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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Beschluss verkündet am 02.03.2009
Aktenzeichen: 2 TaBV 111/08
Rechtsgebiete: ArbGG, BetrVG


Vorschriften:

ArbGG § 98
BetrVG § 109
Die Einigungsstelle nach § 109 BetrVG ist dann offensichtlich unzuständig, wenn mangels konkretem Auskunftsverlangen nicht feststellbar ist, ob überhaupt eine Meinungsverschiedenheit über die Auskunftsverpflichtung gegeben ist.

Unzuständig ist die Einigungsstelle auch, soweit lediglich die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Tatbestandes begehrt wird (erteilte Auskunft hätte früher gegeben werden müssen). Der Antrag zur Einsetzung der Einigungsstelle muss vielmehr so konkret gestellt sein, dass diese zu einem konkreten Auskunftsverlangen beurteilen kann, ob die Auskunft unzumutbar ist, derzeit noch nicht gegeben werden muss oder durch eine Erteilung Geschäftsgeheimnisse verletzt würden, ob also der konkreten Frage Schutzrechte des Arbeitgebers entgegen stehen.


Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 05.11.2008 - 5 BV 314/08 - abgeändert und der Antrag abgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle nach § 109 BetrVG. Der Antragsteller ist der im Betrieb der Antragsgegnerin gebildete Betriebsrat, der auf der Grundlage eines Tarifvertrages bundesweit zuständig ist für alle Betriebe und Betriebsstätten der Antragsgegnerin (Arbeitgeberin).

Die Arbeitgeberin beabsichtigt, eine Betriebsänderung in Form der Zusammenfassung aller bisherigen Standorte an nur noch verbleibenden 2 Standorten und hiermit verbunden einen Personalabbau im Overhead (sog. Projekt "F ") durch zu führen.

Der Wirtschaftsausschuss wurde erstmals am 04.09.2008 mit einer 7-seitigen Präsentation informiert. Mit Schreiben vom 17.09.2008 forderte der Wirtschaftsausschuss die Arbeitgeberin auf, ihm bis zum 26.09.2008 den vollständigen Business-Case vorzulegen. Unter dem 12.09.2008 erhielt der Wirtschaftsausschuss einen Überblick über den F -Business-Case. Am 17.09.2008 informierte die Arbeitgeberin den Wirtschaftsausschuss erneut mündlich. Am 10.10.2008 beantragte der Antragsteller beim Arbeitsgericht Bonn die Einrichtung der Einigungsstelle. Von den ursprünglich angekündigten Anträgen verfolgt der Betriebsrat dabei nur noch den seinerzeit unter der Ziffer 1 b) beantragten Antrag weiter, nämlich dem Wirtschaftsausschuss den vollständigen Business-Case zum Projekt F nebst der Wirtschaftlichkeitsberechnung dieses Projekts vorzulegen und die beabsichtigten Maßnahmen umfassend zu erläutern und zu begründen. Am 17.10.2008 fand in P eine Klausurtagung statt. Bei dieser Klausurtagung erhielt der Betriebsrat eine 14-seitige Version der Planungen, die mit "F -Business-Case" überschrieben ist. Diese Planungen wurden erläutert.

Mit Schreiben vom 16.10.2008 hatte der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses einen 18 Punkte umfassenden Fragenkatalog an die Arbeitgeberin zusammengestellt. Die Arbeitgeberin beantwortete diesen Fragenkatalog mit Schreiben vom 21.10.2008 per Mail. Am 22.10.2008 stellte der Betriebsrat neue Fragen bzw. ergänzende Fragen zu den bisherigen Fragepunkten. Diese wurden am 24.10.2008 beantwortet. In beiden Antwortschreiben erklärte die Arbeitgeberin, dass sie für weitere Rückfragen jederzeit gerne zur Verfügung stehe. Mit Schreiben vom 31.10.2008 erweiterte der Betriebsrat seine Anträge im Beschlussverfahren dahingehend, dass die Einigungsstelle auch zu dem Thema, festzustellen, dass die vom Wirtschaftsausschuss mit Schreiben vom 16.10.2008 verlangte Auskunft (Fragenkatalog) ungenügend erteilt worden ist, eingesetzt werden solle.

Das Arbeitsgericht verkündete am 05.11.2008 folgende Entscheidung:

Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle gemäß § 109 BetrVG zu dem Thema:

1. a) Verpflichtung der Antragsgegnerin, dem Wirtschaftsausschuss den vollständigen Business-Case zum Projekt "FIT" nebst der Wirtschaftlichkeitsberechnung dieses Projekts vorzulegen und die beabsichtigten Maßnahmen umfassend zu erläutern und zu begründen sowie

b) festzustellen, dass die vom Wirtschaftsausschuss mit Schreiben vom 16.10.2008 verlangte Auskunft (Fragenkatalog) ungenügend erteilt worden ist, wird Herr Dr. H , Direktor des Arbeitsgerichts Köln, bestellt.

