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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 24.03.2006
Aktenzeichen: 11 Sa 811/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 861
BGB § 1361 a
§ 1361 a BGB (Hausratverteilung bei Getrenntleben) gilt nur zwischen Ehegatten.

Verlangt eine GmbH ein als Geschäftswagen überlassenes Auto heraus, so kann sich die Schuldnerin gegen diesen Herausgabeanspruch nicht auf § 1361 a BGB berufen. Das gilt selbst dann, wenn der getrennt lebende Ehegatte der Schuldnerin Alleingesellschafter der GmbH ist und das Auto nur aufgrund eines formalen Arbeitsverhältnisses überlassen wurde, das nie zur Durchführung gelangt ist und das nur aus steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Gründen begründet worden war.


Tenor:

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 03.05.2005 - 1 Ca 46/05 h - wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

2) Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3) Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Herausgabe eines Autos.

Der Geschäftsführer der Klägerin und die Beklagte sind Eheleute, die seit November 2002 getrennt leben. Die Klägerin betreibt ein Dentallabor. Sie ist hervorgegangen aus der Einzelfirma K -J L , die im Jahre 1989 gegründet worden war.

Seit 1989 wird die Beklagte als kaufmännische Angestellte des Unternehmens geführt. Ob und in welchem Umfang die Beklagte im Rahmen des formal bestehenden Arbeitsverhältnisses tatsächlich Arbeitsleistung erbracht hat, ist zwischen den Parteien streitig. Aus den Lohnabrechnungen ergibt sich folgender Beschäftigungsumfang: Bis zum 14.03.1999 halbtags; vom 15.03.1999 bis 26.03.2002 als Aushilfe; vom 27.03.2002 bis 15.03.2004 halbtags. Das Arbeitsverhältnis endete am 15.03.2004 durch eine Kündigung der Klägerin.

Die Klägerin hat dem Geschäftsführer insgesamt zwei PKW überlassen, die auf seinen Entgeltabrechnungen beide mit der sogenannten 1-%-Regelung versteuert wurden. Ein Auto im Wert von knapp 45.000,00 €, das im Eigentum der Klägerin steht, nutzt der Geschäftsführer der Klägerin selbst. Das zweite - hier streitige - Auto, ein Mercedes der A-Klasse, war geleast, stand also nicht im Eigentum der Klägerin. Von Beginn an wurde das Fahrzeug von der Klägerin im Einverständnis mit dem Geschäftsführer der Beklagten genutzt als Familienfahrzeug, also z. B. zum Einkaufen und zum Transport der beiden gemeinsamen Kinder. Als die Beklagte die eheliche Wohnung verließ, nahm sie dieses Auto mit.

Mit Anwaltsschreiben vom 17.10.2002 forderte die Klägerin die Beklagte auf, das Auto herauszugeben. Gleiches geschah mit Schreiben vom 11.02.2004.

Der Leasingvertrag über das Auto lief am 16.07.2005 ab. Zu diesem Datum wurde das Fahrzeug an den Leasinggeber zurückgegeben. Dies geschah durch die Klägerin, die zuvor aus dem erstinstanzlichen Urteil die Herausgabe des Autos vollstreckt hatte.

Mit der seit dem 14.05.2004 rechtshängigen Klage, die zunächst beim Landgericht Aachen erhoben worden war und von dort mit Beschluss vom 23.12.2004 an das Arbeitsgericht verwiesen worden ist, hat die Klägerin die Herausgabe des Autos an sie begehrt.

Sie hat vorgetragen, sie wolle den Leasingvertrag beenden. Hierfür brauche sie das Auto, um es zurückzugeben. Sie habe damals den PKW geleast, um der Beklagten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses die Möglichkeit zu eröffnen, die notwendigen Fahrten zu den Zahnärzten durchzuführen. Sie habe sodann im Rahmen der 1-%-Regelung das Auto dem Geschäftsführer auch zur privaten Nutzung überlassen. Dieser habe dann das Auto seinerseits seiner Ehegattin zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den PKW Daimler Benz A-Klasse 1 mit der Fahrzeugidentitätsnummer B und dem amtlichen Kennzeichen H herauszugeben;

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin den im Hauptantrag bezeichneten PKW am 15.07.2005 herauszugeben.

Am 10.02.2005 ist gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil verkündet worden, mit dem der Klage mit dem Hauptantrag stattgegeben wurde. Nach fristgerecht erhobenen Einspruch hat die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil vom 10.02.2005 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 10.02.2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, ihr Arbeitseinsatz für die Klägerin sei nie über geringfügige Aushilfstätigkeiten hinausgegangen. Von März 2002 bis März 2004 (also bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses) sei sie zwar offiziell angestellt gewesen, habe aber nie Arbeitsleistung erbracht. Es habe sich um ein typisches Ehegattenarbeitsverhältnisses gehandelt, das ausschließlich aus steuerlichen und krankenversicherungstechnischen Gründen über die Bücher gelaufen sei (Schriftsatz vom 27.09.2004 Seite 2 unten, Bl. 66 d. A.). Das Auto sei lediglich pro forma als Firmenwagen geführt worden. Tatsächlich habe es sich aber um das Familienauto gehandelt. Nach ihrer Auffassung handele es sich bei dem Auto um Hausrat im Sinne des § 1361 a BGB. Hiernach habe sie ein Recht zum Besitz. Hilfsweise mache sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Sie habe gegenüber dem Geschäftsführer der Klägerin (ihrem Ehegatten) erhebliche Gegenansprüche.

