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Gericht: Landesarbeitsgericht Köln
Urteil verkündet am 12.08.2005
Aktenzeichen: 4 Sa 412/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 611
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.01.2005 - 2 Ca 13902/03 - wird auf Kosten des Beklagetn zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand: Die Parteien streiten um die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 79 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Wegen des genauen Wortlauts der streitigen Abmahnung wird auf Bl. 6 - 11 d.A. Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses ihm am 22.02.2005 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21.03.2005 Berufung eingelegt und diese am 21.04.2005 begründet. Der Beklagte fasst in der Berufungsbegründung sein erstinstanzliches Vorbringen zusammen. Insoweit wird Bl. 159 - 161 d.A. Bezug genommen. Im Übrigen setzt er sich mit rechtlichen Ausführungen, wegen deren auf Bl. 162 - 168 Bezug genommen wird, mit der Auffassung des Arbeitsgerichts auseinander, die Abmahnung sei allein wegen Zeitablaufs inzwischen aus der Personalakte zu entfernen. Der Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.01.2005, Az: 2 Ca 13902/03 abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und weist zudem darauf hin, dass das Abmahnungsschreiben des Beklagten vom 03.01.2003 derart pauschal abgefasst sei, dass sich hieraus für den Kläger nicht ausreichend klar ergebe, woraus die von dem Beklagten gerügte angebliche Etatüberziehung im Einzelnen resultieren solle. Im Übrigen trägt er vor: Der Kläger habe zwar entgeltliche Aufträge gegenüber Dritten auslösen können, aber auch diejenigen Personen, die seit dem Zeitpunkt, zu dem ihm die Etatberechtigung entzogen worden sei, die Etatberechtigung inne hätten, erhebliche Überziehungen für das Jahr 2004 herbeigeführt hätten, ohne dass dies die Leitung des Beklagten zu stören scheine. Der Beklagte differenziere unzulässigerweise danach, welchem Mitarbeiter aus einer Etatüberziehung ein zur Abmahnung führender Vorwurf gemacht werde. Dies sei vor dem Hintergrund zu bewerten, dass die Überziehung des Einzeletats bei dem Beklagten systemimmanent angelegt sei, weil den jeweiligen Mitarbeitern mit Etatberechtigung gar keine Mittel zur Verfügung stünden, um die Inanspruchnahme des jeweiligen Etats zeitnah zu überprüfen. Zudem könne bei der Auslösung eines Auftrages nach den abgeschlossenen Rahmenverträgen nicht immer abgesehen werden, welche Kosten sich daraus ergäben. Ihm, dem Kläger, sei auch zu Beginn des Jahres 2001 die genaue Höhe seines von der Redaktionsleitung festgelegten Etats nicht bekannt gewesen. Er habe im fraglichen Zeitraum über keinerlei Kontrollmittel verfügt, um die Inanspruchnahme des Etats, die sich unter Anwendung der von der Beklagten für verschiedene Hörfunkprogramme abgeschlossenen Rahmenverträge ergebe, zeitnah überprüfen zu können. Dementsprechend sehe auch sein Arbeitsvertrag keine besondere Verpflichtung zur Etatüberwachung vor. Die Etatüberwachung habe vielmehr der Redaktionsleitung der Pressestelle oblegen. Auch habe der Kläger bereits vorprozessual Falschbuchungen in der Größenordnung von 20.000 EUR nachgewiesen, die von dem Beklagten bislang in keiner Weise berücksichtigt worden seien. Vor diesem Hintergrund sei jedenfalls die Höhe der Etatüberziehung streitig. Bestritten bleibe auch, dass er, der Kläger, nach dem schriftlichen Hinweis des Beklagten vom 13.11.2001 CD's in erheblichem Umfang ohne Absprache mit seinem Vorgesetzten habe produzieren lassen. Soweit in der Folge überhaupt noch CD-Produktionen veranlasst worden seien, sei dies jeweils abgesprochen gewesen und die Produktion ausdrücklich bestätigt gewesen. Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen diesen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Entscheidungsgründe: Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist im Ergebnis zutreffend. I. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Abmahnung aus der Personalakte bereits dann zu entfernen ist, wenn sie mehrere Vorwürfe enthält und sich im Prozess auch nur einer davon als unhaltbar erweist (vgl. z.B. BAG, 13.03.1991 - 5 AZR 133/90, AP Nr. 5 zu § 611 BGB Abmahnung). II. Ebenfalls bereits angeschnitten hat das Arbeitsgericht, dass eine Abmahnung die gerügte Pflichtverletzung hinreichend genau bezeichnen muss. Genauso wie unrichtige Tatsachenbehauptungen sind in einer Abmahnung enthaltene pauschale Vorwürfe, die weder hinreichend genaue zeitliche Angaben noch Einzelheiten und Umstände der angesprochenen Vorfälle enthalten, dazu geeignet, den Arbeitnehmer in ungerechtfertigter Weise in seinem beruflichen Fortkommen zu behindern. Eine Abmahnung ist deshalb bereits dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn die darin enthaltenen Vorwürfe teilweise pauschal und undifferenziert sind (LAG Baden Württemberg, 17. Oktober 1990 - 12 Sa 98/89 - LAGE § 611 Abmahnung Nr. 25; zu entsprechenden Bestimmtheitsanforderungen bei Abmahnungen in anderen Rechtsgebieten vgl. z.B. Amtsgericht Neukölln, 12.10.1995 - 4 C 503/94 - MM 1996, 82, wonach das Bestimmtheitserfordernis für eine Abmahnung des Vermieters es u.a. erfordert, dass in dem Abmahnschreiben angegeben ist, wann das behauptete vertragswidrige Verhalten des Mieters stattgefunden haben soll; vgl. ferner OLG Stuttgart, 08.02.1984 - 2 W 87/83 - WRP 1984, 439, wonach eine wettbewerbsrechtlich ausreichende Abmahnung nicht vorliegt, wenn das Abmahnschreiben die konkrete Verletzungshandlung zu weit verallgemeinert). Das Bestimmtheitserfordernis begründet sich gerade aus der von der Beklagten in der Berufungsbegründung zu Recht hervorgehobenen Dokumentationsfunktion der zu den Personalakten genommenen Abmahnung. Es besteht bei Verallgemeinerungen die Gefahr, dass, wenn solche Unterlagen bei der Personalakte verbleiben, die nur einen unzureichend präzisierten Sachverhalt wiedergeben, diese sich zu einem späteren Zeitpunkt sich in die Qualität einer Beurteilung oder eines Zeugnisses oder für eine Kündigung niederschlagen, ohne dass der nur pauschal angegebene bzw. bewertete Sachverhalt präzise dokumentiert wäre. Auch die Warnfunktion der Abmahnung wird nicht erfüllt, wenn dem Arbeitnehmer nicht eindeutig vor Augen geführt wird, welche konkrete Handlung arbeitsvertragswidrig sei. Schließlich kann der Arbeitnehmer bei nur pauschalen Vorwürfen von seinem Recht auf Gegendarstellung nicht oder nur unzureichend Gebrauch machen. III. Nach diesen Maßgaben erweist sich die Abmahnung an mehreren Stellen als zu unbestimmt: 1. So wird gleich zu Anfang der Abmahnung dem Kläger vorgeworden, er habe "ohne vorherige Zustimmung mit Herrn O im Jahre 2001 ... vielfach Einzelpositionen verausgabt, was zu einer deutlichen Überziehung des Etats 2001 führte". Bereits das Arbeitsgericht hat diesen Punkt hervorgehoben. In der Tat werden die jeweiligen Einzelpositionen, die lediglich mit "vielfach" umschrieben werden, in der Abmahnung nicht weiter präzisiert. 2. Auf der zweiten Seite der Abmahnung wird dem Kläger vorgeworfen, obwohl Frau H ihn "in mehreren Gesprächen" vor Abschluss der neuen Rahmenverträge im April aufgefordert habe, mit der in diesen Bereichen tätigen Agentur T wie sonst brachenüblich projektbezogen abzurechnen, habe er "weiterhin" entgegen dieser Weisung hohe pauschale Monatshonorare abgerechnet. Dem Kläger wird weiter vorgeworfen, monatlich rund 100.000 EUR ausgegeben zu haben "ohne dass sie nachweisen konnten, welche Tätigkeiten, Projekte und Dienstleistungen diese außerordentliche hohe Summe rechtfertigen". Obwohl der Vorwurf gerade dahin lautet, von Frau H "in mehreren Gesprächen" entsprechende Aufforderungen erhalten zu haben, werden bereits diese Gespräche nicht präzisiert. Ebenso unpräzise verhält sich der Vorwurf zu den Ausgaben. Nicht eine Ausgabe wird konkret benannt, obwohl dem Kläger vorgeworfen wird, dass er nicht habe nachweisen können, welche Tätigkeiten, Projekte und Dienstleistungen "diese außerordentliche hohe Summe" rechtfertigten. 