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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 07.05.2007
Aktenzeichen: 2 Sa 69/07
Rechtsgebiete: RTV, ZPO


Vorschriften:

RTV Gebäudereinigerhandwerk § 22
ZPO § 150
ZPO § 167
ZPO § 249
ZPO § 250
Die zweite Stufe (gerichtliche Geltendmachung) einer tarifvertraglichen Verfallfrist wird auch dann eingehalten, wenn Klageerweiterungen zu einem ausgesetzten Verfahren eingereicht werden. Dies gilt zumindest dann, wenn die Schriftsätze trotz Aussetzung zugestellt werden (gegen BAG vom 12.12.2000 - 9 AZR 1/00).
Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgericht Köln vom 01.12.2006 AZ - 5 Ca 216/06 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche der Klägerin aus der Zeit von November 2005 bis einschließlich Juni 2006.

Die Klägerin ist Arbeitnehmerin der Beklagten und als Reinigungskraft zu einer Bruttovergütung von 650,00 € monatlich bei dieser beschäftigt. Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis durch Schreiben vom 22.03.2005 fristlos, hilfsweise fristgerecht zu kündigen versucht. Auf die hiergegen eingelegte Kündigungsschutzklage stellte das Arbeitsgericht Köln am 07.09.2005 (Aktenzeichen - 4 Ca 3005/05 -) fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet wurde. Die Berufung der Beklagten hiergegen wurde durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 08.03.2006 (Aktenzeichen - 8 (2) Sa 1445/05 -) zurückgewiesen. Die hiergegen von der Beklagten eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (Aktenzeichen - 3 AZN 582/06 -) nahm diese am 11.09.2006 zurück.

Bereits mit dem Kündigungsschutzverfahren hatte die Klägerin Vergütungsansprüche bis einschließlich Juli 2005 eingeklagt. In einem weiteren Verfahren (- 12 Sa 207/06 -) wurde ihr von dem Landesarbeitsgericht Köln Lohn aus Annahmeverzug für die Monate August bis Oktober 2005 abzüglich der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 249,30 € netto monatlich zugesprochen. In diesem Verfahren wurde der Leistungsbescheid der Bundesanstalt für Arbeit vorgelegt. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerin vorgetragen, bis einschließlich März 2006 Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 249,30 € netto und für die Zeit von April bis Juni 2006 in Höhe von 299,00 € netto monatlich erhalten zu haben.

Auf das Arbeitsverhältnis ist der Rahmentarifvertrag für das Gebäudereiniger-Handwerk anwendbar. Dieser regelt in § 22 die Ausschlussfristen wie folgt:

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Klägerin habe die Vergütungsforderungen nicht entsprechend der zweiten Stufe der Verfallfrist rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht. Dies sei hinsichtlich der Vergütung für November und Dezember 2005 deshalb der Fall, weil die Klägerin nicht angebe, ob es sich um Brutto- oder Nettolohn handele und in der Klageschrift die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit noch nicht abgezogen wurden. Gleiches gelte auch für die Vergütung des Monats Juni 2006.

Die Vergütung für die Monate Januar bis Mai 2006 seien deshalb nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht, weil die Klägerin die Klageerweiterung zu einem ausgesetzten Verfahren eingereicht habe.

Aus dem Akteninhalt ergibt sich dabei folgende Prozessgeschichte: Am 09.01.2006 ging der Schriftsatz vom 04.01.2006 beim Arbeitsgericht ein, mit dem die Vergütung für die Monate November und Dezember 2005 eingeklagt wurde. Der Schriftsatz wurde der Beklagten unmittelbar am 17.01.2006 zugestellt. Das Arbeitsgericht bestimmte Gütetermin für den 31.01.2006, 09:00 Uhr. An diesem Tag ging um 08:56 Uhr ein Fax der Klägerprozessbevollmächtigten ein, worin sie darum bat, das Verfahren bis zum 09.03.2006 auszusetzen unter Hinweis darauf, dass am 08.03. die mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hinsichtlich des Kündigungsschutzrechtsstreits terminiert war. Für die Beklagte erschien am 31.01.2006 eine Mitarbeiterin mit Vollmacht. Das Protokoll der Güteverhandlung weist nach, dass auf Antrag der Beklagtenvertreterin das Gericht folgenden Aussetzungsbeschluss verkündet hat:

