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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 18.09.2009
Aktenzeichen: 4 Sa 1301/08
Rechtsgebiete: NV-Bühne, ArbGG


Vorschriften:

NV-Bühne § 96
ArbGG § 110
1) Nach § 96 Abs. 5 NV-Bühne muss die Anhörung des Tanzgruppenmitglieds spätestens am 16. Oktober stattfinden.

2) Zu den Anforderungen an Verfahrensrügen im Aufhebungsverfahren nach § 110 ArbGG.


Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.06.2008 - 6 Ha 28/07 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten im Rahmen einer Aufhebungsklage gemäß § 110 ArbGG um die wirksame Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses.

Wegen des Tatbestandes und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird zunächst gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Aufhebungsklage abgewiesen.

Gegen dieses ihm am 22.09.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16.10.2008 Berufung eingelegt und diese am 17.11.2008 begründet.

Der Kläger beruft sich zunächst auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Inhalt des Anhörungsverfahrens. Daraus folge, dass der Arbeitgeber die Verpflichtung habe, dem Bühnenmitglied die Gründe für die Nichtverlängerung mitzuteilen. Dies sei unstreitig nicht erfolgt. Zu klären sei, wer dies zu vertreten habe. Das Bühnenoberschiedsgericht sei dabei von der Grundannahme ausgegangen, dass der Arbeitgeber dafür Sorge tragen müsse, dass der Arbeitnehmer im Anhörungsgespräch die ihm genannten Gründe verstehe. Das Bühnenoberschiedsgericht habe aber besondere Umstände gesehen, nach denen die Beklagte im vorliegenden Fall beim Anhörungsgespräch nicht damit habe rechnen müssen, dass der Kläger dem Anhörungsgespräch in deutscher Sprache nicht folgen könne. Dieses habe das Bühnenoberschiedsgericht darin gesehen, dass der Kläger zuvor mit dem Ballettdirektor in deutscher Sprache über eine Vertragsaufhebung verhandelt habe. Dieser Vortrag, den das Bühnenoberschiedsgericht als unstreitig angesehen habe, sei aber - so der Kläger - nicht unstreitig gewesen. Er bestreite ihn ausdrücklich. Er, der Kläger habe sowohl im Bühnenschiedsgerichtsverfahren als auch vor dem Arbeitsgericht unter Beweis gestellt, dass er mit dem Ballettdirektor nicht in Deutsch gesprochen habe, vielmehr die Arbeitssprache im Ballett Russisch gewesen sei. Auch die Kommunikation des Klägers mit seinem Vorgesetzten sei ausschließlich in Russisch erfolgt. Das Arbeitsgericht - so der Kläger - habe deshalb sich nicht ohne eigene Feststellungen den Ausführungen des Bühnenoberschiedsgerichts anschließen dürfen.

Auch die Auslegung der Erklärungen des Klägers gegenüber dem Intendanten, in der das Arbeitsgericht des Bühnenoberschiedsgerichts gefolgt ist, sei nicht mit anerkannten Auslegungsregeln vereinbar. Der Intendant habe zu erkennen gegeben, dass auch der anwesende Ballettdirektor, der als Vorgesetzter an dem Anhörungsgespräch beteiligt gewesen sei, keine Übersetzung der Gründe vornehmen werde.

