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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 19.09.2005
Aktenzeichen: 2 Sa 106/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 280
BGB § 249
Einzelfall, fehlendes "Mobbingverhalten" des Arbeitgebers, fehlende Kausalität, fehlendes Verschulden.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.11.2004 - 1 Ca 1920/04 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Von der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Mit der Berufung schildert der Kläger im Einzelnen Sachverhalte aus den Jahren 2001 bis zum Jahr 2005, um hierdurch die Systematik und Zielgerichtetheit des von ihm aufgestellten Mobbingvorwurfs darzustellen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründungsschrift Bezug genommen. Die Beklagte ist den einzelnen Sachverhaltsdarstellungen ebenso substantiiert in ihrer Berufungserwiderung entgegen getreten. Auf deren Schriftsätze nebst den zu den Akten gelangten Anlagen wird Bezug genommen. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.11.2004 - 1 Ca 1920/04 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.476,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.03.2004 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Entscheidungsgründe: Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 249 Abs. 2 BGB nicht zu. Ebenso besteht kein Anspruch aus § 280 Abs. 1 in Verbindung mit § 249 Abs. 2 BGB wegen Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Schuldverhältnis. Ein solcher Schadensersatzanspruch kann nur dann begründet sein, wenn bei dem Kläger eine psychische Gesundheitsverletzung eingetreten wäre, das Verhalten der Beklagten kausal für diese Gesundheitsverletzung gewesen wäre, der Eintritt der Gesundheitsverletzung voraussehbar gewesen wäre und die Beklagte schuldhaft gehandelt hätte. Für alle diese Anspruchsbestandteile trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BAG vom 13.12.2001 - 8 AZR 131/01 - NZA 2002 S. 871, Landesarbeitsgericht Schleswig Holstein vom 01.04.2004 - 3 Sa 542/03 - NZA RR 2005 S. 15, Landesarbeitsgericht Berlin vom 15.07.2004 - 16 Sa 2280/03 - NZA RR 2005 S. 13). Aufgrund der vorgelegten ärztlichen Atteste ist nicht einmal substantiiert dargestellt, in welchem Maße überhaupt eine konkrete Gesundheits-beschädigung oder Persönlichkeitsverletzung des Klägers eingetreten ist. Auch fehlt es an jeder Darlegung, durch welche konkret der Arbeitgeberin zuzurechnenden Verhaltensweisen, welcher Anteil der Persönlichkeits-verletzung eingetreten sein soll. So benennt der Kläger beispielsweise als ein Mobbing-Element das Schreiben des Mitarbeiters W vom 04.08.2002. Die Beklagte hat sich diese Haltung des Mitarbeiters W aber gerade nicht zu eigen gemacht, sondern diesen abgemahnt. Sie hat damit gezeigt, dass sie sich schützend vor den Kläger gestellt hat und es nicht in ihrem Interesse ist, das Betriebsklima durch derartige Handlungen des Mitarbeiters W verderben zu lassen. Soweit nach dem Vortrag des Klägers das Schreiben des Mitarbeiters W mit ursächlich für seine Gesundheitsverletzung sein soll, so muss dieses Element allerdings bei der weiteren Betrachtung unberücksichtigt bleiben, da es der Beklagten nicht zuzurechnen ist. Damit ergibt sich bereits, dass nicht geklärt werden kann, in welchem Maße die Beklagte und in welchem Maße der Mitarbeiter W persönlich für eine evtl. Gesundheitsverletzung des Klägers ursächlich waren. Der Kläger hat auch nichts dazu vorgetragen, dass es für die Beklagte vorhersehbar war, dass einzelne arbeitsrechtlich zulässige Gestaltungsmittel, wie die Versetzung oder die Abmahnung bei dem Kläger zu einer schwerwiegenden