Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 26.09.2003
Aktenzeichen: 12 Sa 743/03
Rechtsgebiete: KSchG, BGB


Vorschriften:

KSchG § 2
BGB § 623
Bei einer Änderungskündigung muss auch das Änderungsangebot schriftlich erfolgen, um § 623 BGB zu genügen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

12 Sa 743/03

Verkündet am 26. September 2003

In Sachen

hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 26.09.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Leisten als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Keßeler und Welteroth

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.05.2003 - 2 Ca 2865/02 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Änderungskündigungen.

Die am 08.11.1972 geborene Klägerin ist seit August 1992 bei der Beklagten beschäftigt, zunächst als Reinigungskraft, wozu sich der schriftliche Arbeitsvertrag vom 01.10.1992 (Blatt 6, 7 d. A.) verhält, ab Ende 1998 als Vorarbeiterin. In dieser Funktion hatte sie einen Stundenlohn von zuletzt 9,70 € brutto.

Mit Schreiben vom 25.02.2002 sprach die Beklagte eine "Änderungskündigung" aus, in der es unter anderem heißt:

"Wir kündigen daher das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis zum 08.03.2002 und werden Sie ab 09.03.2002 als Reinigungskraft einsetzen. Bis zum 08.03.2002 werden Sie von Ihrem Posten als Vorarbeiterin beurlaubt und als Reinigungskraft eingesetzt."

Es folgte ein weiteres gleichlautendes Schreiben vom 28.02.2002. Gegen beide Kündigungen wendet sich die Klägerin, die den Vorbehalt erklärt hat, mit der am 19.03.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage.

Die Klägerin hat geltend gemacht, beide Kündigungen seien unwirksam. Hinreichende Kündigungsgründe lägen nicht vor. Die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe seien zudem unzutreffend. Insbesondere habe sie, so hat die Klägerin vorgetragen, keine unzutreffenden Eintragungen in die Arbeitszeitliste der Reinigungskräfte, die ihr unterstellt waren, vorgenommen.

Zudem sei das Angebot einer weiteren Tätigkeit als Reinigungskraft, das in den Änderungskündigungen enthalten sei, rechtlich unbeachtlich, da nicht hinreichend substantiiert. Die Klägerin hat insoweit behauptet, die von der Beklagten gewollten Änderungen der Arbeitsbedingungen seien ihr vom Geschäftsführer der Beklagten nicht mündlich mitgeteilt und näher erläutert worden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich restliche Lohnzahlung für den Zeitraum März bis April 2002 geltend gemacht sowie die Weiterbeschäftigung als Vorarbeiterin zu einer Stundengrundvergütung von 9,70€ verlangt.

Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat insbesondere eingewandt: Bei Übergabe der Änderungskündigung sei der Klägerin, die nur kommissarisch als Vorarbeiterin eingesetzt worden sei, durch ihren Geschäftsführer angeboten worden, als normale Reinigungskraft zu den für diese geltenden, tariflich jedoch reduzierten Bezügen zu arbeiten. Auf Grund dieser ergänzenden Erklärungen müsse die Änderungskündigung als hinreichend konkret angesehen werden.

Für sie lägen auch hinreichende Gründe vor; denn die Klägerin habe sich trotz Abmahnung nicht vertragsgemäß verhalten. Die Beklagte hat insoweit behauptet: Die Klägerin habe Anwesenheitsnachweise unzutreffend ausgefüllt.

Entgegen der Behauptung der Klägerin sei der Betriebsrat vor Ausspruch der Änderungskündigung am 25.02.2002 ordnungsgemäß gehört worden.

Durch Urteil vom 09.05.2003 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die Kündigung vom 25.02. noch durch die vom 28.02.2002 beendet worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Kündigungsschutzklage hat es zur Begründung ausgeführt: Die Unwirksamkeit der Änderungskündigungen ergebe sich bereits aus § 623 BGB unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Schriftform des inhaltlich bestimmten Änderungsangebotes. Mit der ganz überwiegend vertretenen Ansicht in der Literatur sei nämlich davon auszugehen, dass im Falle des Ausspruches einer Änderungskündigung auch das Angebot schriftlich erfolgen müsse. Dies sei hier nicht der Fall.

Wegen des weiteren Inhaltes des erstinstanzlichen Urteils wird auf Blatt 104 bis 116 d. A. Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 04.06.2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 04.07.2003 Berufung eingelegt und diese am 04.08.2003 begründet.