Er, der Kläger habe auch nicht damit rechnen müssen, dass er selbst einen Dolmetscher stellen müsse, eine Hinzuziehung weiterer Personen als den Sprecher der Sparte oder einen Gewerkschaftsvertreter sehe der Tarifvertrag nicht vor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 26.06.2008 - 6 Ha 28/07 - abzuändern und den Schiedsspruch des Bühnenoberschiedsgerichts - BOSchG 3/07 - vom 27.07.2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Nichtverlängerungsmitteilung vom 19.10.2006 unwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.07.2007 beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und den Spruch des Bühnenoberschiedsgerichts. Sie weist darauf hin, dass der Kläger erstmals im arbeitsgerichtlichen Aufhebungsverfahren bestritten habe, dass er mit dem Ballettdirektor in deutscher Sprache eine Vertragsaufhebung verhandelt habe. Auch verweist die Beklagte darauf, dass sie bereits dargelegt habe, dass die vom Kläger aufgestellte Behauptung, im Ballett sei allein Arbeitssprache Russisch gewesen, völlig absurd sei, da im Ballett 10 Russen, 3 Tschechen, 1 Pole, 3 Japaner, 2 Deutsche, 2 Spanier, 1 Belgier und 1 Italienerin beschäftigt worden seien. Auch seien der Ballettdirektor und der Ballettmeister erst eine Spielzeit nach dem Kläger zum Ballett gekommen. Vorher seien diese Positionen von Deutschen bekleidet gewesen. Auch sei der Ballettdirektor nicht Russe, sondern - unstreitig - Bulgare. Da die Beklagte ein deutsches Staatstheater sei, erfülle sie auch ihre Verpflichtungen aus dem Tarifvertrag in deutscher Sprache.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Bezug genommen wird auch auf den Inhalt der Schiedssprüche des Bühnenschiedsgerichts und des Bühnenoberschiedsgerichts in den Akten der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit, die beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Denn ein Rechts- oder Verfahrensfehler des Bühnenoberschiedsgerichts kann nicht festgestellt werden.

I. Der Kläger hat zunächst Recht mit dem Hinweis, dass nach Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (29.05.1991 AP BGB § 611 Bühnenengagementsvertrag Nr. 43) für die ordnungsgemäße Anhörung vor einer Nichtverlängerungsmitteilung die Angabe der maßgeblichen Gründe für die beabsichtigte Nichtverlängerung erforderlich ist. Insbesondere soll die Anhörung soziale Härten vermeiden helfen und den Intendanten ggfs. zum nochmaligen Überdenken seiner Entscheidung veranlassen. Dieser Sinn und Zweck der Anhörung kann nicht erreicht werden, wenn dem Bühnenmitglied keine Begründung für die beabsichtigte Nichtverlängerung des Engagements gegeben wird. Nur dann, wenn der Theaterunternehmer gezwungen wird, im Rahmen der Anhörung die Gründe für seine Entscheidung dem Bühnenmitglied in nachvollziehbarer Weise nahezubringen, wird er wirklich veranlasst, seine Entscheidung unter Berücksichtigung der vom Bühnenmitglied vorgetragenen Gegenargumente erneut zu überdenken bzw. zu überprüfen. Die Anhörung des Arbeitnehmers bedeutet gleichzeitig, dass der Arbeitgeber eine auf die Person des betroffenen Bühnenmitglieds bezogene, konkrete und nachvollziehbare Begründung für die Nichtverlängerung geben muss.

Dagegen hat die Beklagte nicht verstoßen, als sie das Gespräch beendete.

Hierzu ist aufgrund der Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts unstreitig, dass der Kläger den Termin am 11.10.2006 allein wahrnahm, seitens der Beklagten der Intendant, Herr Prof. O , der Verwaltungsdirektor, Herr D , der Ballettdirektor, Herr I und als Protokollführerin, Frau P anwesend waren.

Der Intendant eröffnete das Gespräch mit der Mitteilung der Absicht zur Nichtverlängerung. Der Kläger wandte ein, dass er schlecht Deutsch verstehe und einen Dolmetscher benötige. Der Intendant erklärte darauf, dass der Kläger selbst einen Dolmetscher hätte stellen müssen, wenn er dieses für nötig erachtet hätte. Darauf wurde das Gespräch beendet.

1. Die Frage, wer in einem Anhörungsgespräch zu einer Nichtverlängerungsmitteilung dann, wenn der Arbeitnehmer nicht über hinreichende deutsche Sprachkenntnisse verfügt, einen Dolmetscher stellen muss, ist - soweit ersichtlich - in der Rechtsprechung noch nicht beantwortet worden.

Das Bühnenoberschiedsgericht hat indes diese Frage dahinstehen lassen und ist zugunsten des Klägers davon ausgegangen, dass ein Arbeitgeber, der einem sprachunkundigen Arbeitnehmer eine arbeitsrechtlich bedeutsame Erklärung zugehen lassen will, dafür Sorge tragen muss, dass dieser die mündliche oder schriftliche Erklärung verstehen kann.

