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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 14.10.2003
Aktenzeichen: 13 Sa 262/03
Rechtsgebiete: BetrAVG


Vorschriften:

BetrAVG § 1
BetrAVG § 1b
BetrAVG § 7
BetrAVG §§ 30 f
Insolvenzschutz muss nach § 7 Abs. 2 BetrAVG für Betriebsrentenanwartschaften nur dann gewährleisten, wenn diese die gesetzlichen Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit - früher § 1 BetrAVG, jetzt § 1 b bzw. 30 f BetrAVG - originär erfüllen.

Vertragliche Anrechnung von Vordienstzeiten können grundsätzlich keinen Insolvenzschutz begründen. Das gilt auch, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Anrechnung durch Bestimmung eines fiktiven Einstellungstermins vornehmen.

Ausnahmsweise kommt eine Anrechnung dann in Betracht, wenn die Vordienstzeit unmittelbar an das Beschäftigungsverhältnis heranreicht und selbst von einer Versorgungszusage begleitet war. In diesem Fall muss sich die Anrechnung ausdrücklich auf diese Vordienstzeit beziehen.


Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.09.2002 - 3 Ca 8478/01 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um betriebliche Altersversorgung. Der Kläger war ab dem 16.05.1960 bei der A beschäftigt. Zum 01.10.1960 trat er zur 100 %igen Tochtergesellschaft T über. Der Kläger war in die für alle Mitarbeiter geltende Unterstützungskassenregelung einbezogen. In einer schriftlichen Dienstzeiterklärung vom 10.01.1961 teilte die T dem Kläger mit, dass als Stichtag für die Errechnung seiner Dienstzeit der 16.05.1960 gelte. Das Arbeitsverhältnis endete zum 28.02.1967. Vom 01.03.1967 bis zum 15.06.1969 war der Kläger für die E tätig. Dort war er in die Unterstützungseinrichtung der S einbezogen. Zum 16.06.1969 wechselte der Kläger zum C . Bezüglich des dort geltenden "Pensions-Vertrages des Hauses B " erhielt der Kläger die Sonderzusage, dass die Wartezeit von 10 Jahre auf 5 Jahre verkürzt werde. Unmittelbar nach seinem Ausscheiden bei B wechselte der Kläger am 01.04.1971 wieder zur A . Im Rahmen des Anstellungsvertrages erklärte sich die A "ausnahmsweise bereit, bei Ihrem Wiedereintritt Ihre frühere A T Dienstzeit vom 16.05.1960 bis 28.02.1967 sofort anzurechnen, so dass sich als fiktiver Eintrittstermin der 16.06.1964 ergibt." Der Kläger schied bei der A mit Ablauf des 31.03.1980 aus. Ihm wurde mit Schreiben vom 11.04.1980 eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft in Höhe von DM 1.141,85 mitgeteilt, die eine Betriebszugehörigkeit ab dem fiktiven Eintrittsdatum 16.06.1964 berücksichtigte. Am 31.10.1982 wurde ein Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses über das Vermögen der A eröffnet und der Beklagte übernahm im Rahmen des späteren Vergleiches sämtliche Ansprüche der Mitarbeiter auf Betriebsrente und unverfallbare Versorgungsanwartschaften mit einer Quote von 60 %, während bei der A aufgrund der Vergleichsquote 40 % dieser Ansprüche verblieben. Mit Vollendung seines 65. Lebensjahres, beginnend mit dem 01.04.2001, erhält der Kläger von der Nachfolgegesellschaft der A ausgehend von einer Betriebsrente in Höhe von insgesamt DM 1.134,20 einen Anteil von 40 %, also DM 453,68 brutto monatlich. Der Beklagte lehnte seine Einstandspflicht für die weiteren 60 % der Betriebsrente ab, da nach seiner Ansicht keine insolvenzgeschützte Versorgungsanwartschaft nach § 7 Abs. 2 BetrAVG entstanden sei. Mit seiner am 03.09.2001 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage verlangte der Kläger von dem Beklagten den 60 %igen Betriebsrentenanteil. Er hat geltend gemacht, unter Berücksichtigung des fiktiven Eintrittsdatums "16.06.1964" bis zu seinem Austritt Ende März 1980 sei eine unverfallbare Anwartschaft entstanden. Die angerechneten Vorzeiten seien ausnahmsweise insolvenzgeschützt, da sie unmittelbar an das Arbeitsverhältnis zur A T heranreichten. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 04.09.2002 abgewiesen und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Weder in seinem ersten noch in seinem zweiten Arbeitsverhältnis bei der A seien durch tatsächliche Betriebszugehörigkeit die gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrAVG erfüllt. Die vom Arbeitgeber bei Wiedereinstellung vorgenommene Anrechnung der Vordienstzeiten (16.05.1960 bis 28.02.1967) genieße als arbeitsvertraglich begründete Unverfallbarkeit keinen Insolvenzschutz nach § 7 Abs. 2 BetrAVG. Der Kläger könne sich auch nicht auf den von der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmetatbestand der Anrechnung von Vorzeiten berufen, wenn die Arbeitsverhältnisse unmittelbar aufeinander folgen und auch das erste Arbeitsverhältnis von einer Versorgungszusage begleitet war. Diese Konstellation läge gerade nicht vor. Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil (Bl. 43 bis 51 d. A.) Bezug genommen. Gegen dieses dem Klägervertreter am 05.02.2003 zugestellte Urteil hat der Kläger unter dem 27.02.2003 Berufung eingelegt und diese am 03.04.2003 begründet. Der Kläger hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für rechtsfehlerhaft. Der Kläger macht geltend, er habe aus seinem Arbeitsverhältnis mit der A eine gesetzlich unverfallbare Anwartschaft erworben, die ab Eintritt des Versorgungsfalles nach § 7 Abs. 2 BetrAVG insolvenzgeschützt und damit von der Beklagten zu erfüllen sei. Bei seinem lückenlosen Übergang von B zu A seien ihm die sechs Jahre und 9,5 Monate Vordienstzeiten aus seiner Zeit bei B angerechnet worden. Diese anrechnungsfähigen Vorzeiten ergäben sich neben der tatsächlichen Beschäftigungsdauer daraus, dass dem Kläger die Unverfallbarkeitsfristen von 10 auf 5 Jahre ermäßigt wurden. Unabhängig von der sprachlichen Gestaltung der Anrechnungserklärung habe dieser vorhandene Besitzstand sicher gestellt werden sollen. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.09.2002 - 3 Ca 8478/01 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.402,60 DM brutto als Betriebsrentenrückstand für die Zeit vom 01.04. bis 31.08.2001 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gemäß Diskontüberleitungsgesetz auf jeweils 680,52 DM brutto seit dem 01.05., 01.06., 01.07., 01.08. und 01.09.2001 zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags das erstinstanzliche Urteil und vertritt den Rechtsstandpunkt, dass eine Erstreckung des Insolvenzschutzes auf die arbeitsvertraglich angerechneten Vordienstzeiten ausscheide. Wegen der Unterbrechung können die Vorzeiten bei A nicht berücksichtigt werden. Daran ändere auch die Vorverlagerung des Einstellungszeitpunktes nichts. Der von der Rechtsprechung anerkannte Ausnahmefall einer Anrechnung von Vorzeiten scheitere vorliegend daran, dass gerade nicht die unmittelbar vorangegangenen Zeiten (B /Bu ) angerechnet worden seinen, sondern ausdrücklich die vorangegangenen Zeiten bei A . Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Akten sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen. Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie nach dem Beschwerdewert an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 b ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, i.V.m. §§ 519, 520 ZPO).

