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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.12.2003
Aktenzeichen: 13 Ta 280/03
Rechtsgebiete: ArbGG


Vorschriften:

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3
ArbGG § 5 Abs. 1
1. Schließt ein Mitarbeiter mit einem Unternehmen ein freies Mitarbeiterverhältnis, mit einem anderen Unternehmen ein Arbeitsverhältnis, kommt die Qualifizierung als einheitliches Arbeitsverhältnis auch dann nicht in Betracht, wenn die Unternehmen gesellschaftsrechtlich verbunden sind und die Vertragsschlüsse zeitgleich und hinsichtlich der Handelnden personenidentisch erfolgen.

2. Fehlt jeder Vortrag zur tatsächlichen Durchführung der Beschäftigungsverhältnisse, ist für die rechtliche Qualifizierung auf die vertragliche Grundlage abzustellen.


LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

13 Ta 280/03

In Sachen

hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln am 29.12.2003 - ohne mündliche Verhandlung - durch den Richter am Arbeitsgericht Dr. Brondics als Vorsitzenden

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Rechtswegbeschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 24.06.2003 - 5 Ca 2972/03 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Die Klägerin nimmt im vorliegenden Verfahren die Beklagte gesamtschuldnerisch neben der T A auf Zahlung von Vergütung ab Januar 2002 in Anspruch.

Die Klägerin schloss mit der Beklagten am 14.01.2002 einen "Dienstvertrag für freie Mitarbeit". § 1 des Vertrages legt den Vertragsgegenstand wie folgt fest:

1. Frau P wird in freier Mitarbeit für die Firma tätig.

2. Frau P wird die Funktion einer freiberuflichen Mitarbeiterin auf dem Gebiet Sales / Business Development übernehmen.

3. Frau P ist hinsichtlich des Ortes und der Zeit der Ausübung ihrer Tätigkeit frei. Sie wird die Arbeit nicht in den Räumen der Firma ausüben. Frau P verfügt über eigene Büroräume, deren Kosten sie auch selbst trägt.

4. Frau P ist berechtigt, nach vorheriger Absprache die Ausführung der Aufgaben eigenen Mitarbeitern oder Dritten zu übertragen.

5. Dieser Vertrag gilt als Rahmenvertrag. Weitere Vereinbarungen werden in Objektverträgen geregelt.

Zur Vergütung bestimmt der Vertrag in § 3:

1. Frau P erhält für ihre Tätigkeit ein beiderseits als angemessen betrachtetes Pauschalhonorar in Höhe von EUR 2.471,00 monatlich netto. Die Vereinbarung einer stundenweisen Honorierung ist möglich.

2. Zieht Frau P zur Erfüllung der vertraglichen Pflichten eigene Mitarbeiter oder Dritte hinzu, sind deren Kosten nur erstattungsfähig, wenn dies vorab zwischen den Parteien vereinbart wurde.

3. Frau P wird das Honorar im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung angeben. Die Parteien sind sich darüber einig, dass Frau P Steuern (Einkommenssteuer-, Umsatzsteuer etc.) und Sozialversicherungsbeiträge selbst trägt und abführt.

4. Frau P erstellt - basierend auf dem abzuschließenden Objektvertrag - eine Abrechnung, in der die geleistete Arbeitszeit, aufgeschlüsselt nach einzelnen Tätigkeitsbereichen, enthalten ist.

Wegen des weiteren Inhaltes wird auf die zur Akte gereichte Kopie des Vertrages Bezug genommen.

Am selben Tag schloss die Klägerin einen Arbeitsvertrag mit der T als Business Development Director. Als Gehalt waren 4.687,00 EUR brutto vereinbart zuzüglich einer erfolgsabhängigen Provision. In einer Anlage zum Arbeitsvertrag war - ohne nähere Erläuterung - festgehalten, dass für die Errechnung einer möglichen Abfindung ein Jahresgehalt in Höhe von 143.162,00 EUR zugrunde zu legen sei.

Sowohl die Beklagte als auch die T hatten ihren Sitz unter der selben Anschrift, der Vorstandsvorsitzende beider Aktiengesellschaften war seinerzeit Herr K . Dieser verfasste unter dem 08.07.2002 ein als Memorandum überschriebenes Schreiben auf dem Geschäftsbogen der T , in dem der Klägerin bestätigt wurde, Vertriebsleistungen für beide Gesellschaften erbracht zu haben, aus denen sich ein Rechnungsanspruch in Höhe von 13.755,33 EUR zzgl. MwSt. ergebe. Die entsprechende Rechnungsstellung erfolge durch die T .

