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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 30.01.2006
Aktenzeichen: 14 (13) Sa 1359/05
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 2
Von einem ernsthaften und endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung kann nicht ausgegangen werden, wenn wenige Tage vor Ausspruch der Kündigung eine Auffanggesellschaft gegründet wird, die später in den ursprünglichen Räumen und mit einem Teil des Personals die betrieblichen Arbeiten fortsetzt.
Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 01.09.2005 - 1 (2) Ca 3122/04 - abgeändert:

a. Es wird festgestellt, dass die Kündigung vom 12.07.2004 das Beschäftigungsverhältnis des Klägers nicht zum 31.12.2004 oder einem späteren Beendigungszeitpunkt beendet hat.

b. Es wird festgestellt, dass die Kündigungen vom 26.08.2004 das Beschäftigungsverhältnis des Klägers nicht zum 30.11.2004 oder zu einem späteren Beendigungszeitpunkt beendet haben.

1. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit von betriebsbedingten Kündigungen. Der Kläger war bei der Firma R GmbH & Co. KG, die sich zwischenzeitlich im Insolvenzverfahren befindet (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin), seit dem 01.03.1990 im Vertrieb als Verkaufsingenieur im Außendienst zu einem Bruttomonatsverdienst von 5.260,00 € beschäftigt. Der Beklagte war zunächst der vorläufige, später der endgültig bestellte Insolvenzverwalter. Am 21.05.2004 stellten die G und in der Folge weitere Gläubiger einen Insolvenzantrag gegen die Insolvenzschuldnerin. Am 06.07.2004 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 09.07.2004 wurde u. a. vom Geschäftsführer der Beklagten die Auffanggesellschaft, die Firma Z GmbH Messmaschinen gegründet.

Am 12.07.2004 wurde bei der Insolvenzschuldnerin eine Betriebsversammlung durchgeführt, an der auch der Beklagte teilnahm und in dessen Verlauf allen Arbeitnehmern die Kündigung angekündigt wurde.

Mit Kündigungsschreiben vom 12.07.2004 wurde sodann das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.12.2004 gekündigt. Das Kündigungsschreiben war vom Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten mit dem Vermerk "zugestimmt" unterzeichnet. Hiergegen richtete sich die Kündigungsschutzklage des Klägers, die am 19.07.2004 bei Gericht einging.

Mit Beschluss vom 20.07.2004 (Bl. 5 d. A.) wurde der Beklagte vom Amtsgericht Bonn zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal mit Kündigungsschreiben vom 26.08.2004 (Bl. 3 f. d. A.) zum 30.11.2004 wegen Betriebsschließung. Dieses Kündigungsschreiben wurde an den Kläger auf zwei Wegen gesandt, nämlich per einfacher Post und ein weiteres Mal per Einschreiben/Rückschein. Gegen diese Kündigung wendete sich der Kläger mit am 06.09.2004 bei Gericht eingegangene Kündigungsschutzklage, wobei er sich darin nur auf die auf dem einfachen Postweg zugegangene Kündigungserklärung bezog. Jedenfalls am 01.12.2004 nahm die Firma Z GmbH Messmaschinen, die im Juli 2004 als Auffanggesellschaft gegründet worden war, ihre Tätigkeit auf. Sie setzte die Produktion in den Räumen, mit den Betriebsmitteln der Insolvenzschuldnerin und unter Übernahme eines Teils des Personals fort.

Der Kläger wendet sich gegen die ausgesprochenen Kündigungen, weil ein Entschluss zur Betriebsstilllegung nicht gefasst worden sei. Es habe zu keiner Zeit die Absicht bestanden, den Betrieb endgültig stillzulegen. Vielmehr sei unverändert weitergearbeitet worden. Nachdem die beiden Kündigungsschutzverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, hat der Kläger beantragt,

festzustellen, dass die Kündigung des Beklagten vom 12.07.2004 das Beschäftigungsverhältnis des Klägers nicht zum 31.12.2004 oder einem anderen Beendigungszeitpunkt beendet hat, sondern dass das Beschäftigungsverhältnis zu unveränderten Bedingungen weiter fortbesteht;

