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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 29.05.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 1096/08
Rechtsgebiete: KSchG


Vorschriften:

KSchG § 1 Abs. 1
Eine als Leiharbeitnehmer im Betrieb verbrachte Zeit ist nicht auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen, wenn ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher begründet wird.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 15.04.2008 - 8 Ca 1915/08 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer am 13.02.2008 ausgesprochenen, am Folgetag zugegangenen Kündigung der Beklagten innerhalb einer arbeitsvertraglich vereinbarten Probezeit zum 29.02.2008.

Während erstinstanzlich noch die Wirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG Streitpunkt war, dreht sich der Streit der Parteien in der zweiten Instanz im Wesentlichen um die Frage, ob die Zeit vom 15.11.2005 bis zum 01.09.2007, dem Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien, auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen ist. Während dieses Zeitraums war die Klägerin bereits im selben Betrieb der Beklagten tätig, jedoch aufgrund einer Arbeitnehmerüberlassung durch ihre damalige Arbeitgeberin, die Firma K Co KG.

Wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird im Übrigen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.04.2008 durch beantragte Einzelrichterentscheidung abgewiesen.

Gegen dieses ihr am 03.09.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.09.2008 Berufung eingelegt und diese am 15.10.2008 begründet.

Die Klägerin verfolgt mit Rechtsausführungen ihren erstinstanzlichen Standpunkt weiter, dass die Zeit als Leiharbeitnehmerin auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG anzuwenden sei. Bei der Überlassung eines Leiharbeitnehmers an einen Dritten bleibe unbestritten der Verleiher Arbeitgeber. Nebenpflichten aus dem Arbeitsverhältnis träfen indessen auch den Verleiher. Er habe auch das Direktionsrecht sowie Schutz- und Fürsorgepflichten gegenüber den entliehenen Arbeitnehmer.

Die Klägerin meint, der Begriff des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 1 KSchG sei unter Berücksichtigung der fortschreitenden Zahl der Leiharbeitsverhältnisse extensiv auszulegen. Der Wortlaut stelle ab auf das "Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder Unternehmen", nicht auf das Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber.

Schließlich meint die Klägerin, unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben sei auch zu berücksichtigen, dass sie auf Drängen der Beklagten das Arbeitsverhältnis mit dieser abgeschlossen habe. Es sei mit dem Grundsatz von Treu und Glauben und auch mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht vereinbar, wenn die Beklagte zunächst nach fast zwei Jahren "Probezeit" in ihrem Entleiherbetrieb die Klägerin bewegt habe, dass dem Kündigungsschutzgesetz unterfallende Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher zu beenden, um dann ein Arbeitsverhältnis ausschließlich mit ihr, der Entleiherin, zu begründen und innerhalb der neu geschaffenen "Probezeit" das Arbeitsverhältnis zu kündigen.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 13.02.2008 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen mit Rechtsausführungen, wegen derer auf die Berufungserwiderung Bezug genommen wird.

Zum Grundsatz von Treu und Glauben führt sie aus, dass die Klägerin nicht auf ihr "Drängen" den Arbeitsvertrag vom 10.08.2007 abgeschlossen habe. Richtig sei vielmehr, dass sie, die Beklagte, der Klägerin das Angebot zum Abschluss des Arbeitsvertrages unterbreitet habe, welches die Klägerin freiwillig und gern nicht zuletzt im Hinblick auf die nicht unerheblich höhere Vergütung angenommen habe.

Zur neu vereinbarten Probezeit weist die Beklagte darauf hin, dass die Klägerin in der Abteilung Technik/Materialwirtschaft im Bereich Disposition/Lager beschäftigt gewesen sei. Sie sei dort während ihrer Tätigkeit als Leiharbeitnehmerin - was die Klägerin nicht bestreitet - ausschließlich mit vorbereitenden Tätigkeiten für die dort beschäftigten kaufmännischen Angestellten betraut gewesen. Eigenverantwortliche sachbearbeitende Tätigkeiten habe die Klägerin während dieser Zeit nicht entrichtet. Nach Abschluss des Arbeitsvertrages habe die Klägerin dann - auch dieses ist unstreitig - eigenverantwortlich ein bestimmtes Sachgebiet zu betreuen gehabt und hierfür auch die Verantwortung tragen müssen.