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie sei Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen, weshalb sich die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit ergebe. Durch den Dienstvertrag mit der Beklagten sei keine eigenständige freiberufliche Tätigkeit begründet worden, sondern im Rahmen eines einheitlichen Arbeitsvertragsverhältnisses eine zusätzliche Nettogehaltszusage an die Klägerin ergangen.

Die Beklagte hat die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts gerügt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe ein Arbeitsverhältnis nur zur T begründet, im Verhältnis zur Beklagten sei - wie vertraglich vereinbart - ein freies Mitarbeiterverhältnis praktiziert worden. Insbesondere habe keine einheitliche Tätigkeit aus beiden Vertragsbeziehungen vorgelegen.

Das Arbeitsgericht Siegburg hat mit Beschluss vom 24.06.2003 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Bonn verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin war bzw. ist nicht Arbeitnehmerin der Beklagten. Sie sei auch keine arbeitnehmerähnliche Person.

Gegen diese am 4.08.2003 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 18.08.2003 Beschwerde eingelegt und diese wie folgt begründet: Es habe ein einheitliches Arbeitsverhältnis bestanden, wie dies im Memorandum auch zu Ausdruck komme. Die Klägerin habe ihre Weisungen ausschließlich von der T erhalten. Man habe das freie Mitarbeiterverhältnis geschaffen, um das von der Klägerin geforderte Gesamtmonatseinkommen von EUR 12.000,00 auf mehrere Schultern zu verteilen. Auch das in der Anlage zum Arbeitsvertrag festgelegte Jahreseinkommen zur Berechnung einer Abfindung beinhalte die Einkünfte aus der Tätigkeit für die Beklagte.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

II. Die fristgemäß und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Beklagten nach § 17a Abs. 4 S. 3 GVG i. V. m. §§ 567, 569 ZPO und §§ 46, 78 ArbGG ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zu Recht gemäß § 48 ArbGG, §§ 17a Abs. 3, 13 GVG an das zuständige Landgericht Bonn verwiesen hat. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ist nicht gegeben, da die Klägerin nicht Arbeitnehmerin oder arbeitnehmerähnliche Person ist im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 ArbGG ist.

1. Die Klägerin ist nicht Arbeitnehmerin, da sie nicht auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages in persönlicher, das heißt weisungsgebundener Abhängigkeit fremdbestimmte Arbeit für die Beklagte als Arbeitgeberin leistet. Persönliche Abhängigkeit findet ihre Ausprägung insbesondere darin, dass der Arbeitnehmer seine Leistung im Rahmen der vom Arbeitgeber bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Die Eingliederung in die betriebliche Arbeitsorganisation wird dadurch deutlich, dass der Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer oder Ort der Ausführung seiner Tätigkeit, aber auch hinsichtlich des Inhalts und der Durchführung dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (ständige Rechtsprechung: vgl. BAG AP Nr. 42 und Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit; LAG Köln, Beschluss vom 7.10. 2003, - 2 Ta 304/03 - juris).

Legt man die vorgenannte Definition zu Grunde, so fehlt jeglicher Vortrag der Klägerin, in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert und dort weisungsgebunden tätig gewesen zu sein. Die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin folgt auch nicht daraus, dass es sich um ein einheitliches Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Schließt ein Mitarbeiter mit dem einen Unternehmen ein freies Mitarbeiterverhältnis, mit dem anderen ein Arbeitsverhältnis, kommt die Qualifizierung als einheitliches Arbeitsverhältnis auch dann nicht in Betracht, wenn die Unternehmen gesellschaftsrechtlich verbunden sind und die Vertragsschlüsse zeitgleich und hinsichtlich der Handelnden personenidentisch erfolgen. Für das Vorliegen eines einheitlichen arbeitsrechtlich geprägten Vertragsverhältnisses bedarf es besonderer Umstände, die vorliegend nicht erkennbar sind. Da jedwede Hinweise zur tatsächlichen Durchführung der Vertragsverhältnisse fehlen, ist für die rechtliche Beurteilung auf die vertragliche Gestaltung zurückzugreifen.