3. Ebenso unpräzise ist der Vorwurf zu den CD-Produktionen. Während es heißt (Seite 2 der Abmahnung), der Kläger sei im weiteren Verlauf von Frau H ermächtigt worden, geringe Produktionen bis zu 2 CD's auch ohne Absprache mit ihr durchzuführen, lautet der Vorwurf: Ungeachtet dessen habe der Kläger "auch weiterhin" das externe Tonstudio 1 a "für umfangreichere CD-Produktionen" beauftragt, ohne dies mit Frau H abzusprechen. Zwar wird ein Beispiel (Rechnung Nr. 9597/2002) genannt, dieses kann aber nicht den im Plural gemachten Vorwurf "umfangreichere CD-Produktionen" und erst recht nicht den weiteren Satz konkretisieren, der lautet: "Nachforschungen ergaben, dass noch weitere von ihnen abgezeichnete Rechnungen über umfangreiche CD-Produktionen existieren." 4. Schließlich wird dem Kläger (Seite 5 der Abmahnung) vorgeworfen, er habe "nicht ständig" überprüft, "ob sinnvolle und notwendige Leistungen erbracht und abgerechnet wurden". Auch dieser Vorwurf ist unpräzise. Es wird nicht eine Leistung genau benannt, die den Vorwurf der "nicht ständigen" Überprüfung gerechtfertigt sein ließe, ob "sinnvolle und notwendige Leistungen erbracht und abgerechnet wurden". 5. Auf derselben Seite wird dem Kläger ferner vorgeworfen, er habe "bei zu hohen Kosten Aufträge nicht erteilen" müssen. Auch hier sind weder die Aufträge genannt, die nach Auffassung des Beklagten zu hohe Kosten verursachten, noch sind die kritisierten Kosten präzisiert. IV. War die Abmahnung schon aus diesem Grunde aus den Personalakten zu entfernen, so wird der Entfernungsanspruch noch durch Weiteres gestützt: Die Abmahnung enthält den Vorwurf, der Kläger habe, "als das Geld nicht reichte - die Etathöhe eigenmächtig nach oben korrigiert". Dieser Vorwurf ist nicht begründet. Der Vorwurf legt bei unbefangenem Lesen nahe, dass der Kläger in irgendeiner Weise die für die Etatfestlegung relevanten Dokumente verändert hat. Sofern der Beklagte sich mit diesem Vorwurf möglicherweise auf den im Prozess erhobenen Vorwurf beziehen sollte, der Kläger habe in Kenntnis der von ihm zu verantwortenden Etatüberschreitungen versucht, die betroffenen Programme zu einer Etataufstockung zu veranlassen, und dabei auf das Schreiben des Wellenleiters des W 5, Herrn W S vom 06.06.2002 Bezug nimmt, in dem es heißt: "Nunmehr teilte Herr K vor einigen Tagen mit, dass per Stand Ende Mai bereits mehr als 2/3 des Jahresetats verbraucht seien. Wir müssten uns um eine entsprechende Aufstockung der Mittel kümmern, da bei der Pressestelle keine Reserven vorhanden seien", so rechtfertigt der Versuch, seitens des W 5 eine Etataufstockung zu erhalten, jedenfalls nicht den Tatvorwurf, "die Etathöhe eigenmächtig nach oben korrigiert" zu haben. V. Nach dem Vorbringen des Beklagten ist auch letztlich auch nicht feststellbar, dass einer der Hauptvorwürfe der Abmahnung, nämlich der Satz "für W 5 und Funkhaus E waren 190.000 DM eingeplant, verausgabt wurden von Ihnen 300.000 DM, für W 3 waren 180.000 DM eingeplant, verausgabt wurden von Ihnen 210.000 DM" inhaltlich gerechtfertigt ist. Der Kläger hat die dort vorgeworfene Höhe der durch ihn veranlassten Etatüberziehung bestritten. Abgesehen davon, dass es überhaupt keine substantiierte Darlegung seitens des Beklagten gegeben hat, welche genauen Einzelausgaben der Kläger im Jahre 2001 in welcher Höhe veranlasst hat, hat der Kläger zudem vorgetragen, er habe bereits vorprozessual Falschbuchungen in der Größenordnung von 20.000 EUR nachgewiesen, so dass vor diesem Hintergrund die Höhe der Etatüberziehung streitig sei. Der Beklagte hat dazu lediglich vorgetragen (Bl. 59 d.A.): Auch der Hinweis auf mögliche Fehlbuchungen sei unerheblich. Selbst wenn es sich um eine Fehlbuchung gehandelt haben sollte - dies einmal unterstellt - handele es sich lediglich um 1/5 des für die Welle W 5 und Funkhaus E vom Kläger überzogenen Betrages. Eingeplant gewesen seien wie dargestellt im Etat 190.000 DM, verausgabt worden seien 300.000 DM.

Der Beklagte hat damit nicht bestritten, dass Fehlbuchungen in dem Betrag von 300.000 DM einbezogen seien. Damit aber ist der Vorwurf insoweit fehlerhaft, als in der Abmahnung dem Kläger vorgeworfen wurde: "Verausgabt wurden von Ihnen 300.000 DM".

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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