Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 23.04.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 1404/06
Rechtsgebiete: ArbGG, ZPO


Vorschriften:

ArbGG § 46 Abs. 2
ArbGG § 67
ArbGG § 340
ZPO § 296
Wird nach Versäumnisurteil und mehrere Wochen nach dem unbegründeten Einspruch erstmals in der Kammerverhandlung Tatsachenvortrag zur Anwendbarkeit eines Tarifvertrages geleistet, so führt es zu einer Verzögerung des Rechtsstreits, wenn die gegnerische Partei nicht persönlich anwesend ist und deshalb der für sie anwesende Anwalt keines Aussage zu diesem Vortrag machen kann. Er ist nicht verpflichtet, die neuen Behauptungen ohne Rücksprache mit der Partei ins Blaue hinein zu bestreiten. Die Gewährung rechtlichen Gehörs setzt eine angemessene Erklärungsmöglichkeit voraus. Führt diese zur Verzögerung der Entscheidungsreife, kann zurückgewiesen werden.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 27.09.2006 - Az.: 10 (12) Ca 9673/05 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Hinsichtlich der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen. Mit der Berufung hat die Beklagte vertiefend zu ihrer Ansicht vorgetragen, auf das Arbeitsverhältnis sei der Tarifvertrag für den Groß- und Außenhandel anzuwenden.

Die Beklagte hat hierzu zum einen behauptet, mit dem Kläger einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen zu haben, der eine solche Klausel enthält. Bei der Beklagten sei allerdings lediglich ein nicht unterzeichnetes Exemplar dieses Vertrages verblieben. Zudem falle der Betrieb, der sich aus verschiedenen Filialen zusammensetze insgesamt in den Anwendungsbereich des während der Dauer des Arbeitsverhältnisses noch allgemein verbindlichen Manteltarifvertrages für den Groß- und Außenhandel. Zwar werde in einigen Filialen Einzelhandel betrieben, jedoch überwiege sowohl nach dem Umsatz als auch nach der Zahl der Beschäftigten die Tätigkeit im Groß- und Außenhandel.

Das Vorbringen sei auch nicht verspätet, denn ausweislich des Verhandlungsprotokolls vom 27.09.2006 habe das Arbeitsgericht nicht geprüft, ob der Vortrag unstreitig werde. Auch habe der Zeuge B bereits im Termin vom 02.12.2005 auf die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages hingewiesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils vom 27.09.2006 das Versäumnisurteil vom 09.08.2006 insoweit aufzuheben und die Klage abzuweisen, als die Beklagte zur Zahlung von 1.453,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 20.07.2005 verurteilt worden ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er behauptet, nicht im Besitz eines schriftlichen Arbeitsvertrages zu sein und sich auch nicht mehr erinnern zu können, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen wurde. Dementsprechend bestreitet er auch, dass in einem solchen schriftlichen Arbeitsvertrag die Inbezugnahme des Manteltarifvertrages für den Groß- und Außenhandel NRW vereinbart worden sei.

Weiterhin bestreitet der Kläger, dass der Betrieb der Beklagten in den Anwendungsbereich des Manteltarifvertrages für den Groß- und Außenhandel falle. Die Beklagte firmiere zwar unter dem Begriff Getränkefachgroßhandel GmbH, tatsächlich veräußere sie jedoch nicht an Wiederverkäufer sondern ausschließlich an Endverbraucher. Auch habe der Zeuge B im Termin vom 02.12.2005 nicht auf die Anwendbarkeit des MTV hingewiesen. Dies ergebe sich nicht aus dem Protokoll vom 02.12.2005.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässig und fristgerechte Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den erstmals am 27.09.2006 im Termin vorgebrachten Einwand, auf das Arbeitsverhältnis sei der Manteltarifvertrag für den Groß- und Außenhandel anwendbar als verspätet gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 340 Abs. 3 Satz 3, § 296 ZPO zurückgewiesen. Die Grundsätze über die Zurückweisung nach § 296 ZPO finden im Falle des Versäumnisurteils auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren Anwendung (vgl. Germelmann/Mattes/Prütting/Müller/Glöge ArbGG 5. Auflage § 59 Rnd-Nr. 29, 30).

Zutreffend ist dabei das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass der in der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2006 erstmals vorgetragene Verfall der klägerischen Ansprüche zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt hätte. Denn im Termin war der Kläger nicht anwesend, sondern lediglich sein Prozessbevollmächtigter. In diesem Fall erfordert es die Gewährung rechtlichen Gehörs, dem Kläger selbst die Möglichkeit der Stellungnahme zu den von der Beklagten neu vorgetragenen Sachverhalten zu ermöglichen. Es war dem Klägerprozessbevollmächtigen weder zumutbar ohne Rücksprache mit dem Kläger ins Blaue hinein zu behaupten, ein schriftlicher Arbeitsvertrag sei nicht abgeschlossen worden, noch war der Beklagtenprozessbevollmächtigte verpflichtet, irgendeiner Erklärung ohne Rücksprache mit dem Kläger dazu ab zu geben, ob der Betrieb der Beklagten in seiner Gesamtheit ein solcher des Einzelhandels oder des Großhandels ist, oder ob es sich sogar um mehrere im Hinblick auf die Anwendbarkeit von Tarifverträgen getrennt zu beurteilende Betriebe handelt. Die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Kläger setzte deshalb zwingend voraus, dass der allein anwesende Klägerprozessbevollmächtigte die Gelegenheit hatte, diese neuen Sachverhalte mit dem Kläger unter Einräumung einer angemessenen Zeitspanne zu besprechen. Durch das Zurückhalten mit dem Sachvortrag bis zur mündlichen Verhandlung am 27.09.2006 konnte das rechtliche Gehör, welches dem Kläger hierzu zu gewähren war, nur dadurch erreicht werden, dass der Rechtsstreit nicht am selben Tag entschieden wurde.

Die Zurückweisung des Vorbringens war auch nicht deshalb unzulässig, weil nach den Behauptungen der Beklagten der Zeuge B bereits im Gütetermin am 02.12.2005 bereits auf die Anwendbarkeit des Manteltarifvertrages hingewiesen habe. Unabhängig davon, dass die Beklagte für diese Behauptung keinen Beweis angetreten hat, findet sich hierzu auch nichts im Protokoll der Sitzung vom 02.12.2005. Hätte die Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt nicht lediglich eine Rechtsansicht geäußert, sondern hierzu Tatsachen vorgetragen, hätte nichts näher gelegen, als den Kläger aufzufordern, zu diesen Tatsachen Stellung zu nehmen oder gar die unstreitige Anwendbarkeit des Tarifvertrages im Protokoll zu vermerken. In diesem Fall hätte auch ein Versäumnisurteil nicht ergehen können.

Damit sind die in der Verhandlung vom 27.09.2006 zur Anwendbarkeit des Tarifvertrages vorgebrachten Tatsachen zu diesem Zeitpunkt erstmals vorgetragen worden und waren als neue Tatsachen zu behandeln.

Da die Zurückweisung durch das Arbeitsgericht zu Recht erfolgt ist, bleibt die Beklagte gemäß § 67 Abs. 1 ArbGG mit diesen Tatsachen auch im Berufungsverfahren ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

Zurück