Der Rechtsstreit wird im Hinblick auf das vorgreifliche Kündigungsschutzverfahren, Berufungsaktenzeichen - 2 Sa 1445/05 -, gemäß § 148 ZPO ausgesetzt.

Der Aussetzungsbeschluss wurde der Klägerprozessbevollmächtigten durch formlose Zusendung des Protokolls mitgeteilt.

Am 16.02.2006 ging ein Schriftsatz der Klägerprozessbevollmächtigten vom selben Tag beim Arbeitsgericht ein, mit dem sie unter Angabe des Aktenzeichens des ausgesetzten Verfahrens die Klage um die Vergütung für Januar 2006 erweiterte. Der Schriftsatz wurde der Beklagten am 23.02.2006 zugestellt.

Am 28.03.2006 beantragte die Klägerprozessbevollmächtigte, das ausgesetzte Verfahren fortzusetzen. Gleichzeitig erweiterte sie die Klage um die Februarvergütung 2006. Auf diesen Schriftsatz hin beschloss das Arbeitsgericht die Durchführung eines Kammertermins für den 02.06.2006. Schriftsatz und Ladung zum Termin wurden der Beklagten am 01.04.2006 zugestellt. Das Original der Klageerweiterung wurde darüber hinaus ein weiteres Mal am 06.04.2006 zugestellt.

Am 11.04.2006 ging bei dem Arbeitsgericht eine weitere Klageerweiterung mit Schriftsatz vom selben Tag ein, mit der die Klägerin erneut die Vergütung für den Februar 2006 und darüber hinaus diejenige für den März 2006 einklagte. Dieser Schriftsatz wurde der Beklagten unmittelbar am 24.04.2006 zugestellt. Die Verfügung hierzu datiert vom 13.04.2006. Sie wurde am 18.04.2006 ausgeführt. Bereits am 13.04.2006 war der Bestellungsschriftsatz der Beklagtenprozessbevollmächtigten vom 11.04.2006 beim Arbeitsgericht eingegangen. Hierin verweisen die Beklagtenprozessbevollmächtigten auf die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde und weisen auf den Anspruchsübergang hinsichtlich von Teilen der Vergütung hin. Am 29.05.2006 erweiterte die Klägerin mit Schriftsatz vom gleichen Tag erneut die Klage hinsichtlich der Vergütung für die Monate April und Mai 2006.

In der Kammerverhandlung vom 02.06.2006 erschien für die Beklagte niemand. Ausweislich des Protokolls vertrat das Arbeitsgericht die Ansicht, die Ladung der Beklagtenprozessbevollmächtigten sei erforderlich gewesen, jedoch nicht aus der Akte ersichtlich. Neuer Kammertermin wurde durch verkündeten Beschluss auf den 09.06.2006 anberaumt. Die Klageerweiterung vom 29.05.2006 wurde den Beklagtenprozessbevollmächtigten am 01.06.2006 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 07.06.2006 korrigierte die Klägerin die Zahlungsklage auf einen Gesamtbetrag von 4.005,50 € und ermäßigte den Zinsantrag auf die Zinsen, die sich unter Abzug der jeweilig seitens der Bundesanstalt für Arbeit geleisteten Beträge ergeben. Die Addition der Bruttovergütungssummen ergab jedoch richtigerweise einen Betrag von 7 x 650,00 € = 4.550,00 €.

An der Kammerverhandlung vom 09.06.2006 nahm erneut für die Beklagte niemand teil. Das Gericht wies die Klägervertreterin darauf hin, dass die Klageforderung wohl auf 4.550,00 € brutto korrigiert werden müsse.