2. Das Bühnenoberschiedsgericht hat zu Recht entschieden, dass aufgrund der besonderen Umstände die Beklagte nicht damit rechnen musste, dass der Kläger einem in deutscher Sprache geführten Anhörungsgespräch aufgrund fehlender Deutschkenntnisse nicht würde folgen können.

Dazu hat das Bühnenoberschiedsgericht als unstreitig festgestellt, dass der Kläger anlässlich einer von ihm beabsichtigten vorzeitigen Vertragsauflösung mit dem Ballettdirektor I sich in Deutsch unterhalten und auch auseinandergesetzt hat sowie auch in Angelegenheiten der Buchhaltung mit der Angestellten Frau P in Deutsch kommuniziert hat. Hinzu kommt, dass unstreitig ist, dass der Kläger sich bereits seit 1997 in Deutschland befindet, d.h. zum Zeitpunkt der Anhörung seit rund 9 Jahren.

Nach diesen Umständen musste die Beklagte nicht damit rechnen, dass der Kläger das Anhörungsgespräch nicht auf Deutsch würde führen können. Sie war daher nicht von sich aus verpflichtet, einen Dolmetscher hinzuzuziehen.

Das Mindeste wäre gewesen, dass der Kläger die Beklagte rechtzeitig vorher darauf hingewiesen hätte, dass er einen Dolmetscher benötige. Dem steht nicht entgegen - wie das Bühnenoberschiedsgericht zu Recht entschieden hat - dass nach den tariflichen Vorschriften und nach dem Einladungsschreiben zum Anhörungsgespräch auf die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Spartensprechers oder Gewerkschaftsvertreters hingewiesen worden ist. Bei diesen Personen handelt es sich um mögliche weitere Gesprächsteilnehmer. Nicht ist damit ausgeschlossen, dass ein Dolmetscher, der nicht Gesprächsteilnehmer ist, anwesend ist. Dieses ist selbstverständlich und es ist kein Grund ersichtlich, warum der Kläger dieses nicht auch so verstanden haben sollte. Zu Recht hat das Bühnenoberschiedsgericht darauf hingewiesen, dass der Kläger tatsächlich auch selbst zu Beginn des Anhörungsgesprächs einen Dolmetscher verlangt hat. Die Obliegenheit des Klägers, aufgrund der genannten Umstände auf die Notwendigkeit eines Dolmetschers im Vorfeld des Gespräches hinzuweisen, ergibt sich insbesondere auch aus den tariflich geregelten Fristen für das Anhörungsgespräch und den besonderen Umständen des Falles:

Die Beklagte war gemäß § 61 Abs. 5 NV-Bühne gehalten, die Anhörung zum Nichtverlängerungstermin spätestens am 16. Oktober stattfinden zu lassen. In der Zeit vom 11.10.2006, zu dem zu dem Anhörungsgespräch geladen war und an dem der Kläger erstmalig einen Dolmetscher verlangte, bis zum 16.10.2006 wäre indes die 5-tägige Einlassungsfrist des § 61 Abs. 4 NV-Bühne nicht mehr zu wahren gewesen.

Nach § 96 Abs. 5 NV-Bühne muss nämlich das Tanzgruppenmitglied spätestens zwei Wochen vor dem 31. Oktober gehört werden. Dieses bedeutet, dass zwischen Anhörung und dem 31. Oktober ein Zeitraum von vollen zwei Wochen liegen muss (vgl. dazu Bolwin/Spohner § 61 NV-Bühne Rn. 64 und BAG 18.02.2003 - 9 AZR 356/02 - AP TzBfG Nr. 1 zu der insoweit vergleichbaren Vorschrift des § 8 Abs. 2 TzBfG). Die Anhörung muss damit spätestens am 16. Oktober stattfinden. Die Einladungsfrist von fünf Tagen vor der Anhörung gemäß § 96 Abs. 4 NV-Bühne bedeutet wiederum, dass die Einladung zur Anhörung nach § 96 Abs. 4 letzter Satz spätestens fünf Tage vor der Anhörung an die dem Arbeitgeber bekannte Adresse abgesandt worden sein muss, wobei wiederum zwischen Absendung und Anhörungsgespräch der volle Zeitraum von fünf Tagen liegen muss (vgl. Bolwin/Spohner a. a. O. Rn. 61 und BAG a. a. O.). Das aber war am 11. Oktober nicht mehr einzuhalten.

