Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 30.03.2009
Aktenzeichen: 2 Sa 1322/08
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 626
KSchG § 15
Bei einer durch vielfache Prozesse gestörten Vertrauenssituation kann die Ablehnung, auf arbeitgeberseitiges Verlangen an einem sofortigen Personalgespräch ohne Bekanntgabe des Gesprächsthemas und ohne die Möglichkeit eine Vertrauensperson hinzuzuziehen teilzunehmen, im Einzelfall die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nicht begründen.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 24.09.2008 - Az.: 6 Ca 2195/08 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Kündigungsgründe, die geeignet wären, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist im Sinne des § 626 BGB außerordentlich zu beenden, sind nicht gegeben. Eine ordentliche Kündigung kam wegen des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren § 15 Abs.1 KSchG nicht in Betracht.

Es kann dahinstehen, ob das Verhalten der Klägerin am Abend des 05.05.2008 überhaupt grundsätzlich geeignet ist, ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zu beenden. Denn jedenfalls die auf den Einzelfall bezogene Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass das Bestandsinteresse der Klägerin überwiegt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das durch die Beklagte gewünschte Personalgespräch lediglich eine Nebenpflicht zu der als Hauptsache geschuldeten Erbringung der Arbeitsleistung darstellt. Die Hauptleistungspflicht hat die Klägerin unbeanstandet erfüllt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Klägerin das Gesprächsthema nicht bekannt gegeben wurde, das auf Seiten der Arbeitgeberin 2 Personen am Gespräch teilzunehmen wünschten, während die Klägerin nicht die Gelegenheit hatte, ein Betriebsratsmitglied ihres Vertrauens hinzuzuziehen. Auch kann dahinstehen, ob es überhaupt zu den Nebenpflichten des Arbeitsvertrages gehört, über Bestand und Inhalt des eigenen Arbeitsvertrages zu verhandeln oder ob ein Arbeitnehmer sich nicht lediglich darauf zurückziehen kann, ohne eigene Gesprächsbeteiligung dem Arbeitgeber lediglich zuhören zu müssen.

Denn im Einzelfall ergibt die Abwägung des arbeitgeberseitigen Auflösungsinteresses mit dem klägerischen Interesse, das Arbeitsverhältnis fortführen zu können, dass das konkrete Verhalten am Abend des 05.05.2008 jedenfalls nicht so schwerwiegend war, dass die Beklagte nicht wenigstens die ordentliche Kündigungsfrist hätte abwarten können. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt bereits in einer anderen Schicht als der Morgenschicht eingesetzt und hatte die Arbeit in dieser anderen Schicht aufgenommen, nachdem sie in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren um die Lage der Arbeitszeit ausschließlich am Vormittag beim Landesarbeitsgericht Köln unterlegen war. Wenn, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, das Gespräch lediglich dazu dienen sollte, bei der Klägerin abzufragen, welche Schichten für die Klägerin besonders angenehm seien und zu welchen Schichten sie vorrangig eingesetzt werden könne oder wolle, so hätte dieses Thema leicht vorher bekannt gegeben werden können. Ein Gespräch hierüber im "Separee" war nicht so dringend erforderlich, dass eine Weigerung nur mit der Beendigung des Arbeitsvertrages beantwortet werden konnte. Vielmehr ist in der konkreten Situation, insbesondere nach den vielfältig geführten Rechtsstreitigkeiten, bei denen nicht nur die Arbeitgeberin obsiegt hat, zu berücksichtigen, dass ohnehin keine besonders vertrauliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien gegeben war und auch eine Arbeitgeberin das Ihrige dazutun muss, um diese Situation zu bereinigen und Maßnahmen der Deeskalation durchzuführen. Soweit die Klägerin anhand der nicht konkret bekannt gegebenen Gesprächsinhalte vermuten musste, sie solle zu Erklärungen im Hinblick auf Bestand und Inhalt ihres Arbeitsvertrages genötigt werden, wäre es Sache der Arbeitgeberin gewesen, diesen Verdacht durch vertrauensbildende Maßnahmen, z. B. die vorherige Bekanntgabe des Gesprächsthemas, die Terminierung mit Vorlaufzeit und die Möglichkeit eine wirkliche Vertrauensperson zum Gespräch mitzubringen, zu entkräften.

Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Klägerin im Zwangsvollstreckungsverfahren in der Sache 6 Ca 2713/99 ihren Einsatz als Kassenaufsicht dadurch umzusetzen versucht, dass sie den Begriff der Kassenaufsicht dem Arbeitsgericht durch die Vorlage der Kassenablaufbeschreibung erläutert und ihre Rechtsansicht darlegt, dass sie als Kassenaufsicht mit Tätigkeiten der Kassenabwicklung/Teamleitung beschäftigt werden müsse, stellt keinen außerordentlichen Kündigungsgrund im Sinne des § 626 BGB dar. Die erste Instanz wird zunächst darüber befinden müssen, ob der damalige Vergleich überhaupt einen vollstreckbaren Inhalt hat. Die Klägerin vertritt hierzu die Ansicht, dass das, was im Vergleich mit Kassenaufsicht bezeichnet wurde, der innerbetrieblichen Tätigkeitsbeschreibung Kassenabwicklung/Teamleitung entspricht und sich damit die vollstreckbaren Inhalte aus dieser Kassenablaufbeschreibung ergeben. Gerade die Tatsache, dass die Klägerin das Zwangsvollstreckungsverfahren betreibt, bringt zum Ausdruck, dass die Beklagte die Klägerin gerade nicht mit diesen Tätigkeiten beschäftigt hat und die Klägerin lediglich die Zuordnung dieser Tätigkeiten wünscht. Zudem war der Klägerin durch Urteil vom 14.04.2008 die Vergütungsgruppe III zugesprochen worden. Damit stand jedenfalls fest, dass sie für sich vertraglich fordern konnte, auch weiterhin mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe III beschäftigt zu werden. Ob die Klägerin hierzu einen neuen arbeitsgerichtlichen Titel erstreiten muss oder sich dieser Anspruch bereits aus der Vollstreckung des damaligen Vergleichs ergeben kann, wird das Arbeitsgericht noch zu entscheiden haben. Jedenfalls strebt die Klägerin im Vollstreckungsverfahren nicht eine höhere als die tatsächlich geschuldete Vergütung an, sondern lediglich die Beschäftigung mit einer der Vergütungsgruppe entsprechenden Tätigkeit. Ein prozessual unredliches Verhalten ist nicht zu erkennen.

Insgesamt verbleibt es damit bei der zutreffenden, bereits durch das Arbeitsgericht Aachen vorgenommen Würdigung, dass es der Beklagten mindestens zumutbar war, die ordentliche Kündigungsfrist, die bei Anwendbarkeit das Arbeitsverhältnis zum 31.12.2008 beendet hätte, einzuhalten. Die fristlose Kündigung mit Auslauffrist kommt für Betriebsratsmitglieder nicht in Betracht. Da nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde im Verfahren über die Eingruppierung der Klägerin (Landesarbeitsgericht Köln, 14.04.2008 - 5 Sa 422/08 -) mit Rechtskraft feststeht, dass der Klägerin Vergütung nach Gehaltsgruppe III Gehaltsstaffel A zusteht ist die Beklagte auch verpflichtet, sie mit Tätigkeiten, die dieser Vergütung entsprechen, zu beschäftigen. Hierzu gehört auch die Tätigkeit der Kassenaufsicht. Damit war auch der Weiterbeschäftigungsanspruch zutreffend durch das Arbeitsgericht Aachen bejaht worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung und insbesondere deshalb, weil das Urteil auf einerEinzelfallabwägung beruht, nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück