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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 25.09.2006
Aktenzeichen: 14 Sa 658/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 1
1. Ein stellvertretender Küchenleiter einer Großküche, der die Qualität, die hygienische Unbedenklichkeit und die Quantität des angelieferten Gemüses und Obstes zu prüfen und zu dokumentieren hat, begeht eine schwerwiegende Pflichtverletzung, wenn er gleichzeitig Inhaber des Unternehmens ist, das dieses Obst und Gemüse liefert und diesen Umstand und die damit verbundene Interessenkollision dem Arbeitgeber verheimlicht.

2. Ein solcher Pflichtverstoß kann geeignet sein, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.


Tenor:

Das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 13.12.2005 - 4 Ca 3419/05 - wird auf die Berufung der Beklagtenseite hin abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer dem Kläger erklärten fristlosen Kündigung seines Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts betreibt mehrere Mensen, unter anderem die Mensa I/II, für die der Kläger im November 1985 als Koch eingestellt wurde. Dort werden täglich mehr als 1000 Essen zubereitet. Bei Abwesenheit vertrat der Kläger den Küchenleiter Herrn Meessen.

Der Kläger ist zugleich Inhaber der Firma C C (im Folgenden kurz C genannt). Dieses Unternehmen lieferte sei 1998 an die Beklagte Obst und Gemüse in erheblichem Umfang. Im Einzelnen erzielte die Firma C in den Jahren 1999 bis 2004 mit der Beklagten folgende Umsätze:

Jahr Zahlungen an die Firma C

1999. 120.637,27 €

2000. 189.132,49 €

2001. 283.416,86 €

2002. 361.635,43 €

2003. 388.305,04 €

2004. 396.226,36 €

Die wochenweise vorgenommenen Bestellungen an die Firma C erfolgten bis zum Ende des Jahres 2004 ohne Ausschreibung. Wenn der Kläger den Küchenleiter vertrat, gab er die Bestellungen an die Beschaffungsabteilung weiter, die dann die Einkäufe tätigte.

Im Jahre 2004 bewarb sich der Kläger um die Position des Küchenleiters. In seinem Bewerbungsschreiben vom 02.06.2004 (Bl. 90 d. A.) führte er aus:

"Sehr geehrter Herr Stark,

da ich nun bereits seit 14 Jahren die Stelle als stellvertretender Küchenleiter bekleide, und mich gerne weiter profilieren möchte, bewerbe ich mich hiermit auf die Stelle als Küchenleiter Mensa I.

In der Vergangenheit habe ich, durch die langen Abwesenheitszeiten des Küchenleiters, die gesamten Aufgaben wahrgenommen und bin immer mehr in Abläufe und Gesprächskreise einbezogen worden."

Aufgrund eines Durchsuchungsbeschlusses vom 01.02.2005 (Bl. 5 ff. d. A.) wurden die Geschäftsräume der Beklagten aufgrund eines Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger und die Leiterin der Einkaufsabteilung Frau H wegen des Verdachts der Untreue untersucht. Der zwischenzeitlich eingeschaltete Landesrechnungshof ermittelte einen Schaden zu Lasten der Beklagten wegen überhöhter Preise seitens der Firma C in Höhe von 95.000,00 €.