Unter diesen Gesichtspunkten hätte der Kläger seine Obliegenheit, die Beklagte über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers zu informieren, rechtzeitig vor dem Gespräch erfüllen müssen. Die Nichterfüllung dieser Obliegenheit kommt - wenn das Gespräch an der Nichthinzuziehung eines Dolmetschers scheiterte - einer Vereitelung des Anhörungsgespräches durch den Arbeitnehmer gleich.

3. Der Kläger hat auch die Feststellungen des Bühnenoberschiedsgerichts zu den tatsächlichen Umständen, nach denen die Beklagte annehmen durfte, der Kläger werde dem Gespräch auf Deutsch folgen können, nicht mit zulässigen Verfahrensrügen im Aufhebungsverfahren angegriffen.

Das Aufhebungsverfahren ist als revisionsrechtliches Verfahren ausgestaltet (vgl. z. B. BAG 12.01.2000 - 7 AZR 925/98). Dabei sind materielle Rechtsfehler gemäß § 110 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG in entsprechender Anwendung des § 557 Abs. 3 S. 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen. Verfahrensfehler indes können, sofern es sich nicht um solche handelt, die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten wären, entsprechend § 557 Abs. 3 S. 2 ZPO nur Beachtung finden, wenn sie in der durch § 551 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO gebotenen Form vorgetragen werden (vgl. BAG a. a. O. zu den insofern inhaltsgleichen früheren Vorschriften der ZPO).

Nach den Entscheidungen des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27.05.1970 (5 AZR 425/69) und des 2. Senats vom 11.03.1982 (2 AZR 233/81) ist die entsprechende Verfahrensrüge bereits in der Aufhebungsklage (also innerhalb der in § 110 Abs. 3 S. 1 ArbGG vorgesehenen Notfrist von zwei Wochen) vorzubringen. Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 12.01.2000 (7 AZR 925/98) ist selbst dann, wenn angesichts der kurzen 2-Wochen-Frist § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO a. F. nicht uneingeschränkt angewendet werden könnte, ein unverzügliches Rügen des Verfahrensmangels nach Erhebung der Aufhebungsklage, jedenfalls innerhalb der Revisionsfrist gemäß § 74 ArbGG, geboten.

Zu den tatsächlichen Feststellungen, dass nämlich der Kläger sowohl mit dem Ballettdirektor Herrn I als auch mit der Buchhaltungsangestellten Frau P in Deutsch kommuniziert habe, hat der Kläger keine durchgreifende Verfahrensrüge in der Aufhebungsklage erhoben.

Was die Feststellung des Bühnenoberschiedsgerichts anbelangt, der Kläger habe anlässlich einer vom ihm beabsichtigten vorzeitigen Vertragsauflösung sich auch mit dem Ballettdirektor in Deutsch unterhalten und auseinandergesetzt, so ist die erhobenen Rüge des Klägers unbegründet.

Zu der Kommunikation mit dem Ballettdirektor hat der Kläger in der Aufhebungsklage Folgendes vorgetragen: Er habe mit dem Ballettdirektor im Rahmen des Arbeitsverhältnisses ausschließlich in Russisch kommuniziert. Auch diese Tatsache habe er im bühnenschiedsgerichtlichen Verfahren ausdrücklich vorgetragen. So u. a. in der Berufungserwiderung vom 03.07.2007 auf Seite 4.

Auf der bezeichneten Seite 4 der Berufungserwiderung im Schiedsverfahren heißt es wie folgt:

"Falsch ist dabei die Behauptung der Beklagten, der Kläger sei der deutschen Sprache mächtig. Der Kläger spricht lediglich ein paar Brocken Deutsch, bei denen keinesfalls von einer im Rahmen einer solchen Anhörung erforderlichen Ausprägung gesprochen werden kann. Ebenso falsch ist die Aussage der Beklagten, dass innerhalb der Proben mit dem Ensemble ausschließlich Deutsch gesprochen werde. Bei den Mitgliedern handelt es sich größtenteils um Personen, die Russisch sprechen. Bereits in einem zuvor zwischen den Beteiligten anhängigen Verfahren wurde vorgetragen und unter Beweis gestellt, dass der Ballettmeister mit den russischsprachigen Ballettmitgliedern Russisch spricht und lediglich mit den deutschsprachigen Mitgliedern Deutsch. Dies beruht auf der Tatsache, dass ansonsten eine Verständigung mit den russischsprachigen Mitgliedern nur sehr schwer möglich wäre. Demzufolge werden fast 80 % der Gespräche in Russisch geführt."

In diesem Absatz geht es darum, in welcher Sprache in den Proben und sonst im Ballett gesprochen wurde. Auch wenn die Behauptung des Klägers zutreffen sollte, dass in den Proben und im Ballett überhaupt in Russisch kommuniziert wurde, so schließt dieses keineswegs aus, dass der Kläger in Einzelgesprächen mit dem Ballettdirektor auf Deutsch kommunizierte. Dieses Vorbringen des Klägers enthält insbesondere kein konkretes Bestreiten des vom Bühnenoberschiedsgericht als unstreitig behandelten Vortrages der Beklagten vor dem Bühnenschiedsgericht (Bl. 17/18 d. A. des Bühnenschiedsgerichts):

"So äußerte der Kläger im Juni 2006 gegenüber dem Ballettdirektor, Herrn I I , dass er beabsichtige die Company zu verlassen, da er ein anderes Angebot habe. Daraufhin kümmerte sich Herr I I umgehend um Ersatz, da so kurz vor Beginn der neuen Spielzeit die Chance auf eine erfolgreiche Suche gering war. Als Herr I Ersatz hatte, verneinte der Kläger auf einmal, dass er die Absicht gehabt habe, die Company zu verlassen. Er hatte aber das ihm vorliegende andere Vertragsangebot Frau P gezeigt und sie gebeten, direkt einen finanziellen Vergleich für ihn zu errechnen. Sie gab ihm die Auskunft, dass er bei dem neuen Angebot seinen tariflichen Bestandsschutz, bedingt durch den ehemaligen Ortszuschlag, verlieren würde und er sich damit schlechter stellen würde. In dem sich daraufhin entwickelnden Konflikt mit dem Ballettdirektor, Herrn I , war Frau P auch bei einer Auseinandersetzung anwesend. Auch diese Auseinandersetzung wurde ausschließlich auf Deutsch geführt."

Das Bühnenoberschiedsgericht hat mangels konkreten Bestreitens des Klägers diesen Vortrag der Beklagten zu Recht als unstreitig bewertet.

Der zitierte Vortrag des Klägers vor dem Bühnenoberschiedsgericht betrifft nämlich nur die Kommunikation innerhalb des des Ensembles und mit dem Ballettmeister, der nach Angaben des Klägers Russe ist. Der bulgarische Ballettdirektor ist an der vom Kläger zitierten Stelle überhaupt nicht angesprochen, sondern nur der russische Ballettmeister. Dass der Kläger mit diesem nur in Russisch gesprochen hat, besagte aus der Sicht der Beklagten nichts über die Deutschkenntnisse des Klägers. Dass der Kläger sich auch mit dem Ballettdirektor, der nach Angaben beider Parteien Bulgare ist, nur auf Russisch verständigt habe, wird weder hier, noch an anderer Stelle im Verfahren vor den Bühnenschiedsgerichten behauptet.

Insbesondere geht der Kläger mit dem zitierten Vortrag überhaupt nicht auf den von der Beklagten berichteten Vorgang im Juni 2006 ein, bei dem nach Vorbringen der Beklagten der Kläger in einem Gespräch, bei dem der Ballettdirektor und die deutsche Verwaltungsangestellte Frau P gemeinsam anwesend waren, ausschließlich Deutsch gesprochen hat. Der Kläger hat zu dem gesamten von der Beklagten dort vorgetragenen Geschehen überhaupt nicht Stellung genommen. Das Bühnenoberschiedsgericht hat dieses daher zu Recht als unstreitig bewertet.

4. Soweit der Kläger in der Aufhebungsklage rügt, dass das Bühnenoberschiedsgericht einen rechtlichen Hinweis unterlassen habe, nach dem der Umfang der Sprachkenntnisse des Klägers maßgebend für seine Entscheidung sei und dass er dann den Umfang seiner Sprachkenntnisse entsprechend unter Beweis hätte stellen können, greift das insoweit ins Leere, als das Bühnenoberschiedsgericht gar nicht auf die tatsächlichen Sprachkenntnisse des Klägers abgestellt hat, sondern allein auf die von ihm als unstreitig und insoweit nicht mit Verfahrensrügen gerügte Feststellung, dass der Kläger sich on Vertragsfragen mit Herrn I in Deutsch unterhalten habe ebenso wie mit Frau P und dass die Beklagte deshalb nicht damit rechnen musste, dass der Kläger aufgrund fehlender Deutschkenntnisse dem Anhörungsgespräch nicht würde folgen können.

II. Auch die Rüge des Klägers hinsichtlich der Auslegung des Verhaltens des Klägers zu Beginn des Anhörungsgespräches greift nicht durch. Das Bühnenoberschiedsgericht hat dieses zum Einen mit dem Inhalt ausgelegt, dass er den anwesenden Ballettdirektor I als - neutralen - Dolmetscher nicht akzeptiere, und zum Anderen, dass er kein Gespräch oder auch nur Information in deutscher Sprache wünsche.

Aufgrund des revisionsähnlichen Verfahrens ist die Auslegung atypischer Erklärungen grundsätzlich Sache der Tatsachengerichte und in der Revision nur in Grenzen nachprüfbar (vgl. z. B. BAG 05.09.2002 AP BGB § 280 n. F. Nr. 1; BAG 24.09.2003 AP InsO § 47 Nr. 1). Es obliegt dem Revisionsgericht und damit auch dem staatlichen Gericht im Aufhebungsverfahren allein zu prüfen, ob bei der Auslegung die Rechtsvorschriften über die Auslegung (§§ 133, 157 BGB) richtig angewandt worden sind, ob der Tatsachenstoff vollständig verwertet und dabei gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen worden ist (vgl. statt vieler Germelmann u. a./Müller-Glöge § 73 ArbGG Rn. 24 m. w. N.).

Die Kammer kann einen Auslegungsfehler des Bühnenoberschiedsgerichts nach diesen Maßstäben nicht erkennen.

Dies gilt zunächst für die Feststellung, dass der Kläger ein Gespräch auf Deutsch nicht führen wollte. Es gibt keinen Sinn, auf die schlechten Deutschkenntnisse zu verweisen und zu erklären, man "benötige" einen Dolmetscher, wenn man das Gespräch gleichwohl auf Deutsch führen will. Der Kläger gab damit zum Ausdruck, dass er auf Deutsch gegebene Informationen in dem Anhörungsgespräch nicht ohne Dolmetscher verstehe. Die Beklagte war nicht gehalten - wie sie es formuliert - "für die Galerie" gleichwohl dem Kläger die Nichtverlängerungsgründe auf Deutsch zu erläutern.

Die Kammer kann auch keinen Auslegungsfehler erkennen, was die Ablehnung des Ballettdirektors I als Dolmetscher anbelangt. Der Ballettdirektor I war anwesend. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass der Ballettdirektor fließend Russisch spreche. Die Erklärung des Klägers, er "benötige einen Dolmetscher", war angesichts der Anwesenheit des Ballettdirektors I dann als nächstliegende Variante möglicher Auslegungen dahingehend zu verstehen, dass der anwesende Ballettdirektor I nicht als Dolmetscher akzeptiert wurde. Die Kammer kann einen revisibelen Auslegungsfehler jedenfalls nicht erkennen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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