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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 17.05.2004
Aktenzeichen: 2 (12) Sa 459/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 119
BGB § 123
BGB § 166
Die Anfechtung eines Prozessvergleichs hat gegenüber dem Vertragspartner, also der gegnerischen Partei, zu erfolgen. Eine Anfechtungserklärung, die an das Gericht gerichtet ist und erst durch dieses an den Prozessgegner weitergeleitet wird, ist nicht unverzüglich, da der Anfechtende durch unmittelbare Zustellung einen schnelleren Zugangsweg hätte wählen können. Für das Vorliegen eines Irrtums oder einer Täuschung kommt es im Anwaltsprozess auf das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale beim Prozessbevollmächtigten an. Das Äußern einer Rechtsmeinung durch das Gericht, insbesondere der Hinweis auf das voraussichtliche Prozessergebnis, erfüllt den Tatbestand des § 123 BGB nicht, da das Gericht immer Dritter ist.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 (12) Sa 459/03

Verkündet am 17. Mai 2004

In Sachen

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 17.05.2004 durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter Buchholz und Uhler

für Recht erkannt:

Tenor:

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 14.04.2003 erledigt ist.

Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Bestandskraft eines zur Beilegung eines Zahlungsrechtsstreits vor dem Landesarbeitsgericht geschlossenen Prozessvergleichs.

Die Klägerin machte als Witwe ihres im Jahr 1985 während der Arbeit verstorbenen Ehemannes die Zahlung von Hinterbliebenenversorgung aus einer Versorgungszusage geltend. Hierbei hatte sie sowohl die Arbeitgeberin ihres verstorbenen Mannes (Beklagte zu 1) als auch die Konzern-muttergesellschaft (Beklagte zu 2), deren 100-prozentige Tochter die Beklagte zu 1) ist, auf Zahlung in Anspruch genommen. Sie legte hierbei neben Versorgungsurkunden der Beklagten zu 1) eine Ordnung der betrieblichen Grundrente der Beklagten zu 2) vom 05.12.1983, eine Gesamtbetriebsvereinbarung der Beklagten zu 2) über die Grundsätze der neuen Versorgungsordnung vom 06.12.1983, die Satzung der Pensionskasse der Mitarbeiter der Beklagten zu 2) VVAG Stand 05.10.1984 und eine Betriebsvereinbarung der Beklagten zu 1) vom 19.12.1983 sowie weitere Urkunden und vorgerichtlichen Schriftverkehr vor.

Die Klägerin erhielt zunächst mit Wirkung ab 01.07.1985 eine Witwenrente, die sich aus einer Firmengrundrente in Höhe von 253,70 DM und einem Besitzstand gemäß Versorgungsordnung in Höhe von 56,25 DM zusammensetzte. Daneben erhielt die Tochter der Klägerin Waisenrente. In diesem Bescheid, den die Beklagte zu 2) im Auftrag der Beklagten zu 2) erstellt hatte, wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Berechnung der Witwenrente sich aus einer Zurechnungszeit bis zum 55. Lebensjahr des Verstorbenen errechnet und dass eine Neuberechnung der Hinterbliebenenbezüge ab 01.10.1993, dem Datum der Volljährigkeit der Tochter erfolgt.

Tatsächlich kürzte die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 06.10.1993 die Witwenrente der Klägerin auf eine Firmengrundrente von 4,90 DM. Daneben zahlte sie weiterhin die Firmenrente als Besitzstand in Höhe von 56,25 DM sowie eine Zulage von 6,40 DM. Ab der Vollendung des 45. Lebensjahres der Klägerin am 31.10.1999 erhöhte die Beklagte die Witwenrente wieder. Mit Schreiben vom 16.10.1993 machte die Klägerin geltend, dass die Kürzung der Witwenrente unzulässig sei, da sie, was unstreitig ist, in häuslicher Gemeinschaft mit einem Kind lebt, welches zu 100 % schwerbehindert ist und auf Grund körperlicher Gebrechen außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. In der Sozialversicherung wurde der Klägerin deshalb eine höhere Witwenrente trotz der Volljährigkeit der Tochter fortgezahlt. Die Beklagte zu 1) gab die Beantwortung des Schriftverkehrs an die Abteilung Altersversorgung der Beklagten zu 2) ab, da diese die verwaltungsmäßige Bearbeitung der Betriebsrentner auch der Beklagten zu 1) als Dienstleistung erbringt.