Mit Schriftsatz vom 27.06.2006 rügten die Beklagtenprozessbevollmächtigten, dass das Verfahren ihrer Ansicht nach immer noch ausgesetzt sei, da die Rechtskraft des vorgreiflichen Kündigungsschutzverfahrens noch nicht eingetreten sei. Ebenfalls rügten sie, dass ein förmlicher Beschluss zur Aufhebung der Aussetzung fehle.

Das Gericht terminierte den Rechtsstreit auf den 15.09.2006, ohne dass eine Auseinandersetzung mit dem Beklagtenvorbringen erkennbar ist.

Mit Schriftsatz vom 11.07.2006, eingegangen beim Arbeitsgericht am 13.07.2006 erfolgt die Klageerweiterung für die Vergütung des Monats Juni 2006, wobei die Klägerprozessbevollmächtigte die Klagesumme auf 351,00 € nebst Zinsen beschränkt. Aus der Begründung ergibt sich, dass die Klägerin hier einen Lohnanspruch von 650,00 € abzüglich 299,00 € Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit geltend macht. Die Klageerweiterung wurde am 18.07.2006 bei den Beklagtenprozessbevollmächtigten zugestellt. Auf erneute Rüge der Beklagtenprozessbevollmächtigten, dass ein Beschluss zur Fortsetzung des Verfahrens nicht ersichtlich sei, hob das Arbeitsgericht mit Datum vom 24.08.2006 den Aussetzungsbeschluss vom 31.01.2006 ausdrücklich auf.

Die Beklagte vertritt nunmehr die Ansicht, dass die innerhalb der Aussetzungszeit, die vom 31.01. bis zum 24.08.2006 gedauert habe, vorgenommenen Zustellungen frühestens mit der Beendigung der Aussetzung wirksam geworden seien und frühestens zu diesem Zeitpunkt die gerichtliche Geltendmachung im Sinne des § 22 Abs. 2 RTV eingetreten sei. Damit seien jedenfalls für die Monate Januar bis Mai 2006 die Verfallfristen nicht mehr eingehalten worden.

Im Kammertermin erster Instanz, der am 01.12.2006 stattfand, hat die Klägervertreterin sodann die Klageforderung in der Weise umformuliert, dass die Bruttobeträge für die Monate November bis Juni zusammenaddiert in Höhe von 5.200,00 € brutto abzüglich der in der gesamten Zeit erhaltenen Leistungen der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 2.143,50 € beantragt wurden. Dem hat das Arbeitsgericht entsprochen. Zu der Wahrung der Verfallfristen hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Klageerweiterung jedenfalls anhängig geworden sei. Dies reiche, um die Verfallfrist einzuhalten. Hinsichtlich der Leistungen des Arbeitsamtes sei das pauschale Bestreiten der Beklagten nicht ausreichend, da dieser eine Überleitungsanzeige vorliege. In diesem Fall sei die Substantiierungspflicht der Beklagten erhöht.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte erneut unter Vertiefung ihrer bereits erstinstanzlich geäußerten Rechtsansichten die vollständige Klageabweisung. Zu der Frage, ob eine rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung im Sinne der zweiten Stufe der Verfallfrist gegeben ist, wenn die Geltendmachung durch Klageerweiterung zu einem ausgesetzten Verfahren erfolgt, verweist die Beklagte auf das Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 12.12.2000 - 9 AZR 1/00 -.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.12.2006, AZ 5 Ca 216/06, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurück zu weisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige und fristgerechte Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Die Klägerin hat die zweistufige Verfallfrist des § 22 RTV Gebäudereiniger-Handwerk eingehalten. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass die erste Stufe der Verfallfrist, die Geltendmachung gegenüber dem Vertragspartner in der Erhebung der Kündigungsschutzklage liegt (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts z. B. BAG vom 11.12.2001 - 9 AZR 510/00 - m. w. N.).

Hinsichtlich der Gehaltsbestandteile für die Monate November und Dezember 2005 sowie Juni 2006 hat die Klägerin auch die zweite Stufe der Verfallfrist unzweifelhaft eingehalten. In den Fällen, in denen die erste Stufe der Verfallfrist durch Klageerhebung im Kündigungsschutzverfahren und Klageabweisungsantrag der Beklagten als eingehalten angenommen wird, ist für den Fristbeginn der zweiten Stufe die Fälligkeit des jeweiligen Anspruchs maßgeblich. Nach § 8 Abs. 2 RTV wird der Lohn, da die Lohnperiode für die Klägerin der Kalendermonat ist, spätestens am 15. des Folgemonats fällig. Die Verfallfrist lief damit jeweils zwei Monate nach dem 15. des Folgemonats ab. Unabhängig von der Frage, ob es für die gerichtliche Geltendmachung der Forderung auf den Eingang des Klageschriftsatzes bei Gericht oder die tatsächliche Zustellung beim Arbeitgeber ankommt, ist diese Frist eingehalten worden. Dies gilt auch für die Vergütung für Juni 2006, da spätestens mit der ausdrücklichen Aufhebung der Aussetzung durch Beschluss vom 24.08.2006 die zwischenzeitlich vorgenommene Zustellung, selbst wenn sie fehlerhaft war, geheilt wurde und diese Heilung noch innerhalb der Ausschlussfrist bis zum 15.09.2006 lag.

Der Vergütungsanspruch für die Monate November, Dezember 2005 sowie Juni 2006 scheitert auch nicht daran, dass die Klägerin zunächst nicht angegeben hatte, ob es sich um eine Brutto- oder Nettovergütung handelt. Zum einen ist der Klageantrag ohne weiteres als Bruttoforderung auszulegen, denn der Beklagten war selber am Besten bekannt, welche vertraglichen Abreden zwischen den Parteien in der Vergangenheit bestanden. Zudem wäre eine eventuelle Zuvielforderung, die daraus resultieren könnte, dass die Klägerin zunächst Nettovergütung beansprucht hätte, möglicherweise zwar teilweise unbegründet gewesen. Die Wahrung der Verfallfristen wäre durch eine Zuvielforderung jedoch nicht zweifelhaft gewesen. Denn eine Zuvielforderung stellt kein aliud zu eine späteren geringeren Forderung dar. Auch die nachträgliche Korrektur der Klageforderung im Hinblick auf die von der Bundesanstalt für Arbeit bezogenen Leistungen führt nicht zu dem Eingreifen der Verfallfristen, sondern allenfalls dazu, dass die Klägerin bei Beginn des Prozesses in einzelnen Monaten eine überhöhte Forderung eingeklagt hatte.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch die Höhe der übergegangenen Forderung als durch die Beklagte nicht hinreichend substantiiert bestritten angesehen. Zum einen ist in dem Verfahren - 12 Sa 207/06 - Landesarbeitsgericht Köln der bis einschließlich März 2006 gültige Arbeitslosengeldbescheid vorgelegt worden. Wenn die Beklagte geltend machen will, dass die Klägerin für die Zeit danach tatsächlich noch höhere Leistungen als die von der Klägerin angegebenen 299,00 € monatlich bezogen hat, wäre es Sache der Beklagten gewesen hierzu beziffert darzustellen, in welcher Höhe sie durch die Bundesanstalt für Arbeit in Anspruch genommen wird.

Auch hinsichtlich der Monate Januar bis Mai 2006 hat die Klägerin die zweite Stufe der Verfallfrist aus § 22 RTV Gebäudereiniger-Handwerk gewahrt.