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg und konnte daher nicht zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils führen. Das Arbeitsgericht hat die Zahlungsklage mit Recht als unbegründet abgewiesen. Der Beklagte muss nach § 7 Abs. 2 BetrAVG Insolvenzschutz für Betriebsrentenanwartschaften nur dann gewährleisten, wenn diese die gesetzlichen Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit - früher § 1 BetrAVG, jetzt § 1 b, bzw. 30 f BetrAVG - originär erfüllen. Der Kläger hat in seinen Arbeitsverhältnissen mit seinem früheren Arbeitgeber AEG-Telefunken AG keine nach den gesetzlichen Vorschriften unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben, für die der Beklagte nach Eintritt der Insolvenz bei dem früheren Arbeitgeber nunmehr als Insolvenzversicherer eintreten müsste. Das Berufungsgericht nimmt auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug. Ergänzend und zusammenfassend ist auf das Folgende hinzuweisen:

a. Die vom Kläger erworbene Betriebsrentenanwartschaft war im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis am 31.03.1980 nach den gesetzlichen Vorschriften nicht unverfallbar. Die hierfür in § 30 f Satz 1 BetrAVG genannten gesetzlichen Unverfallbarkeitsfristen waren nicht abgelaufen, da das Arbeitsverhältnis allein unter Berücksichtigung der in diesem Arbeitsverhältnis zurückgelegten Betriebszugehörigkeitszeiten im Zeitpunkt seiner Beendigung erst neun Jahre bestanden hatte (01.04.1971 - 31.03.1980).

b. Die bei demselben Arbeitgeber bzw. im Konzern in der Zeit vom 16.05.1960 bis 28.02.1967 zurückgelegte Vordienstzeit, die die Parteien durch entsprechende Vorverlagerung des Einstellungszeitpunktes berücksichtigt wissen wollten, führt ebenfalls nicht zur Unverfallbarkeit nach § 30 f BetrAVG.

