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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.06.2003
Aktenzeichen: 3 (7) Sa 1318/02
Rechtsgebiete: BGB, KSchG


Vorschriften:

BGB § 613 a
KSchG § 1 Abs. 2
Der Erwerb des Warenlagers eines Baustoffhandels mit anschließendem Abverkauf stellt keinen Betriebs- bzw. Betriebsteilübergang i.S.v. § 613 a BGB dar. Die Abwicklung eines Betriebs oder Betriebsteils bewirkt regelmäßig dessen Stilllegung. Das Vorliegen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs scheitert insoweit an der fehlenden dauerhaften Fortführung.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 3 (7) Sa 1318/02

Verkündet am: 18.06.2003

In dem Rechtsstreit

hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 18.06.2003 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kreitner als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Weber und Meaubert

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 24.09.2002 - 5 Ca 1373/02 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Koten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie über das Vorliegen eines Betriebsübergangs. Der Beklagte zu 1) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B (im folgenden: Gemeinschuldnerin). Die Beklagte zu 2) betreibt einen Baustoffhandel. Der Kläger war seit dem 01.09.1975 bei der Gemeinschuldnerin als Fahrer mit einer durchschnittlichen Monatsbruttovergütung von 3.700,- bis 4.000,- DM beschäftigt. Im Betrieb der Gemeinschuldnerin waren zuletzt in der Regel ca. 25 Mitarbeiter tätig. Ein Betriebsrat bestand nicht.

Am 23.01.2002 veräußerte die Gemeinschuldnerin ihr komplettes Warenlager an die Beklagte zu 2). Diese mietete von der Raiffeisenbank S zumindest einen Teil des Betriebsgeländes der Gemeinschuldnerin an. Am 24.01.2002 brachte die Beklagte zu 2) an dem Betriebsgelände der Gemeinschuldnerin ein Schild folgenden Inhalts an: "Vorübergehend geschlossen. Wir bedienen Sie gerne. B ". Dieses Schild wurde nach einer Woche entfernt. Ebenfalls am 24.01.2002 ließ die Gemeinschuldnerin folgende Sätze auf ihren Anrufbeantworter sprechen: "Der Betrieb ist geschlossen. Wenden Sie sich an unsere M -Partner Firma E und Firma K ."

Durch Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 28.01.2002 wurde der Beklagte zu 1) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Wirkung zum 01.02.2002 stellte die Beklagte zu 2) die Verkäufer der Gemeinschuldnerin H und S ein. Zum 01.03.2002 übernahm sie auch die bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten Verkäufer A und M K .

Mit Schreiben vom 01.02.2002 kündigte die Gemeinschuldnerin das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 31.03.2002. Ab dem 23.02.2002 erfolgte auf dem Betriebsgelände der Gemeinschuldnerin für die Dauer von 2 Wochen durch die Beklagte zu 2) ein Abverkauf dort gelagerter Waren. Am 28.03.2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte der Beklagte zu 1) das Arbeitsverhältnis des Klägers nunmehr zum 30.06.2002. Am 05., 06. und 08.04.2002 erfolgte ein weiterer Abverkauf durch die Beklagte zu 2) auf dem Betriebsgelände der Gemeinschuldnerin.

Mit der am 22.02.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen und später hinsichtlich der Folgekündigung am 10.04.2002 erweiterten Klage wandte sich der Kläger gegen die Wirksamkeit beider Kündigungen und machte gegenüber der Beklagten zu 2) die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen geltend.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte zu 2) habe den Betrieb der Gemeinschuldnerin übernommen. Hierzu hat er behauptet, bereits am 23.01.2002 seien Mitarbeiter der Beklagten zu 2) auf dem Firmengelände der Gemeinschuldnerin erschienen und der Prokurist der Gemeinschuldnerin habe dem Geschäftsführer der Beklagten zu 2) noch am gleichen Tag die Schlüssel übergeben. Seit dem 24.01.2002 sei der Einlass durch das Tor des Firmeneingangs nur noch Mitarbeitern der Beklagten zu 2) gestattet gewesen. Am 25.01.2002 seien sämtliche Schlösser auf dem Betriebsgelände ausgetauscht worden und der Zugang auf das Gelände und zum Verwaltungsgebäude sei nur noch nach Öffnung des Tores durch einen Mitarbeiter der Beklagten zu 2) möglich gewesen. Die Beklagte zu 2) habe sich ferner eine Übersicht über die gesamte Kundenkartei und die Geschäftsvorgänge der Gemeinschuldnerin verschafft. Die Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin S und K hätten am 24.01.2002 im Verwaltungstrakt der Gemeinschuldnerin Ausdrucke der Kundenkartei und der laufenden Geschäftsvorgänge von vernetzten PCŽs gefertigt. Außerdem habe die Beklagte zu 2) sämtliche noch abzuwickelnde Aufträge als eigene Geschäfte übernommen. Auf Veranlassung des Geschäftsführers der Beklagten zu 2) seien schließlich auch sämtliche Kunden der Gemeinschuldnerin durch Verkäufer in der Folgezeit gezielt kontaktiert worden.

