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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 25.06.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 189/07
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1
Verlust der Einsatzfähigkeit im Flughafenbereich wegen Entzug der Zutrittserlaubnis durch die Behörde. Anforderungsprofil für andere freie Arbeitsplätze.
Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 11.01.2007 - AZ 1 Ca 2308/06 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Von der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Im Berufungsverfahren ist unstreitig geworden, dass die Beklagte auch Inhaberin der Betriebe in Bonn-Beuel und Köln-Ossendorf ist. Diese Betriebe gehören zum Unternehmen der Beklagten und werden nicht durch andere Inhaber geführt. Ebenfalls unstreitig mangels Bestreitens seitens der Beklagten ist es, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung des Klägers die Beklagte für den Betrieb Köln-Ossendorf eine Stellenanzeige geschaltet hatte, nach der dort Paketsortierer und Auslieferungsfahrer gesucht wurden.

Der Kläger behauptet weiter, er habe auch in der Filiale Bonn-Beuel als Paketsortierer und Auslieferungsfahrer beschäftigt werden können. Er besitze die erforderlichen Qualifikationen und sei auch im Besitz des entsprechenden Führerscheins. In diesen beiden Betrieben würden immer wieder Arbeitsplätze besetzt.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 11.01.2007 - 1 Ca 2308/06 - festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 16.08.2006 nicht beendet wurde, sondern unverändert über den 31.10.2006 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger, der bislang unstreitig als Lader und Entlader mit Vergütungsgruppe 2 beschäftigt war, würde bei Einsatz als Paketzusteller (= Auslieferungsfahrer) eine höherwertige Tätigkeit erhalten, da dieser Arbeitsplatz wegen der damit verbundenen Inkasso und Schreibarbeiten nach Vergütungsgruppe 3 bewertet und bezahlt ist.

Zu einer Beförderung sei sie nicht verpflichtet und auch nicht bereit. Zudem seien auch die Auslieferungsfahrer teilweise mit der Abholung von Paketen beim Kunden, dem so genannten Versender, beschäftigt. Sowohl die Auslieferungsfahrer als auch die Paketsortierer in den anderen Betrieben seien damit in der unmittelbaren Transportkette der Luftfracht eingesetzt. Denn in den Betrieben in Köln-Ossendorf und Bonn-Beuel werden sowohl Pakete sortiert und transportiert, die danach zum Flughafen verbracht werden, um von dort als Luftfracht versendet zu werden als auch Pakete, die per LKW in der näheren Umgebung zugestellt werden.

Deshalb unterliege die Beklagte einem Luftfracht-Sicherheitsprogramm im Sinne des Artikel 5 Abs. 4 der EU-Verordnung 2320/2002. Gegenstand dieses Luftfracht-Sicherheitsprogramms ist es nicht nur, dass die im Sicherheitsbereich des Flughafens arbeitenden Personen nach § 7 Luft-SiG überprüft werden und einer Tätigkeitserlaubnis bedürfen. Auch diejenigen Mitarbeiter, die nicht unmittelbar im Sicherheitsbereich des Flughafens eingesetzt werden, aber in der Transportkette von Luftfracht tätig sind, müssen ein polizeiliches Führungszeugnis "ohne Eintrag" vorlegen und dürfen nicht bei einer vorherigen Sicherheitsüberprüfung "positiv" aufgefallen sein. Dies bedeute, dass Mitarbeiter, die bekanntermaßen keinen Zugang zum Sicherheitsbereich des Flughafens erhalten können, auch nicht an anderer Stelle im Unternehmen beschäftigt werden können, an denen Luftfracht transportiert behandelt oder sortiert wird. Sowohl die Arbeitsplätze als Sortierer als auch diejenigen als Auslieferungsfahrer seien deshalb für den Kläger mangels Erfüllung dieses Qualifikationsprofils ungeeignet.

