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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 06.08.2007
Aktenzeichen: 11 Ta 210/07
Rechtsgebiete: RVG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 33 Abs. 3 S. 1
ZPO § 3
1. Der Begriff des "Beschwerdegegenstands" in § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG bezieht sich nicht auf den Differenzbetrag zwischen dem festgesetzten und dem angestrebten Gegenstandswert, sondern auf die Differenz der Kosten, um die sich der Beschwerdeführer bei einer Abhebung des Gegenstandswertes verbessern will oder würde (wie LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.02.2007 - 1 Ta 32/07).

2. Beantragt der Arbeitnehmer im einstweiligen Verfügungsverfahren lediglich, dem Arbeitgeber aufzugeben, ihm das Fernbleiben von der Arbeit für einen bestimmten Zeitraum zu gestatten, und lässt sich der Antragsbegründung nicht entnehmen, dass damit zugleich die diesbezüglichen Vergütungs- bzw. Urlaubsentgeltansprüche inhaltlich abschließend geklärt werden sollen, so ist der Gegenstandswert nicht mit dem Betrag zu bewerten, der sich aus der Höhe des Verdienstes des Arbeitnehmers für diese Zeit ergibt. In dem Fall ist ein Abschlag vorzunehmen, der nicht nur geringfügig bemessen werden muss. Die Grenzen des insoweit nach § 3 ZPO gegebenen Ermessens werden vom Arbeitsgericht jedenfalls dann nicht überschritten, wenn es hier den Gegenstandswert mit etwa 2/3 dieses Verdienstes bewertet.


Tenor:

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 19.06.2007 - 2 Ga 24/07 EU - wird auf Kosten der Beschwerdeführer als unzulässig verworfen.

Gründe:

I. Die Verfügungsklägerin hat beim Arbeitsgericht Bonn beantragt, der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, ihr zu gestatten, vom 02.07.2007 bis einschließlich zum 20.07.2007 der Arbeit fernzubleiben.

Nachdem die Verfügungsklägerin ihren Antrag zurückgenommen hatte, hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 19.06.2007 den Gegenstandswert gemäß § 33 RVG für das Verfahren auf 718,00 € festgesetzt und in diesem Beschluss darauf hingewiesen, dass die beantragte einstweilige Verfügung nicht unmittelbar und abschließend die Vergütungspflicht regele.

Gegen diesen formlos zugestellten Beschluss haben die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin mit am 28.06.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 27.06.2007 Beschwerde eingelegt und die Abänderung dieses Beschlusses dahin beantragt, dass der Gegenstandswert auf 1.047,18 € festgesetzt wird.

Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige 200,00 €, da sich aus der Differenz zwischen dem festgesetzten Wert in Höhe von 718,00 € und dem begehrten Wert in Höhe von 1.047,18 € ein Betrag in Höhe von 329,18 € errechne. Weiterhin sind sie der Meinung, sowohl aus den außergerichtlichen Schreiben als auch aus der Antragsbegründung ergebe sich, dass es in der Sache um die Gewährung von Urlaub gegangen sei. Außerdem habe das wirtschaftliche Interesse dem Wert entsprochen, der sich bei den üblichen Anträgen auf Urlaubsgewährung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung ergebe. Unerheblich sei daher für den Gegenstandswert, ob der übliche, auf Gewährung von Urlaub gerichtete Antrag gewählt werde, oder der vorliegend leicht abgewandelte, um mögliche Vollziehungsschwierigkeiten einer auf Urlaubsgewährung gerichteten einstweiligen Verfügung zu vermeiden. Bei einem Bruttomonatsverdienst der Verfügungsklägerin in Höhe von 1.535,87 € und 22 Arbeitstagen im Juli 2007 errechne sich für 15 Arbeitstage, die das Urlaubsbegehren umfasse, ein Betrag in Höhe von 1.047,18 €, auf den der Gegenstandswert festzusetzen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 04.07.2007, wogegen die Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin mit Schriftsatz vom 18.07.2007, beim Arbeitsgericht eingegangen am 19.07.2007, vorsorglich "Rechtsmittel" eingelegt haben, nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II. Die nach § 33 Abs. 3 RVG an sich statthafte Beschwerde ist bereits unzulässig.

