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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 06.11.2006
Aktenzeichen: 2 Sa 599/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
Fordert ein Arbeitnehmer ultimativ die Versetzung zu Vivento, liegt darin die Zustimmung zur Änderung des Arbeitsvertrages. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitsplatz nicht entfallen, sondern nur verlegt wurde und der Arbeitnehmer nicht bereit war die ursprüngliche Tätigkeit am neuen Arbeitsort (70 km entfernt) aufzunehmen.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 22.12.2005 - 3 Ca 1272/05 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Versetzung des Klägers zu V und den Umfang der evtl. hieraus folgenden Verpflichtungen für den Kläger und die Beklagte.

Der Kläger wurde am 31.03.1959 geboren, er ist verheiratet und einem Kind unterhaltsverpflichtet. Er wurde am 01.08.1974 bei der Beklagten zunächst als Auszubildender eingestellt. Nach einer Weiterbildung zum Diplomkaufmann wurde ihm mit Wirkung zum 15.12.2001 die Tätigkeit eines Senior Referenten, AT Nr. 41411 mit Arbeitsort D übertragen. Er wurde nach Entgeltgruppe T 8 bezahlt und erledigte Tätigkeiten als Revisor in der Konzernrevision.

Im Januar 2004 schloss die Beklagte mit dem Konzernbetriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan bzgl. der Reorganisation des Betriebes Konzernrevision ab. Danach entfiel der Standort D für die Konzernrevision. Ohne Abbau von Arbeitsplätzen wurde den Beschäftigten des Standortes D , u.a. auch dem Kläger eine Tätigkeit in der Revision am Standort B angeboten. Von 11 Arbeitnehmern, die in D beschäftigt waren, haben 4 der Tätigkeit in B widersprochen. Darunter war auch der Kläger. Die Beklagte hat zwischenzeitlich die Arbeitsplätze in B anderweitig besetzt.

Der Kläger war darüber informiert, dass er im Falle seines Widerspruchs aufgrund des TV Ratio in die Beschäftigungseinheit V versetzt werden würde. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers sind nach dem Arbeitsvertrag die jeweils für die Arbeitgeberin gültigen Tarifverträge anwendbar.

Mit Schreiben vom 27.04.2004 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihn endlich zu V zu versetzen. Er schrieb:

"Bitte sehen Sie jetzt endlich zu, dass meine Versetzung zu V zum 01.05. erfolgen kann. Ich will endlich wieder arbeiten, und zwar - nach mehr als 2 nutzlosen Jahren in der KR wieder in einer sinnvollen Beschäftigung. Den Stillstand habe ich gründlich satt. Am 31.03. haben Sie mir geschrieben, die Versetzung zu V würde "einige Tage in Anspruch nehmen". ...Ich erwarte eine Antwort und verschonen Sie mich bitte mit irgendwelchen Ausreden, V oder irgendwelche Betriebsräte hätten noch nicht zugestimmt. Ihnen als Verantwortliche war die Situation früh genug bekannt und es wäre Ihre Aufgabe gewesen, die Weichen rechtzeitig zu stellen."

Der Kläger wertet dieses Schreiben lediglich als Aufforderung, das Direktionsrecht, welches die Beklagte für sich in Anspruch genommen habe, schneller auszuüben. Die Beklagte sieht hierin die Zustimmung zu der mit Wirkung vom 01.06.2004 erfolgten Versetzung zu V

Der Kläger wirkte zunächst im Rahmen der ihm obliegenden Handlungspflichten gemäß dem TV Ratio bei seiner Vermittlung im Wege der Leiharbeit mit. Er arbeitete zunächst tageweise bei einem Steuerberater. Dieser war jedoch nicht bereit, den Kläger in ein festes Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Danach wurde der Kläger bei der Firma A eingesetzt. Bei dieser Firma handelt es sich um eine Konzerntochtergesellschaft, die Inkassotätigkeiten für den Konzern ausführt. Der Kläger ist dort mit dem Beitreiben von Forderungen im Außendienst beschäftigt. Diese sind gemessen an seiner bisherigen tariflichen Eingruppierung unterwertig. Dem Einsatz bei der Firma A ging ein Schreiben des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.01.2005 voraus, in dem dieser erneut Angebote an den Kläger zur Tätigkeit in der T Zentrale B ebenso wie Projekteinsätze des Klägers in D ablehnt In diesem Schreiben heißt es u.a.:

"Ich fordere Sie nunmehr letztmalig im Namen meines Mandaten auf, ihn bei seinem Wechsel zu A und damit auch bei seinen Bemühungen, einen externen Dauerarbeitsplatz zu finden, zu unterstützen."