Aufgrund dieses Sachverhaltes hörte die Beklagte den Kläger an. Nachdem der Kläger zunächst bis zum 01.07.2005 arbeitsunfähig krank war und aus diesem Grund keine Stellungnahme abgab, nahm er durch Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 04.07.2005 (Bl. 82 ff. d. A.) Stellung. Hierin wurde ausgeführt, dass Grundlage des Vertragsverhältnisses schriftliche Bestellungen gewesen seien, die der Firma C gegenüber erteilt worden seien, und zwar von Herrn M und teilweise in Vertretung durch den Kläger und andere Küchenleiter in den anderen sechs Mensen. Auf die Frage, weshalb der Kläger in den Jahren 1997 bis 2004 keine Ausschreibung durchgeführt habe, obwohl er hierfür verantwortlich gewesen sei, ließ der Kläger antworten, er sei stellvertretender Küchenleiter gewesen und nicht Einkäufer. Für die Ausschreibung verantwortlich sei der Einkauf und der Küchenleiter. Ferner habe die Leiterin der Einkaufsabteilung Frau H nicht gewusst, dass der Kläger Inhaber der Firma C gewesen sei, sie habe auch in keiner Weise mit dem Kläger zusammengearbeitet. Schädliches Verhalten des Klägers sei nicht gegeben, da weder überhöhte noch falsche Preise verlangt worden seien. Mängelanzeigen oder Rügen seien nicht bekannt. Die Warenkontrolle habe nicht durch den Kläger, sondern durch den Küchenleiter Herrn M stattgefunden. Richtig sei natürlich, dass der Kläger teilweise auch in Vertretung des Herrn M gehandelt habe. Da jedoch die Ware ordnungsgemäß von Herrn W angeliefert worden sei, habe es weder von Herrn M noch vom Kläger Beanstandungen oder Qualitätsrügen gegeben. Wenn der Kläger kontrolliert habe, habe er dies nur für die Mensa I getan. Für die übrigen sechs Mensen sei der Kläger weder in der Eingangskontrolle noch in der Endkontrolle zuständig gewesen.

Eine Nebentätigkeit des Klägers liege nicht vor, da der Kläger in der Firma C nur in ganz geringem Maße persönlichen Einsatz erbracht und nicht händisch gearbeitet habe. Es handele sich zudem um eine Unternehmensbeteiligung und keine arbeitnehmerartige Tätigkeit, so dass auch deshalb eine Nebentätigkeit zu verneinen sei.

Nach dieser Stellungnahme hörte die Beklagte den Personalrat zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung am 13.07.2005 an. Nachdem dieser der Kündigung zugestimmt hatte, sprach sie die außerordentliche Kündigung mit Schreiben vom 15.07.2005 (Bl. 4 d. A.) aus. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage durch Urteil vom 13.12.2005 stattgegeben. Hinsichtlich der Urteilsgründe wird auf das Urteil (Bl. 91 - 99 d. A.) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagtenseite.

Die Beklagte hält die außerordentliche Kündigung für gerechtfertigt. Dem Kläger sei es gelungen, mit seiner Firma C unter Umgehung der vorgeschriebenen Ausschreibungen nach und nach das Monopol für Obst- und Gemüselieferungen an die von der Beklagten betriebenen Mensen zu erhalten. Ferner habe der Kläger gegenüber der Beklagten nicht offenbart, dass er der Eigentümer der Firma C sei. Er habe die Eigentümerstellung sogar verdunkelt, denn er habe vorgetragen, auf Anfrage dem Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt zu haben, er kenne diese Firma. Dies lasse aber keinerlei Rückschluss auf die Inhaberschaft dieser Firma zu. So habe der Kläger mit bewusst verunklarenden Äußerungen die Beklagte trotz einer Anfrage über seine Inhaberschaft an der Firma C im Unklaren gelassen. Die fehlende Aufklärung über die Inhaberstellung sei auch deshalb bedeutsam, weil der Kläger in seiner Funktion als stellvertretender Küchenleiter der Mensa I/II, der mit Abstand größten und damit umsatzstärksten Mensa, die die Beklagte betreibe, die Lieferung der Firma C auf Qualität und Vollständigkeit kontrolliert habe. Letztlich habe sich der Kläger damit selbst kontrolliert, was auch dazu geführt habe, dass ständig Mindermengen angeliefert worden seien. Von der Beklagtenseite könne nicht verlangt werden, für diesen Fall eine gesonderte Dienstanweisung herauszugeben. Ein Arbeitgeber könne erwarten, dass eine nicht offensichtliche Interessenkollision offengelegt werde. Gerade diese Offenlegung habe der Kläger aber vermieden. Zudem bestehe der Verdacht, dass der Kläger Untreuehandlungen zum Nachteil der Beklagten begangen habe. Es müsse aber davon ausgegangen werden, dass der Beklagten auch ein materieller Schaden entstanden sei, da der Kläger zwar vollständig abgerechnet aber oft nur unvollständig geliefert habe. Die Berechnungen des Landesrechnungshofes, der einen Schaden von 95.000,00 € durch die Machenschaften des Klägers ermittelt habe, sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte habe dabei auch das Argument des Klägers überprüft, der Landesrechnungshof habe nicht berücksichtigt, dass er vorverarbeitete Waren geliefert habe. Die Überprüfung und Vergleichsberechnung habe aber ergeben, dass der Vortrag des Klägers unrichtig sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 13.12.2005 - 4 Ca 3419/05 -, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hat vorgetragen (Berufungserwiderung vom 25.07.2006, Bl. 2 der Berufungserwiderung - Bl. 141 d. A. -), er sei bei der Beklagten als Koch beschäftigt gewesen und habe als Stellvertreter des Küchenleiters der Mensa I, in dessen Abwesenheit fungiert. Zu keinem Zeitpunkt sei er für irgendwelche Ausschreibungen zuständig gewesen. Deshalb habe der Kläger auch keine Verpflichtung gehabt, Ausschreibungen durchzuführen. Es entziehe sich der Kenntnis des Klägers, aus welchem Grund die Abteilungsleiterin H keine Ausschreibungen vorgenommen habe. Für ein kollusives Zusammenwirken zwischen Frau H und dem Kläger spreche nichts. Irgendwelche begründeten Verdachtsmomente gebe es nicht. Ob und inwieweit der Kläger Aufträge erhalte, sei Sache des Einkaufs und nicht Sache des Klägers. Dass die Firma C preiswertere und qualitativ hochwertigere Produkte als die übrigen Firmen geliefert hätten, habe wohl zur Überzeugung des Einkaufs geführt, jeweils bei der Fa. Chateau zu bestellen.