Die Beklagte macht geltend: Die Änderungsangebote in den Änderungskündigungen vom 25. und 28.02.2002 seien sowohl inhaltlich bestimmt und auch zur Erfüllung des Schriftformerfordernisses nach § 623 BGB ausreichend. Die Klägerin habe zum Zeitpunkt des Erhaltes der Kündigung ca. zehn Jahre bei ihr, der Beklagten, gearbeitet, bis Ende 1998 als normale Reinigungskraft, ab diesem Zeitpunkt dann als Vorarbeiterin. Die Vorarbeiterin arbeite grundsätzlich auch als Reinigungskraft, übernehme darüber hinaus jedoch Kontrollarbeiten in Bezug auf Qualität und Leistung der normalen Reinigungskräfte und bereite Arbeitsverträge vor. Wenn in den Änderungskündigungen ausgeführt sei, die Klägerin werde ab 09.03.2002 wieder als Reinigungskraft eingesetzt, so sei dies ausreichend bestimmt. Sie habe nämlich selbst sechs Jahre als Reinigungskraft gearbeitet, so dass für sie klar gewesen sei, welche Tätigkeiten sie zu verrichten gehabt habe. Im Übrigen habe die Klägerin die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen, so dass ihr ganz deutlich gewesen sei, welche Tätigkeiten sie künftig zu erbringen gehabt habe. Die Vergütung ergebe sich auch konkret aus dem für allgemeinverbindlich erklärten Lohn- und Gehaltstarifvertrag. Dort sei das Entgelt einer Reinigungskraft mit Ecklohn B ausgewiesen. Erstinstanzlich habe die Klägerin selbst vorgetragen, dass ihr Arbeitsvertrag nur auf eine Tätigkeit als Reinigungskraft laute. Sie habe daher genau gewusst, was sie nach der Änderungskündigung zu arbeiten gehabt habe.

Als Vorarbeiterin sei die Klägerin den in sie gesetzten Erwartungen nicht gerecht geworden, so dass sie zukünftig nur noch als normale Reinigungskraft habe eingesetzt werden können.

Die Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 09.05.2003 - 2 Ca 2865/02 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin tritt unter Wiederholung und teilweiser Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages dem angefochtenen Urteil bei.

Wegen des erst- und zweitinstanzlichen Vortrages der Parteien im Einzelnen und im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Änderungskündigungen vom 25. und 28.02.2002 festgestellt, so dass das Arbeitsverhältnis über den 08.03.2002 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht (§ 2 KSchG).

1. Hinsichtlich der mit Schreiben vom 25.02.2002 ausgesprochenen Änderungskündigung gilt dies bereits deshalb, weil es dieser an der erforderlichen Bestimmtheit fehlt.

a) Hinreichend bestimmt muss vor allem auch das Änderungsangebot sein. In ihm sind die angebotenen neuen Arbeitsbedingungen so genau zu beschreiben, dass der Arbeitnehmer weiss, worauf er sich einlässt. Dazu gehört insbesondere, dass die neue Vergütung mitgeteilt wird, und zwar gleichzeitig mit der Kündigung (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 25.07.1986 - 16 Sa 2025/85 -; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.02.1987 LAGE Nr. 4 und 6 zu § 2 KSchG).

b) Daran fehlt es im Kündigungsschreiben vom 25.02.2002. Dort ist nur davon die Rede, dass die Klägerin als Reinigungskraft "eingesetzt" werde. Wie insbesondere die Entlohnung aussehen sollte, ist mit keinem Wort erwähnt. Auch zu den sonstigen Arbeitsbedingungen wie Arbeitszeit und Arbeitsort ist nichts gesagt. Die Klägerin konnte also nur mutmaßen, wie sich ihr Arbeitsverhältnis im Einzelnen zukünftig gestalten würde.

c) Der Klägerin ist auch bei Zugang der Kündigung (vgl. zu diesem Zeitpunkt KR-Rost, 6. Auflage, Rdnr. 23 zu § 2 KSchG) das Änderungsangebot nicht erläutert worden; denn nach dem eigenen Vortrag der Beklagten ist das Kündigungsschreiben der Klägerin mit der Post am 26.02.2002 zugegangen. Erläutert und weiter konkretisiert worden ist allenfalls das im Kündigungsschreiben vom 28.02.2002 enthaltene Angebot; denn dieses Schreiben ist der Klägerin persönlich übergeben worden.

d) Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe ohnehin gewusst, zu welchen Konditionen sie weiterbeschäftigt werden solle, greift nicht. Hinreichende Gewissheit konnte die Klägerin nur hinsichtlich der auszuübenden Tätigkeit haben, nicht aber - wie bereits ausgeführt - hinsichtlich der sonstigen Arbeitsbedingungen. Dass sie den Vorbehalt erklärte, war letztlich eine Vorsichtsmaßnahme und beruhte darauf, dass sie den Arbeitsplatz auf jeden Fall behalten wollte. Dies kommt auch hinreichend in der Klageschrift vom 19.03.2002 (Seite 3) zum Ausdruck.

e) Da die Änderungskündigung vom 25.02.2002 wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam ist, kommt es auf die Einhaltung der Dreiwochenfrist des § 4 KSchG nicht an. Im Übrigen ist diese bei Zugang der Kündigung am 26.02. und Eingang der Klage bei Gericht am 19.03.2002 ersichtlich gewahrt.

2. Hinsichtlich der weiteren mit Schreiben vom 28.02.2002 ausgesprochenen Änderungskündigung mag man von einem hinreichend bestimmten Änderungsangebot ausgehen. Dieses ist der Klägerin jedoch nicht schriftlich gemacht worden, sondern allenfalls mündlich. Dies reicht, wie das Arbeitsgericht zutreffend entschieden hat, nicht aus. Es fehlt an der Schriftform des § 623 BGB.

a) Nach dieser Bestimmung bedürfen Kündigungen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies gilt auch für die Änderungskündigung. Insoweit besteht Einigkeit, streitig ist allerdings, ob nicht nur die Kündigung als solche, sondern auch das Änderungsangebot schriftlich erfolgen muss (bejahend: Preis/Gotthardt, NZA 2000, 348, 351; Stahlhacke/Preis/Vossen, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 8. Auflage, Rdnr. 1258, 1260; Richardi/Annuß, NJW 2000, 1231, 1233; Däubler AuR 2000, 190; DKZ Däubler, 5. Auflage, Rdnr. 11 zu § 623 BGB; KR-Rost, Rdnr. 28 a zu § 2 KSchG; ablehnend: Caspers RdA 2001, 30, 31; KR-Spilger, Rdnr. 136, 137 zu § 623 BGB). Letztere Ansicht vertreten auch Sander/Siebert, AuR 2000, 287, 291, die insoweit auf den Wortlaut abstellen - lediglich die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Willenserklärung solle der Schriftform bedürfen -, das Ergebnis aber selbst für widersinnig halten.

b) Das Landesarbeitsgericht folgt der wohl überwiegend vertretenen Ansicht, dass auch das Änderungsangebot schriftlich erfolgen muss, um § 623 BGB zu genügen; denn bei der Änderungskündigung handelt es sich um einen in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht einheitlichen Tatbestand, der lediglich aus zwei Willenserklärungen zusammengesetzt ist. Besteht für ein Rechtsgeschäft aber Formzwang, so erstreckt dieser sich auf alle wesentlichen Teile des Rechtsgeschäfts (Preis/Gotthardt, NZA 2000, 351, KR-Rost, Rdnr. 28 a zu § 2 KSchG; anders wohl Caspers, RdA 2001, 30, 31).

Soweit eingewandt wird, es sei nicht einzusehen, dass der Arbeitgeber jederzeit formlos ein Angebot auf Änderung des Arbeitsvertrages solle abgeben können, dann aber etwas anderes gelte, wenn dies im sachlichen Zusammenhang mit einer Kündigung geschehe (Caspers, a.a.O. Seite 30), verkennt dies die Tatsache, dass - wie ausgeführt - die Änderungskündigung eine echte Kündigung ist, die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen kann. Dies ist bei einer vom Arbeitgeber angestrebten einverständlichen Änderung des Arbeitsverhältnisses gerade nicht der Fall. Dabei kommt dem Inhalt des Angebotes eine wesentliche Funktion zu. Insoweit hat die Schriftform auch in dieser Hinsicht eine Schutzfunktion zu Gunsten des betroffenen Arbeitnehmers, wie dies mit § 623 BGB angestrebt wird.

Die Änderungskündigung vom 28.02.2002 ist deshalb wegen fehlender Schriftform gemäß § 623 BGB unwirksam.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Revision wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (Schriftformerfordernis bei der Änderungskündigung auch hinsichtlich des Änderungsangebotes) gemäß § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück