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Beginn der Entscheidung

Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 09.09.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 325/05
Rechtsgebiete: ZPO, ArbGG


Vorschriften:

ZPO § 301
ZPO § 538
ArbGG § 64
ArbGG § 68
1) Entscheidet das Arbeitsgericht in einem Teilurteil über eine Frage oder Vorfrage, die sich vor der Entscheidung über den nicht entschiedenen Teil erneut stellt, so ist - soweit es sich nicht um eine abstrakte Rechtsfrage handelt - das Teilurteil unzulässig (im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH und des BAG).

2) Wird gegen ein solches Teilurteil Berufung eingelegt, so ist auch ohne Antrag einer Partei das Teilurteil aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen. Es darf keine Sachentscheidung des Berufungsgerichts ergehen.


Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.11.2004 - 17 Ca 2530/04 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.

Über die Kosten der Berufungsinstanz ist vom Arbeitsgericht mitzuentscheiden.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um einen Prämienanspruch des Klägers für drei Verbesserungsvorschläge. Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Urteil über den ersten Verbesserungsvorschlag entschieden und dem Kläger die Prämie zugesprochen. Im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG wegen des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils mit der Maßgabe Bezug genommen, dass der Beschluss der Bewertungskommission vom 21.11.2002 dem Kläger von dem Personalleiter, Herrn Stormanns, am 22.11.2002 mündlich mitgeteilt wurde.

Wegen der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf Bl. 89 ff. d. A. Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 08.02.2005 zugestellte Urteil am 01.03.2005 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 09.05.2005 am 09.05.2005 begründet. Die Beklagte verfolgt im Wesentlichen ihre Rechtsansicht weiter, dass die Prämienberechtigung nicht allein den Beschluss der Bewertungskommission voraussetze, sondern auch die Durchführung des Verbesserungsvorschlages, was sich aus § 3 und § 6 Ziffer 2, 3 b, 5 und 6 der Gesamtbetriebsvereinbarung BVW ergebe. Auch sei eine schriftliche Benachrichtigung Voraussetzung, die in keinem der vom Kläger benannten Verbesserungsvorschläge erfolgt sei. Die Zuständigkeit der Bewertungskommission erstrecke sich nur auf die Höhe der zuzuerkennenden Prämie. Nicht werde damit aber schon die Prämienberechtigung begründet. Dem entspreche es, dass die Auszahlung der Prämie entsprechend der praktischen Übung nicht mit dem Abschluss des Verfahrens der Bewertungskommission, sondern frühestens mit der schriftlichen Benachrichtigung erfolge. Dieses ergebe sich auch aus den hierfür vorgesehenen Formularen (Bl. 152 d. A.).

Hinsichtlich des zweitinstanzlich streitigen Verbesserungsvorschlages habe nach Einreichung des Verbesserungsvorschlages - was als solches unstreitig ist - ein kleiner Feldtest stattgefunden. Dabei - so die Beklagte - habe es negative Hinweise sowohl bei den Tonerkartuschen als auch bei den Patronen für den Tintenstrahldrucker dergestalt gegeben, dass sich bereits nach dreißig Druckseiten ein schlechtes Druckbild gezeigt habe. Auch müsse berücksichtigt werden, dass bereits ab dem Jahr 2003 der europäische Einsatz eines "Image Utility Model" vorgesehen sei. Danach würden alle Netzwerkdrucker, Kopierer und Faxmaschinen durch neue Geräte ersetzt. Innerhalb dieses Programms würden auch persönliche Drucker entfernt und durch gemeinschaftliche Drucker ersetzt. Die Geräte würden von dem Lieferanten nur noch geleast und nur die Druckkosten in Form eines Preises pro Seite bezahlt. Die Bestellung der Verbrauchsmaterialien wie Tinte und Toner sei Sache des Vertragspartners. Das Programm sei ab 2003 in einem Werk in E zum Einsatz gekommen und werde zur Zeit in D eingeführt.

Schließlich weist die Beklagte daraufhin, dass sie schon erstinstanzlich versehentlich hinsichtlich des Vorschlages über das Patronenrecycling - tatsächlich aber bezogen auf den Verbesserungsvorschlag Nr. 1 vorgetragen habe, dass die Beklagte bereits seit 1995 Alternativtoner der Firma B eingesetzt habe.