Eine Offenbarungspflicht des Klägers gegenüber der Beklagten bezüglich der Inhaberstellung in der Firma C habe nicht bestanden. Im Übrigen sei dies allgemein bekannt gewesen. Selbst dem Betriebsrat sei bekannt, dass der Kläger Inhaber der Firma C gewesen sei. Der Kläger habe auch nichts verdunkelt bzw. offengelassen. Die Beklagte habe den Kläger zu keinem Zeitpunkt gefragt, ob dieser Inhaber des Unternehmens sei. Für die Überprüfungen sei der Küchenleiter zuständig, nicht der Stellvertreter. Unsubstantiiert sei der Vortrag der Beklagtenseite, dass Stichproben Minderlieferungen der Firma C bestätigt hätten. Einen Schaden, zumal in einer Höhe von 95.000,00 € habe bisher weder im Ermittlungsverfahren noch anderweitig festgestellt werden können. Tatsächlich sei kein Schaden entstanden. Der Landesrechnungshof habe Äpfel mit Birnen verglichen. Unbearbeitetes Gemüse sei selbstverständlich billiger als verarbeitetes und tellerfertig hergestelltes Gemüse.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hatte auch in der Sache Erfolg.

I. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist sie nach § 64 ArbGG statthaft. Sie ist auch fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II. In der Sache musste die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen werden.

1. Ein ausreichender Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB und § 59 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Manteltarifvertrages für Arbeiter des Bundes und der Länder liegt vor.

Danach müssen Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile, die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Da der Kläger aufgrund tarifvertraglicher Vorschrift ordentlich unkündbar ist, ist der Kündigungsgrund und insbesondere die Interessenabwägung vor dem Hintergrund einer fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist zu bewerten.

Denn es kann dem Arbeitnehmer nicht zum Nachteil gereichen, dass er ordentlich unkündbar ist und dadurch geringere Anforderungen an Kündigungsgrund und Interessenabwägung zu stellen wären. Deshalb kann einem tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer fristlos nur dann gekündigt werden, wenn dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht einmal bis zum Ablauf einer fiktiven Kündigungsfrist zumutbar ist (siehe BAG Urteil vom 15.11.2001 - AP BGB § 626 Nr. 175 -; BAG Urteil vom 13.06.2002 - AP BGB § 615 Nr. 97 -; BAG Urteil vom 11.03.1999 - AP BGB § 626 Nr. 150 -).

Eine solche Konstellation ist im vorliegenden Fall gegeben.

2. Dabei geht das Landesarbeitsgericht zunächst mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass ein Kündigungsgrund nicht bereits daraus herzuleiten ist, dass der Kläger die Beschaffungsrichtlinien der Beklagten nicht beachtet habe und nicht für eine Ausschreibung der Lieferungen gesorgt habe. Denn insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass für die grundlegenden Fragen des Einkaufs jedenfalls nicht der Kläger, sondern die Einkaufsabteilungsleiterin der Beklagten Frau H zuständig war.

Dahingestellt bleiben kann auch, ob der Kläger möglicherweise seine Warenbestellungen am Angebot der Firma C orientiert hat und ob er über seine Firma Waren zu überhöhten Preisen geliefert hat. Insoweit hat die Beklagte zwar entsprechende Verdachtsmomente geäußert, aber es ist fraglich, ob diese ausreichend unterfüttert sind.

3. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit der Kündigung ist, dass der Kläger die Tatsache, dass er Inhaber der Firma Chateau war, nicht von sich aus offenbart hat. Diese schwerwiegende Verletzung der Offenbarungspflicht ist im vorliegenden Fall an sich geeignet, die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

a. Der Kläger hatte eine entsprechende Offenbarungspflicht. Er musste von sich aus und ungefragt die Personalleitung der Beklagten über diesen Umstand informieren. Dies folgt bereits aus der Befangenheit, die das Arbeitsgericht mit Recht angesprochen hat. Der Kläger war einerseits Lieferant der Beklagten. Andererseits hatte er unstreitig die Aufgabe übernommen, zumindest bei Abwesenheit des Küchenleiters Herrn M die Wareneingangskontrolle in der größten Mensa der Beklagten, der Mensa I/II wahrzunehmen. Dass der Kläger bei Abwesenheit des Herrn M diese Funktion ausgeübt hat, hat er in der Kammerverhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 25.09.2006 selbst ausgeführt. Es ergibt sich auch aus der Stellungnahme des Klägers anlässlich der Anhörung, in der er durch seine Prozessbevollmächtigten am 04.07.2005 hat vortragen lassen, dass er in Vertretung des Herrn M gehandelt habe und, weil die Ware ordnungsgemäß von seinem Mitarbeiter Herrn W angeliefert worden sei, keine Rügen oder Qualitätsrügen erhoben habe.

Dass der Kläger diese Kontrollarbeiten vorgenommen hat, hat er ferner auch dadurch bestätigt, dass er in dieser Stellungnahme weiter ausgeführt hat, er habe, wenn er kontrolliert habe, nur für die Mensa I mitkontrolliert, nicht für die übrigen Mensen. Damit steht fest, dass der Kläger diese Kontrolltätigkeit während der Abwesenheit des Herrn M in der Mensa I/II tatsächlich ausgeübt hat.

Dies ergibt sich im übrigen auch aus seiner eigenen Bewerbung auf die Position des Küchenleiters vom 02.06.2004, in der der Kläger ausgeführt hat, dass er während der langen Abwesenheitszeiten des Küchenleiters die gesamten Aufgaben des Küchenleiters wahrgenommen habe. Nicht entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob dem Kläger diese Kontrollaufgabe förmlich übertragen worden ist und ob er insoweit tarifgerecht vergütet worden ist.

Allein entscheidend ist, dass er diese Kontrollaufgaben tatsächlich wahrgenommen hat. Dabei handelte es sich auch nicht um nur kurzzeitige unbedeutende Vertretungen. Denn der Kläger hat diesbezüglich nicht nur in seiner Bewerbung selbst von langen Abwesenheitszeiten des Küchenleiters gesprochen, in denen er die Vertretung wahrgenommen hat. Er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zudem ausgeführt, dass er den Küchenleiter in einem Jahr - nach seiner Erinnerung in 2003 - drei bis vier Monate durchgehend wegen dessen langdauernder Arbeitsunfähigkeit vertreten habe. Hinzukommen auf jeden Fall die Vertretungen für die jährlichen sechswöchigen Urlaubsansprüche des Küchenleiters sowie weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten.

Der Kläger hat damit eine Doppelrolle gespielt. Er war einerseits der Lieferant und andererseits derjenige, der die Qualität und den Umfang der Lieferungen zu kontrollieren hatte.

Dies sind zwei miteinander unvereinbare Positionen. Der Kläger war in seiner Rolle als Eingangskontrolleur in jeder Hinsicht befangen. In einer solchen Befangenheitssituation muss ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes die Interessenkollision anzeigen und sich jeglicher Mitwirkung enthalten. Dieser allgemeine Rechtsgedanke hat beispielsweise auch in § 21 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) seinen Ausdruck gefunden. Er ist Teil der Treue- und Loyalitätspflichten, die den Arbeitnehmern des Öffentlichen Dienstes obliegen.

Die Offenbarungspflicht bestand auch deshalb, weil der Kläger durch seine unvereinbare Doppelrolle grundlegende Kontrollmechanismen beim Wareneingang außer Kraft setzte.

Der Kontrollmechanismus, der darin besteht, dass eine unabhängige Person die Menge und die Qualität der angelieferten Waren prüft, wird dadurch ad absurdum geführt, dass der Kontrollierende gleichzeitig der Kontrollierte ist. Auf diese Art und Weise war das bei der Beklagten bestehende Kontrollsystem jedenfalls für die Zeit der Vertretungstätigkeit des Klägers vollständig außer Kraft gesetzt. Eine unabhängige, nicht von privaten Verdienstinteressen beeinflusste Eingangskontrolle konnte so, entgegen dem Vertrauen, dass die Beklagte insoweit in ihre Mitarbeiter als Kontrollpersonen hatte und haben musste, nicht stattfinden.

Die Außerkraftsetzung der Kontrollmechanismen bezog sich nicht nur auf die Quantität sondern auch auf die Lebensmittelqualität. Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht unstreitig geworden ist, wird in dem lebensmittelverarbeitenden Betrieb der Beklagten nach dem sogenannten HACCP Konzept gearbeitet. Dies bedeutet, dass Lebensmittel beim Wareneingang kontrolliert und das Kontrollergebnis schriftlich dokumentiert werden muss. Dies hat der Kläger nach eigenen Angaben im Vertretungsfall ebenfalls vorgenommen, obwohl aufgrund der unauflöslichen Interessenkollision des Klägers die Kontrolle und Dokumentation völlig entwertet waren.

Die Offenbarungspflicht ergab sich schließlich daraus, dass der Kläger durch seine Inhaberschaft bei der Firma C eine Nebentätigkeit ausübte, die er gemäß § 13 des Manteltarifvertrages für Arbeiter des Bundes und der Länder nur mit Zustimmung des Arbeitgebers hätte ausüben dürfen. Dabei liegt eine Nebentätigkeit nicht nur dann vor, wenn ein Arbeitnehmer in Nebentätigkeit in einem anderem Arbeitsverhältnis arbeitet. Auch eine selbstständige Nebentätigkeit ist eine Nebentätigkeit, und zwar unabhängig vom Umfang der körperlichen oder lenkenden und leitenden Tätigkeit.

Im vorliegenden Fall handelte es sich um eine Nebentätigkeit, zu der der Arbeitgeber gerade wegen der vorliegenden Interessenkollision seine Zustimmung hätte berechtigterweise verweigern können. Gerade deshalb war die Offenbarung der Nebentätigkeit geboten.

b. Tatsächlich hat der Kläger die Tatsache, dass er Inhaber der Firma C ist, nicht offenbart und trotz der gravierenden Interessenkollision die Kontrolltätigkeiten ausgeübt, ohne den Arbeitgeber über die Interessenkollision zu informieren.

Es ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend, wenn der Kläger in der Berufungsinstanz vorträgt, es sei im Betrieb allgemein bekannt gewesen, dass er Inhaber der Firma C gewesen sei. Dies lässt sich nicht mit dem erstinstanzlichen Vortrag des Klägers in dessen Anhörungsstellungnahme vom 4.7.2005 (Bl. 82 ff d.A.) in Übereinstimmung bringen, wonach die Einkaufsabteilungsleiterin Frau Hoffmann nichts von der Inhaberschaft des Klägers bezüglich der Fa. C gewusst habe. Denn wenn diese Tatsache im Betrieb allgemein bekannt gewesen wäre, wäre nicht erklärlich, wieso gerade Frau Hoffmann im Gegensatz zu allen anderen Betriebsmitgliedern keine Kenntnis gehabt haben sollte und aufgrund welcher Umstände der Kläger von der fehlenden Kenntnis bei Frau H wissen konnte.

Selbst wenn dieser widersprüchliche und deshalb nicht nachvollziehbare Vortrag stimmen würde, stünde fest, dass der Kläger jedenfalls nicht von sich aus die zuständige Personalleitung informiert, auf die Interessenkollision aufmerksam gemacht und sich jeder weiteren Kontrolltätigkeit enthalten hätte.

Die Offenbarungspflicht kann auch nicht dadurch erfüllt werden, dass der Kläger, wie er vorträgt, auf eine entsprechende Frage des damaligen Geschäftsführers der Beklagten Herrn S , ob er die Firma C kenne, geantwortet haben will, dass er die Firma C kenne. Denn abgesehen davon, dass der Kläger die Initiative ergreifen und von sich aus informieren musste, statt auf eine entsprechende, eher beiläufig gestellte Frage zu warten, bedeutet die Antwort, dass man ein Unternehmen kenne, in keiner Weise, dass man mit einem Unternehmen wirtschaftlich verbunden ist und aus ihm Profite zieht.

Die Antwort hielt die unklare Situation aufrecht und verdeckte weiterhin den zentralen Punkt, nämlich die Interessenkollision, statt Klarheit zu schaffen und von sich aus auf die Interessenkollision hinzuweisen.

Abgesehen davon ist der diesbezügliche Vortrag des Klägers in zeitlicher Hinsicht widersprüchlich.

In der Klageschrift hat der Kläger vortragen lassen, diese Frage habe im Jahr 2003 stattgefunden (Bl. 2 d.A.). Hingegen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht behauptet, das Gespräch mit dem damaligen Geschäftsführer Herrn S auf dem Flur habe 1999 oder 2000 stattgefunden.

Außerdem hat der Kläger noch im Rahmen der Anhörung durch seinen Prozessbevollmächtigten durch Schreiben vom 04.07.2005 vortragen lassen, dass Frau H nicht gewusst habe, dass der Kläger Inhaber der Firma C gewesen sei. Im Kammertermin vor dem Landesarbeitsgericht am 25.09.2006 hat der Kläger im Widerspruch dazu vorgetragen, er habe in einem Gespräch, das im Jahre 1999 oder 2000 stattgefunden und an dem Frau H teilgenommen habe, gesagt, dass er der Inhaber der Firma C sei.

Damit sind die Widersprüche zwischen dem erst- und dem zweitinstanzlichen Vorbringen des Klägers vertieft worden und verstärken die für eine Kündigung sprechenden Gründe. Die Veränderung im klägerischen Vortrag macht zudem deutlich, dass beim Kläger ein Bewusstsein für die bestehende Offenbarungspflicht bestand.

Festzuhalten bleibt, dass der Kläger die ihm obliegende Offenbarungspflicht im Hinblick auf die Interessenkollision gegenüber der Personalleitung der Beklagten missachtet hat.