Die von der Gemeinschuldnerin auf ihren Anrufbeantworter gesprochenen Nachricht, wonach der Betrieb geschlossen sei und sie die Kunden an die M -Partner Firmen wenden sollten, sei auf Veranlassung der Beklagten zu 2) kurze Zeit später gelöscht worden.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Gemeinschuldnerin mit Schreiben vom 01.02.2002, dem Kläger zugegangen am 01.02.2002, zum 31.03.2002 nicht aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 28.03.2002 nicht zum 30.06.2002 aufgelöst worden ist;

3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages mit der Gemeinschuldnerin weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) hat die Auffassung vertreten, die ausgesprochenen Kündigungen seien wegen der erfolgten Stillegung des Betriebs der Gemeinschuldnerin gerechtfertigt.

Die Beklagte zu 2) hat dieselbe Rechtsauffassung vertreten und das Vorliegen eines Betriebsübergangs verneint. Sie hat behauptet, sie habe von der Raiffeisenbank S das Betriebsgrundstück der Gemeinschuldnerin mit Ausnahme des Verwaltungstraktes und der dortigen Büroeinrichtung lediglich für die Dauer des Abverkaufs und des Wegtransportes des Warenlagers gemietet. Daraufhin seien die Schlösser für das Firmengelände ausgetauscht worden, wobei die Mitarbeiter der Verwaltung der Gemeinschuldnerin einen eigenen Schlüssel für den Firmeneingang erhalten hätten. Die Schlüssel für den Verkaufsbereich, in dem sich das Warenlager befunden habe, seien im Bereich ihrer Mitarbeiter verblieben. Der Verwaltungstrakt und der Verkaufsbereich auf dem Firmengelände der Gemeinschuldnerin seien getrennt und über getrennte Zugänge zu erreichen gewesen.

Die Beklagte zu 2) hat bestritten, Einsicht in irgendwelche Geschäftsunterlagen der Gemeinschuldnerin erhalten zu haben. Diese Unterlagen seien vielmehr bereits am 24.01.2002 durch einen Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin in den Verwaltungstrakt gebracht worden. Eine Nutzung der EDV sei den Mitarbeitern der Beklagten zu 2) verweigert worden. Alle Angebotsunterlagen, Rechnungen, Auftragsbestätigungen etc. seien von der Gemeinschuldnerin unter Verschluss gehalten und nach der Insolvenzeröffnung vom Beklagten zu 1) in Besitz genommen worden. Die von ihr abgewickelten Restaufträge hätten einen Gesamtrechnungswert von weniger als 10.000,- € umfasst, wohingegen die Gemeinschuldnerin einen jährlichen Gesamtumsatz von 5 bis 6 Millionen EUR gehabt habe.

Schließlich hat die Beklagte zu 2) vorgetragen, sie habe keine Betriebsmittel und Einrichtungen der Gemeinschuldnerin genutzt. Die Leasingverträge über die Gabelstapler seien von der Leasinggeberin gekündigt worden und die Beklagte zu 2) habe begrenzt für die Zeit des Abverkaufs neue Leasingverträge abschließen müssen. LKW oder sonstige Fahrzeuge der Gemeinschuldnerin seien nicht genutzt worden. Schließlich seien auch keine Kunden der Gemeinschuldnerin von ihr gezielt angesprochen worden. Die von ihr neu eingestellten Verkaufsmitarbeiter hätten auch keinerlei Unterlagen mitgenommen.