psychischen Beeinträchtigung führen könnten. Ein durchschnittlich stabiler und strukturierter Mitarbeiter kann sich aufgrund der in Deutschland gegebenen Rechtsstaatlichkeit darauf verlassen, dass die Gerichte regelmäßig in der Lage sind, einen Streit über die Berechtigung einer Abmahnung oder einer Versetzung in angemessener Zeit zu klären und zu einem vertretbaren Ergebnis zu gelangen. Aus diesem Grunde muss ein Prozessgegner nicht damit rechnen, dass er bei der Ausübung seines arbeitsrechtlichen Direktionsrechts oder bei Ausspruch einer Abmahnung oder gar Kündigung eine Gesundheitsverletzung des Arbeitnehmers begeht. Selbst der Verlust des Arbeitsplatzes führt bei der ganz überwiegenden Mehrzahl der Menschen nicht zu einer Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert, denn diese stehen nach Ablauf der Kündigungsfrist der Arbeitsverwaltung in aller Regel zur Verfügung. Wäre es anders, so hätten sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Wenn also bei dem Kläger die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes bereits zu einer Gesundheitsstörung mit Krankheitswert geführt haben sollte, so musste die Beklagte dieses jedenfalls nicht vorhersehen. Denn der Arbeitgeber ist nicht grundsätzlich verpflichtet, den Wunsch, sich von einem Arbeitnehmer trennen zu wollen, geheim zu halten. Der Kläger hat aber auch nicht einmal einen Sachverhalt dargestellt, der unabhängig von der fehlenden Darstellung des Verschuldens, der Kausalität und des Schadens den objektiven Tatbestand einer Persönlichkeitsverletzung ausfüllt. Denn ein systematisches Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren im Sinne der Rechtsprechung des BAG vom 15.01.1997 NZA 1997 S. 781 kann nicht festgestellt werden. Auch eine fortgesetzte aufeinander aufbauende und ineinander übergreifende der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienende Verhaltensweise, die nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall zu einer übergeordneten, von der Rechtsordnung nicht gedeckten Zielsetzung förderlich ist und jedenfalls in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzt, kann nicht festgestellt werden. Die Versetzung nach P stellt insoweit keine einem Mobbing-Zusammenhang zuzurechnende Tatsache dar. Vielmehr kann der Arbeitgeber sein Direktionsrecht nach billigem Ermessen ausüben. Er darf bei Schwierigkeiten zwischen verschiedenen Kollegen eine Versetzungsentscheidung dahingehend treffen, dass derjenige Mitarbeiter versetzt wird, dessen Versetzung bei Abwägung der Interessen des Betriebes und der betroffenen Mitarbeiter am wenigstens schwerwiegend ist. Die Versetzung ist deshalb auch nicht an der fehlerhaften Ausübung des Direktionsrechts gescheitert, sondern daran, dass der neu zugewiesene Arbeitsplatz nicht der tariflichen Wertigkeit entsprach, die vom Kläger beansprucht werden konnte. Dies konnte allerdings erst nach durchgeführter Beweisaufnahme festgestellt werden. Wäre die Versetzung wegen fehlerhafter Ausübung des Direktionsrechts von vornherein unwirksam gewesen, so hätte es der Beweisaufnahme nicht bedurft. Im Übrigen wäre hinsichtlich der Genugtuungsfunktion des begehrten Schadensersatzes auch zu berücksichtigen, dass das Obsiegen in dem Arbeitsgerichtsprozess ebenfalls bereits eine Genugtuungsfunktion enthält. Auch die Nichtbeschäftigung als Restaurator in der Zeit zwischen der Zustellung des Urteils im August 2002 und dem November 2003 kann nicht als Element eines Mobbingzusammenhangs gewertet werden. Denn der Kläger hatte sich durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 26.09.2002 mit der Beklagten geeinigt, dass eine Weiterbeschäftigung als