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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 23.01.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 1236/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 626 Abs. 2
BGB § 123
Ein Mitglied des Personalrats/Betriebsrats, welches an der Anhörung eines Arbeitnehmers zu einer Tat- oder Verdachtskündigung teilnimmt, ist i. d. R. Dritter i. S. d. § 123 BGB, wenn er dem Arbeitnehmer nach dem Anhörungsgespräch rät, eine Eigenkündigung auszusprechen. Besondere Umstände, z. B. eine Beauftragung zu Verhandlungen durch den Arbeitgeber hat der anfechtende Arbeitnehmer darzustellen und zu beweisen.

Leugnet ein Arbeitnehmer das Erschleichen der Entgeltfortzahlung und legt er hierzu falsche ärztliche Atteste vor, beginnt die Frist des § 626 Abs. 2 BGB erst mit dem Geständnis des Arbeitnehmers.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 29.06.2005 - 9 Ca 11269/03 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen.

Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Eigenkündigung des Klägers vom 17.07.2003 mit dem 31.08.2003 beendet worden.

Die Kündigungserklärung des Klägers vom 17.07.2003 ist nicht gemäß §123 BGB wegen widerrechtlicher Drohung nichtig.

Zunächst hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt, dass der Kläger nicht durch eine Drohung zur Abgabe seiner Kündigungserklärung bestimmt worden ist. Die Beklagte hat nicht auf den Kläger eingewirkt und diesen aufgefordert die Eigenkündigung auszusprechen, noch hat sie diesem in Aussicht gestellt, bei Ausspruch der Eigenkündigung werde sie eine mögliche fristlose Kündigung nicht aussprechen. Der Kläger ist, ohne dass die Beklagte von ihm irgendeine Willenserklärung erwartet hat, aus dem Anhörungsgespräch vom 17.07.2003 entlassen worden. Die Idee, die Beklagte könne von einer fristlosen Kündigung absehen, wenn der Kläger das Arbeitsverhältnis seinerseits ordentlich beende, ist ohne Zutun und ohne Einwirkung der Beklagten entstanden. Das Verhalten der Personalrätin, die ersichtlich nicht zu Verhandlungen mit dem Kläger befugt war, zur Entgegennahme oder zum Ausspruch von Kündigungen ermächtigt war, ist der Beklagten nicht zuzurechnen (s. unten ).

Hätte die Beklagte aber tatsächlich eine Kündigung in Aussicht gestellt, um eine Willenserklärung des Klägers zu erreichen, so wäre diese Drohung jedenfalls nicht widerrechtlich gewesen. Denn die Frist des § 626 Abs. 2 BGB war nicht verstrichen. Der Kläger verkennt, dass Kündigungssachverhalt nicht das Erschleichen der Lohnfortzahlung während seiner Konzerttätigkeit in Brasilien ist. Zur Kündigung ausreichend wäre auch bereits gewesen, dass der Kläger noch bis einschließlich zum 16.07.2003 seine Anwesenheit in Brasilien geleugnet hat und hierzu im Laufe der mit ihm geführten Gespräche stets neue, ihn begünstigende Beweismittel vorgelegt hat. So hat er noch im Laufe der Ermittlungen durch die Beklagte ein Attest vom 30.04.2003 vorgelegt, wonach sein ihn angeblich behandelnder Arzt seine angebliche Anwesenheit am 08. und 10.04.2003 in der Praxis bescheinigte. Der Beweis, dass dieses Attest unrichtig ist, war der Beklagten erstmals am 15.07.2003 sicher möglich. Auch bei einem Gespräch mit dem Arzt am 12.05.2003 hat dieser noch bestätigt, dass der Kläger ihn zu den angegebenen Zeiten in seiner Praxis aufgesucht hat. Hierzu war er vom Kläger angestiftet worden. Nachweisen konnte die Beklagte dies erstmals am 15.07.2003. Allein die Beschaffung der ärztlichen Bescheinigungen ist für sich gesehen geeignet und ausreichend die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch unter Abwägung der langen Betriebszugehörigkeit des Klägers ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Hätte die Beklagte die fristlose Kündigung ausgesprochen, so hätte die erkennende Kammer dieses für wirksam erachtet.

Letztlich wirft der Kläger der Beklagten vor, dass sie ihm geglaubt hat. Die Ansicht des Klägers, die Beklagte habe ihm sofort auf Verdacht kündigen müssen, anderenfalls dürfe sie die Sachverhalte überhaupt nicht mehr bei einer Kündigung verwerten, ist nicht tragfähig. Die Beklagte durfte sehr wohl dem Kläger glauben. Dieser hat geleugnet. Bis zum 15.07.2003 musste die Beklagte sich nicht auf einen Prozess einlassen, in dem ihr außer einer Internetveröffentlichung keine weiteren Beweismittel zur Verfügung standen, während der Kläger zwei Bestätigungen von Zeugen vorgelegt hatte, die seine Anwesenheit in der fraglichen Zeit in Köln bescheinigten und zwei ärztliche Atteste vorgelegt hatte, die seine Erkrankung und Anwesenheit in Köln belegten. Dabei durfte die Beklagte die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigen, wonach bei ärztlichen Attesten in höherem Maße als bei sonstigen Privaturkunden davon ausgehen ist, dass die bescheinigten Tatsachen tatsächlich so zutreffend sind, wie sie niedergeschrieben wurden.

Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB war am 15. 07. 2003 auch noch nicht verstrichen. Sie beginnt erst dann, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen hat (BAG v. 17.03 2005, 2 AZR 245/ 04, NZA 2006, 101) .Dadurch, dass der Kläger sich trotz des Versuchs ihn zu erreichen einer zeitnahen Anhörung entzogen hat, war die Beklagte nicht verpflichtet eine Verdachtskündigung auszusprechen, um die Verwertung des Sachverhalts nicht vollständig zu verlieren. Zudem konnte die Beklagte nach dem 15.07.2003 erstmals eine Tatkündigung aussprechen, welches ihr zuvor nicht möglich war.

Die Kündigung des Klägers ist auch nicht gemäß §§ 142, 123 BGB wegen arglistiger Täuschung nichtig. Einer Beweisaufnahme hinsichtlich der streitigen Äußerungen der Personalrätin Frau J bedurfte es nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die fehlende Wiederholung des Beweisantritts seitens des beweisbelasteten Klägers in der Berufungsschrift dahingehend zu verstehen ist, dass der Kläger seine Behauptungen nun nicht mehr unter Beweis stellt. Denn die Behauptung ist nicht erheblich. Die Personalrätin J ist Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB. Der Kläger hat nichts dazu vorgebracht, dass der Arbeitgeberin außer in Person der Frau J bekannt gewesen sein könnte, dass der Kläger möglicherweise durch eine Fehlvorstellung zu seiner betrieblichen Altersversorgung zur Abgabe der Eigenkündigung motiviert war. Zutreffend und ausführlich hat das Arbeitsgericht bereits festgestellt, dass die Personalrätin J nicht Hilfspersonen der Beklagten ist, nicht auf Seiten des Erklärungsgegners steht und auch nicht als Verhandlungsgehilfe eingesetzt war. Die Personalrätin nahm, als sie an den Anhörungsgesprächen teilnahm, eigene Rechte wahr, denn ihre Beteiligung diente dazu, die Informationsansprüche des Personalrats möglichst umfassend zu erfüllen. Ersichtlich und für den Kläger erkennbar gehörte die Personalrätin weder zu den Personen, die zur Abgabe von Willenserklärungen oder von Verhandlungen für den Arbeitgeber bestellt sind. Personalräte sind vielmehr Interessenvertreter der Gesamtbelegschaft, wobei es durchaus möglich ist, dass das Interesse der Gesamtbelegschaft mit den Interessen des Arbeitgebers konform geht, während es dem Individualinteresse einzelner Arbeitnehmer widersprechen kann.

Letztlich kann aber auch die Frage der Zurechenbarkeit zur Arbeitgeberseite dahingestellt bleiben, denn zu den Voraussetzungen des § 123 BGB, die der Kläger vollumfänglich darzustellen und zu beweisen hat, gehört auch, dass der Kläger die Beweislast dafür trägt, dass die Personalrätin bei Abgabe der vom Kläger behaupteten Erklärung subjektiv Kenntnis davon hatte, dass ihre Rechtsmeinung, bei fristloser Kündigung entfalle die Altersversorgung, falsch ist. Zum Tatbestand des § 123 BGB gehört die Darstellung der subjektiven Arglist, d. h. der Kenntnis davon, dass die behauptete Rechtsfolge der fristlosen Arbeitgeberkündigung nicht zutreffend ist. Abgesehen davon, dass keinerlei Indizien dafür sprechen, dass die Personalrätin ein Eigeninteresse an der Entfernung des Klägers aus dem Betrieb hatte und sie zudem davon ausgehen konnte, dass die fristlose Kündigung ausgesprochen werden würde, hat der Kläger auch nichts dafür vorgetragen, dass die Personalrätin besondere Kenntnisse im Recht der betrieblichen Altersversorgung und insbesondere hinsichtlich der Einzelheiten der etliche Seiten umfassenden Regelungen des Beklagten zu der bei ihm geltenden betrieblichen Altersversorgung hatte. Hätte die Personalrätin J den Kläger tatsächlich aus dem Betrieb entfernen wollen, so hätte nichts näher gelegen als die fristlose Kündigung der Arbeitgeberin abzuwarten, denn dieses hätte dem Kläger mehr geschadet und wäre früher wirksam geworden, als die von ihm ausgesprochene fristgerechte Eigenkündigung. Ist die Äußerung durch die Personalrätin tatsächlich so erfolgt, so lag ihr jedenfalls erkennbar das Motiv zugrunde, die Stellung des Klägers gegenüber der Beklagten zu verbessern und nicht zu verschlechtern. Schon hieraus folgt die fehlende Arglist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung der Rechtssache nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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