Mit Urteil vom 24.09.2002 hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Gemeinschuldnerin erst zum 30.06.2002 sein Ende gefunden und hat im übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Kündigung der Gemeinschuldnerin sei als betriebsbedingte Kündigung unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist rechtswirksam, da ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) nicht stattgefunden habe.

Gegen dieses ihm am 06.12.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.12.2002 Berufung eingelegt und diese am 05.02.2002 begründet.

Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, eine Betriebsstillegung sei nicht erfolgt, sondern der Betrieb der Gemeinschuldnerin sei vielmehr von der Beklagten zu 2) übernommen worden. Diese habe alle Kundendaten von der Gemeinschuldnerin übernommen. Entweder durch die Verkäufer S und K oder durch einen anderen Mitarbeiter der Gemeinschuldnerin seien die Kundenlisten aus dem Computer geholt und zu der Beklagten zu 2) mitgenommen worden. Der Betrieb der Gemeinschuldnerin sei nahtlos fortgeführt worden. Bei dem von der Beklagten zu 2) durchgeführten Abverkauf des Warenlagers sei diese nach Außen nicht in Erscheinung getreten. Für die Kunden habe es vielmehr so ausgesehen, als ob die Gemeinschuldnerin weiterhin tätig gewesen sei. Bei diesem Abverkauf habe die Beklagte zu 2) außerdem eigene, billige Ausschussware auf dem Gelände der Gemeinschuldnerin verkauft. Schließlich habe die Beklagte zu 2) auch das Gebäude, von welchem aus die Gemeinschuldnerin ihre Geschäfte betrieben hat, angepachtet und diese Räume mit den Gerätschaften übernommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 24.09.2002 - 5 Ca 1373/02 - teilweise abzuändern soweit die Klage abgewiesen worden ist und

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Gemeinschuldnerin mit Schreiben vom 01.02.2002, dem Kläger zugegangen am 01.02.2002, nicht zum 30.06.2002 aufgelöst worden ist;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 28.03.2002 nicht zum 30.06.2002 aufgelöst worden ist;

3. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, den Kläger zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages mit der Gemeinschuldnerin weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) beantragen,

Die Berufung zurückzuweisen.

Beide Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagte zu 2) bestreitet die nahtlose Fortführung des Einzelhandelsbetriebes der Gemeinschuldnerin. Vielmehr sei zunächst eine Unterbrechung bis zum 23.02.2002 erfolgt, an die sich sodann der zweiwöchige erste Abverkauf angeschlossen habe. Danach sei der Betrieb erneut geschlossen worden, bis der zweite Abverkauf Anfang April 2002 durchgeführt worden sei. Anschließend seien die Räumlichkeiten der Gemeinschuldnerin endgültig geschlossen worden. Die Beklagte zu 2) trägt weiter vor, sie sei weder in die Lieferantenbeziehungen, noch in die Kundenbeziehungen der Gemeinschuldnerin eingetreten. Es seien insbesondere keine sog. gewerblichen Dauerkunden der Gemeinschuldnerin zur Beklagten zu 2) übergewechselt. Materielle Betriebsmittel seien nicht übernommen worden. Dies gelte sowohl für den insgesamt 12 Fahrzeuge umfassenden Fahrzeugpark der Gemeinschuldnerin als auch für die Büroausstattung und die EDV-Anlage. Aus der Insolvenzmasse seien mit Zustimmung des Beklagten zu 1) lediglich 7 Materialcontainer und eine Rollkastensäge für insgesamt 2.088,- € erworben worden. Auch die immateriellen Betriebsmittel seien ebenso wenig übernommen worden wie die bei der Gemeinschuldnerin vorhandene Betriebsorganisation. Schließlich habe die Beklagte zu 2) auch nicht die Hauptbelegschaft der Gemeinschuldnerin übernommen. Sie habe lediglich 4 Verkäufer sowie einen Lagerarbeiter der Gemeinschuldnerin neu eingestellt, die alle zuvor weisungsabhängig tätig gewesen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, weil sie statthaft (§ 64 Abs. 1 und 2 ArbGG) und frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht in ganz überwiegendem Umfang abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche Kündigung der Gemeinschuldnerin vom 01.02.2002 zum 30.06.2002 rechtswirksam beendet worden. Die streitgegenständliche Kündigung ist aufgrund der erfolgten Betriebsstilllegung sozial gerechtfertigt. Ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) hat nicht stattgefunden.

1. Die Kündigung der Gemeinschuldnerin vom 01.02.2002 ist durch dringende betriebliche Gründe bedingt und daher sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

a) Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehört die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber. Unter Betriebsstillegung ist dabei die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb stillzulegen (BAG, Urteil vom 09.02.1994 - 2 AZR 666/93 -, EzA § 613 a BGB Nr. 116; BAG, Urteil vom 10.10.1996 - 2 AZR 477/95 -, EzA § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung Nr. 87). Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (BAG, Urteil vom 22.05.1997 - 8 AZR 101/96 -, EzA § 613 a BGB Nr. 149; BAG, Urteil vom 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 -, EzA § 613 a BGB Nr. 210).

b) Wie das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, sind diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt. Bei Zugang der streitgegenständlichen Kündigung vom 01.02.2002 hat die Stilllegung des Baustoffhandels der Gemeinschuldnerin greifbare Formen angenommen gehabt, denn diese hatte bereits mit ihrer Liquidation begonnen. Das gesamte Warenlager war Ende Januar an die Beklagte zu 2) veräußert worden und in den Geschäftsräumen der Gemeinschuldnerin fand kein Verkauf mehr statt. Gleichzeitig mit dem Kläger wurden auch die Arbeitsverhältnisse von allen übrigen Arbeitnehmern der Gemeinschuldnerin ordentlich gekündigt. Sogar bereits eingegangene Lieferverpflichtungen wurden von der Gemeinschuldnerin gegenüber ihren Kunden nicht mehr erfüllt. Da sämtliche Arbeitsverhältnisse gekündigt wurden, war schließlich auch eine Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs. 3 KSchG entbehrlich.

c) Die Annahme einer ernsthaften und endgültigen Stilllegungsabsicht der Gemeinschuldnerin scheitert auch nicht am Vorliegen eines Betriebs- oder Betriebsteilübergangs im Sinne von § 613 a BGB. Zwar liegt eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers immer dann nicht vor, wenn dieser beabsichtigt, seinen Betrieb zu veräußern. Denn die Veräußerung des Betriebes allein ist - wie sich aus der Wertung des § 613 a BGB ergibt - keine Stilllegung, weil die Identität des Betriebes gewahrt bleibt und lediglich ein Betriebsinhaberwechsel stattfindet. Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich demnach systematisch aus (zuletzt BAG, Urteil vom 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 -, EzA § 613 a BGB Nr. 210 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen solchen Betriebs- oder Betriebsteilübergang sind nach dem unstreitigen Sachvortrag beider Parteien nicht erfüllt.

(1) § 613 a Abs. 1 BGB setzt den rechtsgeschäftlichen Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber voraus. Notwendig ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich dabei auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtlichen den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Überganges, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus den anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln. Je nach der ausgeübten Tätigkeit und nach den Produktions- und Betriebsmethoden kommt dabei den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien unterschiedliches Gewicht zu (ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt Urteil vom 20.06.2002 - 8 AZR 459/01 -, EzA § 613 a BGB Nr. 211; Küttner/Kreitner, Personalbuch 2003, 10. Aufl., Betriebsübergang Rz. 10 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Der Übergang eines Betriebsteils steht für dessen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gleich. Auch bei dem Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrt (BAG, Urteil vom 26.08.1999 - 8 AZR 718/98 -, EzA § 613 a BGB Nr. 185). Betriebsteile sind Teileinheiten (Teilorganisation) des Betriebes. Es muss sich um eine selbständige, abtrennbare organisatorische Einheit handeln, die innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks einen Teilzweck erfüllt. Die übertragenen sächlichen und immateriellen Betriebsmittel müssen eine organisatorischen Untergliederung bilden, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird. § 613 a BGB setzt dabei für den Teilbetriebsübergang voraus, dass die übernommenen Betriebsmittel bereits bei dem früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten (BAG, Urteil vom 24.04.1997 - 8 AZR 848/94 -, NZA 1998, 253; BAG, Urteil vom 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 -, EzA 613 a BGB, 210).

(2) Bei Anwendung dieser Grundsätze liegt weder ein Betriebs- noch ein Betriebsteilübergang auf die Beklagte zu 2) vor.