Zunächst lässt sich vertreten, dass der Aussetzungsbeschluss vom 31.01.2006 nur bis zum 09.03.2006 befristet war. Die Aussetzung eines Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit nach § 148 ZPO ist durch das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen vorzunehmen. Dabei erstreckt sich dieses Ermessen nicht nur darauf, ob überhaupt eine Aussetzung in Frage kommt, sondern auch, wie lange ein sachdienlicher Aussetzungszeitraum zu bemessen ist. So ist es nicht zwingend, einen Rechtsstreit bis zur Rechtskraft des vorgreiflichen Verfahrens auszusetzen. Denkbar ist es auch, die Aussetzung bis zur mündlichen Verhandlung im vorgreiflichen Verfahren zu beschränken, weil wegen der langen eigenen Terminierungsfristen des Gerichts mit dem Eintritt der Rechtskraft zwischen dem Fristablauf der Aussetzung und dem durchzuführenden Kammertermin zu rechnen ist. Auch kann bei der Abwägung zwischen dem Interesse an der zügigen Beendigung des ausgesetzten Rechtsstreits und dem Interesse, widersprechende Entscheidungen und unnötige Berufungskosten einzusparen angesichts der geringen Erfolgsquote von Nichtzulassungsbeschwerden anders zu gewichten ist, als vor mündlicher Verhandlung des vorgreiflichen Verfahrens.

Der Beklagten ist zuzugeben, dass dem Aussetzungsbeschluss vom 31.01.2006 ein konkretes Beendigungsdatum nicht zu entnehmen ist. Allenfalls die unmittelbare Terminierung auf den klägerischen Schriftsatz vom 28.03.2006 kann als Indiz gewertet werden, dass die erstinstanzliche Kammer das Kündigungsschutzverfahren nur so lange für vorgreiflich hielt, so lange das Landesarbeitsgericht noch keine Entscheidung verkündet hatte. In diesem Fall endete die Wirkung des Aussetzungsbeschlusses mit dem 08.03.2006. Die Zustellung der Klageerweiterung für den Januar 2005 vom 23.02.2006 wurde spätestens am 08.03.2006 geheilt. Alle weiteren Zustellungen erfolgten außerhalb der Aussetzungsfrist. Gegen eine solche Auslegung spricht allerdings, dass der Beschluss auf den uneingeschränkten Antrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 31.01.2006 erfolgte. Eine Entscheidung, ob der Aussetzungsbeschluss von vorneherein bis zum 08.03 2006 befristet war, kann allerdings dahin stehen.

Denn selbst wenn man den Beschluss vom 31.01.2006 so auslegt, das vorliegende Verfahren sei bis zur Rechtskraft im Kündigungsschutzverfahren ausgesetzt, so lässt sich weiterhin vertreten, dass bereits durch den Terminierungsbeschluss vom 29.03.2006, mit dem Kammertermin auf den 02.06.2006 anberaumt wurde, der Aussetzungsbeschluss auf Antrag der Klägerprozessbevollmächtigten aufgehoben wurde. Auch hier kann festgestellt werden, dass der Terminierungsbeschluss des Gerichts eine ausdrückliche Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses nach § 150 ZPO dem Wortlaut nach nicht enthält. Es bestehen aber keine Bedenken, in dem Terminsantrag der Klägerin den Antrag auf Aufhebung der Aussetzung zu sehen (Zöller/Greger ZPO, 25. Aufl., § 150 Rdnr. 2). Die Reaktion auf diesen Antrag in der Form des Terminierungsbeschlusses enthält damit auch konkludent die Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses. Das Gericht gibt dem Verfahren Fortgang.