Mit Urteil vom 03.05.2005 hat das Arbeitsgericht Aachen das Versäumnisurteil vom 10.02.2005 aufrecht erhalten mit der Begründung, die Beklagte sei zur Herausgabe des Autos verpflichtet, weil es ihr im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses überlassen worden und dieses Arbeitsverhältnis beendet sei. Gegenüber der Klägerin als juristische Person könne sie sich nicht auf familienrechtliche Besitzrechte berufen. Dem geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht fehle es an der erforderlichen Gegenseitigkeit der Ansprüche.

Gegen das ihr am 12.07.2005 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte bereits am 13.06.2005 (also vor Rückgabe des Fahrzeugs an den Leasinggeber) Berufung eingelegt, die sie am 12.09.2005 begründet hat. Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass Auto sei Gegenstand des Hausrats gemäß § 1361 a BGB. Die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Vielmehr sei es an dem Geschäftsführer der Klägerin gewesen, vor dem Familiengericht ein Hausratsverteilungsverfahren gemäß § 18 HausratVO i. V. m. § 11 HausratVO einzuleiten. Ein PKW sei immer Hausrat, wenn er aufgrund gemeinsamer Zweckbestimmung der Eheleute überwiegend für das familiäre und eheliche Zusammenleben genutzt werde. Dabei komme es nicht darauf an, wer Eigentümer oder Halter des Fahrzeugs sei. Sie bleibe dabei, dass es sich nur formal um ein Arbeitsverhältnis gehandelt habe, aufgrund dessen nie Arbeitsleistung erbracht worden sei. Das erstinstanzliche Urteil sei daher fehlerhaft, wenn es einen arbeitsrechtlichen Herausgabeanspruch annehme. Die rechtliche Selbstständigkeit der klagenden GmbH werde rechtsmissbräuchlich eingesetzt und rechtsirrig vom Arbeitsgericht akzeptiert. Es sei vielmehr angezeigt gewesen, die rechtliche Verselbstständigung der juristischen Person zu ignorieren. Der Geschäftsführer (ihr Ehemann) habe aus rein finanziellen und steuerlichen Gründen das Familienfahrzeug über die Klägerin angeschafft. Mit einer solchen rechtlichen Aufspaltung der Identität werde die Überlassungspflicht nach § 1361 a Abs. 1 Satz 2 BGB marginalisiert.

Der Rechtsstreit sei nach ihrer Auffassung durch die Rückgabe des Autos an den Leasinggeber nicht in der Hauptsache erledigt. Sie bleibe bei ihrer bereits erstinstanzlich vertretenen Auffassung, dass die Klage unbegründet sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen, Gerichtstag Heinsberg - 1 Ca 46/05 h - vom 03.05.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Durch die Rückgabe des Fahrzeugs an den Leasinggeber sei ein erledigendes Ereignis eingetreten. Selbst wenn die Rechtsauffassung der Klägerin als richtig unterstellt werde, ende spätestens mit Rückgabe des Autos an den Leasinggeber die Eigenschaft des Autos als Hausrat. Das Auto sei im Rahmen des Arbeitsverhältnisses überlassen und für die Arbeitsleistung der Beklagten zur Verfügung gestellt worden.

Im Übrigen haben die Parteien Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO).

II. In der Sache blieb das Rechtsmittel ohne Erfolg.

Erklärt wie hier die Klägerin allein - "einseitig" - die Hauptsache für erledigt, während die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag aufrecht erhält, so endet die Rechtshängigkeit der Klage nicht, die Klägerin stellt vielmehr im Wege der Klageänderung zulässigerweise den Antrag festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Dieser Antrag hat dann Erfolg, wenn die Hauptsache tatsächlich erledigt ist und die Klage im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war (allgemeine Meinung im Zivilprozessrecht, vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO § 91 a Rnr. 44 m. w. N. aus der Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1. Der Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt. Durch Zurückgabe des Autos an den Leasinggeber ist der Klagegegenstand der Verfügungsgewalt aller in Frage kommenden Personen - der Klägerin, der Beklagten, dem Geschäftsführer der Klägerin - entzogen.

2. Die Klage auf Herausgabe des Autos war zulässig. Insbesondere war das Arbeitsgericht zur Entscheidung berufen. Das ergibt sich aus § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG, demzufolge ein Verweisungsbeschluss für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend ist. Das Landgericht Aachen hat mit Beschluss vom 23.12.2004 den Rechtsstreit rechtskräftig an das Arbeitsgericht Aachen verwiesen.