Diesem Schreiben war vorausgegangen, dass der Kläger am 05.01.2005 zwei Stellenangebote erhielt für eine Tätigkeit als Controller bei der 100%-tigen Konzerntochter V . Das eine Stellenangebot bezog sich auf einen Arbeitsplatz in D welcher im Laufe des ersten Halbjahres des Jahres 2005 nach N verlagert werden sollte, das zweite auf einen Arbeitsplatz als Controller bei der V am Standort B Der Kläger lehnte diese Tätigkeiten ab. Zunächst vertrat er die Ansicht, dass er wegen seiner pflegebedürftigen Mutter diese Tätigkeiten ablehnen könne. Hierzu verwies die Beklagte auf § 6 Anl. 4 TV Ratio, wonach eine soziale Härte wegen eines pflegebedürftigen Angehörigen nur dann gegeben ist, wenn der Arbeitsplatzwechsel auch einen Wohnortwechsel erforderlich macht. Dieses wird von der Beklagten für eine Tätigkeit in D und B nicht gesehen. Der Kläger hat darüber hinaus die Ansicht vertreten, die Tätigkeit eines Revisors und eines Controllers seien nicht miteinander vergleichbar. Für die Tätigkeiten eines Controllers habe er nicht die erforderlichen Kenntnisse. Zuletzt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem LAG vorgetragen, er sei zu einem Einsatz im Rhein-Ruhr-Bereich bereit, da er nunmehr von K nach S umgezogen sei. Jedoch sei er keinesfalls bereit die Rechtspersönlichkeit des Arbeitgebers zu wechseln. Deshalb könne er nicht verpflichtet sein, an der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zur Beklagten in Form eines dreiseitigen Vertrages gemeinsam mit der V mitzuwirken.

Am 02.03.2005 erhob der Kläger die vorliegende Klage, die er nach Abweisung in erster Instanz vor dem LAG mit folgenden Anträgen aufrecht erhält:

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgericht Bonn vom 22.12.2005 - 3 Ca 1272/05 -

1. festzustellen, dass die als Versetzung zu V bezeichnete Maßnahme, die dem Kläger am 28.05.2004 zuging, unwirksam ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger als Revisor im Fachbereich Marketing weiterzubeschäftigen;

3. die Beklagte zu verurteilen, die an den Kläger mit Schreiben vom 24.01.2005 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen;

4. festzustellen, dass der TV Ratio in der Fassung vom Dezember 2004 nicht auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anwendbar ist;

5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger für die Vergangenheit so zu entlohnen als würde sie ihn ordnungsgemäß beschäftigen, insbesondere ihm während des Einsatzes in Leiharbeit von Juli 2004 - Februar 2005 die Einsatzzulagen zu gewähren

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1.,

6. festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, eine Bewerbungsmappe und Bewerbungen zu erstellen und sich um einen Arbeitplatz zu bewerben; wiederum hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 6.,

7. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen den arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen ent-sprechenden Heimarbeitsplatz einzurichten;

8. festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, Bewerbungsmappen und Bewerbungen für andere als die Beklagte zu erstellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, dass der Kläger seiner Versetzung zu V zugestimmt hat, so dass die arbeitsvertraglichen Bedingungen einvernehmlich geändert wurden. Zudem ergebe sich aus dem Verhalten des Klägers, dem Zeitablauf und der Tatsache, dass der ursprüngliche Arbeitsplatz in B neu besetzt wurde, die Verwirkung des mit dem Klageantrag zu 1. geltend gemachten Anspruchs. Der Antrag zu 2. sei auf eine unmögliche Leistung gerichtet, denn eine Tätigkeit als Revisor in D sei nicht möglich, da ein solcher Arbeitsplatz nicht existiere. Selbst wenn man diesen Antrag dahingehend auslegen wollte, der Kläger sei auch mit einer Beschäftigung in B einverstanden, so sei ein solcher Arbeitsplatz bei der Beklagten nicht gegeben, da die Tätigkeiten der Revision und des Controlling auf die V ausgelagert worden seien. Die Abmahnung vom 24.01.2005 sei berechtigt, da sich die dort aufgeführten Pflichten unmittelbar aus der Anwendbarkeit des TV Ratio ergäben.

Aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme auf die bei der Beklagten geltenden Tarifverträge und der Zustimmung des Klägers zu seiner Versetzung nach V sei auch die jeweilige Fassung des TV Ratio auf das Arbeitsverhältnis anwendbar. Verfassungsrechtliche Bedenken aus der möglichen Verschlechterung von Arbeitnehmeransprüchen im Verlauf der Tarifgeschichte sieht die Beklagte nicht.

Auch die Vergütung während der Zeit des Einsatzes bei dem Steuerberater sei zutreffend errechnet worden, denn dem Kläger stehe eine Einsatzzulage nur für diejenigen Tage zu, während deren er tatsächlich bei dem Steuerberater zum Einsatz gelangt sei. Im Übrigen sei der Feststellungsantrag unzulässig, da der Kläger ohne weiteres einen bezifferten Zahlungsantrag stellen könne.

Die Verpflichtung des Klägers, eine Bewerbungsmappe und Bewerbungen zu erstellen und sich um einen Arbeitsplatz zu bewerben, ergebe sich aus der Anwendbarkeit des TV Ratio. Es handele sich um eine Nebenpflicht, die der Kläger auch dann erfüllen müsse, wenn er anderweitig im Wege des Leiharbeitsverhältnisses bereits eingesetzt werde. Die Einrichtung eines Heimarbeitplatzes sei hierfür weder erforderlich noch vorgesehen. Der Kläger könne die nur kurze Zeit in Anspruch nehmenden Vorarbeiten für die Erstellung der Bewerbungsunterlagen auch ohne Überschreitung der höchstzulässigen Wochenarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz erbringen. Bei welchen Arbeitgebern sich der Kläger bewerben müsse, ergebe sich aus dem anwendbaren TV Ratio.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerechte Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Klageantrag zu 1. ist nicht begründet, da der Kläger der Änderung seiner Arbeitsinhalte mit dem Ziel eines Einsatzes bei V zugestimmt hat. Dies ergibt sich durch Auslegung seiner E-Mail vom 27.04.2004, die nach §§133,157 BGB vorzunehmen ist. Dabei ist auf den Empfängerhorizont eines verständigen, durchschnittlichen Erklärungsempfängers abzustellen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass dem Kläger bereits vor der Ablehnung einer Tätigkeit in B bekannt war, dass zum einen eine weitere Beschäftigung in D nicht möglich sein würde, zum anderen die Beklagte für sich das Recht in Anspruch nahm den Kläger bei einer Ablehnung der Tätigkeit in B in die Beschäftigungseinheit V zu versetzen. Zum Zeitpunkt des Schreibens vom 27.04.2004 hatte der Kläger bereits einen Einsatz in B abgelehnt und wie er selber schreibt, waren Tätigkeiten am Standort D nicht mehr vorhanden. Der ausdrücklichen und nachhaltigen Forderung der Versetzung in die Beschäftigungseinheit V konnte die Beklagten deshalb nur entnehmen, dass zwischen ihr und dem Kläger Einvernehmen darüber herrschte, dass der zukünftige Arbeitplatz des Klägers in der Beschäftigungseinheit V angesiedelt sein sollte. Die Formulierung des Klägers geht weit über das hinaus, was Inhalt des Schreibens gewesen wäre, wenn der Kläger lediglich hätte zum Ausdruck bringen wollen, er akzeptiere die Verlagerung seines Arbeitsplatzes als Gegenstand der Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts. Noch viel weniger ist dem Schreiben zu entnehmen, dass der Kläger sich gegen die Ausübung des Direktionsrechts verwahrt und die Beibehaltung seines Tätigkeitsorts und seiner Tätigkeitsinhalte in D verlangt.