Graphikverwalter erfolgen solle. Der Anspruch auf Beschäftigung mit den Tätigkeiten eines Restaurators war dadurch untergegangen. Gerade die Tatsache, dass die Beklagte den Kläger wieder als Restaurator beschäftigt hat, nachdem die Stelle des Graphikverwalters im Stellenplan entfallen war, zeigt, dass diese ihrer Fürsorgepflicht für den Kläger nachgekommen ist und nicht erst das Ende des Prozesses über die Vollstreckungsgegenklage abgewartet und "ausgekostet" hat. Hinsichtlich der Veranstaltung vom 30.01.2003 (Mediation/Betriebsversammlung) ist nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte den Verlauf dieser Veranstaltung vorhersehen konnte und sich deshalb das Verhalten des Mediators und der weiteren Teilnehmer dieser Veranstaltung zurechnen lassen muss. Auch der Ausschluss von der Dienstbesprechung am 17.06.2003 kann nicht als Teil eines Mobbingsachverhalts angesehen werden. Es liegt im Interesse des Steuerzahlers, dass nur diejenigen Mitarbeiter an Dienstbesprechungen teilnehmen, die von den konkreten Themen der Dienstbesprechung auch betroffen sind. Solange der Kläger eine Arbeitsplatzbeschreibung nicht gefertigt hatte, waren die Erörterungen in der Dienstbesprechung, die die konkrete Arbeitsplatzbeschreibung betrafen, nicht für ihn von Relevanz. Auch das Schreiben vom 18.12.2002, welches persönlich an die Kollegen gerichtet war, die sich zunächst unmittelbar beim Personalamt bei der Beklagten über den Kläger beschwert hatten, kann nicht in einem Mobbingzusammenhang gesehen werden. Vielmehr bringt das Schreiben zum Ausdruck, dass die Beklagte um eine rückhaltlose Aufklärung der Vorwürfe bemüht war. Deshalb war es besonders wichtig, den sich beschwerenden Kollegen klar zu machen, dass nur konkrete, zeitlich und inhaltlich eingegrenzte Vorwürfe geeignet sind, Basis eines arbeitsrechtlichen Vorgehens zu bilden. Der in dem Schreiben zum Ausdruck gekommene Wunsch nach möglichst genauer Aufklärung der Sachverhalte ist deshalb geeignet, unberechtigte und unsubstantiierte Vorwürfe, die sich im Nachhinein nicht einer Beweisaufnahme als zugänglich erweisen, von Vornherein niederzuschlagen und den Kläger insoweit zu entlasten. Auch die Prozessgeschichte der am 14.02.2003 erteilten Abmahnungen lässt keinen Rückschluss auf einen systematischen Mobbingsachverhalt zu. Zum Einen hat der Kläger bei diesen Abmahnungen die Möglichkeit nicht genutzt, vor Ausspruch der Abmahnung seine Gegenvorstellung bzw. seine Darstellung des Sachverhaltes der Beklagten bekannt zu geben. Zudem hat die Beklagte, wie gerichtsbekannt ist, die Abmahnungen deshalb aus der Personalakte entfernt, weil sie sich an ihr Vergleichsangebot, die Abmahnungen nach einem gewissen Zeitablauf zu entfernen, gebunden fühlte, obwohl der Kläger dieses Vergleichsangebot nicht annehmen wollte. Da der Fristablauf noch vor dem Kammertermin im arbeitsgerichtlichen Verfahren eingetreten war, hat die Beklagte die Abmahnungen aus der Personalakte entfernt. Dieses Verhalten erscheint besonders prozessökonomisch, da Abmahnungen selbst dann, wenn sie der Wahrheit entsprechen, nach einem gewissen Zeitablauf für eine Kündigung nicht mehr aussagekräftig sind und es deshalb den möglichen Zeugen eine im Zeitverlauf immer weniger wichtige gleichwohl aber belastende Zeugenaussage erspart hat. Auch hinsichtlich des Verdachtes, der Kläger habe Graphiken dadurch beschädigt, dass er sie extra fest und falsch gestempelt hat, hat der Verlauf des Strafverfahrens, welches wegen geringer Schuld des Klägers eingestellt wurde, belegt, dass zumindest der Verdacht, der Kläger habe die Graphiken nicht so behandelt, wie es bei optimaler Bearbeitung gewesen wäre, nicht aus der Welt zu räumen ist. Soweit der Kläger die Abmahnung vom 05.11.2004 ebenfalls als Tatbestandsmerkmal des Mobbingkomplexes anführt hat er insoweit die Klage auf Entfernung der Abmahnung zurückgenommen, so dass derzeit davon auszugehen ist, dass der Vorwurf, der in der Abmahnung enthalten ist, zutreffend erhoben wurde. Da dieser nach dem Vorbringen des Klägers jedoch auch mit zu seiner Gesundheitsbeeinträchtigung beigetragen haben soll, lässt sich nicht auseinanderhalten, welcher Teil des Schadens jedenfalls durch diese rechtmäßige Handlung der Beklagten herbeigeführt worden sein soll. Zum Ersatz dieses Schadensanteils wäre die Beklagte keinesfalls verpflichtet. Insgesamt kommt auch das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass sich ein Fortsetzungszusammenhang im Sinne der Mobbingdefinitionen nicht feststellen lässt. Selbst in dem vom Kläger nur noch zur Begründung seines Anspruchs angeführten Zeitraum seit 2001 hat sich die Beklagte sehr wohl auch schützend vor den Kläger gestellt und auf andere Mitarbeiter, wie beispielsweise den Mitarbeiter W , eingewirkt. Es kann auch nicht gesagt werden, dass das Verhalten, soweit es überhaupt der Beklagten zugerechnet werden kann, ausschließlich oder überwiegend der Schikane des Klägers dienen würde. Dies würde voraussetzen, dass das "Mobbingopfer" keine Veranlassung für das Verhalten der anderen Seite gegeben hat. Insbesondere bei dem Komplex fehlerhaftes Stempeln der Graphiken liegt der Verdacht aber auf der Hand, dass der Kläger, um seine ursprüngliche Ablehnung des Stempelns der Graphiken durchzusetzen, die angeordnete Stempelung nicht so durchgeführt hat, wie sie bei optimaler Behandlung der Graphiken hätte durchgeführt werden müssen. Unter den vom Kläger dargestellten Einzelelementen der Mobbingtatbestände finden sich auch keinerlei grundsätzlich rechtswidrige Maßnahmen, d. h. Maßnahmen deren Tatbestand bereits die Rechtswidrigkeit indiziert. Vielmehr handelt es sich bei den arbeitsrechtlichen Maßnahmen der Versetzung und der Abmahnung um die grundsätzlich zulässige Ausübung von arbeitgeberseitigen Einwirkungen auf das Arbeitsverhältnis, die als solche nicht verboten, im Prinzip aber nicht erfolgreich waren. Letztlich kann gesagt werden, dass die Beklagte diejenigen Maßnahmen ergriffen hat, die nach ihrer Überzeugung erforderlich waren, um die ordnungsgemäße Erfüllung des Arbeitsvertrages durch den Kläger herbeizuführen. Dabei hatte die Beklagte widerstreitende Interessen gegeneinander abzuwägen. Denn die Beklagte ist nicht ausschließlich dem Kläger verpflichtet. Die Fürsorgepflicht erstreckt sich auch auf die anderen Mitarbeiter, die ebenso der Fürsorge bedürfen und geschützt werden müssen. Auch die Interessen des Steuerzahlers, der letztlich die Arbeitsstelle des Klägers bezahlt und ermöglicht, sind zu wahren. Deshalb muss die Beklagte im Rahmen der Gesetze auch dafür sorgen, dass der Kläger bei der Zurverfügungstellung der Wohnung in der M nicht ungerechtfertigt bevorzugt wird. Ob die Beklagte oder das Arbeitsgericht im Einzelfall die komplexen und komplizierten Regelungen der Dienstwohnungsverordnung richtig angewendet haben, kann dabei dahinstehen. Normale Konflikte, die sich daraus ergeben, dass widerstreitende Interessen aufeinander treffen, können nicht immer ideal gelöst werden. Selbst eine Fehlentscheidung der Beklagten bei der Lösung eines solchen Interessengegensatzes belegen damit nicht, dass die Beklagte zum Zwecke der Ehrverletzung gehandelt hat. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die Entscheidung auf einer Einzelfallauswertung beruht.

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