Mit Schreiben vom 21.11.1997 erläuterte die Beklagte zu 1) noch einmal gegenüber der Klägerin die Ablehnung der Fortzahlung der erhöhten Witwenrente. Sie begründet dies damit, dass die Versorgungsordnung der Beklagten zu 1) eine sog. Große Witwenrente nur bei Erziehung eines waisenrentenberechtigten Kindes vorsehe. Der Tatbestand der Erziehung ende mit der Volljährigkeit des Kindes. In der gesetzlichen Rentenversicherung werde die Sorge für ein volljähriges behindertes Kind einer Erziehung nur gleichgestellt. Dies belege, dass Erziehung eines nicht volljährigen Kindes und Sorge für ein volljähriges behindertes Kind nicht identisch seien, sondern nur nach Gleichstellung gleich behandelt würden. Die Versorgungsordnung der Beklagten sehe eine solche Gleichstellung aber gerade nicht vor.

Im Jahr 2001 schaltete die Klägerin einen Prozessbevollmächtigten ein und erhob am 28.12.2001 Klage auf Zahlung von 4.714,00 DM, der sich aus einem Betrag von 2.475,00 DM zusammensetzte (Erhöhung der Besitzstandsrente für die Zeit vom 01.01.1999 bis 31.12.2001 = 36 Monatsraten) und einem weiteren Betrag von 2.239,20 DM (Zahlung der fehlenden Anteile für die Große Witwenrente aus der Zeit von Januar 1999 bis September 1999). Mit am 19.02.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz erhöhte die Klägerin die Forderung auf insgesamt 19.642,20 DM und verlangte hiermit nunmehr die sog. Große Witwenrente von Oktober 1993 bis einschließlich September 1999.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 10.09.2002 die Klage in Höhe von 1.144,88 € zugesprochen, im Übrigen abgewiesen. Die Klageabweisung beruhte zum einen darauf, dass der Klägerin die sog. Besitzstandsrente nur im Rahmen der Quote des § 2 BetrAVG zusteht. Dieser Teil der Klageabweisung wurde rechtskräftig. Weiterhin hat das Arbeitsgericht die Klage insoweit abgewiesen, als die Beklagten sich auf Verjährung berufen hatten. Zugesprochen wurden lediglich 248,80 DM monatlich für die Monate Januar bis September 1999. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wurde vollumfänglich abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch gegen die Pensionskasse habe.

Hiergegen legten die Beklagte zu 1) und die Klägerin, diese gegen beide Beklagte, fristgerecht Berufung ein. Die Klägerin vertrat dabei erneut die Ansicht, dass ihr die sog. Große Witwenrente, wie vom Arbeitsgericht bestätigt, zustehe. Der Eintritt der Verjährung dürfe ihr nicht zugerechnet werden, da die Beklagten sie durch fehlerhafte Auskünfte von der rechtzeitigen Klage abgehalten hätten. Die Beklagten vertraten in der Berufungsschrift erneut die Ansicht, dass die Versorgungsordnung die sog. Große Witwenrente nur bei Erziehung minderjähriger Kinder, nicht aber für danach liegende Zeiten vorsehe.

Zum Kammertermin brachte die Klägerin eine Kopie einer Betriebsvereinbarung vom 28.03.1985, gültig im Betrieb der Beklagten zu 1) mit, deren Inhalt nicht durch anwaltlichen Schriftsatz vorgetragen war.

In diesem Termin vom 14.04.2003 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach die Beklagte zu 1) sich verpflichtete an die Klägerin 1.000,00 € zum Ausgleich aller bis zum Oktober 1999 streitigen Rentenansprüche der Klägerin zu zahlen. Die Beklagte zu 2) wurde durch den Vergleich von einer Zahlungspflicht entlastet.