Selbst wenn man der Ansicht wäre, das Schreiben vom 27.04.2004 sei nicht als Zustimmung zur Ausübung des Direktionsrechtes, Änderung der Arbeitsinhalte und Änderung der betrieblichen Zuordnung zu sehen, so hat der Kläger jedenfalls das Recht verwirkt, geltend zu machen, die Beklagte habe mit der Versetzung zu V ihr Direktionsrecht überschritten. Dabei kann dahinstehen, ob die im TV Ratio vorgesehene Verfahrensweise und das hierdurch tarifvertraglich begründete erweiterte Direktionsrecht die Grenzen der Betätigungsfreiheit der Tarifvertragsparteien überschreitet und ein wirksames Direktionsrecht für die Beklagte nicht begründen konnte.

Denn die Voraussetzungen der Verwirkung sind vorliegend gegeben. Zwischen der tatsächlichen Versetzung in die Beschäftigungseinheit V zum 01.06.2004 und der klageweisen Geltendmachung im März 2005, diese Versetzung sei unzulässig, liegt ein erheblicher Zeitraum, in dem der Kläger sich entsprechend den neuen vertraglichen Verpflichtungen verhalten hat. Insbesondere hat er mitgewirkt bei den ihm zugewiesenen Leiharbeitnehmertätigkeiten und nach seinem Vorbringen in der letzten mündlichen Verhandlung sogar bei der Anbahnung des Leiharbeitsverhältnisses zur Firma A Zudem hat die Beklagte Dispositionen getroffen, indem sie den ursprünglichen Arbeitsplatz des Klägers, der nach B verlegt wurde, neu besetzt hat. Auch ist zu berücksichtigen, dass zu der grundgesetzlich geschützten arbeitgeberseitigen Betätigungsfreiheit sowohl die Bestimmung gehört, an welchen Arbeitsorten innerhalb eines Konzern, welche Arbeitsaufgaben erbracht werden, als auch die Entscheidung, Arbeitsaufgaben auf Konzerntöchter oder Drittfirmen zu verlagern und auszugliedern. Denkt man sich den durch den TV Ratio begründeten Arbeitnehmerschutz hinweg, so wäre der Kläger, der nicht bereit war, der Verlegung seiner Arbeitsaufgabe nach B zu folgen und der auch nicht bereit ist, ausgegliederte Arbeitsaufgaben bei einer Konzerntochter zu erbringen, bereits im Laufe des Jahres 2004 betriebsbedingt gekündigt worden.

Zusammengefasst hatte der Kläger damit im April 2004 drei Möglichkeiten: Er konnte das Angebot, nach B versetzt zu werden annehmen, er konnte das Angebot zu V versetzt zu werden annehmen und er konnte beiden Maßnahmen widersprechen und abwarten, welche arbeitsrechtlichen Maßnahmen die Beklagte sodann ergreifen würde. Einen zu diesem Zeitpunkt freien und von seiner Qualifikation her von ihm auszufüllenden Arbeitsplatz hat der Kläger nicht benennen können. Die Beschäftigung auf einem solchen Arbeitsplatz hat der Kläger auch nicht verlangt. Die Beklagte war deshalb auch nicht gehalten, die Versetzung zu V per Änderungskündigung umzusetzen.

Der Antrag zu 2. ist damit ohne weiteres ebenfalls abzuweisen. Durch die einvernehmliche Änderung der Arbeitsinhalte und die vorherige Ablehnung einer Tätigkeit als Revisor in B wird der Kläger derzeit vertragsgerecht eingesetzt. Da die Beklagte am Standort D keine Revisorentätigkeiten mehr benötigt, ist der Antrag darüber hinaus auch auf eine unmögliche Leistung gerichtet, denn die Beklagte ist nicht verpflichtet einen nach B verlegten Arbeitsplatz zurückzuverlegen um dem Kläger eine Beschäftigung, wie er sie vor seiner Versetzung inne hatte zu ermöglichen.