c. Dahinstehen kann, ob der weitergehende Verdacht der Beklagtenseite zutrifft, dass der Kläger durch die Missachtung der Offenbarungspflicht einen erheblichen Schaden angerichtet hat, indem er zu teuer geliefert und Minder- und Schlechtlieferungen nicht beanstandet hat. Denn bereits die diesem Verdacht zugrundeliegende Tatsache, dass der Kläger seine Offenbarungspflicht im Bezug auf die Interessenkollision missachtet hat, reicht für die außerordentliche Kündigung im vorliegenden Fall aus. Insoweit ist ein Arbeitgeber berechtigt, sich bei einer Verdachtskündigung darauf zu berufen, dass bereits die den Verdacht begründenden Pflichtverletzungen eine Tatkündigung rechtfertigen (siehe BAG Urteil vom 06.12.2001 - 2 AZR 496/00 -, NZA 2002, Seite 847).

d. Die Missachtung der Offenbarungspflicht ist im vorliegenden Fall so schwerwiegend, dass sie eine Kündigung rechtfertigt. Es ist der Beklagten nicht zumutbar, den Kläger noch während einer fiktiven Kündigungsfrist von 6 Monaten weiter zu beschäftigen. Die Verletzung der Offenbarungspflicht stellte einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar, der das Arbeitsverhältnis auf Dauer und für die Zukunft so sehr belastete, dass auch nur eine begrenzte Fortführung nicht zumutbar war. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte zum Schutz ihrer Vermögensinteressen aber auch aus Lebensmittelqualitätsgründen darauf verlassen können musste, dass die Wareneingangskontrolle ordnungsgemäß und unabhängig vorgenommen werden würde.

Der zentrale Kontrollmechanismus bei der Wareneingangskontrolle konnte nur dadurch funktionieren, dass er von Mitarbeiterin der Beklagten ausgeführt wurde, denen die Beklagte im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit und Loyalität vertrauen schenken konnte.

Dieses Vertrauen hat der Kläger zerstört, indem er die Interessenkollision nicht offenbarte, sondern stattdessen während der Vertretungszeiten die Kontrolltätigkeiten in einer unvereinbaren Doppelrolle ausübte. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger deshalb so handelte und die Nebentätigkeit nicht offenbarte, weil er sich die erheblichen Umsätze, die er aus seiner Nebentätigkeit erzielte, erhalten wollte. Der Kläger hatte in den Jahren 1999 bis 2004 mit der Beklagten Umsätze von über 1,7 Millionen Euro erzielt. Um sich diese ganz erhebliche Umsatz- und Verdienstquelle zu erhalten, hat er die Offenbarungspflicht gegenüber seinem Arbeitgeber verletzt.

Es bleibt festzustellen, dass der Kläger aus eigennützigem Gewinnstreben einen zentralen Kontrollmechanismus bei der Beklagten außer Kraft gesetzt hat. Zudem ist zu berücksichtigten, dass die Handlungsweise des Klägers geeignet war, das Ansehen der Beklagten in Mitleidenschaft zu ziehen. Denn die Kunden der Mensa wie auch die öffentlichen Geldgeber durften die berechtigte Erwartung haben, dass die angelieferten Waren ordnungsgemäß kontrolliert wurden und dass dies nicht aufgrund eines privatnützigen Nebentätigkeitsinteresses von Mitarbeitern unterblieb.

Aus diesen Gründen konnte der Kläger auch nicht darauf vertrauen, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber als nicht vertragsgefährdend eingestuft. Nur in einem solchen Fall wäre eine vorherige Abmahnung als milderes Mittel in Betracht gekommen, siehe Ascheid/Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2.Aufl. 2006, § 626 BGB Rz. 84 ff.

Die Missachtung der Offenbarungspflicht ist daher im vorliegenden Fall an sich geeignet, eine fristlose Kündigung zu begründen.

e. Die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung ergibt keinen für den Kläger günstigeres Bild. Zugunsten des Klägers ist seine lange Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Beklagte selbst es über längere Zeit offenbar ebenfalls daran hat fehlen lassen, im Hinblick auf die Ausschreibung von Lieferungen gesetzeskonforme Verhältnisse herzustellen. Denn dass Lieferungen in einem transparenten Vergabeverfahren auszuschreiben waren, ergab sich bereits aus § 97 GWB, der durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz vom 13.08.1997 am 20.08.1997 in Kraft getreten war. Diesen Anforderungen ist die Beklagte offenbar erst im Jahr 2004 nachgekommen.