Vorausgegangen war diesem Vergleich die Erläuterung der Vorsitzenden, dass die Kammer an der Wirksamkeit der Verjährungseinrede keine Zweifel hege und allenfalls darüber nachgedacht werden könne, ob die Berufung der Beklagten zu 1) erfolgreich sein könne. Die Klägerin wurde auch darauf hingewiesen, dass die Beklagte zu 2) nicht, wie das Arbeitsgericht irrtümlich annahm, die Pensionskasse (Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit als selbstständige Rechtspersönlichkeit) war, sondern die Konzernmutter als Aktiengesellschaft. Eine Zahlungsverpflichtung der Muttergesellschaft allein auf Grund der Tatsache, dass die dortige Personalabteilung die Abwicklung der Rentenleistungen für die Beklagte zu 1) vornimmt, sah die erkennende Kammer nicht. Der Beklagtenvertreter bot im Termin unaufgefordert einen höheren Vergleichsbetrag als vom Gericht vorgeschlagen (die Hälfte der Berufungssumme der Beklagten zu 1) an, da die Beklagte Ruhe vor der Klägerin haben wolle und man bereits erstinstanzlich zur Zahlung von 1.000,00 € bereit gewesen sei.

Mit Schreiben vom 17.04.2003 wandte sich die Klägerin persönlich an das Gericht und beantragte die Richtigstellung bzw. die Ergänzung des Protokolls der mündlichen Verhandlung und widerrief hilfsweise den Vergleich. Die Klägerin vertrat die Ansicht, es sei ein Vergleich über die Hälfte des Streitgegenstandes der klägerischen Berufung zu Stande gekommen. Der Vergleich sei auch nicht nochmals vorgespielt worden. Mit Schreiben vom 24.04.2003 erinnert die Vorsitzende an den Gang der mündlichen Verhandlung, wonach der ursprüngliche Vergleichsvorschlag des Gerichts lediglich die Hälfte der Berufungssumme der Beklagten umfasste, da hinsichtlich der Berufung der Klägerin keinerlei Erfolgsaussicht bejaht worden war. Mit Schreiben vom 27.05.2003 bestätigte die Klägerin, dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung zunächst die Berufungsaussichten der Klägerin im Hinblick auf die verjährten Zahlungen verneint hatte und dass sich die weitere rechtliche Erörterung um die Begründetheit der Berufung der Beklagten zu 1) drehte. Aus den weiteren Ausführungen dieses Schreibens ist zu entnehmen, dass die Klägerin den rechtlichen Erörterungen und Erläuterungen der Vorsitzenden durchaus folgen konnte. Die Klägerin führt weiter aus, dass sie keinen Vergleich schließen wollte, dass sie sich aber wegen der Möglichkeit der vollständigen Klageabweisung auf Grund der Berufung der Beklagten unter Druck gesetzt fühlte und deshalb in den Vergleich eingewilligt habe. Die Vergleichssumme habe sie nicht gehört. Obwohl die Klägerin einräumt, wahrgenommen zu haben, dass das Band lange gespult wurde, behauptet sie, der Vergleich sei nicht vorgespielt worden.

Der Protokollberichtigungsantrag der Klägerin wurde durch Beschluss vom 03.06.2003 zurückgewiesen. Maßgeblich hierfür war, dass das sichergestellte Band den Sitzungsverlauf so wiedergab, wie im Protokoll enthalten. Die zuvor angehörten Prozessbevollmächtigten sowohl der Klägerin als auch der Beklagten hatten hiergegen im Rahmen ihrer Anhörung auch keine Einwendungen vorgebracht.

Da das Schreiben der Klägerin vom 17.04.2003 auch die Deutung zuließ, dass die Klägerin unabhängig von dem Erfolg ihres Protokollberichtigungsanspruchs nicht mehr am Vergleich festhalten wollte, wurde sie aufgefordert klarzustellen, ob sie noch Anträge stellen wolle. Mit Schriftsatz vom 25.03.2004 konkretisiert der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Anträge nunmehr wie folgt:

Die Klägerin beantragt,

1. das Verfahren wieder aufzunehmen und festzustellen, dass der Prozess durch den Vergleich vom 14.04.2003 nicht beendet wurde;