Der Auslegung des Terminierungsbeschlusses als Aufhebungsbeschluss hinsichtlich der Aussetzung des Verfahrens steht zunächst nicht § 250 ZPO entgegen. Da es sich um eine Aussetzung im Ermessen des Gerichts und nicht um eine zwingende Aussetzung handelt, bedurfte es eines zuzustellenden Aufnahmeschriftsatzes im Sinne des § 250 ZPO nicht. Vielmehr konnte das Gericht nach sachdienlichem Ermessen dem Verfahren selbst Fortgang geben (vgl. Musilack, Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2007, § 150 Rdnr. 2). Gegen eine solche Auslegung des Terminierungsbeschlusses könnte allerdings der ausdrückliche Aufhebungsbeschluss, der erst am 24.08.2006 gefasst wurde, sprechen. Einerseits ist damit festzustellen, dass das Gericht auf den klägerischen Antrag am 28.03.2006 dem Verfahren unverzüglich Fortgang geben wollte, anderseits war dieses Verhalten für die Beklagtenseite ebenso wenig eindeutig zu interpretieren, wie der Aussetzungsbeschluss selbst, wie sich aus dem Schriftsatz der Beklagtenprozessbevollmächtigten vom 11.04.2006 ergibt. Denn in diesem Schriftsatz weisen die Prozessbevollmächtigten daraufhin, dass der vorgreifliche Rechtsstreit noch nicht mit Rechtskraft entschieden ist.

Letztlich wird man in diesem Zusammenhang jedoch auch die Ansicht vertreten können, der Aufhebungsbeschluss hinsichtlich einer im Ermessen des Gerichts stehenden Aussetzung des Verfahrens müsse so klar formuliert sein, dass auch für die Partei, die an der Aussetzung des Verfahrens festhalten möchte, erkennbar ist, dass nunmehr die Wirkungen der Aussetzung nach § 249 ZPO nicht mehr gegeben sind.

Geht man somit davon aus, dass der Aussetzungsbeschluss nicht lediglich bis zum 09.03.2006 befristet war und erst mit dem 24.08.2006 seine Wirkung verloren hat, ist die Frage zu beantworten, ob die Klageerweiterungen, die während der Dauer der Aussetzung bei Gericht eingegangen sind und vom Gericht auch bei der Beklagten bzw. ihren Prozessbevollmächtigten zugestellt wurden, die tarifliche Verfallfrist einhalten konnten. Dies hängt zunächst davon ab, ob man für die gerichtliche Geltendmachung im Sinne des § 22 MTV Gebäudereiniger-Handwerk zur Wahrung der Ausschlussfrist den Eingang des klageerweiternden Schriftsatzes bei Gericht als erforderlich ansieht oder aber das Rechtshängig werden des Streitgegenstandes und damit auch die erfolgreiche Zustellung bei dem Anspruchsgegner. Im ersteren Falle wären die Klageerweiterungen auch während der Aussetzungszeit rechtzeitig und wirksam gewesen, denn gemäß § 249 ZPO sind die während der Aussetzung vorgenommenen Prozesshandlungen nur gegenüber der anderen Partei ohne rechtliche Wirkung, nicht aber gegenüber dem Gericht. Auch werden Zustellungen, die das Gericht trotz Aussetzung vornimmt jedenfalls mit der Aufhebung der Aussetzung wirksam (vgl. BAG vom 12.12.2000 - 9 AZR 1/00 - 25).

Verlangt man für die gerichtliche Geltendmachung sowohl den Eingang der Klageschrift bei Gericht als auch die wirksame Zustellung beim Anspruchsgegner innerhalb der tariflich vorgesehenen Verfallfrist, hat die Klägerin die Frist für die Vergütung der Monate Januar bis Mai 2006 nicht eingehalten, wenn man nicht auch § 167 ZPO auf die tarifvertragliche Frist anwendet. Für die Anwendung von § 167 ZPO spricht, dass die Ausschlussfrist als Klagefrist auf das Prozessrecht Bezug nimmt und der Arbeitnehmer nach Eingang der Klageschrift bei Gericht keinen Einfluss mehr auf die Umstände des Zustellungsverfahrens hat (vgl. auch Preis Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 218 BGB Unwirksamkeit des Rücktritts Rdnr. 69).