Ein Übergang des gesamten Betriebs der Gemeinschuldnerin auf die Beklagte zu 2) scheitert am Fehlen einer identitätswahrenden dauerhaften Fortführung der ursprünglich bei der Gemeinschuldnerin bestehenden wirtschaftlichen Einheit. Allein der Umstand, dass sowohl die Gemeinschuldnerin als auch die Beklagte zu 2) einen Baustoffhandel betreiben bzw. betrieben haben, reicht insofern nicht aus. Sämtliche weiteren, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu prüfenden Identitätskriterien sind nicht erfüllt. So hat die Beklagte zu 2) keine wertmäßig erheblichen materiellen Betriebsmittel der Gemeinschuldnerin erworben. Sie hat weder das Betriebsgrundstück noch den aus 12 Fahrzeugen bestehenden Fuhrpark der Gemeinschuldnerin übernommen. Das gleiche gilt für die gesamte Büroausstattung einschließlich der EDV. Der Erwerb von 7 Materialcontainern und einer Rollkastensäge zum Preis von insgesamt 2.088,- € ist offensichtlich ohne rechtliche Relevanz. Ebenfalls ist es nicht zu einer Übernahme der bei der Gemeinschuldnerin vorhandenen betrieblichen Organisation gekommen. Die Beklagte zu 2) hat bereits zuvor einen Baustoffgroßhandel betrieben, einzelne Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin neu eingestellt und diese in die bei ihr vorhandene betriebliche Organisation eingegliedert. Da es sich hierbei auch nicht um einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil der Belegschaft der Gemeinschuldnerin gehandelt hat, ist auch die Einstellung dieser 4 Verkäufer zur Begründung einer identitätswahrenden Übertragung ohne rechtliche Bedeutung.

Gleiches gilt im Ergebnis für die bei einem Handelsunternehmen wie der Gemeinschuldnerin besonders wichtigen immateriellen Betriebsmittel. Unstreitig ist die Beklagte zu 2) nicht in die Lieferantenbeziehungen der Gemeinschuldnerin eingetreten. Zwar bietet sich bezüglich der Kundenbeziehungen der Gemeinschuldnerin auf den ersten Blick ein anderes Bild. Denn die Beklagte zu 2) hat unstreitig laufende Kundenaufträge der Gemeinschuldnerin übernommen und abgewickelt. Jedoch handelt es sich hierbei nicht um einen übergangsrelevanten Eintritt in Kundenbeziehungen, denn die Beklagte zu 2) hat lediglich eine vorübergehende Auftragsabwicklung durchgeführt. Ein dauerhafter Eintritt in Kundenbeziehungen der Gemeinschuldnerin ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Es fehlt damit an der erforderlichen Dauerhaftigkeit, um eine im Sinne von § 613 a BGB erhebliche identitätswahrende Übertragung bejahen zu können. Im Ergebnis hat die Beklagte zu 2) gerade keine Übernahme der Gemeinschuldnerin vorgenommen, sondern vielmehr deren Abwicklung organisiert. Letztlich bestätigt dies der Kläger selbst durch seine Schilderung der beiden Abverkäufe des Warenlagers der Gemeinschuldnerin. Beide Male ist die Beklagte zu 2) nicht offen aufgetreten, sondern hat einen verdeckten Abverkauf vorgenommen. Eine nach aussen erkennbare Übernahme der Gemeinschuldnerin ist mithin auch bei dem Abverkauf des Warenlagers gerade nicht erfolgt.

Rechtserheblichen indiziellen Charakter für einen Betriebsübergang hätte allenfalls die Übernahme der kompletten Kundenkartei der Gemeinschuldnerin durch die Beklagte zu 2) haben können. Insoweit fehlt es allerdings auch zweitinstanzlich an entsprechendem substanziiertem Sachvortrag des Klägers. Er hat lediglich vorgetragen, die Kundenkartei sei am 24.01.2002 entweder von den Mitarbeitern S und K oder einem der beiden Gebrüder K oder durch einen anderen Mitarbeiter dem Computer der Gemeinschuldnerin entnommen worden. Zu diesem Zeitpunkt standen die vorgenannten Mitarbeiter unstreitig noch in einem Arbeitsverhältnis zu der Gemeinschuldnerin. Dass die vorgenannten Mitarbeiter bei ihrem - im übrigen bestrittenen - Verhalten auf Weisung oder Veranlassung der Beklagten zu 2) gehandelt hätten, wird nicht vorgetragen, obwohl das Arbeitsgericht bereits in der erstinstanzlichen Entscheidung auf diese Problematik konkret eingegangen war.