1. Die Beschwerde gegen einen Beschluss, mit dem der Streit- bzw. Gegenstandswert festgesetzt wurde, ist nur dann zulässig, wenn entweder der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt (§ 33 Abs. 3 Satz 1 RVG), oder das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG). Beides ist hier aber nicht der Fall.

a) Unter dem Wert des Beschwerdegegenstandes i.S. von § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG ist, anders als von den Beschwerdeführern angenommen, nicht die Differenz zwischen dem festgesetzten und dem begehrten Gegenstandswert, sondern die Differenz zwischen den Kosten, um die sich der Beschwerdeführer verbessern will bzw. würde, zu verstehen (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.02.2007 - 1 Ta 32/07, zu II. der Gründe, zitiert nach juris; ähnlich OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.01.2005 - 15 W 29/04, zu II. 1. der Gründe, zitiert nach juris - zu § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG). Denn die unterschiedlichen Höhen der jeweiligen Streit- bzw. Gegenstandswerte belasten den Beschwerdeführer nur gebührenmäßig, weil er nur insoweit von möglichen Verbesserungen betroffen sein kann.

Bei dem vom Arbeitsgericht festgesetzten Gegenstandswert in Höhe von 718,00 € beträgt die Gebühr, die der Abrechnung zugrunde zu legen ist, gemäß § 13 Abs. 1 RVG i.V. mit der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG 65,00 €. Bei einer Festsetzung des begehrten Gegenstandswertes auf 1.047,18 € könnten die Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 1 RVG i.V. mit der Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 RVG lediglich auf der Grundlage einer Gebühr in Höhe von 85,00 € abrechnen. Dass sich damit die Abrechnung der Beschwerdeführer insgesamt um einen Betrag von mehr als 200,00 € zu ihren Gunsten verbessern wurde, ist aber weder dargetan noch erkennbar.

b) Vom Arbeitsgericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wurde in dem Beschluss vom 19.06.2007 auch nicht die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen, § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG.

2. Unabhängig von den vorangegangenen Ausführungen hätte die Beschwerde auch in der Sache keinen Erfolg haben können.

Die vom Arbeitsgericht vorgenommene Festsetzung des Gegenstandswerts auf 718,00 € ist nicht zu beanstanden. Das Arbeitsgericht war nicht gehalten, den Gegenstandswert mit dem Betrag zu bewerten, der sich aus der Höhe des Verdienstes der Verfügungsklägerin für 15 Arbeitstage ergibt, die von dem begehrten Freistellungszeitraum umfasst werden.

a) Von der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte wird zwar der Gegenstandswert eines Urlaubsanspruchs regelmäßig mit dem Betrag des Urlaubsentgelts bewertet (siehe etwa LAG Köln, Beschluss vom 24.04.2007 - 4 Sa 86/07, zu 1. der Gründe).

b) Die Besonderheiten des vorliegenden Streitfalls rechtfertigen hier aber ausnahmsweise eine andere Bewertung in der Weise, dass bei der Festsetzung des Gegenstandswerts von dem der Verfügungsklägerin für die Freistellungszeit zustehenden Urlaubsentgelts ein - auch nicht nur geringfügiger - Abschlag vorzunehmen war.

(1) Bereits der Antrag der Verfügungsklägerin hat nicht die Gewährung von Erholungsurlaub, also die bezahlte Freistellung von der Arbeit (vgl. § 1 BUrlG), sondern allein die Gestattung, ihrer Arbeit in der Zeit vom 02.07.2007 bis einschließlich zum 20.07.2007 fernzubleiben, zum Gegenstand. Wäre die von der Verfügungsklägerin begehrte einstweilige Verfügung erlassen worden, hätte damit lediglich festgestanden, dass die Verfügungsklägerin während dieser Zeit gegenüber der Verfügungsbeklagten berechtigt gewesen wäre, ihre Arbeitsleistung nicht zu erbringen. Damit hätte aber nicht zugleich festgestanden, dass die Verfügungsbeklagte verpflichtet gewesen wäre, an die Verfügungsklägerin für diese Zeit auch die Arbeitsvergütung bzw. das Urlaubsentgelt zu leisten.

