein deshalb sittenwidrig, weil dem Arbeitnehmer keine ihm ausreichend erscheinende Einarbeitung geboten worden ist. Sie stellt auch nicht allein deswegen ein treuwidriges oder widersprüchliches Verhalten dar, weil der Arbeitgeber in der Probezeit keine Kritik an den Leistungen des Arbeitnehmers geübt hat.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 11 Sa 487/02

Verkündet am: 16.08.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 16.08.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Schunck als Vorsitzenden sowie die ehrenamtliche Richterin Bechtold-Bönders und den ehrenamtlichen Richter Kaulertz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.03.2002 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Bonn - 1 Ca 3841/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien - nämlich die beklagte B und die am 27. 05. 1954 in der Ukraine geborene Klägerin, die von ihr seit dem 01. 07. 2001 als Angestellte des E -B beschäftigt wurde - streiten um die Wirksamkeit einer innerhalb der Wartezeit ausgesprochenen Kündigung vom 12. 12. 2001 zum 31. 12. 2001. Die Beklagte hat sie ausgesprochen, weil sie mit den Leistungen der Klägerin nicht zufrieden war. Die Klägerin hat die Kündigung für sitten- und treuwidrig gehalten, weil ihr keine Gelegenheit zur Einarbeitung gegeben worden sei und das E -B damit gegen ein nicht vorgelegtes "PMS-Konzept MG.3 - Mitarbeitergespräche innerhalb der Probezeit", gegen die "Leitlinie für das Personalmanagement" (Bl. 10 ff: Anlage zum Erlaß des BMVBW v. 16. 06. 1999) und die Schreiben des BMV vom 25. 06. 1998 (Bl. 27 f.) und 16. 06. 1999 (Bl. 29 ff.) verstoßen habe.

Das Arbeitsgericht hat die gegen die Kündigung gerichtete Feststellungsklage abgewiesen. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter und meint, das Arbeitsgericht habe den Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens nicht hinreichend geprüft. Das E-B habe nur ein Personalgespräch (am 12. 10. 2001) mit ihr geführt und weder dabei noch bei anderer Gelegenheit Kritik an ihren Leistungen geübt.

Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und weist darauf hin, daß die Klägerin zwei wichtige Seminare besucht habe, von ihrem Vorgesetzten, dem Zeugen Dr. Z, immer wieder zu Nachbesserungen aufgefordert worden sei und im Vordergrund ihrer Unzufriedenheit der extrem schlechte sprachliche Ausdruck der Klägerin und ihre Unfähigkeit gestanden habe, einen einzigen Brief fehlerfrei zu formulieren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die streitige Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis der Parteien wie vorgesehen. In der Begründung folgt das Gericht der angefochtenen Entscheidung, weshalb insoweit von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen wird (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Gründe halten auch den Angriffen der Berufung stand:

In der Wartezeit herrscht Kündigungsfreiheit. § 242 BGB dient nicht der Erweiterung des Kündigungsschutzes, sondern stellt eine seltene Ausnahme dar. Eine solche liegt hier nicht vor:

Die Vorstellung, eine Kündigung wegen Leistungsschwächen sei ein "besonders krasser Fall", sie beruhe auf einem verwerflichen Motiv vergleichbar der Rachsucht oder Vergeltung oder verstoße aus anderen Gründen gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (so die Beschreibungen der sittenwidrigen Kündigung, vgl. KR/ Friedrich, 6. Aufl., § 13 KSchG Rn. 123), nur weil eine vorausgehende Einarbeitung nicht optimal gewesen ist, ist offenkundig indiskutabel.

Nach der Begründung, die die Klägerin gibt, wäre eher an eine treuwidrige Kündigung (Verstoß der Kündigung gegen Treu und Glauben, § 242 BGB) zu denken. Aber auch deren Voraussetzungen liegen nicht vor. § 242 BGB ist neben § 1 KSchG insbesondere während dessen Wartezeit nur sehr beschränkt anwendbar, weil das KSchG Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert (KR/Etzel, 6. Aufl., § 1 KSchG Rn. 127); damit scheiden Gründe, die im Rahmen des KSchG zu prüfen wären aber dessen Schwelle möglicherweise nicht erreichen, als Gründe für eine treuwidrige Kündigung aus. Werden diese Gründe ausgeklammert, kommt nach Lage des Sachverhalts in erster Linie das widersprüchliche Verhalten (venire contra factum proprium) in Betracht. Solches liegt jedoch nicht vor, weil die Klägerin nicht vorträgt, die Beklagte habe durch beredtes Verhalten den Eindruck erweckt, sie könne mit einer Dauerbeschäftigung rechnen. Das angebliche Schweigen der Beklagten reicht als derartiges Verhalten nicht aus, weil jeder, der auf Probe eingestellt wird, weiß, daß er vor Ablauf der Wartezeit des KSchG nicht mit Kündigungsschutz rechnen kann. Der Arbeitgeber, der schweigt, tut nichts anderes, als diesen Eindruck nicht zu stören.

Denkbar ist auch, den Verstoß des Arbeitgebers gegen eine eingegangene Selbstbindung als Unterfall des widersprüchlichen Verhaltens anzusehen. Im Falle der Klägerin hilft dies jedoch nicht weiter:

Zum einen hat die Klägerin nicht vorgetragen und schon gar nicht belegt, mit den Richtlinien und Schreiben, auf die sie sich beruft, sei die Beklagte eine Selbstbindung nach außen hin eingegangen und es handele sich nicht etwa nur um Anweisungen an ihre Führungskräfte ohne Rechtsbegründung für Dritte. Zum anderen hätte auch eine Selbstbindung mit Außenwirkung nicht den Inhalt, den die Klägerin ihr zuschreiben möchte: Nirgendwo ist den Anweisungen zu entnehmen, daß eine Kündigung nicht ausgesprochen werden soll, wenn das vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten wird. Und schließlich würde selbst das der Klägerin nichts helfen, weil eine derartige Selbstbindung naturgemäß nur so weit reichen kann, wie das unterlassene Einarbeitungsverfahren ursächlich für das Mißlingen der Erprobung ist oder zumindest sein kann. Spätestens daran scheitert die Argumentation der Klägerin. Denn unwidersprochen war die Beklagte in erster Linie deshalb unzufrieden mit ihr, weil ihr deren schriftlicher Ausdruck nicht gefiel und sie der Meinung war, die Klägerin könne keinen Brief fehlerfrei formulieren. Daran hätten ein oder zwei Personalgespräche mehr nichts geändert.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Weil der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, wurde die Revision nicht zugelassen. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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