Auch der Antrag auf Entfernung der Abmahnung vom 24.01.2005 ist abzuweisen. Der Inhalt der Abmahnung ist vom Sachverhalt her unstreitig. Zu Recht hat die Beklagte gerügt, dass es eine Nebenpflicht des Klägers aus § 7 Abs. 4 TV Ratio ist, der Beklagten Arbeitsplatzangebote in der Weise zu ermöglichen, dass er bei Bewerbungen durch Fertigung von Bewerbungsunterlagen und Wahrnehmung von Vorstellungsterminen mitwirkt. Denn die Beklagte hat sich verpflichtet, vor Ausspruch einer Beendigungskündigung für Mitarbeiter, die betriebsbedingt ihren Arbeitsplatz verlieren würden, Vermittlungsbemühungen durchzuführen, um möglichst eine zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem Dauerarbeitsplatz, vorrangig innerhalb des Konzerns, zu finden. Nebenpflicht des Klägers ist es, der Beklagten das Angebot von Arbeitsplätzen dadurch zu ermöglichen, dass er die hierfür erforderlichen Mitwirkungsmaßnahmen erbringt. Der Kläger kann sich nicht einem Arbeitsplatzangebot dadurch entziehen, dass er einen potentiellen neuem Arbeitgeber die Möglichkeit der Beurteilung nimmt, ob der Kläger für den Arbeitsplatz überhaupt geeignet ist und zur Besetzung infrage kommt.

Der Kläger war verpflichtet, diese Mitwirkungshandlungen zu erbringen, da der TV Ratio in seiner jeweiligen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Dies ergibt sich aus der Auslegung der Tarifklausel des Arbeitsvertrages. Nach dieser haben die Parteien vereinbart, dass alle auf die Beklagte anwendbaren Tarifverträge im Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden. Eine derartige Arbeitsvertragsklausel ist wirksam. Dies gilt auch für den Fall, dass bei Abschluss des Arbeitsvertrages und Vereinbarung dieser Klausel von den Parteien noch nicht vorhergesehen wurden, welche Entwicklungen die Tarifverträge nehmen werden. Das BAG hat insoweit in seiner Entscheidung vom 27.06.2006 - 3 AZR 255/05 - klargestellt, dass es keine Bedenken an der grundsätzlichen Regelung im Arbeitsvertrag hat, soweit der hierdurch anwendbare Tarifvertrag von einer Gewerkschaft abgeschlossen ist, die im betrieblichen Geltungsbereich nicht nur durch wenige Mitglieder vertreten ist. Auch § 305 c BGB stehe einer solchen Bezugnahmeklausel nicht entgegen. Eine dynamische Verweisung auf tarifvertragliche Regelungen, wie sie hier im Arbeitsvertrag der Parteien vereinbart ist, führt damit zunächst dazu, dass auch der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung Gegenstand der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien ist. Ob einzelne Klauseln dieses Tarifvertrages wirksam sind oder außer Anwendung bleiben, weil sie insoweit die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien überschreiten, ist nach dem vom Kläger gestellten Antrag nicht zu prüfen. Insoweit fehlt es an einer konkreten Einschränkung des klägerischen Vorbringens.

Ein Bestandsschutz dahingehend, dass Tarifverträge die Arbeitsbedingungen nicht verschlechtern können ist von der Rechtsprechung ebenfalls bislang abgelehnt worden. Vielmehr kann unterstellt werden, dass den Arbeitnehmern durch die Organisationsform der Gewerkschaft ein Mittel gegeben ist, ihre Interessen durch Verhandlung oder Arbeitskampf maximal zu verwirklichen. Der TV Ratio spiegelt damit den in der konkreten Situation höchsten erreichbaren Arbeitnehmerschutz vor betriebsbedingten Kündigungen.

Aus der Anwendbarkeit des TV Ratio folgt auch die Abweisung des Feststellungsantrags zu 4.