(2) Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin auch nicht aus der Antragsbegründung.

Selbst wenn die Verfügungsklägerin gegenüber der Verfügungsbeklagten in der Sache die Gewährung von Erholungsurlaub hat erreichen bzw. durchsetzen wollen, wofür insbesondere deren Angaben in der als Anlage zum Schriftsatz vom 30.04.2007 eingereichten eidesstattlichen Versicherung vom selben Tag sprechen, folgt indes aus der Antragsbegründung der Verfügungsklägerin, dass sich ihr Begehren im vorliegenden Verfahren allein - entsprechend ihrem Antrag - auf das Fernbleiben von der Arbeit während der Zeit vom 02.07.2007 bis einschließlich zum 20.07.2007 beschränkte und nicht auf eine inhaltlich abschließende Klärung ihrer Verdienstansprüche für diesen Zeitraum erstreckte. Denn zum einen wurde von der Verfügungsklägerin in der Antragsbegründung (dort unter III.) ausdrücklich ausgeführt, dass mit dem Antrag eine Erfüllung des Urlaubsanspruchs gerade vermieden werden sollte (Hervorhebungen durch die Beschwerdekammer), mag dies auch aus Gründen etwaiger Vollziehungsschwierigkeiten einer auf Urlaubsgewährung gerichteten einstweiligen Verfügung geschehen sein. Zum anderen wollte die Klägerin mit der einstweiligen Verfügung, wie sie weiterhin vorgetragen hat, erreichen, dass sie sich durch ihr Fernbleiben von der Arbeit während des streitbefangenen Zeitraums nicht des Vorwurfs der Arbeitspflichtverletzung ausgesetzt sehe. Hinsichtlich ihrer Vergütungsansprüche wurden von der Klägerin lediglich die insoweit in Betracht kommenden Varianten aufgezeigt, die sich entweder bei einem etwaigen Anspruch von ihr auf Urlaubsgewährung während dieser Zeit oder bei einer Berechtigung der Verfügungsbeklagten, ihr den Urlaub während dieser Zeit zu versagen, ergäben, ohne dass hieraus deutlich wird, dass die Verfügungsklägerin im vorliegenden Verfügungsverfahren inhaltlich eine abschließende Klärung dieser Vergütungsfrage hat herbeiführen wollen.

cc) Angesichts der vorangegangenen Ausführungen hält sich die vom Arbeitsgericht vorgenommene Festsetzung des Gegenstandswerts auf 718,00 €, was in etwa 2/3 der Höhe des Verdienstanspruchs der Klägerin während des von ihr begehrten Freistellungszeitraums entspricht, jedenfalls im Rahmen des nach § 3 ZPO gegebenen Ermessens.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren gemäß § 97 Abs. 1 ZPO den Beschwerdeführern aufzuerlegen. Denn das Beschwerdeverfahren nach § 33 Abs. 3 RVG wird anders als das Verfahren über den Antrag von § 33 Abs. 9 Satz 1 und 2 RVG nicht gebührenfrei gestellt (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19.07.2007 - 1 Ta 162/07, zu II. der Gründe, zitiert nach juris; LAG Hamburg, Beschluss vom 30.06.2005 - 8 Ta 5/05, zitiert nach juris). Auch die Regelungen der §§ 66 Abs. 8 und 68 Abs. 3 GKG finden vorliegend keine Anwendung, so dass Gerichtsgebühren anfallen (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.02.2007 - 1 Ta 32/07, zu II. der Gründe m.w. Nachw., zitiert nach juris). Diese haben hier, da das eingelegte Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Gegenstandswertbeschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 19.06.2007 ohne Erfolg blieb, nach § 97 Abs. 1 ZPO die Beschwerdeführer zu tragen.

Ende der Entscheidung

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