festzustellen, dass das Beschäftigungsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 26.08.2004, zugegangen am 02.09.2004, zum 30.11.2004 oder einem anderen Beendigungszeitpunkt beendet ist, sondern zu unveränderten Bedingungen weiter besteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat zunächst geltend gemacht, der Kläger habe es versäumt, gegen die Kündigung vom 26.08.2004, die ihm per Einschreiben/Rückschein zugegangen sei, rechtzeitig Kündigungsschutzklage zu erheben. Hinsichtlich der Betriebsstilllegung hat der Beklagte vorgetragen, erst nachdem festgestanden habe, dass die zunächst ins Auge gefasste Möglichkeit einer Betriebsfortführung durch die Auffanggesellschaft sich nicht habe realisieren lassen, habe die Insolvenzschuldnerin den Entschluss gefasst, den Betrieb stillzulegen. Zwar habe der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin den Betrieb nicht aufgeben wollen, dies ändere jedoch nichts daran, dass letztlich gemeinsam mit dem Beklagten der Stilllegungsbeschluss gefasst worden sei.

Das Arbeitsgericht hat mit am 01.09.2005 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, dass eine ernsthafte Stilllegungsabsicht vorgelegen habe und der Kläger von einem möglichen Teilbetriebsübergang nicht erfasst worden sei, weil die Insolvenzschuldnerin jedenfalls den Vertrieb nicht durch eigene Kräfte fortgeführt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 01.09.2005 Bezug genommen (Bl. 133 - 143 d. A.). Gegen dieses am 16.09.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.10.2005 bei Gericht eingegangene und am 08.11.2005 begründete Berufung des Klägers. Der Kläger macht geltend, es habe nie eine Stilllegungsabsicht gegeben; weder von der Insolvenzschuldnerin noch von dem Beklagten. Die Geschäfte seien nahtlos fortgesetzt worden, die Insolvenzschuldnerin habe nach wie vor auch nach außen hin geworben und bewerbe auch nach wie vor Kunden. Auch der Vertrieb sei durch die Auffanggesellschaft fortgeführt worden, und zwar nicht nur mit freien Handelsvertretern, sondern auch mit eigenem Personal. Der Kläger bezieht sich hierzu auch auf die Arbeitsaufforderung an den ebenfalls im Betrieb tätigen Herrn L sowie auf eine Zeitungsanzeige vom 08.12.2005 (Bl. 217 d. A.), in der die Auffanggesellschaft einen Vertriebsmitarbeiter sucht. Die Auffanggesellschaft habe auch neue Aufträge angenommen. Der Kläger selbst habe noch in der Kündigungsfrist im Rahmen seiner eigenen Arbeitsleistungen sehr wohl neue Aufträge auch in dem Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens angenommen. Diese seien durch die Arbeitskollegen des Klägers auch umgesetzt und durchgeführt worden.

Der Kläger beantragt,

dass die Kündigung vom 12.07.2004 das Beschäftigungsverhältnis des Klägers nicht zum 31.12.2004 oder einen späteren Beendigungszeitpunkt beendet hat.

festzustellen, dass die Kündigungen des Beklagten vom 26.08.2004 das Beschäftigungsverhältnis des Klägers nicht zum 30.11.2004 oder einem anderen Beendigungszeitpunkt beendet haben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Der Beklagte macht geltend, der Kläger habe es versäumt, gegen die per Einschreiben/Rückschein zugegangene Kündigungserklärung vom 26.08.2004 fristgerecht Klage zu erheben, weshalb bereits aus diesem Grund das Arbeitsverhältnis beendet sei. Beide Kündigungserklärungen vom 26.08.2004 sollten für sich genommen nach dem Willen des Absenders ihre volle Wirksamkeit entfalten, und zwar ohne jede Abhängigkeit vom Schicksal der jeweils anderen Erklärung. Hintergrund der zweifachen Versendung der Kündigungserklärung vom 26.08.2004 auf zwei verschiedenen Wegen sei die Tatsache, dass immer wieder der Zugang eines per Brief versandten Kündigungsschreibens überhaupt in Frage gestellt werde. Um den Zugang auf jeden Fall sicher zu stellen, seien am 26.08.2004 zwei Kündigungen ausgesprochen worden. Jede von ihnen habe eigenständig zur Beendigung des Arbeitsverhältnis führen sollen.

