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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.01.2002
Aktenzeichen: 4 Sa 1066/01
Rechtsgebiete: TzBfG, GG


Vorschriften:

TzBfG § 8 Abs. 7
GG Art. 3
GG Art. 12
Die Kleinbetriebsklausel des § 8 Abs. 7 TzBfG ist nicht verfassungswidrig.
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 4 Sa 1066/01

Verkündet am: 18.01.2002

In dem Rechtsstreit

hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 18.01.2002 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Backhaus als Vorsitzenden sowie die ehrenamtlichen Richter Dohm und Bauer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 28.06.2001 - 7 Ca 903/01 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Antrag der Klägerin auf Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden zuzustimmen und die Verteilung der Arbeitszeit nach den Wünschen der Klägerin festzulegen.

Erstinstanzlich hat die Klägerin zunächst generell Beschäftigung durch die Beklagte begehrt, sodann mit Schriftsatz vom 30.04.2001 die Verurteilung der Beklagten, entsprechend ihrem Arbeitsvertrag in Teilzeit für vier Stunden arbeitstäglich tatsächlich beschäftigt zu werden. Außerdem verlangte die Klägerin erstinstanzlich die Bewilligung von neun bezahlten Resturlaubstagen.

Die Klägerin steht seit dem 01.02.1994 als Bürokauffrau zu einem monatlichen Bruttogehalt von 2.750,00 DM in einem ursprünglich in Vollzeittätigkeit begründeten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Sie war in der telefonischen Auftragsabwicklung tätig. Der Beklagte beschäftigt weniger als 15 Arbeitnehmer.

Nach der Geburt ihrer ersten Tochter begann die Klägerin am 09.04.1996 den Erziehungsurlaub, der nach der Geburt der zweiten Tochter bis zum 29.01.2001 verlängert wurde.

Der Klägerin ist nach eigenem Vorbringen die Wiederaufnahme einer Vollzeittätigkeit unmöglich, da sie zwei Kinder zu versorgen hat. Sie möchte nur noch vier Stunden täglich bei der Beklagten tätig werden. Dieses Begehren enthält der Schriftsatz vom 30.04.2001 (Bl. 12 bis 15 d. A.), der den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 07.05.2001 zugestellt wurde. Mit Schriftsatz vom 17.05.2001, der am 22.05.2001 beim Arbeitsgericht einging und von dem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Durchschriften unmittelbar erhielt, lehnte die Beklagte den Anspruch der Klägerin unter Berufung auf § 8 Abs. 7 TzBfG ab.

Die Klägerin hat sich auf dem Standpunkt gestellt, die Kleinbetriebsklausel des § 8 Abs. 7 TzBfG enthalte eine mittelbare Diskriminierung. Sie hat gemeint, der Rechtsstreit sei auszusetzen und im Wege des Vorabentscheidungs-Verfahrens dem EuGH vorzulegen.

Ein Anspruch auf Teilzeitarbeit sei bei der Beklagten auch ohne Weiteres zu realisieren, da es genügend Arbeitsplätze gebe, auf die die frühere Arbeitsplatzbeschreibung der Klägerin zutreffe.

Die Klägerin hat beantragt

1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin entsprechend ihrem Arbeitsvertrag als kaufmännische Angestellte in Teilzeit für vier Stunden arbeitstäglich tatsächlich zu beschäftigen,

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin neun bezahlte Urlaubstage zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.06.2001 die Klage abgewiesen.

Gegen dieses ihr am 30.08.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.09.2001 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 12.11.2001 am 08.11.2001 begründet.

Die Klägerin trägt vor, zwar seien die Kleinbetriebsklauseln der §§ 1 BetrVG und 23 Abs. 1 S. 2 KSchG mit dem europäischen und deutschen Verfassungsrecht konform. § 8 Abs. 7 TzBfG stelle jedoch nicht auf die Zahl 5, sondern auf die Mindestzahl von 15 Arbeitnehmern ab. Dieses sei kein "Kleinbetrieb." Der Europäische Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 30.11.1993 eine Kleinbetriebsklausel auch auf das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung überprüft. Eine solche liege vor, wenn eine nationale Regelung erheblich mehr Frauen als Männer benachteilige. Ein solches Missverhältnis sei rechtswidrig, wenn die beanstandete Regelung nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt sei. Es sei sicherlich gerichtsbekannt, dass wesentlich mehr Frauen als Männer Erziehungsurlaub (Elternzeit) in Anspruch nähmen. Diese Frauen stünden nach dem Ende des Erziehungsurlaubs vor der Frage, entweder zunächst aus dem Berufsleben auszuscheiden oder in Teilzeit zu arbeiten. Damit sei die erste Anforderung erfüllt. Die zweite Frage, ob ein derartiges Missverhältnis gerechtfertigt sei, sei zu verneinen. Eine Rechtfertigung wäre allenfalls identisch mit den Gründen für die Rechtmäßigkeit der Kleinbetriebsklausel. Um einen derartigen Kleinbetrieb handele es sich jedoch nicht, wenn 15 Personen beschäftigt würden.

Nach Hinweis der Kammer auf inzwischen ergangene Beiträge zur prozessualen Durchsetzung des Teilzeitanspruchs (Bl. 44 d. A.) trägt die Klägerin - von seiten der Beklagten unwidersprochen - nunmehr vor, sie sei hinsichtlich ihrer Arbeitszeit vom Schichtbetrieb ihres Ehemannes abhängig. Ihr Arbeitseinsatz müsse daher und könne auch nach den betrieblichen Gegebenheiten entsprechend dem folgenden Antrag erfolgen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 28.06.2001 - 7 Ca 903/01 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin zur Reduzierung ihrer vertraglichen Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden zuzustimmen und die Verteilung der Arbeitszeit einschließlich der Pausen im Drei-Wochen-Rhythmus wie folgt festzulegen:

1. Woche von 15:00 Uhr bis 19:00 Uhr

2. Woche von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr

3. Woche von 08:00 Uhr bis 12:00 Uhr

Die Beklagte beantragt

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor, unabhängig von § 8 Abs. 7 TzBfG stünden dem Ansinnen der Klägerin betriebliche Gründe entgegen.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung der Klägerin ist hinsichtlich des Teilzeitbegehrens statthaft, sie ist insoweit form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Zulässig war auch bei Fortbestehen der Beschwer hinsichtlich des Teilzeitanspruches die auf Anregung der Kammer erfolgte Klageänderung. Die Beklagte hat dieser nicht widersprochen.

II. Der Anspruch besteht jedoch nicht, da die Beklagte weniger als 15 Arbeitnehmer beschäftigt (§ 8 Abs. 7 TzBfG).

1. In dieser Regelung liegt entgegen der Auffassung der Klägerin keine mittelbare Diskriminierung. Dahinstehen kann daher, welche Rechtsfolgen eine solche mittelbare Diskriminierung hätte.

Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Regel zwar unterschiedslos auf Männer und Frauen anzuwenden ist, die Benachteilung aber erheblich mehr Angehörige des einen als des anderen Geschlechts betrifft und nicht durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben (vgl. z.B. BAG 25.07.1996 - 6 AZR 138/94 - AP Nr. 6 zu § 35 BAT mit Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH).

Zwar mag mit der Klägerin davon ausgegangen werden, dass in Kleinbetrieben im Sinne des § 8 Abs. 7 TzBfG erheblich mehr Frauen als Männer einen Anspruch auf Teilzeitarbeit geltend machen möchten.

Dieses aber reicht unabhängig von der Frage des Vorliegens eines sachlichen Grundes nicht aus, eine mittelbare Diskriminierung anzunehmen. Hinzukommen muss vielmehr, dass das zahlenmäßige Verhältnis der Geschlechter unter den von der Rechtsnorm Begünstigten wesentlich anders ist (BAG 05.03.1997 - 7 AZR 581/92 - AP Nr. 123 zu § 37 BetrVG 1972; BAG 02.12.1992 - 4 AZR 152/92 - AP Nr. 28 zu 23 a BAT).

Nichts aber spricht dafür, dass bei denjenigen Arbeitnehmern, die in Betrieben oberhalb der Kleinbetriebsklausel nach § 8 Abs. 7 TzBfG Teilzeitarbeit wünschen, das Zahlenverhältnis zwischen Männern und Frauen wesentlich anders ist als in Kleinbetrieben. Die Klägerin hat hierzu nichts vorgetragen. Der Kammer sind aus eigener Kenntnis keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass gerade in Kleinbetrieben das Verhältnis von Frauen zu Männern bei denjenigen Arbeitnehmern, die Teilzeitarbeit wünschen, wesentlich anders ist als bei denjenigen, die diesen Wunsch in Betrieben haben, die der Kleinbetriebsklausel nicht unterfallen.

Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts durch die Kleinbetriebsklausel scheidet schon aus diesem Grunde aus.

2. Liegen Anhaltspunkte für eine Geschlechtsdiskriminierung nicht vor, so ist die Kleinbetriebsklausel des § 8 Abs. 7 TzBfG indes an Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG - gegebenenfalls in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip - zu messen (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 27.01.1998 - AP KSchG 1969 § 23 Nr. 17 - zur Kleinbetriebsklausel des Kündigungsschutzgesetzes). Art. 12 Abs. 1 GG ist nach Auffassung der erkennenden Kammer auch im vorliegenden Falle berührt, weil auch die Freiheit des Arbeitnehmers, nicht bzw. weniger zu arbeiten, unter Grundrechtschutz steht.

Hier wie im Falle der Kleinbetriebsklausel des Kündigungsschutzgesetzes aber hat der Gesetzgeber zwischen dem Sozialschutz der Arbeitnehmer und der Vertragsfreiheit der Arbeitgeber abgewogen. Die Benachteiligung von Arbeitnehmern in Kleinbetrieben ist durch die besondere Interessenlage der Arbeitgeber in Kleinbetrieben gerechtfertigt. Unterscheidungskriterien zwischen Groß- und Kleinbetrieben sind insbesondere die geringere verwaltungsmäßige und wirtschaftliche Belastbarkeit des Kleinbetriebs. Bei der Abwägung ist dem Gesetzgeber hier wie dort ein weites Feld gesetzgeberischer Freiheit zuzubilligen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Versagung eines Anspruches auf Teilzeitbeschäftigung für den jeweils betroffenen Arbeitnehmer im typischen Falle weit weniger belastend ist als die Versagung des Bestandschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetzes (vgl. dazu auch Fischer BB 2002 94, 95). Nicht zu verkennen ist indes, dass es für den Arbeitgeber umso schwieriger ist, Organisationsstrukturen zu schaffen, die eine andere Arbeitszeitverteilung und andere Arbeitszeitmodelle als die herkömmlichen erlauben, je kleiner der Betrieb ist (Fischer aaO.).

Wenn der Gesetzgeber angesichts dieser Abwägungsparameter die Kleinbetriebsgrenze auf 15 Arbeitnehmer festgelegt hat, so kann dieses angesichts der weiten Spielräume des Gesetzgebers bei Beurteilung und Typisierung nicht als verfassungswidrig angesehen werden.

Die vom Bundesverfassungsgericht angesprochene Problematik einer teleologischen Reduktion des § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG in den Fällen, in denen der dortige Bezugspunkt "Betrieb" dazu führt, dass im Einzelfall auch Teile größerer Unternehmen die Privilegierung erhalten, stellt sich zu § 8 Abs. 7 TzBfG nicht. Dort nämlich wird auf den "Arbeitgeber" abgestellt.

3. Da der Anspruch der Klägerin an § 8 Abs. 7 TzBfG scheitert, kann dahinstehen, ob im Übrigen die Anspruchsvoraussetzungen gegeben wären. Hier würde sich zunächst die Frage stellen, ob die Klägerin einen Teilzeitanspruch nach § 8 Abs. 2 TzBfG überhaupt formgerecht geltend gemacht hat, ob nämlich ohne eine vorhergehende außergerichtliche Geltendmachung der Anspruch unmittelbar prozessual eingeklagt werden kann. § 8 TzBfG sieht ein außergerichtliches Verfahren mit Geltendmachung des Wunsches, Erörterung und befristeter Ablehnungsmöglichkeit durch den Arbeitgeber vor. Voraussetzung der Einleitung dieses Verfahrens ist nicht nur die Angabe des Umfanges der begehrten Teilzeitarbeit (§ 8 Abs. 2) sondern auch die datenmäßig konkretisierte Angabe des Beginns, wie sich aus § 8 Abs. 2 in Verbindung mit Absatz 5 S. 1 ergibt (vgl. Hopfner DB 2001, 2144). Bei der prozessualen Geltendmachung des Teilzeitanspruches indes kann, da die vom Arbeitgeber abzugebende Willenserklärung gemäß § 894 ZPO erst mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils ersetzt wird, ein Beginndatum der Teilzeitbeschäftigung nicht gefordert werden (Diller NZA 2001, 589 f.; ArbG Düsseldorf NZA-RR 2001, 572; ArbG Essen NZA-RR 2001, 574).

III. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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