Auch die Betriebsratsanhörung sei nicht fehlerhaft. Dem Betriebsrat seien die Überlegungen der Beklagten zutreffend mitgeteilt worden, nämlich dass der Kläger ohne gültige Sicherheitsüberprüfung nicht an dem Arbeitsplatz im Flughafen arbeiten könne und er für einen Einsatz in Spich aus Sicht der Beklagten nicht qualifiziert ist. In Spich werden kaufmännische Tätigkeiten, insbesondere die Importverzollung durchgeführt. Der Kläger verfügt nicht über eine kaufmännische Ausbildung für die Tätigkeit des Importzolldeklaranten.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist gemäß § 1 KSchG durch sozial gerechtfertigte Kündigung vom 16.08.2006 mit dem 31.10.2006 beendet worden, da der Kläger eine persönliche Eigenschaft verloren hat, die zur Ausübung seiner Tätigkeit auf dem Flughafen Köln/Bonn erforderlich ist. Ihm ist die Erlaubnis, den Flughafen zu betreten, gemäß § 7 Abs. 1 Luft-SiG entzogen worden.

Die Kündigung ist auch nicht wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung nach § 102 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat dem Betriebsrat mitgeteilt, dass der Kläger nicht mehr auf dem Flughafengelände eingesetzt werden kann und dass sie ihn für die nichtsicherheitsrelevanten Arbeitsplätze im Betrieb in Troisdorf/Spich für nicht geeignet hält.

Nach den Grundsätzen der subjektiven Determination ist eine Betriebsratsanhörung ausreichend, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Tatsachen mitteilt, die für ihn bei seiner Entscheidung maßgeblich waren.

Die Beklagte hat mitgeteilt, dass dies für sie die Nichteinsetzbarkeit auf dem Flughafen und die fehlende Qualifikation für Tätigkeiten in Spich waren. Dass die Beklagte darüber hinaus noch andere Überlegungen angestellt hat, die sie dem Betriebsrat vorenthalten hat, hätte demgegenüber der Kläger substantiiert darlegen müssen.

Tatsächlich vorhandene alternative Beschäftigungsmöglichkeiten, die von einem Arbeitgeber nicht in seine Weiterbeschäftigungsüberlegungen einbezogen wurden, führen deshalb nicht zu einer unwirksamen Betriebsratsanhörung sondern nur zu einer Unwirksamkeit der Kündigung als solcher. Auch aus der Stellungnahme des Betriebsrats zur Anhörung ergeben sich keine weiteren Informationspflichten der Beklagten gegenüber dem Betriebsrat. Der Betriebsrat hat lediglich pauschal eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem anderen Betrieb angesprochen. Um hieraus eine konkrete Begründungs- und Erörterungspflicht der Beklagten herleiten zu können, hätte der Betriebsrat den für den Kläger nach seiner Ansicht geeigneten freien Arbeitsplatz konkret benennten müssen (vgl. BAG vom 17.02.2000 - 2 AZR 913/98 - AP-Nr. 113 zu § 102 BetrVG 1972).

Im vorliegenden Fall besteht eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger auf freien Arbeitsplätzen im Unternehmen auch in anderen Betrieben der Beklagten nicht.

Die Beklagte ist zunächst nicht verpflichtet, den Kläger, der nicht mehr in der Lage ist seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit auf dem Flughafen zu erfüllen, eine Tätigkeit anzubieten, die mit einer Beförderung oder Höhergruppierung verbunden ist. Die höherwertigen Tätigkeiten als Auslieferungsfahrer, die das Kassieren von Geldbeträgen beinhalten, musste die Beklagte dem Kläger nicht zuweisen. Die Tätigkeit des Klägers beinhaltete bislang weder den Umgang mit Kunden noch das Kassieren von Geldbeträgen. Voraussetzung für die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer ist damit, dass der Kläger die Qualifikationsmerkmale "absolute Vertrauenswürdigkeit beim Umgang mit Geld" und "Höflichkeit und Freundlichkeit im Umgang mit Kunden als Repräsentant der Beklagten" erfüllt. Diese Qualifikationsmerkmale waren für die bisherige Tätigkeit des Klägers nicht erforderlich. Es handelt sich deshalb nicht um einen Arbeitsplatz, der die gleichen Qualifikationsmerkmale umfasst, wie der bisher innegehabte Arbeitsplatz.

Das Arbeitsgericht darf seine Einschätzung, ob der Kläger möglicherweise die Voraussetzungen erfüllen kann oder nicht, nicht an die Stelle der Einschätzung des Arbeitgebers setzen, da allein der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko aus der Beschäftigung des Klägers als Auslieferungsfahrer trägt.

Damit kommen als Tätigkeiten, mit denen der Kläger weiterzubeschäftigen wäre, nur solche in Betracht, die den reinen Transport von Gegenständen innerhalb der Betriebe umfassen.

Der Kläger erfüllt aber auch nicht die Qualifikationsmerkmale, die für den Einsatz als Paketpacker, Lader und Sortierer in den Niederlassungen Bonn-Beuel und Köln-Ossendorf erforderlich sind. Denn an diesen Niederlassungen werden Luftfrachtpakete sortiert, geladen und behandelt, die von diesen Betriebsstätten aus zum Flughafen gebracht und dort weiter verladen werden.

Bei diesen Tätigkeiten, die zwar außerhalb des Flughafengeländes stattfinden, gleichwohl zur unmittelbaren Transportkette der Luftfracht gehören, unterliegen die Beschäftigten der Beklagten einer eingeschränkten Sicherheitskontrolle, deren Anforderungen der Kläger ebenfalls nicht erfüllt. Zum einen ist ein Führungszeugnis ohne jeden Eintrag erforderlich, zum anderen können diejenigen Mitarbeiter nicht beschäftigt werden, bei denen bereits eine "positive" Sicherheitsüberprüfung stattgefunden hat, von denen also bereits bekannt ist, dass sie auf dem Flughafengelände selbst nicht eingesetzt werden dürfen.

Zwar mag es ungerechtfertigt erscheinen, dass Mitarbeiter, die für den Betrieb in Köln-Ossendorf neu eingestellt werden, nicht unmittelbar einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden, während Mitarbeiter, bei den bereits bekannt ist, dass sie die Sicherheitsprüfung nicht bestanden haben, nicht in der Niederlassung beschäftigt werden können. Eine Abstufung der Risikoeinschätzung, die auch das Verhältnis zwischen erforderlichem Prüfungsaufwand und Gefährdungspotential berücksichtigt, ist zum einen deshalb beachtlich, sei sie Gegenstand der luftfahrtrechtlichen Zulassung der Beklagten im Rahmen des vom Luftfahrtbundesamt genehmigten Luftfahrtsicherheitsprogramm der Beklagten ist. Zudem wäre eine arbeitgeberseitige Entscheidung, die Augen vor einer "positiven Sicherheitsüberprüfung" nicht zu verschließen und einen solchen Mitarbeiter jedenfalls nicht mehr auf Arbeitsplätzen zu beschäftigen, auf denen er Zugriff auf Luftfracht hat, auch nicht als willkürliche Aufstellung von Qualifikationsmerkmalen zu bewerten. Die Entscheidung, vor positiv bekannten Sicherheitsbedenken die Augen nicht zu verschließen, stellt vielmehr einen im Bereich der Behandlung von Luftfracht zulässiges Differenzierungskriterium zwischen Arbeitnehmern dar.

Der Kläger hat weitere konkrete Arbeitsplätze im Unternehmen der Beklagten nicht dargestellt. Die Darlegungslast, wie der Kläger sich seine konkrete Weiterbeschäftigung vorstelle, obliegt ihm. Zum Nachweis der freien Stellen kann er dabei die Hilfe des Betriebsrats in Anspruch nehmen oder die Tätigkeiten umschreiben. Sodann ist es Sache der Beklagten hierzu Stellung zu nehmen.

Die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Überlegung, vielleicht könne die Beklagte Arbeitsplätze in Ossendorf so einrichten, dass der Kläger nicht mit Luftfracht in Berührung komme, ersetzt nicht die Darlegung eines konkret bestehenden und freien, dass heißt zur Besetzung anstehenden Arbeitsplatzes. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, ihre Arbeitsorganisation im Hinblick auf die fehlende Einsatzfähigkeit des Klägers zu ändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 2 ZPO. Das erstinstanzliche Urteil beruht erkennbar auf dem fehlerhaften Vortrag der Beklagten, die Betriebe in Ossendorf und Bonn-Beuel sei nicht Betriebe ihres Unternehmens, sondern würden von einer anderen Rechtspersönlichkeit unterhalten. Bei wahrheitsgemäßen Vortrag erster Instanz wäre der gesamte erstmals im Berufungsverfahren angefallene Streitstoff dort bereits erörtert worden und hätte den Kläger nicht unnötig in das Berufungsverfahren gezwungen.

Die Revision wurde mangels allgemeiner Bedeutung des Rechtsstreits nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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