2. Die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle wird für jede Betriebspartei auf drei festgesetzt.

3. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin. Sie trägt weiter vor, dass am 06.11.2008 in T eine mehrstündige Sitzung zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrats stattgefunden hat, bei der die Vertreter des Wirtschaftsausschusses anwesend waren. Hierbei seien die Fragen des Betriebsrats solange beantwortet worden, bis keinerlei weitere Fragen mehr gestellt worden seien. Auch in der Folgezeit sei ein neuer Fragenkatalog nicht eingereicht worden. Am 27.02.2009 seien erneut bei einer gemeinsamen Sitzung einzelne Fragen durch den Betriebsrat gestellt worden, die ebenfalls beantwortet wurden.

Die Arbeitgeberin hat zudem im Beschwerdeverfahren klar gestellt, dass sie sich weder darauf berufe, die begehrten Informationen gehörten nicht zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten im Sinne des § 106 BetrVG noch mache sie geltend, dass ein Auskunftsverweigerungsrecht wegen der Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen bestehe. Sie sei weiterhin auch bereit, konkrete Fragen entsprechend den bisher vorliegenden Fragenkatalogen zu beantworten, so dass es an einem Streit bzw. an Meinungsverschiedenheiten im Sinne des § 109 BetrVG bereits fehle.

Hiergegen verteidigt sich der Betriebsrat allein mit der Erklärung, es sei Aufgabe der Einigungsstelle, die Frage, ob der Wirtschaftsausschuss rechtzeitig oder vollständig unterrichtet worden sei, zu entscheiden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Bonn vom 05.11.2008 in der Fassung des Beschlusses vom 17.11.2008 - 5 BV 314/08 - teilweise aufzuheben und die Anträge des Beteiligten zu 1. insgesamt zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die zulässige und fristgerechte Beschwerde ist begründet. Die Einigungsstelle ist offensichtlich nicht zuständig i.S. d. § 98 Abs.1 S.2 ArbGG, da nicht hinreichend konkret gekennzeichnet ist, welche zum derzeitigen Zeitpunkt noch fehlenden Informationen von der Arbeitgeberin konkret verweigert werden.

Wie bereits das Arbeitsgericht hinsichtlich des ursprünglich zu 1. a) gestellten Antrags festgestellt hat, ergibt sich keine Zuständigkeit der Einigungsstelle, soweit zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin streitig ist, ob tatsächlich erteilte Informationen zu einem früheren Zeitpunkt hätten erteilt werden müssen. Vielmehr kann die Einigungsstelle nach § 109 S. 1 BetrVG wegen des Zeitpunkts der Informationserteilung (rechtzeitig) nur dann eingesetzt werden, wenn eine begehrte Auskunft vom Arbeitgeber verweigert wird und dieser sich dabei darauf beruft, dass Informationsverlangen des Betriebsrats sei vorzeitig. Hinsichtlich tatsächlich schon erteilter Auskünfte kommt die Einsetzung einer Einigungsstelle zu der Frage, ob sie noch früher als tatsächlich hätten erteilt werden müssen, nicht in Betracht. Das Auskunftsverlangen ist erledigt.

Die Einsetzung der Einigungsstelle nach § 109 BetrVG kommt nur dann in Betracht, wenn zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch eine Meinungsverschiedenheit darüber besteht, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, ein konkretes Auskunftsverlangen des Betriebsrats nicht zu beantworten (vgl. Hess/Schlochauer/Worzalla/Glock/Nicolai BetrVG, 17. Aufl., § 109 Rz. 2). Die Entscheidung der Einigungsstelle schafft dann einen vollstreckbaren Titel, aus dem sich ergibt, ob der Arbeitgeber überhaupt zur Auskunftserteilung verpflichtet ist, wann ggf. diese Auskunft erteilt werden soll, in welcher konkreten Weise und ggf. unter Vorlage welcher Unterlagen die Auskunft zu erteilen ist. Dementsprechend muss auch der Antrag zur Einsetzung der Einigungsstelle in gleicher Weise konkret benennen, welche konkreten Auskünfte verweigert wurden bzw. noch nicht erteilt wurden oder welche konkreten Unterlagen zusätzlich zu den bereits erteilten Auskünften gefordert werden. Die Einigungsstelle entscheidet dann darüber, ob der Unternehmer eine Auskunft deshalb nicht zu erteilen braucht, weil sie ggf. aufgrund des Umfangs unzumutbar ist, zum gestellten Zeitpunkt zu frühzeitig ist oder hierdurch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gefährdet werden (von Neumann-Kosel/Rupp, Handbuch des Wirtschaftsausschuss, 4. Aufl., S. 314).