Da die Klägerin im vorliegenden Fall ihren Aufhebungsantrag hinsichtlich des Aussetzungsbeschlusses bereits am 28.03.2006 gestellt hatte und zudem nach ständiger Rechtsprechung die weitere Aussetzung von Zahlungsklagen nach positiver erstinstanzlicher Entscheidung der Kündigungsschutzklage regelmäßig ermessensfehlerhaft ist (vgl. LAG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.08.2003 - 11 Ta 267/03 - NZA-RR 2004, Seite 264) durfte die Klägerin darauf vertrauen, dass die Klageerweiterungen zum ausgesetzten Verfahren jedenfalls ab Stellung des Aufhebungsvertrages zu einer demnächstigen Zustellung im Sinne des § 167 ZPO führen würden. Die Verzögerung ist nicht durch ein Verschulden der Klägerin oder deren Vertreterin eingetreten, sondern deshalb, weil das Arbeitsgericht einen förmlichen Aufhebungsbeschluss hinsichtlich der Aussetzung erst am 23.08.2006 für erforderlich gehalten hat, obwohl es dem Verfahren unmittelbar durch Terminierungsbeschluss am 29.03.2006, welcher schon am 01.04.2006 zugestellt wurde, Fortgang gegeben hat.

Zusätzlich vertritt die erkennende Kammer jedoch auch die Ansicht, dass sich durch Auslegung der § 22 Abs. 2 RTV Gebäudereiniger-Handwerk ergibt, dass eine ausreichende gerichtliche Geltendmachung jedenfalls dann vorliegt, wenn die Klage bei Gericht eingegangen ist und der Beklagte zumindest Kenntnis von dem Klageeingang erlangt hat. Bereits in der Entscheidung vom 16.01.2003 (- 2 AZR 735/00 -) hat der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts für eine gleichformulierte Klausel entschieden, dass bei der Auslegung des Begriffs "gerichtlich geltend machen" die Nähe zu den Verjährungsvorschriften zu berücksichtigen ist. Der Begriff der gerichtlichen Geltendmachung wird dabei weiter gesehen als der Rechtsbegriff der Klageerhebung. Nach der oben genannten Entscheidung des 2. Senates vom 16.01.2003 ist dabei schon die Streitverkündung ausreichend, die Erwartung eines Arbeitgebers, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, zu verneinen.

Sieht man den Sinn der zweiten Stufe der Ausschlussfrist darin, den Arbeitnehmer noch einmal endgültig zu einer Entscheidung zu veranlassen, ob ein Rechtsstreit um die Forderung geführt werden soll oder ob diese gänzlich erledigt ist, so kann auch eine Klageerweiterung zu einem ruhenden Verfahren die tarifliche Verfallfrist einhalten. Denn der Arbeitgeber hat kein schutzwürdiges Vertrauen, nach Ende der Aussetzung nicht mehr mit der Forderung konfrontiert zu werden.

Zunächst ist bei zweistufigen Ausschlussfristen zu berücksichtigen, dass durch die Einhaltung der ersten Stufe bereits das schutzwürdige Vertrauen darauf, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, in ausreichendem Maße zerstört worden ist. Berücksichtigt man, dass die Durchführung von Zustellungen je nach Belastung des Gerichtsbetriebs auch mehrere Wochen dauern kann, kommt es für die Einhaltung der zweiten Stufe der tarifvertraglichen Verfallfrist nicht so sehr auf das Zustellungsdatum beim Arbeitgeber an als darauf, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Frist alles erforderliche getan hat, um das Gericht mit der Rechtssache zu befassen.

Insbesondere dadurch, dass im konkreten Fall die Klageerweiterung jeweils auch zugestellt wurden, erscheint es auch rechtsmissbräuchlich seitens der Beklagten, sich darauf zu berufen, es bestehe ein schutzwertes Vertrauen, nicht mehr von der Klägerin hinsichtlich der Annahmeverzugslohnansprüche in Anspruch genommen zu werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass insbesondere die Entscheidung der Klägerin, die weiteren Monatsvergütungen im selben Verfahren durch Klageerweiterung rechtshängig zu machen sowohl im eigenen als auch im Beklagteninteresse lag, da die Kosten für fünf oder sieben einzelne Verfahren nach einem Streitwert von 650,00 € deutlich über den Kosten für die addierte Summe von 5.200,00 € liegen. Erst durch die Zusammenfassung der einzelnen Monatsvergütungen konnte die Beklagte auch die Berufungssumme überhaupt erreichen.