Der gesetzliche Insolvenzschutz nach § 7 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BetrAVG greift nur ein, wenn die gesetzlichen Unverfallbarkeitsvoraussetzungen erfüllt sind. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Arbeitsvertragsparteien während oder aus Anlass der Begründung des zweiten Arbeitsverhältnisses die Anrechnung der Vordienstzeiten vereinbart haben (LAG Köln, Urteil vom 11.09.2002 - 7 Sa 462/02 -). Eine solche Anrechnungsvereinbarung vermag nur die Arbeitsvertragsparteien untereinander zu binden, für eine Einstandspflicht des Beklagten fehlt aber eine gesetzliche Grundlage (BAG Urteil vom 28.03.1995 - 3 AZR 496/94 - juris; LAG Köln, Urteil vom 23.01.2002 - 8 Sa 588/01 -). Anders als bei der Frage nach der Höhe der Versorgungsanwartschaft unterliegt die Frage, wann eine Versorgungsanwartschaft unverfallbar und damit insolvenzgeschützt sein soll, nach der Systematik des Betriebsrentengesetzes gerade nicht der Vereinbarung und Gestaltung der Parteien des Versorgungs- bzw. Arbeitsvertrages (LAG Köln, Urteil vom 11.09.2002 - 7 Sa 462/02 -). Bei rechtlichen Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses muss die gesetzliche Unverfallbarkeit nach § 1 BetrAVG jeweils neu erworben werden, ohne dass es auf Grund und Dauer der Unterbrechung ankommt (BAG, Urteil vom 22.02.2000 - 3 AZR 4/99 - NZA 2001, 1310 [1312]; ferner BAG Urteil vom 28.03.1995 - 3 AZR 496/94 - NZA 1996, 258). Die einzige in der BAG-Rechtsprechung zugelassene Ausnahme ist hier wegen der über vierjährigen Unterbrechungszeit zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen ersichtlich nicht gegeben; sie setzt nämlich nicht nur voraus, dass die Arbeitsvertragsparteien eine Anrechnung der Vordienstzeit vereinbart haben und auch die Vordienstzeit von einer Versorgungszusage begleitet war, sondern insbesondere, dass das frühere Arbeitsverhältnis nahtlos an das spätere heranreicht (BAG, Urteil vom 22.02.2000 - 3 AZR 4/99 - NZA 2001, 1310 [1312]; BAG Urteil vom 28.03.1995 - 3 AZR 496/94 - NZA 1996, 258). Das von der Rechtsprechung geforderte unmittelbare Aneinanderfolgen der Beschäftigungsverhältnisse (BAG Urteil vom 28.03.1995 - 3 AZR 496/94 - EzA BetrAVG § 1 Nr. 70; ebenso LAG Köln, Urteil vom 23.01.2002 - 8 Sa 588/01 -) wurde auch nicht dadurch herbeigeführt, dass die Parteien die Anrechnung in der Weise vorgenommen haben, dass sie das Eintrittsdatum rechnerisch um die Dauer der Vorbeschäftigungszeit vorverlegen. Auch hier gilt: Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Unverfallbarkeit von Betriebsrentenanwartschaften stellen allein auf die tatsächliche zeitliche Dauer der von einer Versorgungszusage begleiteten arbeitsvertraglichen Verbundenheit der Parteien ab. Wenn also der Gesetzgeber vorschreibt, dass der Insolvenzschutz von betrieblichen Versorgungsanwartschaften erst eingreifen soll, wenn das von einer Versorgungszusage begleitete arbeitsvertragliche Austauschverhältnis einen gewissen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg ununterbrochen bestanden haben soll, so kann dies nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Parteien des Versorgungsvertrages durch Vereinbarung untereinander einen Teil der erforderlichen Vertragszeiten einfach fingieren. Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, dass die Arbeitsvertragsparteien einen fiktiven Einstellungstermin aus dem Grunde vereinbart hätten, die von einer Versorgungszusage begleitete Beschäftigungszeit bei Bu und B aufzufangen, kann ihm nicht gefolgt werden. Ausdrücklich haben die Parteien auf die "frühere A -Dienstzeit" abgestellt und die entsprechende Vordienstzeit unter Angabe der Daten 16.05.1960 bis 28.02.1967 genau umrissen, um den Eintrittszeitpunkt fiktiv um den entsprechenden Zeitraum von insgesamt 6 Jahre und 9,5 Monate auf den 16.06.1964 vorzuverlegen. Deutlicher konnten die Vertragsparteien den Hintergrund der vorgenommenen Anrechnung nicht zum Ausdruck bringen. Zudem betrug die Vordienstzeit bei B und Bu zusammen keine 6 Jahre und 9,5 Monate.

2. Da der Kläger das Rechtsmittel ohne Erfolg eingelegt hat, muss er nach §§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung tragen. Die Revision war nicht nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die Entscheidung auf den besonderen Umständen des Einzelfalls beruht und die angesprochenen Rechtsfragen höchstrichterlich geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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