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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 30.07.2004
Aktenzeichen: 2 Ta 219/04
Rechtsgebiete: EuGVVO


Vorschriften:

EuGVVO Art. 5
EuGVVO Art. 21
Es besteht keine logische Reihenfolge, ob zunächst die zuständige Gerichtsbarkeit oder zunächst die internationale Zuständigkeit zu prüfen ist. Gibt es keinen internationalen Gerichtsstand in Deutschland, kann auch keine Gerichtsbarkeit zuständig sein. Dies festzustellen muss aber irgendeinem Gericht in Deutschland möglich sein. Hierzu kann sich ein Arbeitsgericht zunächst auf Grund der sic-non-Rechtsprechung für zuständig erklären. Die internationale Zuständigkeit kann aber nicht in den sic-non-Fällen dahingestellt bleiben, sondern die Arbeitnehmereigenschaft ist positiv festzustellen.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Ta 219/04

In Sachen

hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln am 30.07.2004 - ohne mündliche Verhandlung - durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Olesch als Vorsitzende

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 14.06.2004 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 18.05.2004 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I. Im vorliegenden Verfahren verfolgt die Klägerin, die in Gelsenkirchen wohnhaft ist, vor dem Arbeitsgericht Köln einen Anspruch auf Statusfeststellung als Arbeitnehmerin sowie eine Kündigungsschutzklage. Die Beklagte hat ihren Geschäftssitz in London, GB. Die Klägerin war überwiegend in Gelsenkirchen und Oberhausen tätig und befüllte Verkaufsstände der Firma B mit Modeschmuck und Accessoire.

Vor der Tätigkeit für die Beklagte war die Klägerin nach ihrer Behauptung in gleicher Funktion für die Firma B B beschäftigt. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wertete diese Tätigkeit mit Bescheid vom 13.11.2002 als sozialversicherungspflichtig.

Die Klägerin behauptet, obwohl zwischen den Parteien vertraglich freie Mitarbeit vereinbart worden sei, übe die Beklagte über einen Ansprechpartner in Köln ein Direktionsrecht hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Tätigkeit aus, so dass es sich in Wahrheit nicht um eine freiberufliche Tätigkeit handele, sondern um ein Arbeitsverhältnis. Die Beklagte bestreitet dies und behauptet insbesondere, die Klägerin habe ihre Arbeitsweise und Arbeitszeit frei einteilen können und neben ihrer Tätigkeit auch für andere Unternehmen arbeiten können. Zudem sei im Vertrag London als Gerichtsstand und englisches Recht bestimmt. In Köln unterhalte sie keinerlei Niederlassung. Die Klägerin sei auch nicht in Köln tätig gewesen. Anweisungen seien nicht erteilt worden.

Durch Beschluss vom 18.05.2004 hat das Arbeitsgericht Köln zunächst festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist. Es hat sich hierbei auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum sog. "sic-non" Fall berufen. Diese Rechtsprechung besagt, dass in dem Fall, dass die Arbeitnehmereigenschaft sowohl für die materielle Begründetheit der Klage als auch für die Zulässigkeit des Rechtswegs entscheidungserheblich ist, die Zulässigkeit des Rechtswegs zu unterstellen ist, damit ein materielles Urteil gefällt werden kann. Eine Prüfung, ob tatsächlich eine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt, erfolgt bei der Bejahung der sog. "sic-non" Zuständigkeit noch nicht.

Dieser Beschluss wurde der Beklagten am 03.06.2004 zugestellt. Die sofortige Beschwerde hiergegen ging am 14.06.2004 beim Arbeitsgericht in Köln ein.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist zulässig und fristgerecht erhoben, jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht Köln hat durch den angegriffenen Beschluss vorab nur über die Frage entschieden, welche Gerichtsbarkeit für die weitere Behandlung des Rechtsstreites zuständig ist. Damit ist nicht entschieden, ob überhaupt in Deutschland ein Gerichtsstand auf Grund internationaler Zuständigkeit gegeben ist, sowie ob dieser Gerichtsstand in Köln oder an einem anderen Ort in der Bundesrepublik Deutschland liegt. Auch nicht entschieden ist, ob die Klägerin tatsächlich Arbeitnehmerin ist oder nicht.

Die Frage, ob die Entscheidung über die zuständige Gerichtsbarkeit (ordentliche Gerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit...) vor der internationalen Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu prüfen ist oder ob dieses erst nachrangig erfolgt, ist streitig (vgl. Linke IZPR, 3. Auflage, Rdnr. 68; Geimer IZPR, 4. Auflage, Rdnr. 846). Die erkennende Kammer schließt sich der Ansicht von Geimer an, wonach eine logische Priorität nicht zwingend gegeben ist. Letztlich muss irgendein Gericht in Deutschland damit befasst werden können festzustellen, ob die internationale Zuständigkeit gegeben ist. Liegt die internationale Zuständigkeit in Deutschland, setzt dies auch voraus, dass in Deutschland eine Gerichtsbarkeit für den Rechtsstreit zuständig ist. In diesem Fall ist ein logischer Vorrang der Prüfung einer dieser beiden Tatbestände nicht ersichtlich. Gibt es in Deutschland überhaupt keinen Gerichtsstand, so wäre hierfür auch keine Gerichtsbarkeit zuständig. Ist eine Klage deshalb wegen mangelnder internationaler Zuständigkeit abzuweisen, spielt es letzlich auch keine Rolle, welches Gericht hierüber entscheidet. Eine zwingende Notwendigkeit zuerst über die internationale Zuständigkeit zu entscheiden folgt hieraus nicht, da bei einem Fehlen jedes Gericht in Deutschland unzuständig ist.

Das Arbeitsgericht konnte deshalb für die vorab von ihm geprüfte Frage der Zuständigkeit der Gerichtsbarkeit zunächst von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu den sog. "sic-non" Fällen ausgehen. Danach kann die Arbeitsgerichtsbarkeit den Sachverhalt weiter prüfen. Das Arbeitsgericht wird dabei allerdings zu berücksichtigen haben, dass sich die internationale Zuständigkeit aus der Verordnung Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen richtet. Danach ist für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeit die "sic-non" Entscheidung nicht zulässig. Vielmehr ist die Arbeitnehmereigenschaft vertragsautonom positiv festzustellen, gegebenenfalls auch durch Beweisaufnahme. Hierzu werden sowohl die Klägerin als auch die Beklagte noch weiteren Vortrag zu leisten haben. Insbesondere wird das Arbeitsgericht zu prüfen haben, ob eine Zuständigkeit in Köln aus Art. 5 Nr. 5 EuGVVO gegeben ist und ob die im Vertrag der Parteien enthaltene Derogation (Ausschluss der internationalen Zuständigkeit in Deutschland) nach Art. 21 EuGVVO unwirksam ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil des Hauptsachverfahrens. Gegen die Entscheidung wurde die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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