Für eine weite Auslegung des Begriffes "gerichtliche Geltendmachung" aus § 22 Abs. 2 RTV Gebäudereiniger-Handwerk spricht auch, dass die enge Auslegung, die der 9. Senat des Bundesarbeitsgerichts am 12.12.2000 (- 9 AZR 1/00 -) vorgenommen hat, im Einzelfall je nach örtlicher Gerichtsorganisation sogar dazu führen kann, dass ein Arbeitnehmer die tarifliche Ausschlussfrist überhaupt nicht einhalten kann. Denn bei einem Geschäftsverteilungsplan, der die automatische Zuordnung von Parallelverfahren zur führenden Kammer vorsieht, erscheint es ohne weiteres möglich, dass selbst als neue Klage eingereichte Zahlungsklagen zu einem ausgesetzten Parallelverfahren verbunden werden, ohne dass die Klageschrift vor der Verbindung zugestellt wird. Selbst wenn ein Arbeitnehmer grundsätzlich mit der Aussetzung einverstanden ist, müsste er gegen die vorzeitige Verbindung der Verfahren oder oder gegen eine vorzeitige im vermuteten Einverständnis mit den Parteien angeordnete Aussetzung des Folgeverfahrens erst Beschwerde einlegen, um noch eine Zustellung vor Ablauf der Verfallfrist zu erreichen. Eine Auslegung des Tarifvertrages, die zur Unmöglichkeit der Wahrung der zweiten Stufe der Verfallfristen führt, ist nicht sachgerecht. Tarifverträge sind auch so auszulegen, dass sie zu praktikablen Ergebnissen führen (BAG 21. März 2001 - 10 AZR 41/00 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 75 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 43).

Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des 8. Senats vom 13.02.2003 (- 8 AZR 236/02 -) ergibt sich, dass vorliegend die Klageerweiterung zu einem ausgesetzten Verfahren jedenfalls den Zweck der zweistufigen Ausschlussfrist dann erfüllt, wenn die Klage sogleich oder nach Aufhebung der Aussetzung zugestellt wird. Denn die zweistufige tarifliche Ausschlussfrist dient zum einen dazu, dem Schuldner Klarheit darüber zu verschaffen, ob die Angelegenheit mit der Ablehnung der zunächst schriftlich geltend gemachten Forderung erledigt ist und zum anderen dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, die Begründetheit und die Erfolgsaussichten des vom Gläubiger erhobenen Anspruchs dem Grunde und der Höhe nach Prüfen zu können. Vorliegend hatte die Beklagte jeweils noch innerhalb der tariflichen Frist ein Exemplar der jeweiligen Klageerweiterung zugestellt erhalten bekommen. Hieraus konnte sie sowohl entnehmen, dass die Klägerin ihre Ansprüche mit Hilfe des Gerichts weiter verfolgen wollte, als auch, mit welcher Begründung die Klägerin ihre Forderung durchzusetzen suchte. Letztlich hat die Klägerin durch die Klageerweiterungen zum ausgesetzten Verfahren nicht nur Kosten für die Beklagte erspart, sondern auch erheblichen Zeitaufwand, denn bei jeweiliger Neuerhebung der Klage, hätte in jedem Einzelfall die Aussetzung geprüft werden müssen. Die Beklagte hätte hierzu angehört werden müssen, eine Stellungnahme abgeben müssen sowie abhängig vom jeweiligen Geschäftsverteilungsplan des Gerichts möglicherweise auch noch bei unterschiedlichen Kammern zu jeweils einzelnen Terminen erscheinen müssen.

Damit war die Forderung in dem zuletzt beantragten Umfang insgesamt begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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