Selbst wenn man den Antrag des Klägers dahingehend auslegen wollte, er wolle spezifiziert festgestellt haben, dass der Tarifvertrag Rationalisierungsschutz und Beschäftigungssicherung vom 29.06.2002 für den Arbeitgeber nicht ein direktes Direktionsrecht eröffne, einen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, in die Betriebseinheit V zu versetzen, so ist für einen solchen Antrag ein Rechtsschutzbedürfnis nicht ersichtlich, da diese Frage vorliegend bereits durch Abweisung des Klageantrags zu 1. geklärt ist. Ein Rechtschutzinteresse an der Feststellung einer evtl. Teilunwirksamkeit ist deshalb nicht gegeben. Auch wenn der Antrag des Klägers möglicherweise dahin gehen soll, festzustellen, dass aufgrund Ablösung zeitlich aufeinanderfolgender Tarifverträge keine Verschlechterung seiner vertraglichen Position erfolgen dürfe, ist ein Rechtschutzinteresse an dieser Feststellung mangels Konkretisierung nicht erkennbar. In dieser Allgemeinheit wäre ein solcher Antrag aber auch unbegründet, denn unter Beachtung des Rückwirkungsverbotes können Tarifvertragsparteien auch für den jeweiligen Zeitraum innerhalb der ein Tarifvertrag Geltung beansprucht Verschlechterungen zu dem vorherigen Tarifvertrag vorsehen. Im Übrigen hat das BAG in der Entscheidung vom 27.06.2006 - 3 AZR 255/05 - nochmals betont, dass tarifvertragliche Regelungen insgesamt nur eingeschränkt überprüft werden können, da sie sich als Ausformung der Tarifautonomie als Teil der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG darstellen. Den Tarifvertragsparteien steht daher bei der inhaltlichen Gestaltung ihrer Regelungen ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu. Tarifverträge unterliegen keiner Billigkeitskontrolle.

Zudem wäre selbst bei einer partiellen Unwirksamkeit des TV Ratio hinsichtlich der Einräumung des Direktionsrechts zur Versetzung nach V der verbleibende Teil des Tarifvertrages weiterhin anwendbar. Denn die Regelungen, welche Rechte und Pflichten das Arbeitsverhältnis der Parteien prägen, wenn eine Versetzung zu V wirksam durchgeführt ist, ist unabhängig davon, nach welchen Regeln die Zuordnung der Arbeitsverhältnisse erfolgt. Der verbleibende Teil des Tarifvertrages stellt sich zudem für diejenigen Mitarbeiter, die ihren Arbeitsplatz ohne die Regelungen des Tarifvertrages andernfalls verloren hätten, durchaus auch als eine die Arbeitnehmer begünstigende Regelung dar.

Der Antrag zu 5. war als Feststellungsantrag unzulässig. Dem Kläger war es zunächst ohne weiteres möglich zu konkretisieren und darzustellen, welche Vergütungsanteile ihm tatsächlich fehlen und welche er bezahlt verlangt. Ob diese zwischenzeitlich verfallen sind, war vorliegend nicht zu prüfen. Unter Anwendung des Tarifvertrages hat der Kläger erhalten, was ihm zu steht.

Der Hilfsantrag zu 1. ist, wie sich aus den Ausführungen zum Anspruch auf Abmahnungsentfernung entnehmen lässt, ebenfalls nicht begründet. Der Kläger ist nach dem anwendbaren Tarifvertrag verpflichtet, diejenigen Mitwirkungshandlungen vorzunehmen, die es der Beklagten ermöglichen, ihm ein Arbeitplatzangebot zu machen. Es kann dahinstehen, ob diese Nebenpflicht überhaupt auf die höchstzulässige Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche Anrechnung findet. Denn jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, dass ihm die Erfüllung dieser Pflicht deshalb unmöglich ist, weil er in jeder Kalenderwoche 48 Stunden lang eingesetzt ist. Aus diesem Grunde kommt auch die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes nicht in Betracht. Das Schreiben von Bewerbungsunterlagen ist dem Kläger ohne weiteres auch auf seinem Privat-PC zumutbar. Dass er im Besitz eines solchen ist, hat er in der mündlichen Verhandlung erklärt.

Auch der Hilfsantrag zu 8. ist nicht begründet. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Antrag dahingehend auszulegen ist, dass der Kläger, der die Bewerbungsmappen für die Beklagte erstellt, damit geklärt haben will, ob die Beklagte ihm Arbeitsplätze bei anderen Arbeitgebern insbesondere anderen zum Konzern gehörenden Rechtspersönlichkeiten anbieten darf. Wie bereits oben dargestellt, folgt aus der Anwendbarkeit des TV Ratio, dass die Beklagte auch berechtigt ist, dem Kläger Arbeitsplätze bei anderen Rechtspersönlichkeiten als der Beklagten anzubieten. Es kann nicht festgestellt werden, dass es in jedem auch nur denkbaren Fall unzumutbar wäre, dem Kläger ein Angebot bei einem Konzernunternehmen zu unterbreiten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1. ZPO. Die Revision wurde wegen der allgemeinen Bedeutung des Rechtsstreits zugelassen.

Ende der Entscheidung

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