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 10.09.2002 - 5 Ca 11/02 - abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin 9.286,29 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. die Berufung der Beklagten zu 1) zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

den Feststellungsantrag der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagten vertreten dabei die Ansicht, dass die Klägerin sich weder über die Tatsache, dass der Rechtsstreit durch Vergleich beendet wurde, geirrt haben könne, noch über die vereinbarte Vergleichssumme. Zudem komme es nicht auf den Horizont der Klägerin, sondern auf denjenigen ihres Prozessbevollmächtigten an, der den gesamten Lauf der Verhandlung verstanden habe und in dessen Person kein Irrtum über den Inhalt des abgeschlossenen Vergleichs gegeben sei. Es gebe auch keinerlei Hinweise auf ein Täuschungsverhalten der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung war ursprünglich zulässig, ebenso die von der Beklagten zu 1) eingelegte Berufung. Der Rechtsstreit ist jedoch durch den Vergleich vom 14.04.2003 erledigt.

Der von den Parteien geschlossene Vergleich hat nach herrschender Meinung eine Doppelnatur: Er ist einerseits ein materiellrechtlicher Vertrag und andererseits eine Prozesshandlung, welche die Beendigung des Rechtsstreits bewirkt (Zöller/Stöber, ZPO, 23. Auflage, § 794, Rdnr. 3). Eine wirksame Anfechtung würde mithin dazu führen, dass die prozessbeendigende Wirkung nicht eingetreten ist und die Rechtshängigkeit des Prozesses fortbesteht.

Dabei kann es dahinstehen, ob die möglicherweise durch Auslegung dem Schreiben der Klägerin vom 17.04.2003 zu entnehmende Anfechtung gegenüber dem richtigen Erklärungsgegner abgegeben worden ist. Denn dieser Schriftsatz ist nicht an die beiden Beklagten gerichtet, sondern an das Landesarbeitsgericht. Gemäß § 141 Abs. 1 BGB erfolgt die Erklärung der Anfechtung jedoch gegenüber dem Anfechtungsgegner. Dies ist gemäß § 141 Abs. 2 BGB bei einem Vertrag der andere Teil des Vertrages. Vertragspartei des gerichtlichen Vergleichs ist damit nicht das Landesarbeitsgericht, sondern die Beklagten zu 1) und 2) (vgl. LAG Hamm vom 18.01.2002 - 5 Sa 1091/01 -).

Selbst wenn man die Ansicht vertritt, dass das Schreiben der Klägerin vom 17.04.2003 durch Vermittlung des Landesarbeitsgerichts an die beiden Beklagten zugestellt werden sollte, welches tatsächlich gemäß Ab-Vermerk vom 24.04.2003 geschehen ist, so ergibt sich jedenfalls hieraus, dass eine unverzügliche Anfechtung wegen Irrtums gemäß §§ 119, 121 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB nicht erfolgt ist. Denn eine Anfechtung hat ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen. Da die Klägerin in der Lage war, dem Gericht am 17.04.2003 zu schreiben, hätte sie in gleicher Weise den Beklagten schreiben können. Die Verzögerung, die durch die Einschaltung des Gerichts bedingt ist, stellt eine schuldhafte Verzögerung im Sinne des § 121 BGB dar. Denn der Klägerin ist durch § 121 BGB nicht die Wahl einer Übermittlungsart gestattet, die üblicherweise eine Verzögerung bewirkt (vgl. LAG Hamm vom 18.01.2002 - 5 Sa 1091/01 -).

Darüber hinaus sind auch dieVorraussetzungen der Irrtumsanfechtung nach § 119 BGB nicht gegeben. Die Klägerin befand sich zunächst nicht im Irrtum darüber, dass der Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet wurde. Vielmehr räumt die Klägerin in ihrem Schreiben vom 27.05.2003 (Seite 3) ausdrücklich ein, dass sie verstanden habe, dass es sich um einen Vergleich gehandelt hat. Auch hinsichtlich der Inhalte des Vergleichs, die durch das Protokoll der Sitzung bewiesen werden, ergibt sich ein Irrtum der Klägerin nicht. Denn zum einen behauptet diese, sie habe den Vergleichsinhalt nicht gehört, gleichwohl dem Vergleich zugestimmt. Eine solche Aussage ist ähnlich einer Blankounterschrift unter ein nicht ausgefülltes Vertragsformular zu werten. Denn derjenige, der einem Vertrag zustimmt, obwohl er bewusst keine Kenntnis vom Inhalt dieses Vertrages hat, ist nicht schutzbedürftig im Sinne des § 119 BGB. Er hat nicht eine falsche Vorstellung vom Vertragsinhalt, sondern überhaupt keine, irrt sich deshalb auch nicht über den Inhalt.