Allerdings lassen diese vergaberechtlichen Missstände dass Fehlverhalten des Klägers nicht geringer erscheinen. Denn der Kläger profitierte in seiner Nebentätigkeit von diesen Defiziten zumindest dadurch, dass er sich nicht der Mühe und des Aufwandes unterziehen musste, an entsprechenden Ausschreibungen teilzunehmen und dem Wettbewerb stellen zu müssen.

Selbst wenn die Firma C in einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten hätte, hätte der Kläger seine Interessenkollision offenbaren und die Wareneingangskontrollmechanismen nicht durch seine Teilnahme an der Wareneingangskontrolle außer Kraft setzen dürfen. Zu Lasten des Klägers muss ferner berücksichtigt werden, dass es sich nicht nur um einmalige oder geringfügige Verstöße handelte, sondern dass die Offenbarung bewusst unterblieb, um sich in der Nebentätigkeit langfristige und von Jahr zu Jahr steigende Umsätze zu erhalten. Erschwerend kommt hinzu, dass der Kläger - wie seine Bewerbung um die Küchenleiterstelle im Jahre 2004 unterstreicht, vorhatte, die Interessenkollision und die daraus für ihn resultierenden Vorteile bei der Kontrollzuständigkeit zum Dauerzustand zu machen. Denn bei Erfolg seiner Bewerbung, die wiederum ohne jeden Hinweis auf die Interessenkollision erfolgte, wäre er nicht nur vertretungsweise sondern ständig und dauerhaft mit der Wareneingangskontrollr befasst gewesen.

Der Beklagten kann in diesem Zusammenhang nicht angelastet werden, sich hinsichtlich ihrer Lieferanten nicht erkundigt zu haben. Dies mag zwar hinsichtlich der Qualität und Bonität der Lieferanten damit der Werthaltigkeit des Angebotes Bedeutung haben. Keine Bedeutung hat es hingegen für die grundlegende Anforderung, dass kein Arbeitnehmer eine Doppelrolle dergestalt einnehmen kann, einerseits die Person zu sein, die den Wareneingang kontrolliert, andererseits die Person, die die zu kontrollierenden Waren liefert.

Dass dies miteinander unvereinbar war und zentralen Interessen des Arbeitgebers zuwiderlief, musste dem Kläger auch ohne Nachfrage des Arbeitgebers klar sein. Es kann daher in der Interessenabwägung nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, dass die Beklagte diesbezüglich keine ausdrücklichen Anweisungen erlassen oder Nachfragen getätigt hat. Da der Kläger durch sein Vorgehen das Vertrauensverhältnis grundlegend zerstört hat, kam als milderes Mittel auch nicht eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist (siehe BAG Urteil vom 11.03.1999, AP BGB § 626 Nr. 150) in Betracht.

f. Die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist gewahrt. Angesichts der Tatsache, dass die Anhörung des Klägers aufgrund dessen Erkrankung erst mit der Stellungnahme des Klägers vom 04.07.2005 durchgeführt werden konnte, ist die am 15.07.2005 erklärte Kündigung fristgerecht im Sinne des § 626 Abs. 2 BGB. Denn die Beklagte durfte die Stellungnahme des Klägers im Rahmen der Anhörung abwarten, um ein vollständiges Tatsachenbild zu haben.

g. Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Anhörung und Beteiligung des Personalrats hat der Kläger erstinstanzlich und auch zweitinstanzlich nicht mehr erhoben, nachdem die Beklagtenseite das diesbezügliche Verfahren in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 21.10.2005 dargelegt hat.

III. Insgesamt erweist sich die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers daher als rechtswirksam.

Die Klage war daher abzuweisen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Die Revision konnte nicht zugelassen werden. Eine Abweichung von Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte oder des Bundesarbeitsgerichts liegt nicht vor, vielmehr handelt es sich im vorliegenden Fall um eine Anwendung höchstrichterlich geklärter Rechtsgrundsätze auf den Einzelfall, so dass die Sache auch keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte.

Ende der Entscheidung

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