Die Entscheidung zur Stilllegung des Betriebes sei bereits im Juli 2004 gefallen. Denn in dem Zeitpunkt, in dem schließlich die Insolvenzschuldnerin selbst am 01.07.2004 einen Insolvenzantrag gestellt habe, sei rasches Handeln erforderlich gewesen. Nachdem auch der letzte verbliebene Kaufinteressent eine Absage erteilt habe, habe die Entscheidung zur Stilllegung gefasst werden müssen. Dies sei auch geschehen. Aufträge seien ab diesem Zeitpunkt nicht mehr hereingenommen worden. Lediglich Abwicklungsarbeiten seien nach dem Stilllegungsbeschluss noch erledigt worden.

Sofern man davon ausgehe, dass eine Stilllegung nicht gegeben gewesen sei, müsse ein Betriebsübergang zum 01.12.2004 auf die Firma Z GmbH Messmaschinen, der der Beklagte den Streit verkündet hat, vorliegen. Zwar habe die Streitverkündete, die dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beigetreten ist, mit einem Teil der Belegschaft der Insolvenzschuldnerin und mit deren Betriebsmitteln sowie in deren Räumen die Produktion fortgesetzt, jedoch beinhalte das neue Konzept die Durchführung des Vertriebs nicht mehr durch eigenes Personal, sondern durch freie Handelsvertreter.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet, da die Kündigungen das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgelöst haben.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. Die Berufung hatte in der Sache Erfolg, weil die dem Kläger erklärten Kündigungen sozial ungerechtfertigt sind.

1. Die Kündigung vom 26.08.2004, die das Arbeitsverhältnis zum früheren Zeitpunkt, nämlich zum 30.11.2004 auflösen sollte, ist rechtsunwirksam.

a) Das Kündigungsschutzgesetz ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, weil der Kläger wesentlich länger als sechs Monate beschäftigt ist (§ 1 Abs. 1 KSchG) und die Insolvenzschuldnerin mehr als fünf Arbeitnehmer (§ 23 KSchG) beschäftigt.

Auch hat der Kläger die dreiwöchige Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG gewahrt, so dass der Beklagte sich nicht auf ein Wirksamwerden der Kündigung nach § 7 KSchG durch Ablauf der Klagefrist berufen kann. Die Kündigung vom 26.08.2004 ist auf zweifachem Wege ausgesprochen worden, einmal durch Übersendung eines Briefes und zum zweiten durch Einschreiben/Rückschein. Der Kläger hat seine Kündigungsschutzklage durch den in der Berufungsinstanz richtig gestellten Antrag auf beide Zugangsformen erstreckt, was auf jeden Fall als sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO) anzusehen ist, weil es zu der gerichtlichen Klärung führt, ob und ggf. welches der zugegangenen Kündigungsschriftstücke zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt hat. In der Sache erfasste die Kündigungsschutzklage des Klägers, die am 07.09.2004 einging, beide Zugangsformen der Kündigung vom 26.08.2004, so dass die Klage hinsichtlich beider Kündigungsschriftstücke ausreichend war.

Nach der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Klage auf Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch eine bestimmte Kündigung eines bestimmten Datums nicht aufgelöst worden, die Klagefrist hinsichtlich aller Kündigungen wahrt, die unter diesem Datum und auf der Grundlage dieses Lebenssachverhalts ausgesprochen worden sind. So hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass eine Feststellungsklage, die sich gegen eine schriftliche Kündigung richtet, auch die am selben Tage ausgesprochene mündliche Kündigung, die auf denselben Gründen und demselben Lebenssachverhalt beruht, erfasst, s. BAG, Urt. v. 14.09.1994, AZ: 2 AZR 182/94, NZA 1995, S. 417.