Auch im übrigen ist die Beklagte zu 2) nicht in Vertragsbeziehungen der Gemeinschuldnerin eingetreten. Sie hat vielmehr lediglich zum Zwecke des geregelten Abverkaufs für einen begrenzten Zeitraum die Räumlichkeiten angemietet und kurzfristige Leasingverträge für erforderliche Betriebsmittel abgeschlossen.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeiten als Abgrenzungskriterium nicht weiter berücksichtigt. Denn die Beklagte zu 2) hat die betriebliche Tätigkeit der Gemeinschuldnerin gerade nicht weiter geführt, sondern lediglich einen auf wenig mehr als 2 Wochen begrenzten Abverkauf durchgeführt. Es liegt daher keine vorübergehende Tätigkeitsunterbrechung, sondern vielmehr eine dauerhafte Betriebsstillegung vor.

Im Rahmen dieses Gesamtbildes kommt schließlich auch dem Umstand, dass Ende Januar für eine Woche am Eingangstor der Gemeinschuldnerin ein auf die Beklagte zu 2) hinweisendes Schild angebracht war, keine besondere rechtliche Bedeutung zu. Ein identitätswahrender Betriebsübergang kann jedenfalls hieraus nicht hergeleitet werden. Das gleiche gilt für die kurzfristig auf dem Anrufbeantworter der Gemeinschuldnerin vorhandene Betriebsschließungsnachricht mit dem gleichzeitigen Hinweis an die Kunden, sich an die M -Partnerfirmen E und K zu wenden.

Nach allem liegt mithin kein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB vor. Vielmehr ist der Betrieb der Gemeinschuldnerin dauerhaft stillgelegt worden.

Auch ein Betriebsteilübergang ist nicht erfolgt. Ein solcher könnte allenfalls in der Veräußerung des Warenlagers zu sehen sein. Insoweit fehlt es jedoch in Anwendung der oben dargestellten Grundsätze der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts an dem Vorhandensein einer betriebsorganisatorischen Untergliederung. Das Warenlager stellte bei der Gemeinschuldnerin gerade keine selbständige, abtrennbare organisatorische Einheit innerhalb des Betriebs dar. Jedenfalls fehlen hierfür jegliche konkreten Anhaltspunkte. Hinzu kommt, dass dem Vortrag des Klägers auch nicht zu entnehmen ist, dass er als LKW-Fahrer gerade dem Warenlager als Betriebsteil zuzuordnen wäre. Nur in diesem Fall käme ein Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zu 2) überhaupt in Betracht (vgl. BAG, Urteil vom 13.11.1997 - 8 AZR 375/96 -, NZA 1998, 249; BAG, Urteil vom 23.09.1999 - 8 AZR 650/98 -, nv).

2. Die streitgegenständliche Kündigung ist auch nicht nach § 613 a Abs. 4 BGB unwirksam, denn ein Übergang des Betriebs der Gemeinschuldnerin auf die Beklagte zu 2) liegt - wie vorstehend im einzelnen dargestellt worden ist - nicht vor. § 613 a Abs. 4 BGB lässt eine Kündigung unberührt, die aus "anderen" Gründen als wegen des Betriebsübergangs ausgesprochen wurde. Zu diesen Gründen gehört die auf eine Stilllegung des Betriebes gestützte betriebsbedingte Kündigung (ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt BAG, Urteil vom 16.05.2002 - 8 AZR 319/01 -, EzA § 613 a BGB Nr. 210 m.w.N. aus der Rechtsprechung). "Wegen" eines Betriebsübergangs wird eine Kündigung dann ausgesprochen, wenn der Betriebsübergang die überwiegende Ursache der Kündigung bildet. Der Betriebsübergang muss Beweggrund für die Kündigung sein. Letzteres ist bei einer betriebsbedingten Kündigung, die wegen einer Betriebsstillegung erfolgt, gerade nicht der Fall.

3. Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Nach allem ist somit die streitgegenständliche Kündigung rechtswirksam. Das Rechtsmittel des Klägers musste daher erfolglos bleiben.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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