Schon der Wortlaut beider Verträge lässt den Rückschluss auf ein einheitliches Arbeitsverhältnis nicht zu. Der Arbeitsvertrag und der Vertrag über freie Mitarbeit sind zwar am selben Tag und am selben Ort abgeschlossen. Darin erschöpfen sich aber schon die Gemeinsamkeiten. Beide Verträge sind aber inhaltlich so ausgestaltet, dass sie unabhängig voneinander bestehen können. Sie sind insbesondere nicht durch ein Junktim oder durch andere Vertragsbestimmungen miteinander verknüpft. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Höhe des in der Anlage festgeschriebenen Jahresverdienstes zur Berechnung einer etwaigen Abfindung: Selbst wenn man den Verdienst aus dem freien Mitarbeiterverhältnis dem Arbeitsentgelt zuschlägt und auf das Jahr hochrechnet, bleibt der so berechnete Betrag deutlich hinter dem festgelegten Jahresentgelt von EUR 143.162 zurück. Da als Teil der Arbeitsvergütung auch eine Tantieme geschuldet ist, liegt die Annahme näher, dass sie und nicht das Honorar aus selbständiger Tätigkeit die Höhe der Abfindung zumindest mitbestimmt hat..

Auch die von der Klägerin beschriebene Praxis der internen Verrechnung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft rechtfertigt keine andere Beurteilung der Vertragsbeziehungen zu ihr. Gesellschaftsinterne Vorgänge zwischen verbundenen Unternehmen wie etwa Kostenübernahmen, korrespondierende Buchungen in der Handels- oder Steuerbilanzen können grundsätzlich keine Auswirkungen auf die rechtliche Qualifizierung von Vertragsbeziehungen im Außenverhältnis zu Dritten haben. Selbst wenn der Vertrag mit der Beklagten nur deshalb zustande kam, um der Klägerin ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen, bedeutet dies nicht zwingend, dass damit mit keiner Gegenleistung für das Unternehmen verbunden sei.

Die im Vertrag über freie Mitarbeit vereinbarte Tätigkeit ist auch nicht als einheitliche Arbeitsvertragsleistung für die T zu qualifizieren. Zwar ist sie in beiden Fällen dem Bereich "Vertrieb" zuzuordnen, jedoch ist sie vertraglich nicht so festgelegt, dass man von einer Identität der geschuldeten Leistung ausgehen kann, schon gar nicht von einer Leistung ausschließlich für die T . Es fehlt jeder einlassungsfähige Vortrag der Klägerin, dass es in der Praxis anders gehandhabt wurde.

2. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte ergibt sich ebenso wenig daraus, dass die Klägerin als arbeitnehmerähnliche Person einzuordnen wäre. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der allgemeinen Meinung im Schrifttum ist eine Person dann arbeitnehmerähnlich, wenn sie in wirtschaftlicher Abhängigkeit Dienst- oder Werkleistungen persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringt und vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig ist (vgl. nur BAG, Beschluss vom 30.08.2000 - 5 AZB 12/00, NZA 2000, 1359; BAG, Beschluss vom 17.06.1999 - 5 AZB 23/98, EzA § 5 ArbGG 1979 Nr. 34 m. w. N.; KR/Rost, 6. Aufl., Stichwort: Arbeitnehmerähnliche Person, Rdnr. 9). An die Stelle der Weisungsgebundenheit beim Arbeitnehmer tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Unselbständigkeit in den Vordergrund. Eine arbeitnehmertypische Schutzbedürftigkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die weiteren Einnahmequellen einschließlich Vermögen und Zinseinnahmen selbst unter erheblicher Einschränkung des Lebenshaltungsstils nicht ausreichen, um sich "über Wasser zu halten" (BAGE 14 Seite 17). Die hierfür erforderliche wirtschaftliche Unselbstständigkeit hat die Klägerin in keiner Weise dargestellt. Eine Bindung an die Beklagte in der Weise, dass ohne deren Auftrag die wirtschaftliche Existenzgrundlage entfallen würde, kann schon vor dem Hintergrund ihrer Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis mit der T nicht angenommen werden:

Da die Klägerin mit dem von ihr eingelegten Rechtsmittel unterlegen ist, trägt sie die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Zulassung der weiteren Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG, die als Rechtsbeschwerde im Sinne von § 574 ZPO anzusehen ist (vgl. BAG Beschluss vom 26.09.2002, EzA § 17 a GVG Nr. 14), kam nicht in Betracht, da der vorliegende Einzelfall nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und ein Abweichen von anderen obergerichtlichen Entscheidungen nicht ersichtlich ist.

Diese Entsccheidung ist nicht anfechtbar

Ende der Entscheidung

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