Die Beklagte beantragt,

1. das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 02.11.2004 - 17 Ca 2530/04 - wird abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er betont erneut seine Rechtsansicht, dass die Bewertungskommission abschließend über den Verbesserungsvorschlag und dessen Prämierung entscheide. Die Bewertungskommission sei der letzte Schritt in einer langen internen Bearbeitungskette. Mit ihrer Entscheidung finde die innerbetriebliche Bewertung ihr Ende. Dieses sei insbesondere aus § 7 "Reklamation" der Betriebsvereinbarung ersichtlich. Der Arbeitgeber habe gegen die Entscheidung der Bewertungskommission kein weiteres "Rechtsmittel". Die Entscheidung sei mithin für den Arbeitgeber abschließend.

Das Fehlen einer schriftlichen Benachrichtigung als Grundlage für das Fehlen einer Anspruchsgrundlage anzusehen, sei lediglich bloße Förmelei.

Sollte die Arbeitgeberin nochmals eine Kontrollmöglichkeit haben, würde dies der Betriebsvereinbarung widersprechen und dazu führen, dass eine "Blockade" von Verbesserungsvorschlägen durch den Arbeitgeber erfolgen könne. Dementsprechend komme es auch nur auf die möglichen Einsparungen an. Die Arbeitgeberin - so der Kläger - hätte nach ihren eigenen Berechnungen bis zur Einführung des neuen Druckerkonzeptes im Jahre 2005 über 600.000,00 € einsparen können. Auch habe die Arbeitgeberin seinerzeit 50 verschiedene Druckerpatronentypen verwendet. Nur zwei davon, nämlich die der Firma B seien wiedergefüllt worden, die übrigen nicht. Der Vorschlag des Klägers - so dieser - beziehe sich auf alle übrigen 48 bei der Arbeitgeberin verwendeten Produkte.

Soweit schließlich die Betriebsvereinbarung regele, dass die Zahlung einer Prämie nach Durchführung des Verbesserungsvorschlages erfolge, so sei dies so zu verstehen, dass ein Verbesserungsvorschlag, der von der Bewertungskommission als Prämie berechtigt anerkannt worden sei, zur Auszahlung gelange, weil der in der Gesamtbetriebsvereinbarung beschriebene Weg für den Verbesserungsvorschlag durchgeführt worden sei. Über die Formulierung "nach Durchführung des Verbesserungsvorschlags" gebe es für den Arbeitgeber keine weitere Möglichkeit, durch Verzögerung der Einführung des Verbesserungsvorschlages, der von der Kommission grundsätzlich positiv bewertet worden sei, eine Eingriffsmöglichkeit in die Arbeit der Kommission zu bekommen.

Schließlich verweist der Kläger auf das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.01.2004 - 9 AZR 393/03 -, woraus sich ergebe, dass getroffene Mehrheitsentscheidungen einer paritätischen betrieblichen Kommission nur auf grobe Unrichtigkeiten überprüfbar seien.

Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten führte zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung, denn ein Teil-Urteil war unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshof, der sich das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 23.03.2005 - 4 AZR 243/04 - angeschlossen hat (Nachweise zur Rechtsprechung des BGH in diesem Urteil) darf nach § 301 ZPO ein Teilurteil nur dann erlassen werden, wenn die Entscheidung durch das über den Rest ergehende Schlussurteil unter keinen Umständen mehr berührt werden kann, so dass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, auch durch das Rechtsmittelgericht ausgeschlossen ist. Widersprüchlichkeit meint dabei keinen Rechtskraftkonflikt, sondern umfasst bereits Fälle der Präjudizialität, d. h. die Entscheidung des verbliebenen Rechtsstreits darf nicht eine Vorfrage für den entscheidungsreifen Teilstreit umfassen. Die Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht immer dann, wenn das Teilurteil eine Frage entscheidet, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über die anderen - noch nicht im Teilurteil beschiedenen Ansprüche - noch einmal stellt (BAG a. a. O.). Davon zu unterscheiden ist lediglich der Fall, dass im weiteren Teil nur dieselbe - abstrakte - Rechtsfrage noch einmal zu entscheiden ist (vgl. BGH 28.11.2003 - BGHZ 157, 133 ff. - dort ging es um eine für zwei verschiedene Kaufverträge relevante abstrakte Rechtsfrage).

Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 23.03.2005 ein Teilurteil für unzulässig erklärt, wenn sämtliche in einer Klage per objektiver Klagehäufung geltend gemachten Ansprüche von der zwischen den Parteien streitigen Frage abhängig sind, ob ein bestimmter Lohntarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar ist, seine Anwendbarkeit also Voraussetzung für die Begründetheit aller Ansprüche ist. Die Zulässigkeit eines Teilurteil - so das Bundesarbeitsgericht - ließe sich nur dann begründen, wenn aufgrund des Akteninhalts unzweifelhaft feststünde, dass die weiteren, vom Kläger geltend gemachten Ansprüche, auch bei Anwendbarkeit des Tarifvertrages auf sein Arbeitsverhältnis in jedem Fall unbegründet wären.

Nach diesen Maßgaben war das Teilurteil unzulässig. Die Parteien streiten nämlich bei allen drei Verbesserungsvorschläge darüber, ob die Gesamtbetriebsvereinbarung so auszulegen ist, dass allein die - als solche unstreitig vorliegende - Entscheidung der Bewertungskommission auch ohne schriftliche Mitteilung den Anspruch begründet, ohne dass dem Arbeitgeber noch irgendwelche Einwendungen hinsichtlich des Prämienanspruchs zustünden. Diese Rechtsauffassung folgert der Kläger im Wesentlichen aus § 4 D und aus § 7 der Betriebsvereinbarung. Der Kläger vertritt zusammengefasst die Auffassung, dass mit der Entscheidung der Bewertungskommission das Verfahren unternehmensseitig abgeschlossen war und die Auszahlung mit der nächsten Gehaltsüberweisung hätte vorgenommen werden müssen (Bl. 9 d. A.).

Demgegenüber wendet die Beklagte im Wesentlichen ein, die Kommission habe nur über die Höhe der Prämien zu entscheiden, zusätzlich seien zwei weitere Voraussetzungen für den Prämienanspruch erforderlich, nämlich die Durchführung des Verbesserungsvorschlages (vgl. insbesondere die Berufungsbegründung) und die schriftliche Benachrichtigung über den Prämienanspruch (vgl. insbesondere die erstinstanzliche Argumentation der Beklagten, z. B. Bl. 42 d. A.). Im Ergebnis ist die Beklagte der Auffassung, die Ansprüche scheiterten schon daran, dass eine schriftliche Benachrichtigung über den jeweiligen möglichen Prämienanspruch nicht vorliege. Danach könne das Verfahren als solches auch nicht als abgeschlossen gelten (Bl. 42 d. A.).

Die Gesamtbetriebsvereinbarung ist insoweit in der Tat auslegungsbedürftig.

Wenn die Auslegung in dem Sinne des Klägers ausfiele, bestünde der Anspruch auf die Prämien für alle drei Verbesserungsvorschläge. Fiele sie hingegen im Sinne der Beklagten aus, so scheiterten die Ansprüche bereits sämtlich an dem Erfordernis der schriftlichen Benachrichtigung.

Alle drei Ansprüche hängen damit von einer gemeinsamen zu klärenden Vorfrage ab. Ein Teilurteil war nach den Maßgaben der Entscheidung des Bundesarbeitsgericht unzulässig.

Dieser Fall führt notwendigerweise zur Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG. Da nicht ein Fall des Mangels des Verfahrens (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) vorliegt, greift § 68 ArbGG nicht ein (vgl. auch statt vieler Germelmann u. a. § 68 Rn. 20 a, 20 b).

Eines Antrags der Parteien bedarf es in diesem Fall nicht (§ 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Es konnte auch keine eigene Sachentscheidung ergehen, da der Mangel nicht behebbar war. Aus der zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.03.2005 ergibt sich schon, dass die dortigen Maßgaben auch für das Rechtsmittelgericht gelten. Dieses folgt daraus, dass das Arbeitsgericht bei einer Sachentscheidung über weiteren Teilansprüche die an die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts in einer Sachentscheidung im vorliegenden Verfahren nicht gebunden wäre.

Die Kostenentscheidung musste aufgrund der Zurückverweisung dem Arbeitsgericht vorbehalten bleiben (vgl. Baumbach/Hartmann ZPO 63. Aufl. § 97 Rn. 75 ff.).

Ende der Entscheidung

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