Zudem kommt es für die Irrtumsanfechtung eines Prozessvergleichs, der von einem Vertreter abgeschlossen worden ist, nicht auf die Person des Vertretenen, sondern auf die Kenntnis des Vertreters an (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 18.01.2002 - 5 Sa 1091/01, BAG vom 14.10.1980 - 1 AZR 177/80 -). Nach § 166 Abs. 1 BGB ist nämlich, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennen müssen gewisser Umstände beeinflusst werden, nicht auf die Person des Vertretenen, sondern auf die des Vertreters abzustellen. § 166 BGB ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedanken, dass derjenige, der einen anderen mit der Erledigung bestimmter Angelegenheiten in eigener Verantwortung beauftragt, sich das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen muss (vgl. Palandt/Heinrichs, § 166, Rdnr. 9). Dies gilt vorliegend insbesondere deshalb, weil in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Anwaltszwang herrscht und dieser gerade deshalb eingeführt ist, damit der Streitgegenstand auf qualifiziertem Niveau erörtert werden kann. Dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts folgen konnte und den gesamten Vergleichsinhalt richtig verstanden hat, steht außer Zweifel.

Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB kommt ebenfalls nicht in Betracht. Insoweit fehlt es schon an einem Täuschungs- oder Drohungsverhalten der Beklagten. Die Klägerin beruft sich vielmehr darauf, dass sie von der Vorsitzenden mit dem Verlust des erstinstanzlich zugesprochenen Teils des Anspruchs bedroht worden sei. Diese ist aber in jedem Fall Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB, denn die Kammer eines Gerichts bzw. die Vorsitzende ist nicht Verhandlungsführer oder Gehilfe einer der Prozessparteien. Das Gericht hat immer die Aufgabe, als neutrale und dritte Stelle die Verhandlungen der Prozessparteien zum Abschluss eines Vergleichs zu fördern (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 18.01.2002 - 5 Sa 1091/01 -).

Darüber hinaus hat das Gericht die Klägerin aber auch nicht über die Erfolgsaussichten getäuscht. Denn tatsächlich stand der Klägerin der erstinstanzlich zugesprochene Anspruch nicht zu.

Die Beklagte zu 2) war niemals Schuldnerin einer Versorgungszusage. Sie ist für die Beklagte zu 1) nur Abrechnungsstelle und nicht identisch mit der Pensionskasse, die ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ist, der durch seinen Vorstandsvorsitzenden vertreten wird, während die Beklagte zu 2) eine Aktiengesellschaft ist, die als Dienstleister für die Beklagte zu 1) die Pensionärsverwaltung vornimmt.

Auch unter Berücksichtigung der Betriebsvereinbarung vom 28.03.1985 der Beklagten ergibt sich dort aus Abschnitt I § 4, dass die ursprüngliche Versorgungszusage nur gequotelt entsprechend § 2 BetrAVG aufrechterhalten bleibt. Diesen Punkt hatte die Klägerin schon mit der Berufung nicht mehr angegriffen, gleichwohl taucht in ihren Berechnungen ein Rentenanteil aus der Versorgungszusage vom 01.02.1980 in ungekürzter Höhe auf.