3. Die Klage war auch begründet. Die Klägerin hatte gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe des Autos. Das Arbeitsgericht hat der Klage daher zu Recht stattgegeben. Der Herausgabeanspruch ergibt sich nicht aus § 985 BGB, da die Klägerin nicht Eigentümerin des Leasingfahrzeugs war. Der Anspruch folgt aber aus § 861 Abs. 1 BGB: Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen, so kann dieser die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt. Derjenige der den Besitzer im Besitz stört, ohne dass das Gesetz die Störung gestattet, handelt gemäß § 858 BGB widerrechtlich und damit in "verbotener Eigenmacht". Die Klägerin war im Rahmen des mit der Eigentümerin des Autos geschlossenen Leasingvertrages die Berechtigte und Verpflichtete. Sie war daher gegenüber der Beklagten höherrangige Besitzerin. Die Beklagte hat der Klägerin den Besitz auch durch verbotene Eigenmacht gemäß § 858 BGB entzogen, denn sie hat entgegen dem Willen der Klägerin den Wagen trotz Aufforderung nicht herausgegeben.

Der Beklagten stand gegenüber der Klägerin auch kein Besitz- oder Nutzungsrecht zu. Ein solches Recht ergibt sich nicht aus dem Arbeitsverhältnis, denn das Arbeitsverhältnis ist beendet. Auch aus § 1361 a BGB ergibt sich nichts anderes. Zwar spricht vieles dafür, dass es sich bei dem hier streitigen Auto um Hausrat im Sinne dieser Vorschrift handelte. Die Regelung betrifft aber nur das Verhältnis von Ehepartnern untereinander. Hier ist die in ihrem Besitz gestörte Klägerin aber eine juristische Person. Alle von der Beklagten zitierten Entscheidungen befassen sich dem gegenüber mit Prozessrechtsverhältnissen zwischen Ehegatten, also natürlichen Personen. Dies gilt insbesondere für die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 04.01.1995 (- 18 UF 416/94 - FamRZ 1995, 1275), mit der ein vom Ehemann für seine Ehefrau geleaster PKW ausdrücklich als Hausrat bezeichnet wird sowie für die Entscheidung des OLG Köln vom 20.03.2001 (- 22 U 157/00 - FamRZ 2002, 322), in der es um ein Auto ging, dass im Miteigentum der Ehegatten stand. Gleiches gilt schließlich auch für die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 31.01.1992 (- 3 UF 134/91 - FamRZ 1992, 1445). Auch aus der von der Klägerin zitierten Kommentarliteratur (Haußleiter/Schulz, die Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl., Kapitel 4 Rn. 117) ergibt sich nichts anderes. Wie schon das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, besteht keine Veranlassung, die rechtliche Selbstständigkeit der GmbH zu ignorieren. Selbst wenn ein vertretbarer rechtlicher Weg - z. B. über den Grundsatz von Treu und Glauben - ersichtlich wäre, die gesellschaftsrechtliche Identität der Klägerin zu ignorieren und ihr die familienrechtlichen Pflichten ihres Geschäftsführers aufzuerlegen, so spricht gerade der genannte Grundsatz gegen eine solche Regelung im Sinne der Beklagten. Wie schon vom Arbeitsgericht ausgeführt, ist zu berücksichtigen, dass auch die Beklagte über Jahre hinweg von der steuergünstigen "Dienstwagen-Regelung" profitiert hat. Schwerer wiegt aber der folgende Gesichtspunkt: Wird der Vortrag der Beklagten, das "Arbeitsverhältnis" sei nur aus steuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Gründen fingiert und daher vorgetäuscht worden, so ist es nicht fernliegend, diese Tatsache als mittäterschaftliche Steuerhinterziehung der Eheleute L zu betrachten. Indem die Beklagte sich gegen den Herausgabeanspruch der Klägerin wehrt, begehrt sie vom Arbeitsgericht eine Entscheidung, die diesen rechtswidrigen Zustand perpetuiert. Dieses Ergebnis wäre mit dem Grundsatz von Treu und Glauben, auf den sich die Beklagte beruft, nicht zu vereinbaren.

Aus dem gleichen Grund kann sich die Beklagte auch nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen. Voraussetzung wäre gemäß § 273 BGB nämlich die Gegenseitigkeit der Forderung. Die Beklagte behauptet aber selbst nicht, eine Forderung gegen die Klägerin zu haben. Sie spricht nur von Forderungen gegenüber ihrem Ehegatten.

Zusammengefasst war die Klage somit bis zum erledigenden Ereignis zulässig und begründet.

III. Als unterliegende Partei ist die Beklagte nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO verpflichtet, die Kosten der Berufung zu tragen. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hatte die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht.

Ende der Entscheidung

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