Da im vorliegenden Fall die Arbeitgeberin sich überhaupt nicht darauf beruft, Auskünfte nicht erteilen zu wollen, sondern sich bislang mit jeder konkret gestellten Frage auseinander gesetzt hat, ist überhaupt nicht erkennbar, welche konkrete Meinungsverschiedenheit durch die Einigungsstelle beigelegt werden soll. Es ist nicht Sache des Einigungsstellenverfahrens dort erstmals konkret gestellte Fragen durch die beantwortungsbereite Arbeitgeberin in bloßer Anwesenheit eines Einigungsstellenvorsitzenden beantworten zu lassen. Es ist auch nicht Gegenstand der Einigungsstelle festzustellen, welche Meinungsverschiedenheiten denn überhaupt bestehen. Bis zum Feststehen einer Informationsverweigerung hat vielmehr der Betriebsrat mit der Arbeitgeberin das Gespräch unmittelbar zu führen.

Sollte beispielsweise, wie in der mündlichen Verhandlung erklärt, der Betriebsrat der Ansicht sein, die Mittelfristplanung müsste bereits jetzt vorgelegt werden, während die Arbeitgeberin vorgetragen hat, zum Zeitpunkt der Erläuterung im Oktober 2008 habe diese noch garnicht vorgelegen, so mag der Betriebsrat zunächst beschließen und sodann beantragen, eine Einigungsstelle möge eingesetzt werden, um die Arbeitgeberin zu verpflichten, die Mittelfristplanung sofort herauszugeben. Ein solcher konkreter Antrag ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

In Bezug auf die konkreten Inhalte des angegriffenen Beschlusses ist damit zunächst festzustellen, dass das Vorliegen von Meinungsverschiedenheiten zu inhaltlich konkreten Fragen des nach Antragstellung in der Fassung vom 27.10.2008 dem Betriebsrat vorgelegten F -Business-Case nicht feststellbar ist. Die Arbeitgeberin hat zu keinem Zeitpunkt die Erläuterungen und Begründung der beabsichtigten Maßnahmen abgelehnt. Konkrete Auskunftsanforderungen, über deren Auskunftsverpflichtung Streit bestehen könnte, wurden durch den Betriebsrat nicht genannt. Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem konkretisierten Auskunftsverlangen jeweils ein Betriebsratsbeschluss zugrunde liegen müsste, der im vorliegenden Fall ebenfalls nicht nachgewiesen ist.

Die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Ziel, einen feststellenden Beschluss zu treffen, ist ebenfalls offensichtlich außerhalb der Zuständigkeit der Einigungsstelle im Sinne des § 98 ArbGG. Ein solcher feststellender Beschluss der Einigungsstelle wäre nicht vollstreckbar und würde auch den Streit darüber, welche konkreten weiteren Informationen zu geben sind, nicht beseitigen. Zudem bleibt hinsichtlich dieses Antrags unklar, auf welchen Zeitpunkt bezogen die Einigungsstelle die mangelhafte Beantwortung feststellen soll. Der Antrag lässt unberücksichtigt, dass in der Vergangenheit stets weitere Auskünfte auf konkrete Nachfrage erteilt wurden und die Arbeitgeberin am 06.11.2008 umfangreich Auskunft erteilt hat. Da der Betriebsrat nach diesem Zeitpunkt nahezu 4 Monate lang keine konkreten weiteren Fragen gestellt hat und sich insbesondere auch nicht mit der am 11.12.2008 bei ihrem Prozessbevollmächtigten zugestellten Beschwerdeschrift auseinander gesetzt hat, ist es der Kammer nicht möglich zu erkennen, welche vom Betriebsrat behauptete derzeit noch bestehende Meinungsverschiedenheit zu Inhalten der Auskünfte bestehen soll bzw. welche konkrete Auskunft durch die Arbeitgeberin derzeit verweigert wird. Solange die Beteiligten miteinander im Gespräch sind und insbesondere von Seiten der Arbeitgeberin stets weitere Erläuterungen und Klärung von Nachfragen angeboten wurden, ist nicht ersichtlich, dass bei diesen Gesprächen ein Einigungsstellenvorsitzender anwesend sein müsste.

Zusammenfassend kann deshalb gesagt werden, dass Voraussetzung der Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 109 BetrVG ist, dass zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber eine Meinungsverschiedenheit darüber besteht, welche konkreten bestimmten Fragen des Betriebsrats durch den Arbeitgeber nicht, nicht detaillierter oder noch nicht beantwortet werden müssen (vgl. Däubler/Kittner/Klebe, BetrVG, 11. Aufl., § 109 Rn. 2 und 6). Solange derart konkrete Fragen nicht gestellt sind, kann nicht festgestellt werden, ob hierüber überhaupt eine Meinungsverschiedenheit gegeben ist. Da keine konkrete Meinungsverschiedenheit vorgetragen wurde, ist die Einigungsstelle (derzeit) offensichtlich unzuständig.

Ende der Entscheidung

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