Ein Anspruch aus der Satzung der Pensionskasse in der Fassung vom 01.11.1984 ergibt sich ebenfalls nicht. Denn § 18 Abs. I bestimmt insoweit, dass für Mitglieder der Pensionskasse, deren Mitgliedschaft nach dem 31.12.1983 begründet wurde, satzungsgemäß nur noch Hinterbliebenenrente an Hinterbliebene eines Beziehers von Altersrente gezahlt wird. Der verstorbene Ehemann der Klägerin war frühestens zum 01.01.1985 Mitglied der Pensionskasse geworden. Unabhängig davon, ob die Wartezeit des § 18 Abs. II 2. Alternative durch Hinzurechnungszeiten erfüllt wurde, ist jedenfalls die Mitgliedschaft nicht vor dem 01.01.1984 begründet worden. Insoweit hat die Klägerin lediglich eine Kopie eines Mitgliedsscheins mit Wirkung zum 01.01.1985 zur Akte gereicht. Für diese Mitglieder war aber eine Hinterbliebenenleistung satzungsgemäß nur noch für Hinterbliebene von Betriebsrentnern vorgesehen. Da der verstorbene Ehemann zu keinem Zeitpunkt eine Betriebsrente bezogen hat, besteht auch insoweit für die Klägerin kein Anspruch. Dies wird auch durch § 35 der Satzung belegt, wonach die Witwenrente 60 % der Mitgliedsrente beträgt. 60 % von 0 bleibt aber 0.

Damit kann sich ein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung aus der Betriebsvereinbarung vom 28.03.1985 allenfalls aus Abschnitt I § 1 3.Absatz ergeben. Dieser nimmt die Bestimmungen der betrieblichen Grundrente entsprechend der Betriebsvereinbarung vom 19.12.1983 in Verbindung mit den entsprechenden Regelungen der Bayer AG über die betriebliche Grundrente in Bezug. Über diese Verweisungskette gilt wiederum Abschnitt V dort § 15 Abs. 2 Satz 2. Dieser besagt, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin für eine logische Sekunde vor seinem Tod so behandelt wird, als habe er einen Anspruch auf Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente. Dass die Beklagte zu 1) tatsächlich die Klägerin so behandelt hat, als habe ihr verstorbener Mann eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen, ergibt sich bereits daraus, dass nur für die Erwerbsunfähigkeitsrente eine Aufstockung für die bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres fehlende Dienstzeit (eine sog. Zurechnungszeit) erfolgt. Genau für diesen Fall, dass die einem Hinterbliebenen zu zahlende Witwenrente wie eine Erwerbsunfähigkeitsrente aufgestockt wird und auf Zurechnungszeiten beruht, regelt § 15 Abs. 4 der Regelungen über die betriebliche Grundrente den Wegfall dieses durch die Aufstockung bewirkten Rententeils, wenn die Witwe unter 45 Jahre alt ist und kein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht.

Unzweifelhaft ist die Tochter der Klägerin im Sinne der Pensionskassensatzung waisenrentenberechtigt (vgl. dort § 40 Abschnitt I. Satz 1 in Verbindung mit § 27 Abschnitt III. 1. Alternative). § 15 Abs. 4 der Ordnung der betrieblichen Grundrente der Bayer AG vom 05.12.1983 setzt aber neben dem Tatbestandsmerkmal der Waisenrentenberechtigung auch voraus, dass es sich um ein minderjähriges Kind handelt, denn nur diese werden erzogen. Insoweit weicht die Ordnung der betrieblichen Grundrente von der Pensionskassensatzung ab und stellt neue eigene Anspruchsvoraussetzungen auf. Dies ist auch ohne weiteres möglich, da der von der Klägerin geltend gemachte Hinterbliebenenrentenanspruch ohnehin seine Grundlage nur in der Ordnung über die betriebliche Grundrente findet und nach der Pensionskassensatzung überhaupt nicht begründet wäre. Anders als bei den Sozialversicherungsrenten, bei denen das Zusammenleben mit einem volljährigen behinderten Kind der Erziehung eines (minderjährigen) Kindes gleichgestellt wird, beschränkt damit die Ordnung über die betriebliche Grundrente den Zurechnungstatbestand für Witwen unter 45 Jahren auf den Sachverhalt der Erziehung von waisenrentenberechtigten Kindern. Die Erziehung endet aber mit der Volljährigkeit.

Nach alle dem ergibt sich damit erst recht, dass die Berufung auf die Verjährung durch die Beklagte zu 1) keinesfalls treuwidrig war, sondern die durchgeführte Rentenberechnung und die erteilte Auskunft von Anfang an richtig war.

Die Kostenentscheidung folgt aus 97 ZPO.

Die Revision wurde nicht zugelassen, da es sich um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzlich Bedeutung handelt.

Ende der Entscheidung

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