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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.07.2008
Aktenzeichen: 11 Ta 185/08
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 114
ArbGG § 11 a
1. Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der Kostspieligere ist. Regelmäßig ist daher die Anstrengung eines neuen Prozesses statt einer Klageerweiterung mutwillig. Ausnahmsweise ist keine Mutwilligkeit anzunehmen, wenn für die Erhebung einer zweiten Klage nachvollziehbare Gründe bestehen.

2. Besondere Gründe, die der Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 11 a Abs. 2 ArbGG entgegenstehen, können vorliegen, wenn ein Rechtsstreit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sehr einfach gelagert ist. Die den Antrag stellende Partei darf offensichtlich keine Schwierigkeiten haben, ihre Interessen im Prozess ohne die Mitwirkung eines Rechtsanwalts sinnvoll wahrzunehmen. Hierunter fällt die Klage auf Erteilung eines Zeugnisses jedenfalls bis zur Durchführung des Gütetermins. Der bedürftigen Partei kann es zumutbar sein, den Gütetermin ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt wahrzunehmen, um abzuwarten, ob die beklagte Partei Einwendungen gegen den geltend machten Anspruch erhebt.


Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 15.04.2008 - 3 Ca 501/08 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 9. Mai 2006 als Vertriebsassistent tätig.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21. Januar 2008 zum 29. Februar 2008. Hiergegen erhob der Kläger Klage vor dem Arbeitsgericht Bonn (3 Ca 370/08). Mit Schriftsatz vom 11. März 2008 teilte die Beklagte mit, dass sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29. Februar 2008 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 1.950 Euro brutto verständigt hätten. Das Arbeitsgericht stellte am 1. April 2008 das Zustandekommen eines entsprechenden Vergleiches fest. Eine Regelung zum Zeugnisanspruch des Klägers enthält der Vergleich nicht.

Der Klägervertreter hatte die Beklagte außergerichtlich mit Schreiben vom 11. Februar 2008 unter Fristsetzung bis zum 18. Februar 2008 zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses aufgefordert. Mit der am 28. Februar 2008 beim Arbeitsgericht Bonn eingegangenen neuen Klage hat der Kläger diesen Anspruch gerichtlich verfolgt. Im Gütetermin vom 1. April 2008 hat er diesen Klageantrag zurückgenommen und nunmehr die Erteilung eines Schlusszeugnisses verlangt. Über dieses Begehren ist am 15. April 2008 antragsgemäß Versäumnisurteil ergangen. Die Beklagte hat zunächst Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt. Im Anschluss haben beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 3. Juni 2008 hat das Arbeitsgericht der Beklagten die Kosten mit Ausnahme der Kosten, die für die Zustellung der Klage entstanden sind, auferlegt.

Mit Beschluss vom 15. April 2008 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei mutwillig erhoben worden. Der Kläger habe die Möglichkeit gehabt, den Zeugnisanspruch in dem ersten Verfahren zu verfolgen.

Gegen den ihm am 22. April 2008 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 25. April 2008 sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, die Erhebung einer zweiten Klage sei nicht mutwillig, weil der Verlauf des Kündigungsschutzverfahrens nicht vorhersehbar gewesen sei. Er sei auf das Zwischenzeugnis bzw. später das Schlusszeugnis zeitnah angewiesen gewesen. Er habe nicht davon ausgehen können, dass bei einer längeren Dauer des Kündigungsschutzverfahrens ein Teilurteil ergehen werde.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 3. Juni 2008 zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die insgesamt statthafte, form- und fristgerechte sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Dem Kläger war Rechtsanwalt auch nicht nach § 11a ArbGG beizuordnen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe. Die Rechtsverfolgung des Klägers ist mutwillig (§ 114 Satz 1 ZPO).

a) Eine Rechtsverfolgung ist mutwillig, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde. Mutwillig handelt deshalb, wer von zwei gleichwertigen prozessualen Wegen denjenigen beschreitet, von dem er von vornherein annehmen muss, dass er für ihn der Kostspieligere ist. Regelmäßig ist daher die Anstrengung eines neuen Prozesses statt einer Klageerweiterung mutwillig. Ausnahmsweise ist keine Mutwilligkeit anzunehmen, wenn für die Erhebung einer zweiten Klage nachvollziehbare Gründe bestehen (BGH 10. März 2005 - XII ZB 20/04 - NJW 2005, 1497; LAG Düsseldorf 6. April 1989 - 14 Ta 114/89 - JurBüro 1989, 1442; LAG Düsseldorf 12. August 1985 - 7 Ta 282/85 - LAGE § 114 ZPO Nr. 7).

b) Danach war dem Kläger die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu versagen. Die Rechtsverfolgung durch die Erhebung einer zweiten Klage erscheint mutwillig. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung erkannt.

Eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei hätte den Zeugnisanspruch nicht in gleicher Weise verfolgt wie der Kläger. Sie hätte entweder den Verlauf des Gütetermins in dem Kündigungsschutzverfahren abgewartet oder die Klage in dem dortigen Verfahren erweitert.

Der Hinweis des Klägers, er sei auf die baldige Erteilung eines Zeugnisses angewiesen gewesen, führt zu keiner anderen Betrachtung. Es kann zu seinen Gunsten angenommen werden, dass er sich bereits anderweitig bewerben wollte, auch wenn er hierzu nicht vorgetragen hat. Maßgeblich ist, dass er mit der Erhebung einer neuen Klage nicht auf eine alsbaldige Titulierung hoffen konnte. Die neue Klage musste zunächst zugestellt werden. Auch bedurfte es der Anberaumung eines neuen Gütetermins. Vor diesem Hintergrund hätte es für ihn nahe gelegen, zunächst den Verlauf des bei Klageeinreichung schon anberaumten Gütetermin im Kündigungsschutzverfahren abzuwarten. Es ist auch nicht ersichtlich, welche Umstände der Aufnahme des Zeugnisanspruchs in den Vergleich entgegengestanden haben sollen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den Vergleich nicht abgeschlossen hätte, wenn der Kläger auf die bloße Titulierung seines gesetzlichen Zeugnisanspruches gedrungen hätte. Der Kläger hat offensichtlich noch nicht einmal den Versuch unternommen, den Zeugnisanspruch in den Vergleichstext aufzunehmen.

Der tatsächliche Verlauf bestätigt die Annahme, dass für den Kläger die Titulierung seines Zeugnisanspruches in dem Kündigungsschutzverfahren schneller zu erreichen war als in dem zweiten Prozess. Das Zustandekommens des Vergleichs ist am 1. April 2008 festgestellt worden. Das Versäumnisurteil über das Schlusszeugnis ist erst am 15. April 2008 ergangen.

2. Die Voraussetzungen einer Beiordnung nach § 11a ArbGG liegen ebenfalls nicht vor. Es kann dahin stehen, ob die Rechtsverfolgung offensichtlich mutwillig ist. Jedenfalls ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts aus besonderen Gründen nicht erforderlich (§ 11a Abs. 2 ArbGG).

a) Besondere Gründe i.S.v. § 11a Abs. 2 ArbGG können vorliegen, wenn ein Rechtsstreit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht sehr einfach gelagert ist. Die den Antrag stellende Partei darf offensichtlich keine Schwierigkeiten haben, ihre Interessen im Prozess ohne die Mitwirkung eines Rechtsanwalts sinnvoll wahrzunehmen. Hierunter fällt die Klage auf Erteilung eines Zeugnisses jedenfalls bis zur Durchführung des Gütetermins. Der bedürftigen Partei kann es zumutbar sein, den Gütetermin ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt wahrzunehmen, um abzuwarten, ob die beklagte Partei Einwendungen gegen den geltend gemachten Anspruch erhebt (vgl. LAG Schleswig-Holstein 27. Dezember 2007 - 1 Ta 258/07 - juris; LAG Hamm 23. Januar 2006 - 18 Ta 909/05 - juris; LAG Hamm 2. Juni 2005 - 4 Ta 374/04 - LAG Report 2005, 350; Schwab/Weth/Vollstädt 2. Aufl. § 11a ArbGG Rz 94).

b) Danach war dem Kläger Rechtsanwalt nicht nach § 11a ArbGG beizuordnen. Die Beiordnung ist aus besonderen Gründen nicht erforderlich, weil es dem Kläger zumutbar gewesen wäre, die Zeugnisklage zunächst ohne anwaltliche Vertretung zu erheben. Zur Aufnahme der Klage hätte ihm bei Bedarf die Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts zur Verfügung gestanden. Er hätte auch den Gütetermin, in dem keine streitige Entscheidung ergehen kann, selbst wahrnehmen können. Wenn sich in dem Gütetermin herausgestellt hätte, dass die Beklagte die Erteilung eines Zeugnisses verweigert hätte, wäre es ihm immer noch möglich gewesen, einen Rechtsanwalt mit seiner Interessenwahrnehmung zu beauftragen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG bestand kein Anlass, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzliche Bedeutung handelt.

Ende der Entscheidung

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