In der Literatur wird diese Ansicht geteilt, s. Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz,8.Aufl. Rziff. 1804.

Dies ist überzeugend, weil ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliegt. Handelt es sich um ein und dieselbe Kündigung, die mehrfach ausgesprochen wird, so macht der Arbeitnehmer mit einer Klage ausreichend deutlich, dass er diese Kündigung nicht hinnehmen will, unabhängig davon, auf welchen zusätzlichen Wegen ihn noch weitere Exemplare des Kündigungsschreibens erreichen. Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn es handelt sich bei den von dem Beklagten unter dem 26.08.2004 ausgesprochenen Kündigungen um identische schriftliche Kündigungserklärungen. Sie beruhen auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt und benennen denselben unveränderten Kündigungsgrund. Der Vortrag des Beklagten bestätigt, dass die Kündigungserklärung nur deshalb zweifach in unterschiedlicher Weise auf den Postweg gegeben worden ist, um Zugangsschwierigkeiten, die mit der einen oder anderen Versendungsform verbunden sind, zu minimieren bzw. zu vermeiden. Dies unterstreicht, dass es in der Sache nicht um unterschiedliche Kündigungserklärungen geht, sondern darum, die Kündigung möglichst mehrfach zu verlautbaren, um den Zugang auf jeden Fall sicherstellen zu können. Bei einer solchen doppelten oder mehrfachen Verlautbarung der gleichen Kündigungserklärung muss der Arbeitnehmer nicht gegen jede Verlautbarungsform Klage erheben.

Die Klagefrist ist daher gewahrt.

b) Die Kündigung ist nicht gem. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt, weil ein ausreichender betriebsbedingter Kündigungsgrund nicht vorliegt.

Als Kündigungsgrund kommt hier nur der Entschluss zu einer Betriebsstilllegung in Frage. Eine Kündigung aus Anlass einer geplanten Betriebsstilllegung ist wegen dringender betrieblicher Erfordernisse sozial gerechtfertigt, wenn der Entschluss zur Betriebsstilllegung endgültig gefallen ist und die betrieblichen Umstände zur Durchführung der Betriebsstilllegung bereits greifbare Formen angenommen haben, s. BAG, Urt. v. 19.06.1991, AZ: 2 AZR 127/91, NZA 1991, S. 891 ff.

Die Betriebsstilllegung setzt den ernstlichen und endgültigen Entschluss des Unternehmers voraus, die Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzugeben. Die unternehmerische Entscheidung muss zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen haben und bei vernünftiger betriebswirtschaftlicher Betrachtung die Annahme rechtfertigen, dass ab dem Auslaufen der Kündigungsfrist die Beschäftigung des Arbeitnehmers überflüssig wird, s. BAG, Urt. v. 18.01.2001, AZ: 2 AZR 514/99, NZA 2001, S. 719 ff.

Wird hingegen nur vorsorglich gekündigt, für den Fall, dass eine Veräußerung oder ein Weiterbetrieb scheitern sollte, ist eine entsprechende negative Prognose nicht begründbar und die Kündigung mangels ausreichender Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Stilllegung rechtsunwirksam, vgl. BAG, Urt. V. 27.09.1984, AZ: 2 AZR 309/83, NZA 1985, S. 493 ff.

So liegen die Dinge hier, denn ein endgültiger Stilllegungsentschluss der Insolvenzschuldnerin und des Beklagten, der zudem den Vertrieb der Insolvenzschuldnerin, in dem der Kläger tätig war, erfasst hätte, kann nicht festgestellt werden.

aa) Der eigene Insolvenzantrag, den die Insolvenzschuldnerin am 01.07.2004 gestellt hat, kann nicht als Stilllegungsentscheidung gewertet werden, denn das Insolvenzverfahren schließt nicht aus, einen Betrieb fortzuführen; im Gegenteil kann Ziel des Insolvenzverfahrens, wie § 1 InsO deutlich macht, gerade der Erhalt des Unternehmens sein.