Bereits nach kurzer Zeit - so die Beklagte weiter - habe sich gezeigt, dass die Klägerin mit diesen Aufgaben und dieser Arbeit offensichtlich überfordert gewesen sei, sie habe unsicher gewirkt, ihre Arbeitsqualität und -quantität habe zu wünschen übrig gelassen. Sie habe auch wenig Eigeninitiative gezeigt.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hatte in der Sache keinen Erfolg.

A. Dass eine als Leiharbeitnehmer im Betrieb des späteren Arbeitgebers verbrachte Zeit nicht auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen ist, ist ganz herrschende Meinung (BAG 08.12.1988 - 2 AZR 308/88 - AP Nr. 6 zu § 1 BeschFG 1985 unter 3. a. E; KR/Etzel § 1 KSchG Rn. 106; ErfK/Oetker § 1 KSchGRn. 36; APS/Dörner § 1 KSchG Rn. 36; von Hoyningen/Link § 1 KSchG Rn. 103; KDZ/Kittner/Deinert § 1 KSchG Rn. 22 a, 24; Mayer Anmerkung zu LAG Hamm 08.07.2003 BB 2003, 237 ff. - vgl. auch zu einem ähnlichen Fall LAG Köln 10.03.2000 - 11 Sa 1464/99 - LAGE § 1 KSchG Nr. 11 a).

Dementsprechend sieht das Bundesarbeitsgericht auch im Rahmen des Befristungsrechts, nämlich zu der Frage, ob einem sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag nach § 14 Abs. 2 TzBfG bereits ein Arbeitsverhältnis vorausgegangen ist, die Arbeit eines Leiharbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber, mit dem der befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen wird, nicht als ein zuvor bestehendes Arbeitsverhältnis an (BAG a. a. O.; BAG 18.10.2006 NZA 2007, 943).

Dass das Arbeitsverhältnis bei Leiharbeit zum Verleiher und nicht zum Entleiher besteht, ist allgemeine Meinung und gesetzliche Konzeption und wird von der Klägerin als solches auch nicht in Frage gestellt. In § 1 Abs. 1 KSchG geht es aber um den Bestand "des Arbeitsverhältnisses". Es geht weder um den Bestand von sekundären Rechten aus einem Arbeitsverhältnis noch geht es um den Bestand "eines Arbeitsverhältnisses", sondern eindeutig "des Arbeitsverhältnisses", das von dem Arbeitgeber gekündigt wird, das also mit diesem besteht.

Dass der quantitative Umfang von Leiharbeitsverhältnissen zugenommen hat und deshalb die Rechtsfrage heute von größerer Bedeutung ist als früher, kann nicht zu einer Uminterpretation des Gesetzes führen.

Dieses gilt erst Recht, weil der Gesetzgeber - worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat - seit langer Zeit immer wieder sowohl das Kündigungsschutzgesetz als auch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz novelliert hat und trotz der offensichtlich größeren Bedeutung der Leiharbeit in keiner Novelle Anlass gesehen hat, die Frage anders zu regeln.

B. Die Kündigung verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben.

Soweit die Klägerin vorgetragen hat, der Abschluss des Arbeitsverhältnis mit der Beklagten sei auf deren "Drängen" zustande gekommen, hat sie diesen von der Beklagten bestrittenen Vortrag weder substantiiert noch unter Beweis gestellt.

Die Nutzung des gesetzlichen Kündigungsrechts der Beklagten verstößt aber insbesondere deshalb nicht gegen Treu und Glauben, weil die Beklagte in Ziffer 2. des Arbeitsvertrages ausdrücklich aufgenommen hatte: "Während der ersten sechs Monate (Probezeit) können die Vertragsparteien das Arbeitsverhältnis beiderseits mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsende kündigen." Daraus konnte die Klägerin ohne Weiteres entnehmen, dass die Beklagte auch nicht auf ihre gesetzliche Probezeit von sechs Monaten nach § 1 Abs. 1 KSchG verzichten wolle.

C. Hinsichtlich der Wirksamkeit nach § 102 BetrVG folgt die Kammer den mit der Berufung nicht angegriffenen Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat die Revision nicht zugelassen, weil angesichts der einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur die hier streitige Rechtsfrage nicht höchstrichterlich klärungsbedürftig erscheint.

Ende der Entscheidung

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