bb) Gegen die Annahme eines endgültigen Entschlusses zur Betriebsstilllegung spricht, dass noch vor dem Ausspruch der ersten Kündigung eine Auffanggesellschaft am 09.07.2004 gegründet wurde. Wie der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin und der jetzigen Streitverkündeten in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 30.01.2006 ausgeführt hat, ist die ganze Zeit über versucht worden, einen Übernehmer zu finden bzw. die Geschäftstätigkeit in anderer Weise fortzuführen. Am Ende ist genau dies erfolgt, indem die Streitverkündete mit einem Teil des vorherigen Personals der Insolvenzschuldnerin in deren Räumen und mit deren Betriebsmitteln die Produktion fortgesetzt hat. Dem entspricht es auch, dass der vorgetragene Entschluss zur Betriebsstilllegung zu keiner Zeit in irgendeiner Form manifestiert worden ist. Der Beklagte hat nicht vortragen können, dass z. B. die Kunden, die Banken oder die Lieferanten über eine endgültige Betriebsstilllegung informiert worden seien. Der Beklagte hat insoweit lediglich vorgetragen, dass der Entschluss zur Betriebsstilllegung im Juli 2004 gefallen sei, offenbar ohne dass dieser in irgendeiner Form nach außen getreten wäre.

cc) Auch eine definitive Entscheidung zur Schließung zumindestens des Vertriebs kann dem Vortrag des Beklagten nicht entnommen werden. Die Streitverkündete hat den Vertrieb mit eigenen Kräften fortgesetzt. Wie der Geschäftsführer der Streitverkündeten in der mündlichen Verhandlung am 30.01.2006 erklärt hat, ist seit April 2005 ein festangestellter Mitarbeiter im Vertrieb der Streitverkündeten tätig gewesen, weitere Mitarbeiter auf Provisionsbasis. Dass der Beklagte den Vertriebsmitarbeiter L auf dessen Kündigungsschutzklage hin zur Wiederaufnahme der Beschäftigung aufgefordert hat, ist für den bestehen gebliebenen Beschäftigungsbedarf ebenso ein Indiz wie die Tatsache, dass die Streitverkündete mit einer Zeitungsanzeige vom 08.12.2005 einen Vertriebsmitarbeiter auf Provisionsbasis gesucht hat.

Nach allem liegen ausreichende betriebsbedingte Kündigungsgründe in Gestalt einer Stilllegungsentscheidung für den Betrieb oder Teile des Betriebs nicht vor, so dass es auf die weitere Frage, ob die Kündigung auch wegen eines Betriebsübergangs gem. § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB rechtsunwirksam ist, nicht mehr ankommt, s. BAG, Urt. v. 27.09.1994, AZ: 2 AZR 309/83, NZA 1985, S. 493 ff.

Die Kündigung vom 26.08.2004 ist daher rechtsunwirksam und hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.

2. Auch die Kündigung vom 12.07.2004 hat nicht zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses geführt.

a) Die Kündigungsschutzklage war auch insoweit gegen den Beklagten zu richten, da dieser als Partei kraft Amtes nach Unterbrechung des Verfahrens durch Insolvenzeröffnung gem. § 240 ZPO und Aufnahme durch den Kläger gem. § 86 InsO als Partei kraft Amtes fungiert, s. Müller-Glöge in ErfK, 6. Aufl., Einführung zur InsO, Rziff. 20 ff.

b) Ein ausreichender betriebsbedingter Kündigungsgrund liegt aus den bereits erwähnten Gründen auch für die Kündigung vom 12.07.2004 nicht vor, da aus den bereits aufgeführten Gründen nicht von einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung ausgegangen werden kann.

Daher war auch die Kündigung vom 12.07.2004 sozial ungerechtfertigt und hat das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Revision konnte nicht gem. § 72 Abs. 2 ArbGG zugelassen werden, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hatte, sondern auf der Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf den Einzelfall beruhte.

Ende der Entscheidung

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